9.3.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 82/9


BESCHLUSS (GASP) 2022/399 DES RATES

vom 9. März 2022

zur Änderung des Beschlusses 2012/642/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Belarus und der Beteiligung von Belarus an der Aggression Russlands gegen die Ukraine

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union, insbesondere auf Artikel 29,

auf Vorschlag des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Der Rat hat am 15. Oktober 2012 den Beschluss 2012/642/GASP (1) angenommen.

(2)

Am 24. Februar 2022 hat der Präsident der Russischen Föderation eine Militäroperation in der Ukraine angekündigt, und russische Streitkräfte haben einen Angriff auf die Ukraine begonnen, auch aus dem Hoheitsgebiet von Belarus. Dieser Angriff stellt eine eklatante Verletzung der territorialen Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine dar.

(3)

Der Europäische Rat hat in seinen Schlussfolgerungen vom 24. Februar 2022 die grundlose und ungerechtfertigte militärische Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine aufs Schärfste verurteilt. Mit seinen rechtswidrigen militärischen Handlungen verstößt Russland massiv gegen das Völkerrecht und die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und gefährdet die Sicherheit und Stabilität Europas und der Welt. Der Europäische Rat verurteilte auch aufs Schärfste die Beteiligung von Belarus an dieser Aggression gegen die Ukraine und forderte das Land auf, von solchen Handlungen Abstand zu nehmen und seinen internationalen Verpflichtungen nachzukommen. Er rief dazu auf, dringend ein weiteres Paket von gegen Einzelpersonen gerichteten und wirtschaftlichen Sanktionen auszuarbeiten und anzunehmen, das sich auch auf Belarus erstreckt.

(4)

Am 2. März 2022 hat der Rat den Beschluss (GASP) 2022/356 (2) angenommen, mit dem der Titel des Beschlusses 2012/642/GASP geändert und weitere restriktive Maßnahmen als Reaktion auf die Beteiligung von Belarus an der Aggression Russlands gegen die Ukraine ergriffen wurden.

(5)

Angesichts der sehr ernsten Lage und als Reaktion auf die Beteiligung von Belarus an der Aggression Russlands gegen die Ukraine ist es angebracht, weitere restriktive Maßnahmen in Bezug auf den Finanzsektor zu verhängen.

(6)

Insbesondere ist Folgendes angebracht: Verbot der Notierung von Aktien belarussischer Staatsunternehmen an Handelsplätzen der Union und die Erbringung damit zusammenhängender Dienstleistungen; Einschränkung der Kapitalzuflüsse aus Belarus in die Union; Verbot von Transaktionen mit der belarussischen Zentralbank; Einschränkung der Erbringung von spezialisierten Nachrichtenübermittlungsdiensten für den Zahlungsverkehr für bestimmte belarussische Kreditinstitute und deren belarussische Tochterunternehmen. Ferner ist es angebracht, Verpflichtungen für den Netzmanager für die Netzfunktionen des Flugverkehrsmanagements im einheitlichen europäischen Luftraum in Bezug auf das Verbot des Überflugs hinzuzufügen.

(7)

Für die Durchführung bestimmter Maßnahmen ist ein weiteres Tätigwerden der Union erforderlich.

(8)

Der Beschluss 2012/642/GASP sollte daher entsprechend geändert werden —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Der Beschluss 2012/642/GASP wird wie folgt geändert:

1.

Die folgenden Artikel werden eingefügt:

„Artikel 2ha

(1)   Transaktionen im Zusammenhang mit der Verwaltung von Reserven sowie von Vermögenswerten der belarussischen Zentralbank einschließlich Transaktionen mit juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die im Namen oder auf Anweisung der belarussischen Zentralbank handeln, sind verboten.

(2)   Abweichend von Absatz 1 können die zuständigen Behörden eine Transaktion genehmigen, sofern diese zur Gewährleistung der Finanzstabilität der Union insgesamt oder des betroffenen Mitgliedstaats unbedingt erforderlich ist.

(3)   Der betreffende Mitgliedstaat unterrichtet unverzüglich die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission von seiner Absicht, eine Genehmigung nach Absatz 2 zu erteilen.

Artikel 2hb

Ab dem 12. April 2022 ist es verboten, an in der Union registrierten oder anerkannten Handelsplätzen übertragbare Wertpapiere von in Belarus niedergelassenen juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die sich zu über 50 % in öffentlicher Inhaberschaft befinden, zu notieren und Dienstleistungen dafür zu erbringen.“

2.

Artikel 2k erhält folgende Fassung:

„Es ist verboten, wissentlich und vorsätzlich an Tätigkeiten teilzunehmen, die unmittelbar oder mittelbar die Umgehung der in diesem Beschluss festgelegten Verbote bezwecken oder bewirken.“

3.

Folgende Artikel werden eingefügt:

„Artikel 2t

(1)   Es ist verboten, öffentliche Finanzmittel oder Finanzhilfen für den Handel mit Belarus oder für Investitionen in Belarus bereitzustellen.

(2)   Das Verbot gemäß Absatz 1 gilt nicht für

a)

verbindliche Verpflichtungen betreffend die Bereitstellung von Finanzmitteln oder Finanzhilfen, die vor dem 10. März 2022 eingegangen wurden,

b)

die Bereitstellung öffentlicher Finanzmittel oder Finanzhilfen bis zu einem Gesamtwert von 10 000 000 EUR pro Projekt für in der Union niedergelassene kleine und mittlere Unternehmen oder

c)

die Bereitstellung öffentlicher Finanzmittel oder Finanzhilfen für den Handel mit Lebensmitteln sowie für landwirtschaftliche, medizinische oder humanitäre Zwecke.

Artikel 2u

(1)   Es ist verboten, Einlagen von belarussischen Staatsangehörigen oder in Belarus ansässigen natürlichen Personen oder von in Belarus niedergelassenen juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen entgegenzunehmen, wenn der Gesamtwert der Einlagen der natürlichen oder juristischen Person, Organisation oder Einrichtung pro Kreditinstitut 100 000 EUR übersteigt.

(2)   Absatz 1 gilt nicht für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, eines dem Europäischen Wirtschaftsraum angehörenden Landes oder der Schweiz oder für natürliche Personen, die über einen befristeten oder unbefristeten Aufenthaltstitel eines Mitgliedstaats, eines dem Europäischen Wirtschaftsraum angehörenden Landes oder der Schweiz verfügen.

(3)   Absatz 1 gilt nicht für Einlagen, die für den nicht verbotenen grenzüberschreitenden Handel mit Gütern und Dienstleistungen zwischen der Union und Belarus erforderlich sind.

(4)   Abweichend von Absatz 1 können die zuständigen Behörden die Entgegennahme einer solchen Einlage unter ihnen angemessen erscheinenden Bedingungen genehmigen, nachdem sie festgestellt haben, dass die Entgegennahme einer solchen Einlage

a)

zur Deckung der Grundbedürfnisse der in Absatz 1 genannten natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen und ihrer unterhaltsberechtigten Familienangehörigen, unter anderem für die Bezahlung von Nahrungsmitteln, Mieten oder Hypotheken, Medikamenten und medizinischer Behandlung, Steuern, Versicherungsprämien und Gebühren öffentlicher Versorgungseinrichtungen, erforderlich ist,

b)

ausschließlich der Bezahlung angemessener Honorare oder der Rückerstattung von Ausgaben im Zusammenhang mit der Bereitstellung juristischer Dienstleistungen dient,

c)

zur Deckung außerordentlicher Ausgaben erforderlich ist, vorausgesetzt, dass die betreffende zuständige Behörde den zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten und der Kommission mindestens zwei Wochen vor Erteilung der Genehmigung mitgeteilt hat, aus welchen Gründen sie der Auffassung ist, dass eine spezifische Genehmigung erteilt werden sollte, oder

d)

für amtliche Tätigkeiten einer diplomatischen Mission, konsularischen Vertretung oder internationalen Organisation erforderlich ist.

Der betreffende Mitgliedstaat unterrichtet die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission über nach diesem Absatz erteilte Genehmigungen innerhalb von zwei Wochen nach deren Erteilung.

(5)   Abweichend von Absatz 1 können die zuständigen Behörden die Entgegennahme einer solchen Einlage unter ihnen angemessen erscheinenden Bedingungen genehmigen, nachdem sie festgestellt haben, dass die Entgegennahme einer solchen Einlage

a)

für humanitäre Zwecke wie die Durchführung oder die Erleichterung von Hilfsleistungen einschließlich medizinischer Hilfsgüter, Nahrungsmittellieferungen oder den Transport humanitärer Helfer und damit verbundener Hilfe oder für Evakuierungen erforderlich ist oder

b)

für zivilgesellschaftliche Aktivitäten zur direkten Förderung der Demokratie, der Menschenrechte oder der Rechtsstaatlichkeit in Belarus erforderlich ist.

Der betreffende Mitgliedstaat unterrichtet die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission über nach diesem Absatz erteilte Genehmigungen innerhalb von zwei Wochen nach deren Erteilung.

Artikel 2v

(1)   Zentralverwahrern der Union ist es verboten, Dienstleistungen im Sinne des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates (*1) für übertragbare Wertpapiere zu erbringen, die nach dem 12. April 2022 an belarussische Staatsangehörige oder in Belarus ansässige natürliche Personen oder an in Belarus niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen ausgegeben wurden.

(2)   Absatz 1 gilt nicht für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats und für natürliche Personen, die über einen befristeten oder unbefristeten Aufenthaltstitel eines Mitgliedstaats verfügen.

Artikel 2w

(1)   Es ist verboten, auf Euro lautende übertragbare Wertpapiere, die nach dem 12. April 2022 begeben wurden, oder mit einem Engagement hinsichtlich solcher Wertpapiere verbundene Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren an belarussische Staatsangehörige oder in Belarus ansässige natürliche Personen oder an in Belarus niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen zu verkaufen.

(2)   Absatz 1 gilt nicht für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats und für natürliche Personen, die über einen befristeten oder unbefristeten Aufenthaltstitel eines Mitgliedstaats verfügen.

Artikel 2x

(1)   Es ist verboten, auf Euro lautende Banknoten an Belarus oder an natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Belarus — einschließlich der Regierung und der Zentralbank von Belarus — oder zur Verwendung in Belarus zu verkaufen, zu liefern, zu verbringen oder auszuführen.

(2)   Das Verbot gemäß Absatz 1 gilt nicht für den Verkauf, die Lieferung, das Verbringen oder die Ausfuhr von auf Euro lautende Banknoten, sofern dieser Verkauf, diese Lieferung, dieses Verbringen oder diese Ausfuhr erforderlich ist für

a)

den persönlichen Gebrauch natürlicher Personen, die nach Belarus reisen, oder von deren mitreisenden unmittelbaren Familienangehörigen oder

b)

amtliche Tätigkeiten diplomatischer Missionen, konsularischer Vertretungen oder internationaler Organisationen in Belarus, die nach dem Völkerrecht Immunität genießen.

Artikel 2y

Ab dem 20. März 2022 ist es verboten, für die in Anhang V aufgeführten juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen oder für in Belarus niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, deren Anteile zu über 50 % unmittelbar oder mittelbar von einer der in Anhang V aufgeführten Einrichtungen gehalten werden, spezialisierte Nachrichtenübermittlungsdienste für den Zahlungsverkehr zu erbringen, die für den Austausch von Finanzdaten verwendet werden.

(*1)  Verordnung (EU) Nr. 909/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 1).“"

4.

Folgender Artikel wird eingefügt:

„Artikel 2ab

(1)   Der Netzmanager für die Netzfunktionen des Flugverkehrsmanagements im einheitlichen europäischen Luftraum unterstützt die Kommission und die Mitgliedstaaten bei der Gewährleistung der Umsetzung und Einhaltung von Artikel 2a und Artikel 4 Absatz 2 des vorliegenden Beschlusses. Der Netzmanager lehnt insbesondere alle von Luftfahrzeugbetreibern eingereichten Flugpläne ab, die auf die Absicht hindeuten, über dem Hoheitsgebiet der Union oder dem Hoheitsgebiet von Belarus Tätigkeiten durchzuführen, die einen Verstoß gegen die Bestimmungen dieses Beschlusses darstellen, sodass dem Piloten das Fliegen nicht gestattet wird.

(2)   Der Netzmanager legt der Kommission und den Mitgliedstaaten auf der Basis einer Analyse der Flugpläne regelmäßig Berichte über die Umsetzung des Artikels 2a vor.“

5.

Artikel 2n Absatz 1 Buchstabe a erhält folgende Fassung:

„a)

natürliche oder juristische Person, Organisation oder Einrichtung, die in den Artikeln 2h, 2i, 2j oder 2y genannt oder in den Anhängen II oder V aufgeführt sind,“.

6.

Der Anhang des vorliegenden Beschlusses wird dem Beschluss 2012/642/GASP als Anhang V angefügt.

Artikel 2

Dieser Beschluss tritt am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Geschehen zu Brüssel am 9. März 2022.

Im Namen des Rates

Der Präsident

J.-Y. LE DRIAN


(1)  Beschluss 2012/642/GASP des Rates vom 15. Oktober 2012 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Belarus und der Beteiligung von Belarus an der Aggression Russlands gegen die Ukraine (ABl. L 285 vom 17.10.2012, S. 1).

(2)  Beschluss (GASP) 2022/356 des Rates vom 2. März 2022 zur Änderung des Beschlusses 2012/642/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Belarus (ABl. L 67 vom 2.3.2022, S. 103).


ANHANG

„ANHANG V

LISTE DER JURISTISCHEN PERSONEN, ORGANISATIONEN UND EINRICHTUNGEN ACH ARTIKEL 2y

Belagroprombank

Bank Dabrabyt

Entwicklungsbank der Republik Belarus