22.6.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 223/14


EMPFEHLUNG (EU) 2021/1004 DES RATES

vom 14. Juni 2021

zur Einführung einer Europäischen Garantie für Kinder

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 292 in Verbindung mit Artikel 153 Absatz 2 und Artikel 153 Absatz 1 Buchstabe j,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Gemäß Artikel 3 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union bekämpft die Union soziale Ausgrenzung und Diskriminierungen und fördert die Gleichstellung von Frauen und Männern sowie den Schutz der Rechte des Kindes.

(2)

Gemäß Artikel 9 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) trägt die Union bei der Festlegung und Durchführung ihrer Politik und ihrer Maßnahmen den Erfordernissen im Zusammenhang mit der Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus, mit der Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes, mit der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung sowie mit einem hohen Niveau der allgemeinen und beruflichen Bildung und des Gesundheitsschutzes Rechnung.

(3)

Gemäß Artikel 151 AEUV verfolgen die Union und die Mitgliedstaaten folgende Ziele: die Förderung der Beschäftigung, die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, einen angemessenen sozialen Schutz, den sozialen Dialog, die Entwicklung des Arbeitskräftepotenzials im Hinblick auf ein dauerhaft hohes Beschäftigungsniveau und die Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung. Gemäß Artikel 153 Absatz 1 Buchstabe j AEUV unterstützt und ergänzt die Union zur Verwirklichung dieser Ziele die Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung.

(4)

In Artikel 24 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta“) wird anerkannt, dass Kinder Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge haben, die für ihr Wohlergehen notwendig sind, und dass bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher Stellen oder privater Einrichtungen das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein muss. In Artikel 33 der Charta heißt es: „Der rechtliche, wirtschaftliche und soziale Schutz der Familie wird gewährleistet.“

(5)

In Artikel 17 der revidierten Europäischen Sozialcharta, die am 3. Mai 1996 in Straßburg zur Unterzeichnung aufgelegt wurde, wird die Verpflichtung bekräftigt, alle notwendigen und geeigneten Maßnahmen zu treffen, um dafür zu sorgen, dass Kinder die Betreuung, Unterstützung, Erziehung und Ausbildung erhalten, deren sie bedürfen.

(6)

In dem am 20. November 1989 verabschiedeten Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes, das von allen Mitgliedstaaten der Union ratifiziert wurde, ist in den Artikeln 2, 3, 6, 12, 18, 24, 27, 28 und 31 niedergelegt, dass die Vertragsstaaten des Übereinkommens anerkennen, dass das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen ist, und dass sie das Recht des Kindes auf Teilhabe und Entwicklung, einschließlich des Rechts auf Schutz vor allen Formen der Diskriminierung, des Rechts auf Leben, des Rechts, in Gerichts- oder Verwaltungsverfahren gehört zu werden, des Rechts auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit, des Rechts auf Zugang zu Gesundheitsdiensten und des Rechts auf staatliche Förderung, um einen angemessenen Lebensstandard, Bildung, Freizeit, aktive Erholung sowie volle Teilhabe am kulturellen und künstlerischen Leben zu gewährleisten, anerkennen.

(7)

In Artikel 7 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (1), das von der Union und allen Mitgliedstaaten ratifiziert wurde, ist festgelegt, dass die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um zu gewährleisten, dass Kinder mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen Kindern alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen können.

(8)

Gemeinsam mit ihren Mitgliedstaaten ist die Union fest entschlossen, bei der Umsetzung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen und der Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung, einschließlich der Ziele zur Beseitigung der Armut, zur Gewährleistung eines gesunden Lebens und zur Förderung des Wohlergehens sowie zur Gewährleistung einer inklusiven und gerechten hochwertigen Bildung eine Vorreiterrolle einzunehmen.

(9)

Am 20. Februar 2013 hat die Kommission die Empfehlung 2013/112/EU (2) mit dem Titel „Investitionen in Kinder: Den Kreislauf der Benachteiligung durchbrechen“ angenommen. In der genannten Empfehlung wird ein integriertes Konzept zur Verringerung der Kinderarmut und der sozialen Ausgrenzung sowie zur Verbesserung des Wohlergehens des Kindes dargelegt, das auf drei Säulen aufbaut: Zugang zu Ressourcen, Zugang zu hochwertigen Leistungen und Recht des Kindes auf Teilhabe.

(10)

Im November 2017 proklamierten das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission die europäische Säule sozialer Rechte, die 20 Grundsätze zur Unterstützung gut funktionierender und fairer Arbeitsmärkte und Sozialsysteme umfasst. Gemäß Grundsatz 11 haben Kinder das Recht auf hochwertige, bezahlbare frühkindliche Bildung und Betreuung sowie auf Schutz vor Armut; Kinder aus benachteiligten Verhältnissen haben das Recht auf besondere Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit.

(11)

In seiner Entschließung vom 24. November 2015 (3) forderte das Europäische Parlament die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, eine Garantie für Kinder einzuführen und dabei den Schwerpunkt auf Kinder in Armut und ihren Zugang zu Leistungen zu legen. Ferner forderte das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 11. März 2021 (4) die Kommission auf, in die EU-Kinderrechtsstrategie konkrete Maßnahmen zur Beseitigung der Kinderarmut aufzunehmen, mit denen in Kinder investiert wird, einschließlich der Einrichtung einer hinreichend finanzierten Europäischen Garantie für Kinder, und ihren Vorschlag für die Europäische Garantie für Kinder im ersten Quartal 2021 vorzulegen, und es forderte die Mitgliedstaaten auf, alle verfügbaren Ressourcen, darunter Unionsmittel, für die Bekämpfung von Kinderarmut und sozialer Ausgrenzung einzusetzen und nationale Aktionspläne zur Garantie für Kinder aufzustellen.

(12)

In der Gemeinsamen Erklärung mit dem Titel „Überwindung von Armut und sozialer Ausgrenzung — Milderung der Auswirkungen von COVID-19 auf Familien — Zusammenarbeit zur Entwicklung von Perspektiven für starke Kinder“ (Overcoming poverty and social exclusion — mitigating the impact of COVID-19 on families — working together to develop prospects for strong children), die im Dezember 2020 von 24 Ministern des Rates „Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz“ unterzeichnet wurde, wurde eine Europäische Garantie für Kinder gefordert, die auf den Grundsätzen und dem integrierten Ansatz der Empfehlung 2013/112/EU und der europäischen Säule sozialer Rechte beruht. Die Minister bekräftigten, dass der Zugang zu kostenloser Gesundheitsversorgung, kostenloser Bildung, erschwinglicher frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung, angemessenem Wohnraum und angemessener Ernährung für Kinder, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind, von wesentlicher Bedeutung ist.

(13)

Mit dem Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte (5) werden neue Impulse für die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung in der Union gesetzt, insbesondere indem das Ziel festgelegt wird, bis 2030 die Zahl der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen um 15 Millionen — darunter mindestens 5 Millionen Kinder — zu senken.

(14)

Die umfassende Strategie der Union für Kinderrechte (6) trägt dazu bei, die Teilhabe von Kindern an der Gesellschaft zu stärken, das Wohl des Kindes zu einer vorrangigen Erwägung zu machen, schutzbedürftige Kinder, einschließlich derjenigen, die von sozioökonomischer Ausgrenzung und Marginalisierung bedroht sind, zu schützen, die Rechte von Kindern im Internet zu schützen, eine kinderfreundliche Justiz zu fördern und Gewalt gegen Kinder zu verhindern und zu bekämpfen. Sie zielt auch darauf ab, die Diskriminierung von Kindern, auch aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Ausrichtung oder aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Ausrichtung ihrer Eltern, zu bekämpfen.

(15)

Ziel dieser Empfehlung ist es, soziale Ausgrenzung zu verhindern und zu bekämpfen, indem der Zugang bedürftiger Kinder zu einer Reihe wichtiger Dienste garantiert wird, unter anderem durch die durchgängige Berücksichtigung einer Geschlechterperspektive, um bei der Bekämpfung von Kinderarmut und der Förderung von Chancengleichheit den unterschiedlichen Situationen von Mädchen und Jungen Rechnung zu tragen. Bedürftige Kinder sind Personen unter 18 Jahren, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind. Dies betrifft Kinder, die in Haushalten leben, die von Armut bedroht oder von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen sind oder die eine sehr geringer Erwerbsintensität aufweisen.

(16)

Um einen effektiven Zugang oder einen effektiven und kostenlosen Zugang zu wichtigen Diensten zu gewährleisten, sollten die Mitgliedstaaten — im Einklang mit nationalen Gegebenheiten und Herangehensweisen — entweder solche Dienste organisieren und bereitstellen oder angemessene Leistungen gewähren, damit Eltern oder Erziehungsberechtigte bedürftiger Kinder in der Lage sind, die Kosten für diese Dienste zu decken. Es ist besonders darauf zu achten, dass etwaige Begleitkosten kein Hindernis für bedürftige Kinder in einkommensschwachen Familien darstellen, das dem uneingeschränkten Zugang zu den wichtigen Diensten entgegensteht.

(17)

Unionsweit sind fast 18 Millionen Kinder armutsgefährdet oder von sozialer Ausgrenzung bedroht (7), wobei es zwischen den Mitgliedstaaten erhebliche Unterschiede gibt. Das Spektrum der Risikofaktoren, durch die einige Kinder besonders gefährdet und von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sein können, variiert stark. Daher sollten die nationalen Ansätze zur Umsetzung dieser Empfehlung den besonderen Gegebenheiten und dem Bedarf vor Ort angepasst sein. Eine der wichtigsten Determinanten für die soziale Ausgrenzung von Kindern ist der ungleiche Zugang zu wichtigen Diensten, die für ihr Wohlergehen und die Entwicklung ihrer sozialen, kognitiven und emotionalen Kompetenzen unerlässlich sind. In Armut lebende Kinder oder Kinder aus benachteiligten Verhältnissen sind eher mit Hindernissen beim Zugang zu frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung, inklusiver Bildung, Gesundheitsversorgung, gesunder Ernährung und angemessenem Wohnraum konfrontiert. Sie beginnen ihr Leben mit Benachteiligungen, was langfristige Auswirkungen auf ihre Entwicklung und ihre Zukunftsaussichten haben kann.

(18)

Die generationenübergreifende Fortsetzung sozialer Ausgrenzung gefährdet den sozialen Zusammenhalt über Generationen hinweg und verursacht vergleichsweise hohe Kosten für unsere Wohlfahrtsstaaten, was die wirtschaftliche und soziale Resilienz beeinträchtigt. Ein verbesserter gleichberechtigter Zugang bedürftiger Kinder zu wichtigen Diensten ist daher ein probates Mittel zur besseren Verhütung und Bekämpfung sozialer Ausgrenzung. Dies trägt auch zur Förderung der Chancengleichheit für bedürftige Kinder und zur Bekämpfung der Kinderarmut bei.

(19)

Der frühzeitige Abbau von Benachteiligungen ist eine kosteneffiziente Investition, auch langfristig, da er nicht nur zur Inklusion von Kindern und zu besseren sozioökonomischen Ergebnissen im Erwachsenenalter beiträgt, sondern durch eine bessere Integration in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft sowie durch Verbesserung des Übergangs von der Schule zum Beruf, unter anderem durch die vollständige Umsetzung der Empfehlung des Rates vom 30. Oktober 2020 zum Thema „Eine Brücke ins Arbeitsleben — Stärkung der Jugendgarantie“ (8), auch einen Beitrag zur Wirtschaft und zur Gesellschaft leistet. Investitionen in die Chancengleichheit von Kindern bilden die Grundlage für ein nachhaltiges und inklusives Wachstum, das faire und widerstandsfähige Gesellschaften und eine soziale Aufwärtskonvergenz unterstützt. Auch wird dadurch ein Beitrag dazu geleistet, die Auswirkungen ungünstiger demografischer Entwicklungen zu bewältigen, indem der Mangel an Fachkräften und generell an Arbeitskräften verringert und eine bessere territoriale Abdeckung sichergestellt wird, während gleichzeitig die Chancen, die sich aus dem grünen und dem digitalen Wandel ergeben, genutzt werden.

(20)

Ein gleichberechtigter Zugang zu hochwertiger und inklusiver frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung ist von zentraler Bedeutung, wenn es darum geht, die Weitergabe sozialer Ausgrenzung zu durchbrechen und Chancengleichheit für benachteiligte Kinder zu gewährleisten. Die begrenzte Verfügbarkeit und die hohen Kosten der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung können jedoch ein Hindernis für Kinder aus einkommensschwachen Familien darstellen. Ihre Teilnahmequoten sind erheblich niedriger und führen später zu schlechteren Bildungsergebnissen und höheren Schulabbruchsquoten, insbesondere bei Kindern mit Migrationshintergrund oder Roma-Kindern. Segregation und Diskriminierung beim Zugang von Kindern mit Behinderungen oder sonderpädagogischem Förderbedarf zum regulären Bildungssystem stellen nach wie vor eine Herausforderung dar. Die Wahl der Bildungseinrichtung muss im Sinne des Wohls des Kindes erfolgen. Angesichts steigender Zahlen von Kindern mit Migrationshintergrund in den Bildungssystemen gilt es, ein segregiertes schulisches Umfeld zu verhindern und die Unterrichtsmethoden anzupassen, nach Maßgabe des nationalen Rechts und der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Rahmen der einschlägigen internationalen Instrumente auf diesem Gebiet.

(21)

Ein wichtiger Teil des Lernens, einschließlich des Erwerbs sozialer Kompetenzen, erfolgt durch Sport-, Freizeit- oder kulturelle Aktivitäten. Diese Aktivitäten haben sich als förderlich erwiesen, insbesondere für Kinder aus benachteiligten Verhältnissen. Bestimmte Gruppen von Kindern können sich jedoch die Teilnahme nicht leisten, oder aber ihre Teilnahme wird durch das Fehlen geeigneter Infrastruktur, schlechte Zugänglichkeit oder Sprachprobleme behindert.

(22)

Bedürftige Kinder haben im Allgemeinen eingeschränkten Zugang zu bestimmten Gesundheitsdiensten wie zahnmedizinischer Versorgung oder zu medizinischen Hilfsmitteln wie Zahnspangen, Kontaktlinsen oder Brillen. Außerdem haben diese Kinder weniger Möglichkeiten und Ressourcen, um von Programmen zur Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung zu profitieren. Einkommensarmut und andere soziale Determinanten wirken sich erheblich auf die allgemeine Entwicklung und Gesundheit von Kindern, einschließlich der psychischen Gesundheit, aus und erhöhen das Risiko von Gesundheitsproblemen in späteren Jahren. Frühzeitiges Eingreifen und Prävention sind von entscheidender Bedeutung — ebenso wie ein besserer Zugang zu öffentlichen Präventions- und Förderprogrammen im Gesundheitsbereich, einschließlich Impfungen, und Unterstützungsangebote für Eltern, die zu besseren Ergebnissen beitragen können.

(23)

Der Zugang zu einer gesunden und nachhaltigen Ernährung stellt insbesondere für einkommensschwache Familien eine Herausforderung dar. Programme zur Sensibilisierung für gesunde Lebensmittel und Ernährung können dazu beitragen, Probleme wie schlechte Ernährung, Bewegungsmangel, Fettleibigkeit oder Alkohol- und Tabakkonsum anzugehen und so Mangelernährung und schlechte Ernährung zu verringern, die bei Kindern aus benachteiligten Verhältnissen häufiger anzutreffen sind. Die Erfahrungen während der COVID-19-Pandemie haben gezeigt, wie wichtig Schulmahlzeitenprogramme für einige Kinder sind, denn in Zeiten von Ausgangsbeschränkungen fiel für diese Kinder plötzlich eine zuverlässige Quelle nahrhafter Mahlzeiten aus (9). Die Sicherstellung des Zugangs von bedürftigen Kindern zu mindestens einer gesunden Mahlzeit pro Schultag ist daher überaus wichtig und könnte dadurch erreicht werden, dass entweder solche Mahlzeiten bereitgestellt werden oder dafür gesorgt wird, dass Eltern oder Erziehungsberechtigte — oder Kinder — in der Lage sind, sich mit diesen Mahlzeiten zu versorgen, wobei die besonderen lokalen Gegebenheiten und Bedürfnisse zu berücksichtigen sind.

(24)

Kinder aus einkommensschwachen Familien, Kinder mit Migrationshintergrund oder Kinder, die einer ethnischen Minderheit angehören, sind einem höheren Risiko von gravierender Wohnungsnot, überhöhter Wohndichte oder Energiearmut ausgesetzt und stärker von Obdachlosigkeit bedroht. Wohnkosten bedeuten eine schwere Belastung für Alleinverdienerhaushalte, besonders für Haushalte, denen eine Frau vorsteht. Die Bereitstellung von angemessenem Wohnraum und die Gewährleistung angemessener temporärer Unterkünfte für Kinder und ihre Familien sind wichtige Instrumente zur Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung von Kindern und zur Minimierung des Risikos von Obdachlosigkeit. Um die Betreuung von Kindern zu deinstitutionalisieren, sollte hochwertige Betreuung in Gemeinschaften oder in Familien gefördert werden. Die Unterbringung von Kindern in Betreuungseinrichtungen sollte nur dann erfolgen, wenn sie im Interesse des Kindeswohls liegt, wobei die Gesamtsituation des Kindes und seine individuellen Bedürfnisse zu berücksichtigen sind. Unterstützung für Kinder, die aus der institutionellen Betreuung oder aus der Betreuung in einer Familie ausscheiden, ist von entscheidender Bedeutung, um ihr unabhängiges Leben und ihre soziale Integration zu fördern.

(25)

Die durch die COVID-19-Pandemie verursachte Krise kann weitreichende Auswirkungen auf das wirtschaftliche und soziale Wohlergehen von Familien und Kindern haben und dürfte Kinder aus benachteiligten Verhältnissen unverhältnismäßig stark treffen. Gruppen mit niedrigem und mittlerem Einkommen haben ein höheres Risiko von Einkommensverlusten, was sich aufgrund zunehmender Arbeitslosigkeit und eingeschränkter Telearbeitsmöglichkeiten erheblich auf das verfügbare Haushaltseinkommen auswirken könnte. Die Krise dürfte die bestehenden Ungleichheiten verschärfen und zu einer Zunahme der Zahl der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Haushalte führen. Sie bewirkt auch einen erheblichen Druck auf die Verfügbarkeit einschlägiger Dienste. Kinder, die verschiedene Formen von Benachteiligung erleben, gehören zu den am stärksten von der Krise betroffenen Personen. Der Fernunterricht gestaltete sich schwierig für viele Kinder, die in Haushalten ohne angemessene familiäre Unterstützung, einschlägige Kompetenzen oder Ausstattung leben, einschließlich Kindern aus abgelegenen oder ländlichen Gebieten mit unzureichender digitaler Infrastruktur.

(26)

Die Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung von Kindern und die Verringerung der sozioökonomischen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie erfordern einen integrierten, personenzentrierten und multidimensionalen Ansatz und einen unterstützenden politischen Rahmen. Eine verstärkte Zusammenarbeit und Koordinierung zwischen den Diensten auf verschiedenen Ebenen gewährleistet eine wirksame Prävention und unterstützt die soziale Inklusion von Kindern. Neben der Gewährleistung des Zugangs zu wichtigen Diensten in allen Regionen und Gebieten, unter anderem durch Investitionen in die einschlägige Infrastruktur und in die betreffenden Arbeitskräfte, ist es auch erforderlich, die Wirksamkeit und Relevanz der entsprechenden Strategien zu verbessern, Präventiv- und Abhilfemaßnahmen zu kombinieren und die bestehenden Instrumente der Union im maximalen Umfang zu nutzen.

(27)

Im Rahmen des wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Koordinierungsprozesses des Europäischen Semesters und des sozialpolitischen Scoreboards (10) wurde die Herausforderung der Kinderarmut und der sozialen Ausgrenzung hervorgehoben, wobei einige Mitgliedstaaten länderspezifische Empfehlungen erhalten haben. In den beschäftigungspolitischen Leitlinien wird betont, welche Bedeutung der Gewährleistung des Zugangs aller Menschen, einschließlich Kindern, zu bestimmten Diensten zukommt, beispielsweise zu frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung, Bildungsangeboten und Gesundheitsversorgung; dieser Zugang stellt eine notwendige Voraussetzung für die Gewährleistung der Chancengleichheit dar.

(28)

Zur Unterstützung der Umsetzung der Europäischen Garantie für Kinder und für weitere Unterstützungsmaßnahmen stehen Unionsmittel zur Verfügung. Im Rahmen des Europäischen Sozialfonds Plus werden alle Mitgliedstaaten einen angemessenen Betrag vorsehen, um Kinderarmut bzw. soziale Ausgrenzung zu bekämpfen. Bei Mitgliedstaaten, in denen die Quote der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Kinder über dem Unionsdurchschnitt liegt, muss dieser Betrag mindestens 5 % ihrer nationalen Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds Plus betragen. Im Einklang mit den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit werden der Europäische Fonds für regionale Entwicklung sowie InvestEU auch Investitionen in unterstützende Infrastruktur wie sozialem Wohnungsbau und Einrichtungen für frühkindliche Betreuung, Bildung und Erziehung sowie in Ausstattung und Zugang zu hochwertigen und allgemeinen Dienstleistungen fördern. Als Teil des Aufbauplans für Europa und des Instruments „Next Generation EU“ werden aus der Aufbau- und Resilienzfazilität zusätzliche Finanzmittel der Union für Reformen, Investitionen und Maßnahmen für die nächste Generation, Kinder und junge Menschen, bereitgestellt, etwa für Bildungsmaßnahmen und Maßnahmen zum Kompetenzaufbau, die in nationale Aufbau- und Resilienzprogramme aufzunehmen sind (11). Mit dem Instrument für technische Unterstützung können die Mitgliedstaaten bei der Konzeption und Umsetzung von Strukturreformen in den Bereichen Bildung, soziale Dienste, Justiz und Gesundheit, einschließlich sektorübergreifender Reformen zur Bekämpfung von Kinderarmut und sozialer Ausgrenzung, unterstützt werden.

(29)

Die Mitgliedstaaten können auch das Schulobst-, Schulgemüse- und Schulmilchprogramm der EU (2017-2023) nutzen, um gesunde Produkte für Kinder besser zugänglich zu machen und ihr Verständnis der Vorteile gesunder und nachhaltiger Lebensmittel zu verbessern.

(30)

Diese Empfehlung sollte durch nationale Aktionspläne umgesetzt werden, die an die nationalen, regionalen und lokalen Gegebenheiten angepasst sind. In diesen nationalen Aktionsplänen sollten bedürftige Kinder bestimmt werden — ebenso sowie die Hindernisse, mit denen sie beim Zugang zu und bei der Inanspruchnahme von Diensten, die Gegenstand dieser Empfehlung sind, konfrontiert sind. Zu diesem Zweck wird den Mitgliedstaaten empfohlen, einschlägige Interessenträger einzubeziehen, einschließlich Nichtregierungsorganisationen, die sich für die Rechte des Kindes einsetzen. Die Fortschritte bei der Umsetzung dieser Empfehlung sollten auch regelmäßig überwacht werden, beispielsweise als Teil des sozialpolitischen Scoreboards im Kontext des Europäischen Semesters; dies sollte auch die Entwicklung einschlägiger Überwachungsindikatoren einschließen.

(31)

Diese Empfehlung ergänzt die Empfehlung 2013/112/EU der Kommission, stellt eines der im Rahmen des Aktionsplans zur europäischen Säule sozialer Rechte zu liefernden Ergebnisse dar und ergänzt die umfassende Strategie der Union für Kinderrechte.

(32)

Diese Empfehlung entspricht uneingeschränkt den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit. Sie berührt nicht die Grundsätze des nationalen Verfahrensrechts und die Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten und bringt keine Ausweitung der Kompetenzen der Union mit sich —

HAT FOLGENDE EMPFEHLUNG ABGEGEBEN:

ZIEL UND ANWENDUNGSBEREICH

(1)

Ziel dieser Empfehlung ist es, soziale Ausgrenzung zu verhindern und zu bekämpfen, indem der Zugang bedürftiger Kinder zu einer Reihe wichtiger Dienste garantiert wird, und dadurch auch einen Beitrag zum Schutz der Kinderrechte durch die Bekämpfung von Kinderarmut und die Förderung von Chancengleichheit zu leisten.

(2)

Diese Empfehlung gilt für bedürftige Kinder.

BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

(3)

Für die Zwecke dieser Empfehlung bezeichnet der Ausdruck

a)

„bedürftige Kinder“ Personen unter 18 Jahren, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind;

b)

„Kinder mit Migrationshintergrund“ Kinder mit Drittstaatsangehörigkeit, unabhängig von ihrem Migrationsstatus, und Kinder mit der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats, die durch mindestens einen im Ausland geborenen Elternteil einen Migrationshintergrund mit Bezug zu einem Drittstaat haben;

c)

„Kinder in prekären familiären Verhältnissen“ Kinder, die verschiedenen Risikofaktoren ausgesetzt sind, die zu Armut oder sozialer Ausgrenzung führen könnten. Hierunter fallen auch Kinder, die in einem Alleinverdienerhaushalt leben; Kinder, die mit einem Elternteil mit Behinderungen leben; Kinder, die in einem Haushalt leben, in dem es psychische Erkrankungen oder Langzeiterkrankungen gibt; Kinder, die in einem Haushalt leben, in dem es zu Drogenmissbrauch oder häuslicher Gewalt kommt; Kinder eines Bürgers der Union, der in einen anderen Mitgliedstaat übergesiedelt ist, während die Kinder selbst in ihrem Herkunftsmitgliedstaat geblieben sind; Kinder, die eine Teenagermutter haben oder selbst Teenagermutter sind; Kinder mit einem inhaftierten Elternteil;

d)

„effektiver Zugang“ eine Situation, in der Dienste leicht verfügbar, erschwinglich, zugänglich und von guter Qualität sind sowie zeitnah bereitgestellt werden und in der den potenziellen Nutzern bekannt ist, dass sie vorhanden sind und Anspruch auf deren Nutzung besteht;

e)

„effektiver und kostenloser Zugang“ eine Situation, in der Dienste leicht verfügbar, zugänglich und von guter Qualität sind sowie zeitnah bereitgestellt werden und in der den potenziellen Nutzern bekannt ist, dass sie vorhanden sind und Anspruch auf deren Nutzung besteht, und in der die Dienste kostenlos bereitgestellt werden — entweder durch die Organisation und Bereitstellung dieser Dienste oder durch angemessene Leistungen zur Deckung der Kosten für diese Dienste — oder sichergestellt wird, dass die finanziellen Umstände kein Hindernis für einen gleichberechtigten Zugang darstellen;

f)

„schulbezogene Aktivitäten“ das Lernen im Rahmen von Sport-, Freizeit- oder kulturellen Aktivitäten, die innerhalb oder außerhalb der regulären Schulzeiten stattfinden oder von der Schulgemeinschaft organisiert werden;

g)

„gesunde Mahlzeit“ oder „gesunde Ernährung“ eine ausgewogene Nahrungsaufnahme, durch die Kinder mit Nährstoffen versorgt werden, die für ihre körperliche und geistige Entwicklung und für eine körperliche Betätigung, die ihren physiologischen Bedürfnissen entspricht, erforderlich sind;

h)

„angemessener Wohnraum“ eine Unterkunft, die den geltenden nationalen technischen Standards entspricht, sich in einem angemessenen Erhaltungszustand befindet, einen angemessenen Temperaturkomfort bietet und zu erschwinglichen Kosten verfügbar und zugänglich ist.

EMPFIEHLT HIERMIT IM EINKLANG MIT DEN NATIONALEN ZUSTÄNDIGKEITEN, GEGEBENHEITEN UND GEPFLOGENHEITEN UND UNTER UNEINGESCHRÄNKTER ACHTUNG DER GRUNDSÄTZE DER SUBSIDIARITÄT UND DER VERHÄLTNISMÄßIGKEIT FOLGENDES:

ZENTRALE EMPFEHLUNGEN

(4)

Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, bedürftigen Kindern Folgendes zu garantieren:

a)

einen effektiven und kostenlosen Zugang zu hochwertiger frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung, zu Bildungsangeboten und schulbezogenen Aktivitäten, zu mindestens einer gesunden Mahlzeit pro Schultag sowie zu Gesundheitsversorgung;

b)

effektiven Zugang zu gesunder Ernährung und angemessenem Wohnraum.

(5)

Den Mitgliedstaaten wird empfohlen zu bestimmen, welche Kinder bedürftig sind, und innerhalb dieser Gruppe gegebenenfalls bei der Konzeption ihrer integrierten nationalen Maßnahmen spezifische Formen der Benachteiligung zu berücksichtigen, die insbesondere folgende Kinder erfahren:

a)

obdachlose Kinder oder Kinder, die von gravierender Wohnungsnot betroffen sind;

b)

Kinder mit Behinderungen;

c)

Kinder mit psychischen Gesundheitsproblemen;

d)

Kinder mit Migrationshintergrund oder Kinder, die einer ethnischen Minderheit angehören, insbesondere Roma;

e)

Kinder in alternativen Formen der Betreuung, insbesondere in Betreuungseinrichtungen;

f)

Kinder in prekären familiären Verhältnissen.

UNTERSTÜTZENDER POLITISCHER RAHMEN

(6)

Während das Kindeswohl eine vorrangige Erwägung sein muss, wird den Mitgliedstaaten empfohlen, einen integrierten und unterstützenden politischen Rahmen zur Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung von Kindern zu schaffen und dabei den Schwerpunkt darauf zu legen, die generationenübergreifenden Zyklen von Armut und Benachteiligung zu durchbrechen und die sozioökonomischen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zu verringern. Zu diesem Zweck wird den Mitgliedstaaten empfohlen, bei der Umsetzung dieser Empfehlung

a)

die Kohärenz der sozial-, bildungs-, gesundheits-, ernährungs- und wohnungspolitischen Strategien auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene zu gewährleisten und nach Möglichkeit die Relevanz dieser Strategien für die Unterstützung von Kindern in integrierter Weise zu verbessern;

b)

die Investitionen in Bildung sowie in angemessene Gesundheits- und Sozialschutzsysteme fortsetzen und gegebenenfalls zu erhöhen, um den Bedürfnissen der Kinder und ihrer Familien, insbesondere derjenigen, die von sozialer Ausgrenzung betroffen sind, wirksam gerecht zu werden;

c)

angemessene Strategien und Ressourcen zu gewährleisten, unter anderem durch Maßnahmen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt, Unterstützungsmaßnahmen für Eltern bzw. Erziehungsberechtigte und Einkommensunterstützung für Familien und Haushalte, damit Kinder nicht durch finanzielle Hindernisse am Zugang zu hochwertigen Diensten gehindert werden;

d)

sich der territorialen Aspekte der sozialen Ausgrenzung unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von Kindern in verschiedenen städtischen, ländlichen, abgelegenen und benachteiligten Gebieten auf der Grundlage eines integrierten und multidisziplinären Ansatzes anzunehmen;

e)

die Zusammenarbeit mit nationalen, regionalen und lokalen Behörden, Organisationen der Sozialwirtschaft, Nichtregierungsorganisationen, die sich für Rechte des Kindes einsetzen, den Kindern selbst und anderen Interessenträgern sowie ihre Einbindung in die Konzipierung, Umsetzung und Überwachung politischer Maßnahmen und hochwertiger Dienste für Kinder zu verstärken;

f)

Maßnahmen zur Förderung der Inklusion und zur Verhinderung und Bekämpfung von Diskriminierung und Stigmatisierung bedürftiger Kinder zu ergreifen;

g)

strategische Investitionen in hochwertige Dienste für Kinder, einschließlich in unterstützende Infrastruktur und qualifiziertes Personal, zu unterstützen;

h)

angemessene Ressourcen bereitzustellen und nationale und Unionsmittel optimal zu nutzen, insbesondere den Europäischen Sozialfonds Plus, den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und gegebenenfalls REACT-EU, InvestEU, die Aufbau- und Resilienzfazilität und das Instrument für technische Unterstützung;

i)

im gesamten unterstützenden Rahmen eine Geschlechterperspektive zu berücksichtigen.

FRÜHKINDLICHE BETREUUNG, BILDUNG UND ERZIEHUNG, INKLUSIVE BILDUNGSANGEBOTE UND SCHULBEZOGENE AKTIVITÄTEN SOWIE EINE GESUNDE MAHLZEIT PRO SCHULTAG

(7)

Um bedürftigen Kindern einen effektiven und kostenlosen Zugang zu hochwertiger frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung, zu Bildungsangeboten und schulbezogenen Aktivitäten sowie zu einer gesunden Mahlzeit pro Schultag zu garantieren, wird den Mitgliedstaaten empfohlen,

a)

finanzielle und nichtfinanzielle Hindernisse für die Teilnahme an frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung, Bildungsangeboten und schulbezogenen Aktivitäten zu ermitteln und dagegen vorzugehen;

b)

unter Berücksichtigung einer Geschlechterperspektive Maßnahmen zu ergreifen, um vorzeitige Schulabgänge zu verhindern und Kinder, bei denen das Risiko eines Schul- oder Ausbildungsabbruchs besteht bzw. die die Schule oder Ausbildung abgebrochen haben, unter anderem durch individuelle Beratung und verstärkte Zusammenarbeit mit den Familien wieder einzubinden;

c)

Kindern mit Lernschwierigkeiten Lernunterstützung anzubieten, um ihre sprachlichen und kognitiven Defizite und ihre Bildungslücken auszugleichen;

d)

die Infrastruktur und die Unterrichtsmaterialien der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung und der Bildungseinrichtungen anzupassen und auf die spezifischen Bedürfnisse von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf und Kindern mit Behinderungen bestmöglich einzugehen, wobei inklusive Lehr- und Lernmethoden anzuwenden sind; zu diesem Zweck sollte sichergestellt werden, dass qualifizierte Lehrkräfte und andere Fachkräfte, wie Psychologen, Logopäden, rehabilitationspädagogische Fachkräfte, Sozialarbeiter oder Assistenzlehrkräfte, zur Verfügung stehen;

e)

Maßnahmen zu ergreifen, durch die in Einrichtungen der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung und in anderen Bildungseinrichtungen inklusive Bildung gefördert wird und segregierte Klassen vermieden werden; dies kann auch die Gewährung eines vorrangigen oder gegebenenfalls frühzeitigen Zugangs für bedürftige Kinder umfassen;

f)

mindestens eine gesunde Mahlzeit pro Schultag bereitzustellen;

g)

die Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien, einschließlich digitaler Lehrmittel, Bücher, Uniformen oder gegebenenfalls anderer benötigter Kleidung, sicherzustellen;

h)

Hochgeschwindigkeitsverbindungen, digitale Dienste und angemessene, für den Fernunterricht erforderliche Ausrüstung bereitzustellen, damit der Zugang zu Bildungsinhalten online gewährleistet ist, sowie die digitalen Kompetenzen der bedürftigen Kinder und der Lehrkräfte zu verbessern und die erforderlichen Investitionen zu tätigen, um die digitale Kluft in allen ihren Formen anzugehen;

i)

gegebenenfalls den Transport zu Einrichtungen der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung und anderen Bildungseinrichtungen bereitzustellen;

j)

einen gleichberechtigten und inklusiven Zugang zu schulbezogenen Aktivitäten, einschließlich der Teilnahme an Schulreisen sowie Sport-, Freizeit- und kulturellen Aktivitäten, zu gewährleisten;

k)

einen Rahmen für die Zusammenarbeit von Bildungseinrichtungen, lokalen Gemeinschaften, Sozial-, Gesundheits- und Kinderschutzdiensten, Familien und Akteuren der Sozialwirtschaft zu entwickeln, um inklusive Bildung und Erziehung zu unterstützen, Betreuung nach dem Schulunterricht und Möglichkeiten zur Teilnahme an Sport-, Freizeit- und kulturellen Aktivitäten anzubieten und Bildungseinrichtungen als Zentren der Inklusion und der Teilhabe aufzubauen und mit entsprechenden Investitionen zu fördern.

GESUNDHEITSVERSORGUNG

(8)

Um bedürftigen Kindern einen effektiven und kostenlosen Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung zu garantieren, wird den Mitgliedstaaten empfohlen,

a)

die Früherkennung und Behandlung von Krankheiten und Entwicklungsproblemen, einschließlich solcher im Zusammenhang mit der psychischen Gesundheit, zu erleichtern und den Zugang zu regelmäßigen ärztlichen Untersuchungen, einschließlich zahn- und augenärztlicher Untersuchungen, sowie zu Früherkennungsprogrammen zu gewährleisten; zeitnahe Folgemaßnahmen der kurativen und rehabilitativen Gesundheitsversorgung sicherzustellen, einschließlich des Zugangs zu Arzneimitteln, Behandlungen und Unterstützungsleistungen, und den Zugang zu Impfprogrammen zu gewährleisten;

b)

gezielte Rehabilitations- und Habilitationsdienste für Kinder mit Behinderungen bereitzustellen;

c)

zugängliche Programme zur Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention für bedürftige Kinder und ihre Familien sowie für Fachkräfte, die mit Kindern arbeiten, einzuführen.

GESUNDE ERNÄHRUNG

(9)

Um bedürftigen Kindern einen effektiven Zugang zu ausreichender und gesunder Ernährung zu garantieren, unter anderem durch das Schulobst-, Schulgemüse- und Schulmilchprogramm der EU, wird den Mitgliedstaaten empfohlen,

a)

den Zugang zu gesunden Mahlzeiten auch außerhalb der Schultage zu fördern, auch durch Unterstützung in Form von Sach- oder Geldleistungen, insbesondere unter außergewöhnlichen Umständen wie Schulschließungen;

b)

zu gewährleisten, dass die Ernährungsstandards in Einrichtungen der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung und anderen Bildungseinrichtungen spezifischen Ernährungsbedürfnissen Rechnung tragen;

c)

Werbung für Lebensmittel mit hohem Fett-, Salz- und Zuckergehalt zu beschränken und deren Verfügbarkeit in Einrichtungen der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung und in anderen Bildungseinrichtungen zu begrenzen;

d)

Kindern und Familien angemessene Informationen über die gesunde Ernährung von Kindern bereitzustellen.

ANGEMESSENER WOHNRAUM

(10)

Um bedürftigen Kindern einen effektiven und kostenlosen Zugang zu angemessenem Wohnraum zu garantieren, wird den Mitgliedstaaten empfohlen,

a)

sicherzustellen, dass obdachlose Kinder und ihre Familien angemessene Unterkünfte erhalten, dass sie rasch aus temporären Unterkünften in dauerhafte Wohnungen umziehen können und dass entsprechende soziale und beratende Dienste bereitgestellt werden;

b)

die nationale, regionale und lokale Wohnpolitik zu bewerten und erforderlichenfalls zu überarbeiten und Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass den Interessen von Familien mit bedürftigen Kindern gebührend Rechnung getragen wird; dies schließt die Bekämpfung der Energiearmut und die Verhinderung des Risikos der Obdachlosigkeit ein; eine solche Bewertung und Überarbeitung sollten auch Maßnahmen für den sozialen Wohnungsbau oder zur Unterstützung bei der Wohnraumbeschaffung sowie Wohnzuschüsse umfassen und die Zugänglichkeit für Kinder mit Behinderungen weiter verbessern;

c)

einen vorrangigen und rechtzeitigen Zugang zu sozialem Wohnungsbau oder Unterstützung bei der Wohnraumbeschaffung für bedürftige Kinder und ihre Familien zu gewährleisten;

d)

bei der Unterbringung von Kindern in Betreuungseinrichtungen oder in Pflegefamilien das Wohl des Kindes sowie seine Gesamtsituation und die individuellen Bedürfnisse des Kindes zu berücksichtigen; den Übergang von Kindern aus Betreuungseinrichtungen oder aus der Betreuung in Pflegefamilien zu einer hochwertigen Betreuung in Gemeinschaften oder Familien zu gewährleisten sowie ihr unabhängiges Leben und ihre soziale Integration zu unterstützen.

GOVERNANCE UND BERICHTERSTATTUNG

(11)

Im Hinblick auf eine solide Governance, Überwachung und Berichterstattung und unter angemessener Berücksichtigung der bestehenden nationalen Strukturen und Mechanismen wird den Mitgliedstaaten empfohlen,

Nationale Koordinatoren für die Garantie für Kinder

a)

einen nationalen Koordinator für die Garantie für Kinder zu benennen, der mit angemessenen Ressourcen und einem entsprechenden Mandat ausgestattet ist, damit die Umsetzung dieser Empfehlung wirksam koordiniert und überwacht werden kann;

Ermittlung bedürftiger Kinder

b)

im Hinblick auf eine möglichst wirksame Ausrichtung der Maßnahmen auf bedürftige Kinder und unter Berücksichtigung nationaler, regionaler und lokaler Organisationen und Gegebenheiten die einschlägigen Interessenträger in die Ermittlung der bedürftigen Kinder und der Hindernisse einzubeziehen, mit denen sie beim Zugang zu und bei der Inanspruchnahme von Diensten, die Gegenstand dieser Empfehlung sind, konfrontiert sind;

Nationale Aktionspläne

c)

der Kommission innerhalb von neun Monaten nach Annahme dieser Empfehlung einen Aktionsplan für den Zeitraum bis 2030 vorzulegen, um diese Empfehlung unter Berücksichtigung der nationalen, regionalen und lokalen Gegebenheiten sowie der bestehenden politischen Strategien und Maßnahmen zur Unterstützung bedürftiger Kinder umzusetzen. Der Aktionsplan sollte insbesondere Folgendes enthalten:

i)

Kategorien bedürftiger Kinder, die durch entsprechende integrierte Maßnahmen erreicht werden sollen;

ii)

quantitative und qualitative Ziele, die es in Bezug auf bedürftige Kinder, auf welche die betreffenden Maßnahmen abstellen, zu erreichen gilt, wobei regionale und lokale Unterschiede zu berücksichtigen sind;

iii)

Maßnahmen, die zur Umsetzung dieser Empfehlung geplant oder ergriffen werden, auch auf regionaler und lokaler Ebene, sowie die erforderlichen Finanzmittel und Fristen;

iv)

sonstige geplante oder ergriffene Maßnahmen, um gegen die soziale Ausgrenzung von Kindern vorzugehen und generationenübergreifende Zyklen der Benachteiligung zu durchbrechen, insbesondere auf der Grundlage des unter Nummer 6 vorgesehenen unterstützenden politischen Rahmens;

v)

einen nationalen Rahmen für die Datenerhebung, die Überwachung und die Bewertung dieser Empfehlung, auch im Hinblick auf die Schaffung eines gemeinsamen Überwachungsrahmens gemäß Nummer 12 Buchstabe d;

Informationsmaßnahmen

d)

wirksame Informationsmaßnahmen für bedürftige Kinder und ihre Familien zu entwickeln, insbesondere auf regionaler und lokaler Ebene und durch Bildungseinrichtungen, geschulte Sozialarbeiter, Familienunterstützungsdienste, die Zivilgesellschaft und Organisationen der Sozialwirtschaft, um das Bewusstsein für die von dieser Empfehlung erfassten Dienste zu schärfen und die Inanspruchnahme dieser Dienste zu fördern und zu erleichtern;

Einbeziehung von Interessenträgern

e)

die Einbeziehung von regionalen, lokalen und anderen zuständigen Behörden, Kindern und einschlägigen zivilgesellschaftlichen Interessenträgern, Nichtregierungsorganisationen, Bildungseinrichtungen und Einrichtungen, die für die Förderung der sozialen Inklusion und Integration, der Rechte des Kindes, der inklusiven Bildung und der Nichtdiskriminierung zuständig sind, einschließlich nationaler Gleichstellungsstellen, während der gesamten Vorbereitung, Umsetzung, Überwachung und Bewertung des Aktionsplans sicherzustellen;

Berichterstattung an die Kommission

f)

der Kommission alle zwei Jahre über die Fortschritte bei der Umsetzung dieser Empfehlung im Einklang mit dem unter Buchstabe c genannten nationalen Aktionsplan Bericht zu erstatten.

UMSETZUNG, ÜBERWACHUNG UND BEWERTUNG

(12)

Der Rat begrüßt das Ziel der Kommission,

a)

die Fortschritte bei der Umsetzung dieser Empfehlung, einschließlich deren Ergebnisse und der Auswirkungen auf bedürftige Kinder, auch als Teil des sozialpolitischen Scoreboards im Rahmen des Europäischen Semesters zu überwachen und gegebenenfalls länderspezifische Empfehlungen an die Mitgliedstaaten zu richten;

b)

gemeinsam mit den Mitgliedstaaten, den nationalen Koordinatoren für die Garantie für Kinder und dem Ausschuss für Sozialschutz darauf hinzuarbeiten, das wechselseitige Lernen zu erleichtern, Erfahrungen und bewährte Verfahren auszutauschen und Folgemaßnahmen zu den Maßnahmen zu ergreifen, die als Reaktion auf diese Empfehlung gemäß den einschlägigen nationalen Aktionsplänen ergriffen wurden;

c)

dem Ausschuss für Sozialschutz auf der Grundlage der Berichte der Mitgliedstaaten regelmäßig über die Fortschritte bei der Umsetzung dieser Empfehlung Bericht zu erstatten;

d)

gemeinsam mit dem Ausschuss für Sozialschutz darauf hinzuarbeiten,

i)

einen gemeinsamen Überwachungsrahmen zu schaffen und dafür vorhandene Datenquellen und Indikatoren zu verwenden und gegebenenfalls weitere gemeinsame quantitative und qualitative Ergebnisindikatoren zu entwickeln, mit denen die Umsetzung dieser Empfehlung bewertet wird;

ii)

mit Blick auf eine faktengestützte Politikgestaltung die Verfügbarkeit, den Umfang und die Relevanz vergleichbarer Daten auf Unionsebene zu verbessern, auch in Bezug auf bedürftige Kinder und ihren Zugang zu Diensten sowie die Angemessenheit und die Abdeckung der gezielten Leistungen für Kinder;

e)

fünf Jahre nach der Annahme dieser Empfehlung die Fortschritte bei deren Umsetzung zu überprüfen und dem Rat Bericht zu erstatten;

f)

die Sensibilisierungs- und Kommunikationsmaßnahmen zu verstärken und die Verbreitung von Ergebnissen und Beispielen für bewährte Verfahren auf Unionsebene sowie unter den Mitgliedstaaten und einschlägigen Interessenträgern zu verbessern.

Geschehen zu Luxemburg am 14. Juni 2021.

Im Namen des Rates

Die Präsidentin

A. MENDES GODINHO


(1)  Beschluss 2010/48/EG des Rates vom 26. November 2009 über den Abschluss des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen durch die Europäische Gemeinschaft (ABl. L 23 vom 27.1.2010, S. 35).

(2)  Empfehlung 2013/112/EU der Kommission vom 20. Februar 2013 „Investitionen in Kinder: Den Kreislauf der Benachteiligung durchbrechen“ (ABl. L 59 vom 2.3.2013, S. 5).

(3)  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. November 2015 zur Verringerung von Ungleichheit mit besonderem Schwerpunkt auf Kinderarmut (2014/2237(INI)).

(4)  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. März 2021 zu den Rechten des Kindes im Hinblick auf die EU-Kinderrechtsstrategie (2021/2523(RSP)).

(5)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte“, COM(2021) 102 final.

(6)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: EU-Kinderrechtsstrategie, COM(2021) 142 final.

(7)  https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/Children_at_risk_of_poverty_or_social_exclusion.

(8)  Empfehlung des Rates vom 30. Oktober 2020 zum Thema „Eine Brücke ins Arbeitsleben — Stärkung der Jugendgarantie“ und zur Ersetzung der Empfehlung des Rates vom 22. April 2013 zur Einführung einer Jugendgarantie (ABl. C 372 vom 4.11.2020, S. 1).

(9)  Jährliche Überprüfung des Anzeigers für die Leistungsfähigkeit des Sozialschutzes und der Entwicklungen in der Sozialschutzpolitik durch den Ausschuss für Sozialschutz (2020). Bericht über die wichtigsten sozialen Herausforderungen und Kernbotschaften, S. 58.

(10)  https://ec.europa.eu/eurostat/de/web/european-pillar-of-social-rights/indicators/social-scoreboard-indicators.

(11)  Im Einklang mit der Verordnung (EU) 2021/241 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Februar 2021 zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität (ABl. L 57 vom 18.2.2021, S. 17).