41996A1023(02)

Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über die Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union - Gemeinsame Erklärung zum Asylrecht - Erklärung Dänemarks, Finnlands und Schwedens zu Artikel 7 des Übereinkommens - Erklärung zum Begriff "Staatsangehörige" - Erklärung Griechenlands zu Artikel 5 - Erklärung Portugals betreffend die Auslieferung in Fällen, in denen die dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegende strafbare Handlung mit einer lebenslangen Strafe oder Maßregel der Sicherung und Besserung bedroht ist - Erklärung des Rates zu den Folgemaßnahmen

Amtsblatt Nr. C 313 vom 23/10/1996 S. 0012 - 0023


ÜBEREINKOMMEN aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über die Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union

DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN dieses Übereinkommens, die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind -

UNTER BEZUGNAHME auf den Rechtsakt des Rates der Europäischen Union vom 27. September 1996,

IN DEM WUNSCH, die strafrechtliche Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten sowohl bei der Strafverfolgung als auch bei der Strafvollstreckung zu verbessern,

IN ANERKENNUNG der Bedeutung der Auslieferung im Bereich der justitiellen Zusammenarbeit für die Verwirklichung dieser Ziele,

IN ANBETRACHT DER TATSACHE, daß die Mitgliedstaaten ein gemeinsames Interesse daran haben sicherzustellen, daß die Auslieferungsverfahren effizient und rasch durchgeführt werden, soweit ihre Regierungssysteme auf demokratischen Prinzipien basieren und soweit sie die Verpflichtungen einhalten, die in der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten niedergelegt sind,

IM VERTRAUEN auf die Struktur und die Funktionsweise ihrer Rechtssysteme und die Fähigkeit aller Mitgliedstaaten, ein faires Verfahren zu gewährleisten,

UNTER BERÜCKSICHTIGUNG des vom Rat mit Rechtsakt vom 10. März 1995 ausgearbeiteten Übereinkommens über das vereinfachte Auslieferungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union,

IN ANBETRACHT DESSEN, daß zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein Übereinkommen zur Ergänzung des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 und der anderen einschlägigen Übereinkommen geschlossen werden sollte,

IN DER ERWAEGUNG, daß die Bestimmungen dieser Übereinkommen für alle Fragen, die nicht in dem vorliegenden Übereinkommen geregelt sind, weitergelten -

SIND WIE FOLGT ÜBEREINGEKOMMEN:

Artikel 1

Allgemeine Bestimmungen

(1) Zweck dieses Übereinkommens ist es, folgende Bestimmungen zu ergänzen und ihre Anwendung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu erleichtern:

- Europäisches Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 (nachstehend Europäisches Auslieferungsübereinkommen genannt),

- Europäisches Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Januar 1977 (nachstehend Europäisches Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus genannt),

- Übereinkommen vom 19. Juni 1990 zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten, die Partei dieses Übereinkommens sind,

- Kapitel I des Übereinkommens vom 27. Juni 1962 zwischen dem Königreich Belgien, dem Großherzogtum Luxemburg und dem Königreich der Niederlande über die Auslieferung und Rechtshilfe in Strafsachen, geändert durch das Protokoll vom 11. Mai 1974 (nachstehend Benelux-Übereinkommen genannt) in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten der Benelux-Wirtschaftsunion.

(2) Absatz 1 berührt weder die Anwendung günstigerer Bestimmungen der zwischen Mitgliedstaaten geschlossenen bilateralen oder multilateralen Übereinkünfte noch, wie dies in Artikel 28 Absatz 3 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vorgesehen ist, die Auslieferungsvereinbarungen aufgrund einheitlicher oder wechselseitiger Rechtsvorschriften, wonach im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats Haftbefehle zu vollstrecken sind, die im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats erlassen worden sind.

Artikel 2

Auslieferungsfähige Handlungen

(1) Ausgeliefert wird wegen Handlungen, die nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaats mit einer Freiheitsstrafe oder einer die Freiheit beschränkenden Maßregel der Sicherung und Besserung im Hoechstmaß von mindestens zwölf Monaten und nach dem Recht des ersuchten Mitgliedstaats ist einer Freiheitsstrafe oder einer die Freiheit beschränkenden Maßregel der Sicherung und Besserung im Hoechstmaß von mindestens sechs Monaten bedroht sind.

(2) Die Auslieferung darf nicht mit der Begründung abgelehnt werden, daß das Recht des ersuchten Mitgliedstaats nicht dieselbe Art der die Freiheit beschränkenden Maßregel der Sicherung und Besserung wie das Recht des ersuchenden Mitgliedstaats vorsieht.

(3) Artikel 2 Absatz 2 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens und Artikel 2 Absatz 2 des Benelux-Übereinkommens finden auch Anwendung, wenn bestimmte Handlungen mit Geldstrafe bedroht sind.

Artikel 3

Verabredung einer strafbaren Handlung und Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung

(1) Erfuellt die dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegende Handlung nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaats den Straftatbestand der Verabredung einer strafbaren Handlung oder der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung und ist sie mit einer Freiheitsstrafe oder einer die Freiheit beschränkenden Maßregel der Sicherung und Besserung im Hoechstmaß von mindestens zwölf Monaten bedroht, so darf die Auslieferung nicht mit der Begründung abgelehnt werden, daß diese Handlung nach dem Recht des ersuchten Mitgliedstaats keinen Straftatbestand darstellt, sofern die Verabredung einer strafbaren Handlung oder die Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung mit dem Ziel erfolgt sind,

a) eine oder mehrere strafbare Handlungen nach den Artikeln 1 und 2 des Europäischen Übereinkommens zur Bekämpfung des Terrorismus

oder

b) jede andere mit einer Freiheitsstrafe oder einer die Freiheit beschränkenden Maßregel der Sicherung und Besserung im Hoechstmaß von mindestens zwölf Monaten bedrohte strafbare Handlung auf dem Gebiet des unerlaubten Verkehrs mit Suchtstoffen und anderer Formen der organisierten Kriminalität oder anderer Gewalttaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder Freiheit einer Person oder Gewalttaten, die zu einer Gemeingefahr für Personen führen,

zu begehen.

(2) Bei der Feststellung, ob die Verabredung einer strafbaren Handlung oder die Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung mit dem Ziel erfolgt sind, einer der in Absatz 1 Buchstabe a) oder b) genannten strafbaren Handlungen zu begehen, berücksichtigt der ersuchte Mitgliedstaat die Informationen, die im Haftbefehl oder in einer Urkunde mit gleicher Rechtswirkung oder in dem Urteil enthalten sind, das gegen die Person, deren Auslieferung beantragt wird, ergangen ist, sowie die Informationen in der Darstellung der Handlungen nach Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe b) des Europäischen Auslieferungsübereinkommens oder Artikel 11 Absatz 2 Buchstabe b) des Benelux-Übereinkommens.

(3) Jeder Mitgliedstaat kann im Rahmen der Notifizierung nach Artikel 18 Absatz 2 erklären, daß er sich das Recht vorbehält, Absatz 1 nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen anzuwenden.

(4) Jeder Mitgliedstaat, der einen Vorbehalt nach Absatz 3 eingelegt hat, sieht als auslieferungsfähige Handlung im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 das Verhalten einer Person an, die zur Begehung einer oder mehrerer mit einer Freiheitsstrafe oder einer die Freiheit beschränkenden Maßregel der Sicherung und Besserung im Hoechstmaß von mindestens zwölf Monaten bedrohter strafbarer Handlungen durch eine mit einem gemeinsamen Ziel handelnde Gruppe von Personen auf dem Gebiet des Terrorismus nach den Artikeln 1 und 2 des Europäischen Übereinkommens zur Bekämpfung des Terrorismus, auf dem Gebiet des unerlaubten Verkehrs mit Suchtstoffen und anderer Formen der organisierten Kriminalität oder auf dem Gebiet von anderen Gewalttaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder Freiheit einer Person oder Gewalttaten, die zu einer Gemeingefahr für Personen führen, beiträgt, auch wenn die betreffende Person sich nicht an der eigentlichen Ausführung der betreffenden strafbaren Handlung oder strafbaren Handlungen beteiligt; ein derartiger Beitrag muß vorsätzlich und entweder in Kenntnis des Ziels und der allgemeinen kriminellen Tätigkeit der Gruppe oder in Kenntnis des Vorsatzes der Gruppe, die betreffende strafbare Handlung oder die betreffenden strafbaren Handlungen zu begehen, geleistet werden.

Artikel 4

Anordnung des Freiheitsentzugs an einem anderen Ort als einer Haftanstalt

Die Auslieferung zum Zweck der Strafverfolgung darf nicht mit der Begründung abgelehnt werden, daß dem Ersuchen gemäß Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe a) des Europäischen Auslieferungsübereinkommens oder Artikel 11 Absatz 2 Buchstabe a) des Benelux-Übereinkommens eine Anordnung der Justizbehörden des ersuchenden Mitgliedstaats beigefügt wurde, den Freiheitsentzug an einem anderen Ort als einer Haftanstalt vorzunehmen.

Artikel 5

Politische strafbare Handlungen

(1) Für die Zwecke der Anwendung dieses Übereinkommens wird keine strafbare Handlung vom ersuchten Mitgliedstaat als politische strafbare Handlung, als eine mit einer solchen zusammenhängende strafbare Handlung oder als eine auf politischen Beweggründen beruhende strafbare Handlung angesehen.

(2) Jeder Mitgliedstaat kann im Rahmen der Notifizierung nach Artikel 18 Absatz 2 erklären, daß er Absatz 1 nur im Zusammenhang mit

a) strafbaren Handlungen nach den Artikeln 1 und 2 des Europäischen Übereinkommens zur Bekämpfung des Terrorismus

und

b) den Straftatbestand der Verabredung einer strafbaren Handlung oder der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung erfuellenden Handlungen, die dem in Artikel 3 Absatz 4 beschriebenen Verhalten entsprechen und die darauf gerichtet sind, eine oder mehrere strafbare Handlungen nach den Artikeln 1 und 2 des Europäischen Übereinkommens zur Bekämpfung des Terrorismus zu begehen,

anwendet.

(3) Artikel 3 Absatz 2 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens und Artikel 5 des Europäischen Übereinkommens zur Bekämpfung des Terrorismus bleiben unberührt.

(4) Vorbehalte nach Artikel 13 des Europäischen Übereinkommens zur Bekämpfung des Terrorismus gelten nicht für die Auslieferung zwischen Mitgliedstaaten.

Artikel 6

Fiskalische strafbare Handlungen

(1) In Abgaben-, Steuer-, Zoll- und Devisenstrafsachen wird die Auslieferung nach Maßgabe dieses Übereinkommens, des Europäischen Auslieferungsübereinkommens und des Benelux-Übereinkommens auch wegen Handlungen bewilligt, die nach dem Recht des ersuchten Mitgliedstaats einer strafbaren Handlung derselben Art entsprechen.

(2) Die Auslieferung darf nicht mit der Begründung abgelehnt werden, daß das Recht des ersuchten Mitgliedstaats nicht dieselbe Art von Abgaben oder Steuern oder keine Abgaben-, Steuer-, Zoll- und Devisenbestimmungen derselben Art wie das Recht des ersuchenden Mitgliedstaats vorsieht.

(3) Jeder Mitgliedstaat kann im Rahmen der Notifizierung nach Artikel 18 Absatz 2 erklären, daß er die Auslieferung wegen fiskalischer strafbarer Handlungen nur wegen Handlungen bewilligt, die strafbare Handlungen auf dem Gebiet der Verbrauchsteuern, der Mehrwertsteuer oder des Zolls darstellen können.

Artikel 7

Auslieferung eigener Staatsangehöriger

(1) Die Auslieferung darf nicht mit der Begründung abgelehnt werden, daß die Person, um deren Auslieferung ersucht wird, Staatsangehöriger des ersuchten Mitgliedstaats im Sinne von Artikel 6 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens ist.

(2) Jeder Mitgliedstaat kann im Rahmen der Notifizierung nach Artikel 18 Absatz 2 erklären, daß er die Auslieferung eigener Staatsangehöriger nicht bewilligt oder nur unter bestimmten von ihm spezifizierten Bedingungen zuläßt.

(3) Vorbehalte nach Absatz 2 haben eine Geltungsdauer von fünf Jahren ab dem ersten Tag der Anwendung dieses Übereinkommens durch den betreffenden Mitgliedstaat. Sie können jedoch um weitere Fünfjahreszeiträume verlängert werden.

Zwölf Monate vor Ablauf der Geltungsdauer des Vorbehalts übermittelt der Verwahrer dem betreffenden Mitgliedstaat eine entsprechende Mitteilung.

Der Mitgliedstaat notifiziert dem Verwahrer spätestens drei Monate vor Ablauf jedes Fünfjahreszeitraums, daß er seinen Vorbehalt aufrechterhält, daß er ihn im Hinblick auf eine Erleichterung der Auslieferungsbedingungen ändert oder daß er ihn aufhebt.

Unterbleibt die Notifizierung nach Unterabsatz 3, so teilt der Verwahrer dem betreffenden Mitgliedstaat mit, daß die Geltungsdauer seines Vorbehalts sich automatisch um einen Zeitraum von sechs Monaten verlängert, vor dessen Ablauf er die Notifizierung vornehmen muß. Nach Ablauf dieser Frist wird der Vorbehalt ungültig, wenn keine Notifizierung erfolgt ist.

Artikel 8

Verjährung

(1) Die Auslieferung darf nicht mit der Begründung abgelehnt werden, daß die Strafverfolgung oder die Strafvollstreckung nach den Rechtsvorschriften des ersuchten Mitgliedstaats verjährt ist.

(2) Der ersuchte Mitgliedstaat kann von der Anwendung des Absatzes 1 absehen, wenn dem Auslieferungsersuchen Handlungen zugrunde liegen, hinsichtlich deren nach seinem eigenen Strafrecht Gerichtsbarkeit bestand.

Artikel 9

Amnestie

Die Auslieferung wird nicht bewilligt wegen einer strafbaren Handlung, die im ersuchten Mitgliedstaat unter eine Amnestie fällt und für deren Verfolgung dieser Mitgliedstaat nach seinem eigenen Strafrecht zuständig war.

Artikel 10

Handlungen, die nicht dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegen

(1) Für Handlungen, die vor der Übergabe begangen wurden und die nicht dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegen, kann die ausgelieferte Person, ohne daß die Zustimmung des ersuchten Mitgliedstaats erforderlich ist,

a) verfolgt oder abgeurteilt werden, wenn die Handlungen nicht mit einer Freiheitsstrafe oder einer die Freiheit beschränkenden Maßregel der Sicherung und Besserung bedroht sind;

b) verfolgt oder abgeurteilt werden, sofern die Strafverfolgung nicht zur Anwendung einer die persönliche Freiheit beschränkenden Maßnahme führt;

c) der Vollstreckung einer Strafe oder Maßregel der Sicherung und Besserung ohne Freiheitsentzug, einschließlich einer Geldstrafe bzw. einer vermögensrechtlichen Maßnahme oder der an deren Stelle tretenden Maßnahme unterzogen werden, selbst wenn diese die persönliche Freiheit einschränken kann;

d) verfolgt, abgeurteilt, im Hinblick auf die Vollstreckung einer Strafe oder einer Maßregel der Sicherung und Besserung in Haft genommen oder anderen Beschränkungen ihrer persönlichen Freiheit unterzogen werden, wenn sie nach ihrer Übergabe ausdrücklich auf die Anwendung des Grundsatzes der Spezialität in bezug auf bestimmte vor der Übergabe begangene Handlungen verzichtet.

(2) Die Verzichterklärung der ausgelieferten Person nach Absatz 1 Buchstabe d) wird vor den zuständigen Justizbehörden des ersuchenden Mitgliedstaats abgegeben und nach dessen innerstaatlichem Recht zu Protokoll genommen.

(3) Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, daß die Verzichterklärung nach Absatz 1 Buchstabe d) unter Bedingungen eingeholt wird, aus denen hervorgeht, daß die Person sie freiwillig und in voller Kenntnis der daraus resultierenden Folgen abgegeben hat. Zu diesem Zweck hat die ausgelieferte Person das Recht, einen Rechtsbeistand hinzuzuziehen.

(4) Hat der ersuchte Mitgliedstaat eine Erklärung nach Artikel 6 Absatz 3 abgegeben, so findet Absatz 1 Buchstaben a), b) und c) auf andere als die in Artikel 6 Absatz 3 genannten fiskalischen strafbaren Handlungen keine Anwendung.

Artikel 11

Annahme der Zustimmung des ersuchten Mitgliedstaats

Jeder Mitgliedstaat kann im Rahmen der Notifizierung nach Artikel 18 Absatz 2 oder zu jedem anderen Zeitpunkt erklären, daß in seinen Beziehungen zu allen anderen Mitgliedstaaten, die die gleiche Erklärung abgegeben haben, die Zustimmung gemäß Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe a) des Europäischen Auslieferungsübereinkommens und Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe a) des Benelux-Übereinkommens als erteilt anzusehen ist, sofern er nicht anläßlich der Bewilligung der Auslieferung in einem Einzelfall etwas anderes mitteilt.

Hat der Mitgliedstaat in einem Einzelfall mitgeteilt, daß die Zustimmung nicht als erteilt anzusehen ist, so ist Artikel 10 Absatz 1 weiterhin anwendbar.

Artikel 12

Weiterlieferung an einen anderen Mitgliedstaat

(1) Artikel 15 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens und Artikel 14 Absatz 1 des Benelux-Übereinkommens finden auf Ersuchen um Weiterlieferung von einem Mitgliedstaat an einen anderen keine Anwendung.

(2) Jeder Mitgliedstaat kann im Rahmen der Notifizierung nach Artikel 18 Absatz 2 erklären, daß Artikel 15 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens und Artikel 14 Absatz 1 des Benelux-Übereinkommens weiterhin anwendbar sind, es sei denn, daß Artikel 13 des Übereinkommens über das vereinfachte Auslieferungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (1) etwas anderes bestimmt oder daß die betreffende Person ihrer Weiterlieferung an einen anderen Mitgliedstaat zustimmt.

Artikel 13

Zentrale Behörde und Übermittlung von Unterlagen per Fernkopie

(1) Jeder Mitgliedstaat benennt eine zentrale Behörde oder, sofern es seine Verfassung vorsieht, mehrere zentrale Behörden, die beauftragt sind, die Auslieferungsersuchen und die erforderlichen Beweisunterlagen sowie alle sonstige offizielle Korrespondenz im Zusammenhang mit Auslieferungsersuchen zu übermitteln und in Empfang zu nehmen, sofern in anderen Bestimmungen dieses Übereinkommens nichts anderes vorgesehen ist.

(2) Im Rahmen der Notifizierung nach Artikel 18 Absatz 2 teilt jeder Mitgliedstaat mit, welche Behörde oder Behörden er nach Absatz 1 benannt hat. Er teilt dem Verwahrer ferner alle Änderungen in bezug auf diese Benennung mit.

(3) Das Auslieferungsersuchen und die in Absatz 1 genannten Unterlagen können als Fernkopie übermittelt werden. Jede zentrale Behörde verfügt über ein entsprechendes Gerät, um die Übermittlung und den Empfang dieser Unterlagen auf diesem Wege sicherzustellen, und trägt für dessen korrekten Betrieb Sorge.

(4) Um sowohl den Ursprung als auch die Vertraulichkeit der Übertragung zu gewährleisten, wird an den Fernkopierer der zentralen Behörde ein Kodierungsgerät angeschlossen, wenn der Fernkopierer für die Zwecke dieses Artikels benutzt wird.

Die Mitgliedstaaten stimmen sich untereinander über die praktischen Bestimmungen zur Durchführung dieses Artikels ab.

(5) Um die Echtheit der Auslieferungsunterlagen zu gewährleisten, erklärt die zentrale Behörde des ersuchenden Mitgliedstaats in ihrem Auslieferungsersuchen, daß sie die Übereinstimmung der zu diesem Ersuchen übermittelten Beweisunterlagen mit den Originalen bescheinigt, und gibt eine Beschreibung von deren Paginierung. Wird diese Übereinstimmung von dem ersuchten Mitgliedstaat angefochten, so kann seine zentrale Behörde von der zentralen Behörde des ersuchenden Mitgliedstaats verlangen, daß diese innerhalb einer angemessenen Frist Originalunterlagen oder gleichlautende Abschriften auf diplomatischem Wege oder auf jedem sonstigen, einvernehmlich vereinbarten Wege vorlegt.

Artikel 14

Ergänzung der Unterlagen

Jeder Mitgliedstaat kann im Rahmen der Notifizierung nach Artikel 18 Absatz 2 oder zu jedem anderen Zeitpunkt erklären, daß in seinen Beziehungen zu anderen Mitgliedstaaten, die die gleiche Erklärung abgegeben haben, die Justizbehörden oder anderen zuständigen Behörden dieser anderen Mitgliedstaaten seine Justizbehörden oder anderen zuständigen Behörden, die für das gegen die auszuliefernde Person geführte Strafverfahren zuständig sind, gegebenenfalls unmittelbar um die in Artikel 13 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens und in Artikel 12 des Benelux-Übereinkommens vorgesehene Ergänzung der Unterlagen ersuchen können.

Bei der Abgabe dieser Erklärung teilt der Mitgliedstaat mit, welche Justizbehörden oder anderen zuständigen Behörden bei ihm für die Anforderung, die Übermittlung und die Entgegennahme dieser ergänzenden Unterlagen zuständig sind.

Artikel 15

Beglaubigung

Für die Zwecke der Auslieferung übermittelte Unterlagen oder Abschriften von Unterlagen bedürfen nur dann der Beglaubigung oder anderer Förmlichkeiten, wenn dies in diesem Übereinkommen, im Europäischen Auslieferungsübereinkommen oder im Benelux-Übereinkommen ausdrücklich vorgesehen ist. Im letztgenannten Fall werden die Abschriften von Unterlagen als beglaubigt angesehen, wenn die Justizbehörden, die die Urschrift ausgestellt haben, oder die zentrale Behörde nach Artikel 13 die Richtigkeit der Abschrift bescheinigt haben.

Artikel 16

Durchlieferung

Für die Durchlieferung im Sinne von Artikel 21 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens und von Artikel 21 des Benelux-Übereinkommens durch das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats in einen anderen Mitgliedstaat gelten folgende Bestimmungen:

a) das Durchlieferungsersuchen muß ausreichende Informationen enthalten, damit der Durchlieferungsmitgliedstaat das Ersuchen beurteilen und gegenüber der ausgelieferten Person die für die Durchführung der Durchlieferung erforderlichen Zwangsmaßnahmen treffen kann.

Zu diesem Zweck reichen folgende Informationen aus:

- die Identität der ausgelieferten Person,

- das Bestehen eines Haftbefehls oder einer Urkunde mit gleicher Rechtswirkung oder eines rechtskräftigen Urteils,

- die Art und die rechtliche Würdigung der strafbaren Handlung,

- die Beschreibung der Umstände, unter denen die strafbare Handlung begangen wurde, einschließlich der Zeit und des Ortes.

b) Das Durchlieferungsersuchen und die Informationen nach Buchstabe a) können dem Durchlieferungsmitgliedstaat durch jedes Nachrichtenmittel, das Schriftspuren hinterläßt, übermittelt werden. Der Durchlieferungsmitgliedstaat kann seine Entscheidung auf demselben Weg mitteilen.

c) Wenn es bei Benutzung des Luftwegs ohne planmäßige Zwischenlandung zu einer außerplanmäßigen Landung kommt, übermittelt der ersuchende Mitgliedstaat dem betreffenden Durchlieferungsmitgliedstaat die Informationen nach Buchstabe a).

d) Vorbehaltlich der einschlägigen Bestimmungen dieses Übereinkommens, insbesondere der Artikel 3, 5 und 7, finden Artikel 21 Absätze 1, 2, 5 und 6 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens sowie Artikel 21 Absatz 1 des Benelux-Übereinkommens weiterhin Anwendung.

Artikel 17

Vorbehalte

Gegen dieses Übereinkommen können nur diejenigen Vorbehalte eingelegt werden, die in diesem Übereinkommen ausdrücklich vorgesehen sind.

Artikel 18

Inkrafttreten

(1) Dieses Übereinkommen bedarf der Annahme durch die Mitgliedstaaten gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften.

(2) Die Mitgliedstaaten notifizieren dem Generalsekretär des Rates der Europäischen Union den Abschluß der Verfahren, die nach ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften zur Annahme dieses Übereinkommens erforderlich sind.

(3) Dieses Übereinkommen tritt neunzig Tage nach der Notifizierung nach Absatz 2 durch den Staat, der zum Zeitpunkt der Annahme des Rechtsakts über die Ausarbeitung dieses Übereinkommens durch den Rat Mitglied der Europäischen Union ist und diese Förmlichkeit als letzter vornimmt, in Kraft.

(4) Jeder Mitgliedstaat kann bis zum Inkrafttreten dieses Übereinkommens im Rahmen der Notifizierung nach Absatz 2 oder zu jedem anderen Zeitpunkt erklären, daß dieses Übereinkommen für ihn gegenüber den Mitgliedstaaten, die eine Erklärung gleichen Inhalts abgegeben haben, anwendbar wird. Diese Erklärungen werden neunzig Tage nach ihrer Hinterlegung wirksam.

(5) Dieses Übereinkommen gilt nur für Ersuchen, die nach dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens oder des Beginns der Anwendung in den Beziehungen zwischen dem ersuchten und dem ersuchenden Mitgliedstaat vorgelegt werden.

Artikel 19

Beitritt neuer Mitgliedstaaten

(1) Dieses Übereinkommen steht allen Staaten, die Mitglied der Europäischen Union werden, zum Beitritt offen.

(2) Der Wortlaut des Übereinkommens, der vom Rat der Europäischen Union in der Sprache des beitretenden Mitgliedstaats erstellt wird, ist verbindlich.

(3) Die Beitrittsurkunden werden beim Verwahrer hinterlegt.

(4) Dieses Übereinkommen tritt für jeden Staat, der ihm beitritt, neunzig Tage nach der Hinterlegung seiner Beitrittsurkunde oder aber zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Übereinkommens in Kraft, wenn dieses bei Ablauf des genannten Neunzig-Tage-Zeitraums noch nicht in Kraft getreten ist.

(5) Ist dieses Übereinkommen zum Zeitpunkt der Hinterlegung der Beitrittsurkunde noch nicht in Kraft getreten, so ist Artikel 18 Absatz 4 auf die beitretenden Mitgliedstaaten anwendbar.

Artikel 20

Verwahrer

(1) Der Generalsekretär des Rates der Europäischen Union ist Verwahrer dieses Übereinkommens.

(2) Der Verwahrer veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften den Stand der Annahmen und Beitritte, die Erklärungen und die Vorbehalte sowie alle sonstigen Notifizierungen im Zusammenhang mit diesem Übereinkommen.

Zu Urkund dessen haben die unterzeichneten Bevollmächtigten ihre Unterschrift unter dieses Übereinkommen gesetzt.

Geschehen in einer Urschrift in dänischer, deutscher, englischer, finnischer, französischer, griechischer, irischer, italienischer, niederländischer, portugiesischer, schwedischer und spanischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist; die Urschrift wird im Archiv des Generalsekretariats des Rates der Europäischen Union hinterlegt. Der Generalsekretär übermittelt jedem Mitgliedstaat eine beglaubigte Abschrift.

Pour le gouvernement du Royaume de Belgique

Voor de Regering van het Koninkrijk België

Für die Regierung des Königreichs Belgien

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For regeringen for Kongeriget Danmark

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Für die Regierung der Bundesrepublik Deutschland

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Ãéá ôçí ÊõâÝñíçóç ôçò ÅëëçíéêÞò Äçìïêñáôßáò

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Por el Gobierno del Reino de España

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Pour le gouvernement de la République française

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Thar ceann Rialtas na hÉireann

For the Government of Ireland

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Per il Governo della Repubblica italiana

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Pour le gouvernement du Grand-Duché de Luxembourg

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Voor de Regering van het Koninkrijk der Nederlanden

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Für die Regierung der Republik Österreich

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Pelo Governo da República Portuguesa

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Suomen hallituksen puolesta

På finska regeringens vägnar

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På svenska regeringens vägnar

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For the Government of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland

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(1) ABl. Nr. C 78 vom 30. 3. 1995, S. 1.

ANHANG

Gemeinsame Erklärung zum Asylrecht

Die Mitgliedstaaten erklären, daß dieses Übereinkommen das Asylrecht, wie es durch ihre jeweiligen Verfassungen anerkannt ist, sowie die Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, ergänzt durch das Übereinkommen vom 28. September 1954 über die Rechtsstellung der Staatenlosen und durch das Protokoll vom 31. Januar 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, durch diese Mitgliedstaaten unberührt läßt.

Erklärung Dänemarks, Finnlands und Schwedens zu Artikel 7 des Übereinkommens

Dänemark, Finnland und Schweden bekräftigen, daß sie - wie im Laufe der Verhandlungen über ihren Beitritt zu den Schengener Übereinkommen mitgeteilt - ihre Erklärungen nach Artikel 6 Absatz 1 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens gegenüber den anderen Mitgliedstaaten, die eine Gleichbehandlung sicherstellen, nicht als Grund für die Verweigerung der Auslieferung von Staatsangehörigen nichtnordischer Staaten geltend machen werden.

Erklärung zum Begriff "Staatsangehörige"

Der Rat nimmt zur Kenntnis, daß die Mitgliedstaaten sich verpflichten, das Übereinkommen des Europarates vom 21. März 1983 über die Überstellung verurteilter Personen auf die Staatsangehörigen der einzelnen Mitgliedstaaten im Sinne des Artikels 3 Absatz 4 des genannten Übereinkommens anzuwenden.

Die in Absatz 1 genannte Verpflichtung der Mitgliedstaaten wird unbeschadet der Anwendung des Artikels 7 Absatz 2 des vorliegenden Übereinkommens eingegangen.

Erklärung Griechenlands zu Artikel 5

Griechenland legt Artikel 5 unter dem Blickwinkel von dessen Absatz 3 aus. Bei dieser Auslegungsweise wird die Einhaltung der Bestimmungen der griechischen Verfassung gewährleistet, welche

- die Auslieferung eines Ausländers, der wegen seines Einsatzes für die Freiheit verfolgt wird, ausdrücklich verbieten

und

- zwischen politischen und sogenannten gemischten strafbaren Handlungen unterscheiden, für die eine andere Regelung als für politische strafbare Handlungen gilt.

Erklärung Portugals betreffend die Auslieferung in Fällen, in denen die dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegende strafbare Handlung mit einer lebenslangen Strafe oder Maßregel der Sicherung und Besserung bedroht ist

Portugal, das einen Vorbehalt zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen von 1957 eingelegt hat, wonach es die Auslieferung in Fällen, in denen die dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegende strafbare Handlung mit einer lebenslangen Strafe oder Maßregel der Sicherung und Besserung bedroht ist, nicht bewilligt, erklärt, daß es die Auslieferung wegen einer strafbaren Handlung, die mit einer derartigen Strafe oder Maßregel der Sicherung und Besserung bedroht ist, unter Berücksichtigung der einschlägigen Bestimmungen der portugiesischen Verfassung in der Auslegung durch das portugiesische Verfassungsgericht nur dann bewilligt, wenn es die von dem ersuchenden Mitgliedstaat gegebenen Zusicherungen für ausreichend erachtet, wonach dieser nach seinen Rechtsvorschriften und gemäß seiner Strafvollstreckungspraxis alle Vollstreckungserleichterungen fördert, die zugunsten der auszuliefernden Person vorgesehen werden können.

Portugal bekräftigt die Gültigkeit oder Verpflichtungen, die es im Rahmen der geltenden internationalen Übereinkünfte, denen es angehört, und insbesondere im Rahmen des Artikels 5 des Übereinkommens über den Beitritt Portugals zum Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen eingegangen ist.

Erklärung des Rates zu den Folgemaßnahmen

Der Rat erklärt,

a) daß er es für zweckmäßig hält,

- die Umsetzung dieses Übereinkommens,

- das Funktionieren dieses Übereinkommens nach dessen Inkrafttreten,

- die Befugnis der Mitgliedstaaten, die im Rahmen dieses Übereinkommens eingelegten Vorbehalte im Hinblick auf eine Erleichterung der Auslieferungsbedingungen zu ändern oder sie aufzuheben,

- das Funktionieren der Auslieferungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten in genereller Hinsicht

anhand der von den Mitgliedstaaten erhaltenen Informationen regelmäßig zu überprüfen;

b) daß er ein Jahr nach Inkrafttreten des Übereinkommens die Frage einer Übertragung der Zuständigkeit auf den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften prüfen wird.