24.1.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 15/1


DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) 2022/89 DER KOMMISSION

vom 21. Januar 2022

mit Durchführungsbestimmungen zur Richtlinie (EU) 2019/883 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Methode zur Berechnung der ausreichenden spezifischen Lagerkapazität

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Richtlinie (EU) 2019/883 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über Hafenauffangeinrichtungen für die Entladung von Abfällen von Schiffen, zur Änderung der Richtlinie 2010/65/EU und zur Aufhebung der Richtlinie 2000/59/EG (1), insbesondere Artikel 7 Absatz 4 Unterabsatz 2,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Artikel 7 Absatz 4 Buchstaben a und b der Richtlinie (EU) 2019/883 sieht eine Ausnahme von der allgemeinen Verpflichtung zur Entladung aller an Bord mitgeführten Abfälle im Anlaufhafen für Schiffe vor, auf denen ausreichend spezielle Lagerkapazität für alle bisher angefallenen und während der beabsichtigten Fahrt des Schiffes bis zum nächsten Anlaufhafen noch anfallenden Abfälle vorhanden ist.

(2)

Durch Anwendung der in dieser Verordnung festgelegten Berechnungsmethode sollten die Mitgliedstaaten die Ausnahmen von der allgemeinen Verpflichtung zur Entladung aller an Bord mitgeführten Abfälle aufgrund des Vorhandenseins ausreichenden Lagerraums auf harmonisierte Weise umsetzen können.

(3)

Die Berechnungsmethode sollte nicht auf die Entsorgung von Abfällen gemäß Anlage II des Internationalen Übereinkommens zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (im Folgenden „MARPOL-Übereinkommen“) angewendet werden. Wie in Anlage II zum MARPOL-Übereinkommen dargelegt, ist die Entsorgung von Abfällen durch das MARPOL-Übereinkommen geregelt; die betreffenden Abfälle müssen entweder in dem Hafen, in dem die Ladung gelöscht wird, vor dem Einladen neuer Ladung entladen werden oder können unter bestimmten Bedingungen auf See eingeleitet werden. Je nach Stoff müssen Ladungsrückstände, die in Anlage II zum MARPOL-Übereinkommen genannt sind, vorbehaltlich der in den Regeln 13 und 16 der genannten Anlage festgelegten Vorkehrungen und Überwachungsmaßnahmen vor dem Auslaufen entladen werden. In Anlage II zum MARPOL-Übereinkommen genannte Ladungsrückstände, die Stoffe der Gruppe X, persistente aufschwimmende Stoffe der Gruppe Y und Stoffe der Gruppe Y hoher Viskosität oder erstarrende Stoffe der Gruppe Y enthalten, müssen vorgewaschen und in einer Hafenauffangeinrichtung gemäß den Regeln 13 und 16 der Anlage II zum MARPOL-Übereinkommen entladen werden.

(4)

Die Berechnungsmethode sollte nicht auf passiv gefischte Abfälle angewendet werden. Es ist nicht immer eine spezifische Lagerkapazität für diese Art von Abfällen an Bord vorhanden, und Anreize zur Entladung aller passiv gefischten Abfälle werden durch das Kostendeckungssystem gemäß Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe d der Richtlinie (EU) 2019/883 geschaffen.

(5)

Um einheitliche Bedingungen für die Anwendung der Befreiungen von der Verpflichtung zur Entladung von Abfällen gemäß Artikel 7 Absatz 4 Buchstaben a und b der Richtlinie (EU) 2019/883 zu gewährleisten, müssen die Mitgliedstaaten eine harmonisierte Methode anwenden. Gemäß der Richtlinie (EU) 2019/883 erlassene Durchführungsrechtsakte sollten daher in Form von Durchführungsverordnungen erlassen werden.

(6)

Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Ausschusses für die Sicherheit im Seeverkehr und die Vermeidung von Umweltverschmutzung durch Schiffe —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

(1)   Die Mitgliedstaaten berechnen die ausreichende spezifische Lagerkapazität für die Anwendung von Artikel 7 Absatz 4 Buchstaben a und b und Artikel 9 der Richtlinie (EU) 2019/883 nach der Methode in Anhang I dieser Verordnung.

(2)   Für die Zwecke der Überprüfung der Angaben gemäß Anhang 2 der Richtlinie (EU) 2019/883 tragen die Mitgliedstaaten bei ihren Schätzungen für das Aufkommen der verschiedenen Arten von Abfall den in Anhang II dieser Verordnung festgelegten Abfallaufkommensquoten Rechnung.

(3)   Neben den in Anhang II dieser Verordnung festgelegten Abfallaufkommensquoten können die Mitgliedstaaten bei ihren Schätzungen für das Aufkommen der verschiedenen Arten von Abfall an Bord eines oder beide der folgenden Kriterien heranziehen:

a)

historische Aufzeichnungen über angefallene Abfälle auf der Grundlage der für das betreffende Schiff vorliegenden Formulare für die Voranmeldung von Abfällen und Abfallabgabebescheinigungen;

b)

Überprüfungen an Bord, durch die Informationen über frühere Abfallaufkommensquoten, Einzelheiten zur Abfallbewirtschaftung an Bord sowie geräte- oder handelsgebietsspezifische Informationen erlangt werden, die Auswirkungen auf die tatsächliche Abfallaufkommensquote haben.

Artikel 2

Die Methode zur Berechnung der ausreichenden spezifischen Lagerkapazität gemäß Anhang I dieser Verordnung gilt nicht für folgende Abfallarten:

a)

Abfallarten gemäß Anlage II zum MARPOL-Übereinkommen;

b)

passiv gefischte Abfälle.

Artikel 3

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Brüssel, den 21. Januar 2022

Für die Kommission

Die Präsidentin

Ursula VON DER LEYEN


(1)  ABl. L 151 vom 7.6.2019, S. 116.


ANHANG I

Methode zur Berechnung der ausreichenden spezifischen Lagerkapazität

1.

Bei der Methode werden die geschätzten Mengen der an Bord verbleibenden Abfälle rechnerisch zur maximalen Lagerkapazität ins Verhältnis gesetzt.

2.

Die genutzte Abfallkapazität (Used Waste Capacity, UWC), die zum Zeitpunkt der Übermittlung der Voranmeldung von Abfällen an den Anlaufhafen geschätzt und als Prozentsatz der maximalen Lagerkapazität angegeben wird, darf einen vorab festgelegten Schwellenwert nicht überschreiten.

3.

Die UWC wird nach folgender Formel berechnet:

Image 1

4.

Die UWC erfüllt folgende Bedingung:

UWC (%) < Schwellenwert

Dabei gilt:

A ist die geschätzte Menge der Abfallart, die zum Zeitpunkt des Auslaufens aus dem Anlaufhafen an Bord verbleibt (ausgedrückt in m3);

M ist die maximale Lagerkapazität (ausgedrückt in m3);

Der Schwellenwert ist der in Tabelle 1 angegebene Wert für die entsprechende Abfallart und den nächsten Anlaufhafen.

Tabelle 1

Schwellenwerte

Nächster Anlaufhafen

Anlage I zum MARPOL-Übereinkommen

Anlage IV zum MARPOL-Übereinkommen

Anlage V zum MARPOL-Übereinkommen

Anlage VI zum MARPOL-Übereinkommen

Der nächste Anlaufhafen ist ein EU-Hafen oder gehört der „Gruppe der zusätzlichen ausgewählten Häfen“ an.

50 %

50 %

25 %

75 %

Der nächste Anlaufhafen ist kein EU-Hafen und gehört nicht der „Gruppe der zusätzlichen ausgewählten Häfen“ an.

25 %

50 %

20 %

25 %

5.

Für die Zwecke der Anwendung der Berechnungsmethode für die ausreichende spezifische Lagerkapazität für Abfälle gilt Folgendes:

a)

Der Anlaufhafen gemäß dem Formular für die Voranmeldung von Abfällen in Anhang 2 der Richtlinie (EU) 2019/883 ist der Hafen, den das Schiff ansteuert und an den die Voranmeldung von Abfällen gemäß Artikel 6 der Richtlinie (EU) 2019/883 übermittelt wird;

b)

Der nächste Anlaufhafen ist der Hafen, der gemäß Nummer 2.5 des Formulars für die Voranmeldung von Abfällen in Anhang 2 der Richtlinie (EU) 2019/883 nach dem Auslaufen angelaufen wird;

c)

Die in Nummer 3 Spalte 6 „Geschätzte Abfallmenge, die zwischen Meldung und nächstem Anlaufhafen anfällt“ des Formulars für die Voranmeldung von Abfällen in Anhang 2 der Richtlinie (EU) 2019/883 genannte Menge bezieht sich auf die angefallenen Abfälle, die in einer Hafenauffangeinrichtung entsorgt werden sollen. Mengen, die legal ins Meer eingeleitet werden dürfen, werden nicht in den gemeldeten Wert eingerechnet.

6.

Die „Gruppe zusätzlicher ausgewählter Häfen“ umfasst die Häfen, die für die Zwecke der Anwendung der Schwellenwerte in Tabelle 1 als EU-Häfen anzusehen sind. Dieser Gruppe gehören alle Häfen in Island, Norwegen, dem Vereinigten Königreich (einschließlich Isle of Man, Kanalinseln und Gibraltar) sowie die russischen Ostseehäfen an.

7.

Während der ersten beiden Jahre der Anwendung dieser Verordnung kann die nach Absatz 3 dieses Anhangs berechnete UWC als Richtwert für die folgenden Arten von Ladungsrückständen behandelt werden:

a)

Anlage I zum MARPOL-Übereinkommen — Öl Ölhaltiges Tankwaschwasser

b)

Anlage I zum MARPOL-Übereinkommen — Öl Schmutziges Ballastwasser

c)

Anlage V zum MARPOL-Übereinkommen — Schiffsmüll Ladungsrückstände, schädlich für die Meeresumwelt (HME, Harmful to the Marine Environment)

d)

Anlage V zum MARPOL-Übereinkommen — Schiffsmüll Ladungsrückstände, nicht schädlich für die Meeresumwelt (non-HME)


ANHANG II

Tabelle 1

Abfallaufkommensquoten für die Anlagen I, IV und V zum MARPOL-Übereinkommen (1)

Abfallart

Aufkommensquote

Treibende Faktoren

Behandlung an Bord

Ölhaltiges Bilgenwasser

0,01-13 m3 pro Tag, auf größeren Schiffen fallen größere Mengen an.

Kondensation und Leckagen im Maschinenraum; Größe des Schiffs.

Die Menge kann um 65-85 % verringert werden, wenn ein Öl-/Wasserabscheider verwendet und der Wasseranteil ins Meer eingeleitet wird.

Ölhaltige Rückstände (Schlamm)

0,01 bis 0,03 m3 Schlamm pro Tonne HFO.

0 und 0,01 m3 pro Tonne MGO.

Art des Kraftstoffs; Kraftstoffverbrauch.

Durch Verdunstung kann die Schlammmenge um bis zu 75 % verringert werden (2).

Durch Verbrennung kann die Schlammmenge um 99 % oder mehr verringert werden.

Tankwaschwasser (Slops)

20 bis Hunderte m3

Anzahl der Tankreinigungen; Umfang der Ladekapazität.

Nach dem Absetzen kann der Wasseranteil auf See eingeleitet werden.

Schiffsabwasser

0,01 bis 0,06 m3 pro Person und Tag. Schiffsabwasser wird manchmal mit anderen Abwässern vermischt. Die Gesamtmenge reicht von 0,04 bis 0,45 m3 pro Person und Tag.

Anzahl der Personen an Bord; Art der Toiletten; Dauer der Fahrt; Art der Behandlung: Bei Kläranlagen oder Zerkleinerungs- und Desinfektionssystemen ergeben sich unterschiedliche Abfallmengen.

Abwasser aus Kläranlagen wird oft auf See eingeleitet, sofern dies nach Anlage IV zum MARPOL-Übereinkommen zulässig ist.

Kunststoffe

0,001 bis 0,008 m3 Kunststoff pro Person und Tag.

Anzahl der Personen an Bord.

Oft nicht verbrannt.

Verschmutzte Kunststoffe (Kunststoffe, die mit Lebensmitteln in Berührung gekommen sind) werden oft als separate Abfallströme behandelt.

Lebensmittelabfälle

0,001 bis 0,003 m3 pro Person und Tag.

Anzahl der Personen an Bord; Vorräte.

Lebensmittelabfälle werden häufig auf See eingeleitet, sofern dies nach Anlage V des MARPOL-Übereinkommens zulässig ist.

Haushaltsabfälle

0,001 bis 0,02 m3 pro Person und Tag.

Anzahl der Personen an Bord; Art der verwendeten Artikel.

 

Speiseöl

0,01 bis 0,08 l pro Person und Tag.

Anzahl der Personen an Bord; Art der zubereiteten Lebensmittel.

Obwohl verboten, wird Speiseöl zuweilen immer noch in den Schlammtank gegeben.

Asche aus Verbrennungsanlagen

0,004 und 0,06 m3 pro Monat.

Nutzung einer Verbrennungsanlage; Kosten für die Nutzung der Verbrennungsanlage.

Die Verbrennungsanlage wird nicht für alle Abfallarten verwendet, meist für Papier, manchmal für ölhaltige Schlämme.

Betriebsabfälle

0,001 bis 0,1 m3 pro Person und Tag.

Größe des Schiffs; Art der Ladung.

 

Ladungsrückstände

0,001-2 % der Ladung.

Ladungsart.

Größe des Schiffs.

 


Tabelle 2

Abfallaufkommensquoten für Anlage VI zum MARPOL-Übereinkommen (Abgasreinigungssysteme)

Art des Abgasreinigungssystems

Koeffizient

Einheit

Beispiele

(10-MW-Motor oder HFO-Verbrauch 40 t/Tag)

Hersteller 1

Schlammmenge im offenen Kreislauf

0,1

kg/MWh

0,1 × 10 MW × 24 = 24 kg/Tag

Schlammmenge im geschlossenen Kreislauf (DAF — BOTU)

3,5 -7,0

kg/MWh, abhängig von

SFOC, MCR und Kraftstoffqualität

3,5 × 10 MW × 24 = 840 kg/Tag

Schlammmenge im geschlossenen Kreislauf (BOTU-M)

3,0

l/MWh/S %, abhängig von SFOC, MCR und Kraftstoffqualität

3,0 × 10 MW × 24 x S2,5 % = 1800 l/Tag

Hersteller 2

Schlammmenge im geschlossenen Kreislauf

2,5 -3,0

kg/Verbrauch HFO t

2,5 x 40 t/Tag = 100 kg/Tag

HINWEIS: Die im Abgasreinigungssystem anfallende Schlammmenge hängt nicht zuletzt von den Merkmalen der jeweiligen Anlage ab. Daher ist die Bedienungsanleitung des Herstellers für das Abgasreinigungssystem zu beachten. Angaben in den Tabellen wurden von beteiligten Unternehmen bereitgestellt.


(1)  Der EMSA-Studie „The Management of Ship-Generated Waste On-board Ships“ (Behandlung von Schiffsabfällen an Bord), Januar 2017, entnommen.

(2)  Die Verdunstung des Wasseranteils im Ölschlamm ist ein Prozess, der Sorgfalt erfordert und nur bis zur Brennbarkeit des zur Verbrennung bestimmten Schlamms durchgeführt werden sollte.