30.8.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

LI 304/1


DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2021/1415 DER KOMMISSION

vom 5. Mai 2021

zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2017/2402 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zu den für die Zusammenarbeit, den Informationsaustausch und die Unterrichtung zwischen den zuständigen Behörden und der ESMA, der EBA und der EIOPA geltenden Pflichten

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) 2017/2402 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2017 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für Verbriefungen und zur Schaffung eines spezifischen Rahmens für einfache, transparente und standardisierte Verbriefung und zur Änderung der Richtlinien 2009/65/EG, 2009/138/EG, 2011/61/EU und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 648/2012 (1), insbesondere auf Artikel 36 Absatz 8,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Nach Artikel 36 der Verordnung (EU) 2017/2402 arbeiten die in Artikel 29 jener Verordnung genannten zuständigen Behörden (im Folgenden „zuständige Behörden“) und die drei Europäischen Aufsichtsbehörden, d. h. die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA), die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) und die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA), eng zusammen und tauschen Informationen aus, um ihre Aufgaben gemäß den Artikeln 30 bis 34 jener Verordnung zu erfüllen. Darüber hinaus müssen zuständige Behörden, die feststellen oder Grund zu der Annahme haben, dass eine Einrichtung gegen bestimmte Anforderungen jener Verordnung verstoßen hat, die für diese Einrichtung zuständige Behörde über ihre Erkenntnisse unterrichten bzw., sofern die Zuwiderhandlung eine unrichtige oder irreführende Meldung nach Artikel 27 Absatz 1 jener Verordnung betrifft, die als erste Anlaufstelle benannte zuständige Behörde davon in Kenntnis setzen, damit diese ihrerseits die Europäischen Aufsichtsbehörden informieren kann.

(2)

Umfang und Art der Zusammenarbeit, des Informationsaustauschs und der Unterrichtung nach Artikel 36 der Verordnung (EU) 2017/2402 sollten ausreichen, um den zuständigen Behörden und den Europäischen Aufsichtsbehörden eine wirksame Erfüllung ihrer Aufsichts-, Ermittlungs- und Sanktionspflichten zu ermöglichen. Zu diesem Zweck wird in der vorliegenden Verordnung festgelegt, welche Informationen die zuständigen Behörden und die Europäischen Aufsichtsbehörden mindestens austauschen sollten, gegebenenfalls auch im Wege von Berichten über ihre Aufsichts- und Durchsetzungsmaßnahmen.

(3)

Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass die zuständigen Behörden und die Europäischen Aufsichtsbehörden — unter Berücksichtigung des nationalen und des Unionsrechts über den Schutz der Vertraulichkeit von Informationen und die Verarbeitung personenbezogener Daten — während ihrer gesamten Tätigkeit zusammenarbeiten und Informationen austauschen können.

(4)

Um sicherzustellen, dass die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch nach Artikel 36 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2017/2402 effizient und rechtzeitig erfolgen, sollten einheitliche Verfahren und Formulare für Ersuchen um Zusammenarbeit sowie für die Beantwortung solcher Ersuchen festgelegt werden.

(5)

Ferner sollten die zuständigen Behörden und die Europäischen Aufsichtsbehörden auch bei der freiwilligen Übermittlung von in ihrem Besitz befindlichen Informationen, die ihrer Auffassung nach für eine andere zuständige Behörde oder Europäische Aufsichtsbehörde von Nutzen sein könnten, ein einheitliches Verfahren und ein einheitliches Formular anwenden. Hierzu können beispielsweise Informationen zählen, die sich im Besitz der für einen institutionellen Anleger zuständigen Behörde oder eines Dritten befinden, dem die Zulassung erteilt wurde, zu bewerten, ob eine Verbriefung die im Hinblick auf Einfachheit, Transparenz und Standardisierung geltenden Anforderungen (STS-Anforderungen) erfüllt, sofern diese Informationen für die zuständige Behörde des Originators, Sponsors, der Verbriefungszweckgesellschaft oder des ursprünglichen Kreditgebers von Nutzen sein könnten.

(6)

Das einheitliche Verfahren und das einheitliche Formular für den freiwilligen Informationsaustausch sollten auch zur Notifizierung von Erkenntnissen in Bezug auf eine Zuwiderhandlung oder mutmaßliche Zuwiderhandlung gemäß Artikel 36 Absätze 4 und 5 der Verordnung (EU) 2017/2402 verwendet werden. Dies soll eine reibungslose und rechtzeitige Einhaltung der nach diesem Artikel geltenden Pflicht zur Unterrichtung über Zuwiderhandlungen sicherstellen.

(7)

Die zuständigen Behörden und die Europäischen Aufsichtsbehörden sollten verpflichtet sein, die Vertraulichkeit jedes Ersuchens um Zusammenarbeit oder Informationserteilung, jeder tatsächlich ausgetauschten oder mitgeteilten Information und jeder erfolgten Unterrichtung sowie die Einhaltung der Vorschriften zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr zu gewährleisten.

(8)

Diese Verordnung beruht auf dem Entwurf technischer Regulierungsstandards, der der Kommission von der ESMA vorgelegt wurde.

(9)

Die ESMA hat zu diesem Standardentwurf weder eine öffentliche Konsultation durchgeführt noch die potenziellen Kosten und Vorteile analysiert; dies wäre gemessen an Geltungsbereich und Auswirkungen dieser Standards äußerst unverhältnismäßig gewesen, da diese in erster Linie die zuständigen Behörden und die Europäischen Aufsichtsbehörden betreffen.

(10)

Die ESMA hat die Stellungnahme der durch Artikel 37 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) eingesetzten Interessengruppe Wertpapiere und Wertpapiermärkte eingeholt —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Anlaufstellen

(1)   Die in Artikel 29 der Verordnung (EU) 2017/2402 genannten zuständigen Behörden (im Folgenden „zuständige Behörden“) und die Europäischen Aufsichtsbehörden benennen jeweils Anlaufstellen für die Zwecke der Zusammenarbeit, des Informationsaustauschs und der Unterrichtung nach Artikel 36 der Verordnung (EU) 2017/2402.

(2)   Die zuständigen Behörden, die EBA und die EIOPA teilen der ESMA bis zum 19. Oktober 2021 die Einzelheiten der von ihnen benannten Anlaufstellen mit. Sie halten die ESMA über jede Änderung dieser Einzelheiten auf dem Laufenden.

(3)   Die ESMA führt ein aktuelles Verzeichnis aller gemäß diesem Artikel benannten Anlaufstellen und aktualisiert dieses, soweit dies für die zuständigen Behörden, die EBA und die EIOPA erforderlich ist.

(4)   Für die in Absatz 1 genannten Zwecke verwenden die zuständigen Behörden und die Europäischen Aufsichtsbehörden die aktuellste Fassung des in Absatz 3 genannten Verzeichnisses.

Artikel 2

Kommunikationsmittel

(1)   Sofern in dieser Verordnung nicht anders festgelegt, werden jegliche nach dieser Verordnung zu verwendenden Formulare in Schriftform per Post, per Fax oder elektronisch übermittelt.

(2)   Bei der Bestimmung des für den jeweiligen Fall geeignetsten Kommunikationsmittels ist Vertraulichkeitserfordernissen, der Dauer des Postweges, dem Umfang des zu übermittelnden Materials und der Benutzerfreundlichkeit beim Zugriff auf die Informationen gebührend Rechnung zu tragen.

Artikel 3

Auszutauschende Informationen

Auf ein gemäß Artikel 4 gestelltes Ersuchen hin tauschen die zuständigen Behörden und die Europäischen Aufsichtsbehörden gemäß Artikel 36 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2017/2402 mindestens folgende Informationen aus:

a)

Informationen über die in Artikel 30 Absatz 2 jener Verordnung genannten Regelungen, Verfahren und Mechanismen;

b)

Informationen über die in Artikel 30 Absatz 3 jener Verordnung genannten Risikomanagementstrategien und -verfahren;

c)

Informationen über die in Artikel 30 Absatz 4 jener Verordnung genannten speziellen Auswirkungen und wesentlichen Risiken;

d)

Informationen und, soweit verfügbar, Berichte bzw. Auszüge aus Berichten über jegliche Ermittlungen oder Verfahren, die in den in Artikel 32 Absatz 1 jener Verordnung genannten Fällen eingeleitet wurden;

e)

Informationen und, soweit verfügbar, Berichte bzw. Auszüge aus Berichten über jegliche strafrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Sanktionen und Abhilfemaßnahmen, die nach Artikel 32 oder Artikel 34 jener Verordnung verhängt bzw. ergriffen wurden.

Artikel 4

Ersuchen um Zusammenarbeit oder Informationsaustausch

(1)   Ersuchen um Zusammenarbeit oder Informationsaustausch nach Artikel 36 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2017/2402 sind unter Verwendung des Formulars in Anhang I der vorliegenden Verordnung zu stellen.

(2)   Hält die ersuchende Partei das Ersuchen für dringend, so kann es mündlich gestellt werden, sofern das schriftliche Ersuchen anschließend unverzüglich unter Verwendung des Formulars in Anhang I nachgereicht wird.

(3)   Die ersuchende Partei gibt die gewünschte Antwortfrist sowie gegebenenfalls die Dringlichkeit des Ersuchens an.

(4)   Ist ein Ersuchen um Zusammenarbeit mit einem Informationsersuchen verbunden,

a)

gibt die ersuchende Partei nach Möglichkeit Einzelheiten zu den angeforderten Informationen an, einschließlich der Gründe, warum diese Informationen für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben gemäß den Artikeln 30 bis 34 der Verordnung (EU) 2017/2402 als relevant erachtet werden;

b)

ermittelt die ersuchende Partei gegebenenfalls alle etwaigen Probleme im Zusammenhang mit der Vertraulichkeit der angeforderten Informationen, einschließlich aller besonderen Vorsichtsmaßnahmen für die Sammlung dieser Informationen.

Artikel 5

Beantwortung eines Ersuchens um Zusammenarbeit oder Informationsaustausch

(1)   Benötigt die ersuchte Partei weitere Angaben zu einem gemäß Artikel 4 gestellten Ersuchen, so wendet sie sich hierzu möglichst zeitnah in mündlicher oder schriftlicher Form auf geeignetem Wege an die ersuchende Partei. Die ersuchende Stelle leistet dieser Anfrage umgehend Folge.

(2)   Kommt die ersuchte Stelle einem gemäß Artikel 4 gestellten Ersuchen nach, so

a)

nutzt sie hierfür das Formular in Anhang II der vorliegenden Verordnung;

b)

unternimmt sie im Rahmen ihrer Befugnisse angemessene Schritte, um die gewünschte Zusammenarbeit zu leisten bzw. die angeforderten Informationen bereitzustellen;

c)

leistet sie dem Ersuchen in einer Weise Folge, die sicherstellt, dass alle erforderlichen regulatorischen Maßnahmen zügig erfolgen können, und berücksichtigt dabei die Komplexität des Ersuchens und die etwaige Notwendigkeit, eine andere zuständige Behörde oder Europäische Aufsichtsbehörde einzuschalten.

Artikel 6

Unaufgeforderter Informationsaustausch

(1)   Übermitteln die zuständigen Behörden oder die Europäischen Aufsichtsbehörden unaufgefordert Informationen, so verwenden sie dazu das Formular in Anhang III.

(2)   Hält die übermittelnde Partei die Weiterleitung der nicht angeforderten Informationen für dringend, so können diese auch mündlich weitergegeben werden, sofern sie anschließend unverzüglich auch unter Verwendung des Formulars in Anhang III schriftlich übermittelt werden.

Artikel 7

Unterrichtungspflichten

(1)   Zur Unterrichtung nach Artikel 36 Absätze 4 und 5 der Verordnung (EU) 2017/2402 ist das Formular in Anhang III zu verwenden.

(2)   Hält die unterrichtende Partei die Übermittlung der benötigten Informationen für dringend, so kann die Unterrichtung mündlich erfolgen, sofern die Angaben anschließend unverzüglich unter Verwendung des Formulars in Anhang III auch schriftlich übermittelt werden.

(3)   Die unterrichtende zuständige Behörde gibt Sachverhalt, Art, Natur, Wesentlichkeit und Dauer der festgestellten bzw. mutmaßlichen Zuwiderhandlung an und stellt alle sonstigen einschlägigen Informationen bereit, die für die unterrichtete zuständige Behörde von Nutzen sein könnten.

Artikel 8

Vertraulichkeit und zulässige Verwendung von Informationen

(1)   Gemäß den Rechtsakten, mit denen ihnen die Befugnisse zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Rahmen der Verordnung (EU) 2017/2402 übertragen werden, behandeln die zuständigen Behörden und die Europäischen Aufsichtsbehörden jedes gemäß Artikel 36 jener Verordnung gestellte Ersuchen um Zusammenarbeit oder Informationserteilung, jede Antwort auf ein solches Ersuchen sowie jede Unterrichtung oder sonstige Informationserteilung im Rahmen des genannten Artikels vertraulich.

(2)   Im Einklang mit den in Absatz 1 genannten Rechtsakten verwenden die zuständigen Behörden und die Europäischen Aufsichtsbehörden die ihnen gemäß Artikel 36 der Verordnung (EU) 2017/2402 übermittelten Informationen ausschließlich für die Zwecke der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach jener Verordnung.

Artikel 9

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Brüssel, den 5. Mai 2021

Für die Kommission

Die Präsidentin

Ursula VON DER LEYEN


(1)   ABl. L 347 vom 28.12.2017, S. 35.

(2)  Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission (ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 84).


ANHANG I

Formular für Ersuchen um Zusammenarbeit und Informationsaustausch

Ersuchen um Zusammenarbeit und Informationsaustausch

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