17.7.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 231/12


VERORDNUNG (EU) 2020/1043 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 15. Juli 2020

über die Durchführung klinischer Prüfungen mit genetisch veränderte Organismen enthaltenden oder aus solchen bestehenden Humanarzneimitteln zur Behandlung oder Verhütung der Coronavirus-Erkrankung (COVID-19) und deren Abgabe

(Text von Bedeutung für den EWR)

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 114 und auf Artikel 168 Absatz 4 Buchstabe c,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Anhörung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses,

nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (1),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Bei der Coronavirus-Erkrankung (COVID-19) handelt es sich um eine Infektionskrankheit, die durch ein neu entdecktes Coronavirus verursacht wird. Am 30. Januar 2020 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Ausbruch zur gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite. Am 11. März 2020 stufte die WHO COVID-19 als Pandemie ein.

(2)

Gemäß der Richtlinie 2001/83/EG (2) und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (3) des Europäischen Parlaments und des Rates muss Anträgen auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels in einem Mitgliedstaat oder in der Union ein Dossier mit den Ergebnissen der mit dem Arzneimittel durchgeführten klinischen Prüfungen beigefügt sein.

(3)

Gemäß der Richtlinie 2001/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (4) müssen Sponsoren vor Beginn einer klinischen Prüfung bei der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem die klinische Prüfung durchgeführt werden soll, eine Genehmigung beantragen. Zweck der Genehmigung ist es, die Rechte, die Sicherheit und das Wohlergehen der Prüfungsteilnehmer zu schützen und die Zuverlässigkeit und Belastbarkeit der mit der klinischen Prüfung gewonnenen Daten zu gewährleisten.

(4)

Gemäß der Richtlinie 2001/20/EG lässt die Genehmigung einer klinischen Prüfung die Anwendung der Richtlinien 2001/18/EG (5) und 2009/41/EG (6) des Europäischen Parlaments und des Rates unberührt.

(5)

Gemäß der Richtlinie 2001/18/EG bedarf es für die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen (GVO) in die Umwelt zu anderen Zwecken als zum Inverkehrbringen einer Anmeldung und der schriftlichen Zustimmung der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Freisetzung erfolgen soll. Die Anmeldung muss eine Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß Anhang II der Richtlinie 2001/18/EG und eine technische Akte mit den Informationen nach Anhang III der genannten Richtlinie enthalten.

(6)

Die Richtlinie 2009/41/EG sieht vor, dass die mit der Anwendung von genetisch veränderten Mikroorganismen in geschlossenen Systemen verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt von Fall zu Fall zu bewerten sind. Nach der genannten Richtlinie muss der Anwender zu diesem Zweck unter Einhaltung mindestens der Bewertungselemente und des Verfahrens gemäß Anhang III der genannten Richtlinie eine Bewertung der Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt vornehmen, die mit der konkreten Art der Anwendung in geschlossenen Systemen verbunden sind.

(7)

Klinische Prüfungen erfordern mehrere Vorgänge, einschließlich der Herstellung, dem Transport und der Lagerung der Prüfpräparate, ihrer Verpackung und Etikettierung, ihrer Verabreichung an die Prüfungsteilnehmer und deren anschließender Überwachung sowie der Entsorgung von Abfällen und nicht verwendeten Prüfpräparaten. Wenn das Prüfpräparat GVO enthält oder daraus besteht, können diese Vorgänge unter die Richtlinie 2001/18/EG oder 2009/41/EG fallen.

(8)

Die Erfahrung zeigt, dass bei klinischen Prüfungen mit Prüfpräparaten, die GVO enthalten oder aus solchen bestehen, das Verfahren zur Einhaltung der Anforderungen der Richtlinien 2001/18/EG und 2009/41/EG hinsichtlich der Umweltverträglichkeitsprüfung und der Genehmigung durch die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats komplex ist und einen erheblichen Zeitaufwand erfordern kann.

(9)

Das Verfahren wird noch erheblich komplizierter, wenn es sich um multizentrische klinische Prüfungen handelt, die in mehreren Mitgliedstaaten durchgeführt werden, da Sponsoren klinischer Prüfungen dann mehrere Genehmigungen bei mehreren zuständigen Behörden in verschiedenen Mitgliedstaaten gleichzeitig beantragen müssen. Darüber hinaus unterscheiden sich die nationalen Anforderungen und Verfahren für die Umweltverträglichkeitsprüfung und die schriftliche Zustimmung der zuständigen Behörden für die absichtliche Freisetzung von GVO nach der Richtlinie 2001/18/EG von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat erheblich. Während in einigen Mitgliedstaaten ein einziger Genehmigungsantrag für die Durchführung der klinischen Prüfung und die GVO-Aspekte bei einer einzigen zuständigen Behörde gestellt werden kann, bedarf es in anderen Mitgliedstaaten paralleler Anträge bei verschiedenen zuständigen Behörden. Darüber hinaus wenden einige Mitgliedstaaten die Richtlinie 2001/18/EG an, andere die Richtlinie 2009/41/EG und wieder andere je nach den besonderen Umständen einer klinischen Prüfung entweder die Richtlinie 2009/41/EG oder die Richtlinie 2001/18/EG, sodass sich das anzuwendende nationale Verfahren nicht von vornherein feststellen lässt. Einige Mitgliedstaaten wenden beide Richtlinien gleichzeitig auf verschiedene Vorgänge im Rahmen ein und derselben klinischen Prüfung an. Versuche, den Prozess durch informelle Koordinierung zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zu straffen, sind erfolglos geblieben. Auch die nationalen Vorschriften für den Inhalt der technischen Akte unterscheiden sich.

(10)

Es ist daher besonders schwierig, multizentrische klinische Prüfungen mit GVO enthaltenden oder aus solchen bestehenden Prüfpräparaten durchzuführen, an denen mehrere Mitgliedstaaten beteiligt sind.

(11)

Die COVID-19-Pandemie hat zu einer beispiellosen gesundheitlichen Notlage geführt, die Tausende Menschen in der Union das Leben gekostet hat und von der insbesondere ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen betroffen sind. Darüber hinaus mussten die Mitgliedstaaten äußerst drastische Maßnahmen ergreifen, um die Ausbreitung von COVID-19 einzudämmen, was zu erheblichen Störungen der Volkswirtschaften und der Union insgesamt geführt hat.

(12)

COVID-19 ist eine komplexe Krankheit, die mehrere physiologische Prozesse beeinträchtigt. An der Entwicklung möglicher Therapien und Impfstoffe wird derzeit gearbeitet. Manche der in Entwicklung befindlichen Impfstoffe enthalten attenuierte Viren oder Lebendvirusvektoren, die unter die Definition von GVO fallen können.

(13)

Angesichts der gesundheitlichen Notlage ist es für die Union von großem Interesse, dass so bald wie möglich sichere und wirksame Arzneimittel zur Behandlung oder Verhütung von COVID-19 entwickelt und in der Union bereitgestellt werden können.

(14)

Um das Ziel der Bereitstellung sicherer und wirksamer Arzneimittel zur Behandlung oder Verhütung von COVID-19 zu verwirklichen, haben die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) und das Netz der zuständigen nationalen Behörden auf Unionsebene eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, die die Entwicklung und die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Therapeutika und Impfstoffen erleichtern, unterstützen und beschleunigen sollen.

(15)

Um die belastbaren klinischen Nachweise zu erbringen, die erforderlich sind, um Anträge auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln zur Behandlung oder Verhütung von COVID-19 zu untermauern, müssen multizentrische klinischen Prüfungen, an denen mehrere Mitgliedstaaten beteiligt sind, durchgeführt werden.

(16)

Es ist von allergrößter Bedeutung, dass klinische Prüfungen mit GVO enthaltenden oder aus GVO bestehenden Prüfpräparaten zur Behandlung oder Verhütung von COVID-19 in der Union durchgeführt werden können, dass sie so bald wie möglich beginnen können und dass sie sich nicht wegen der Komplexität der unterschiedlichen nationalen Verfahren, die von den Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Richtlinien 2001/18/EG und 2009/41/EG eingeführt wurden, verzögern.

(17)

Zentrales Ziel des Arzneimittelrechts der Union ist der Schutz der öffentlichen Gesundheit. Dieser Rechtsrahmen wird durch die Vorschriften der Richtlinie 2001/20/EG zur Festlegung spezifischer Normen für den Schutz der Prüfungsteilnehmer ergänzt. Die Richtlinien 2001/18/EG und 2009/41/EG haben das Ziel, durch die Bewertung der Risiken, die mit der absichtlichen Freisetzung oder der Anwendung von GVO in geschlossenen Systemen verbunden ist, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu gewährleisten. Angesichts des beispiellosen gesundheitlichen Notlage aufgrund der COVID-19-Pandemie muss der Schutz der öffentlichen Gesundheit Vorrang erhalten. Daher ist es erforderlich, für die Dauer der COVID-19-Pandemie oder solange COVID-19 eine gesundheitliche Notlage darstellt, eine befristete Ausnahme von den Anforderungen im Hinblick auf eine vorherige Umweltverträglichkeitsprüfung und Zustimmung nach den Richtlinien 2001/18/EG und 2009/41/EG zu gewähren. Die Ausnahme sollte auf klinische Prüfungen mit GVO enthaltenden oder aus GVO bestehenden Prüfpräparaten zur Behandlung oder Verhütung von COVID-19 beschränkt sein. Solange die befristete Ausnahmeregelung gilt, sollten die Umweltverträglichkeitsprüfung und die Zustimmung gemäß den Richtlinien 2001/18/EG und 2009/41/EG keine Voraussetzung für die Durchführung dieser klinischen Prüfungen sein.

(18)

Um ein hohes Maß an Umweltschutz zu gewährleisten, sollten die Anlagen, in denen die genetische Veränderung wilder Viren und damit zusammenhängende Tätigkeiten stattfinden, auch weiterhin der Richtlinie 2009/41/EG unterworfen bleiben. Daher sollte die Herstellung von GVO enthaltenden oder aus GVO bestehenden Arzneimitteln zur Behandlung oder Verhütung von COVID-19, einschließlich Prüfpräparaten, von der befristeten Ausnahmeregelung ausgenommen werden. Zudem sollten die Sponsoren verpflichtet sein, die negativen Umweltauswirkungen, mit denen nach heutigem Wissensstand bei einer absichtlichen oder unbeabsichtigten Freisetzung von Prüfpräparaten in die Umwelt zu rechnen ist, durch geeignete Maßnahmen zu minimieren.

(19)

Demzufolge sollte der Antragsteller bei einem Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß der Richtlinie 2001/83/EG oder der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 für GVO enthaltende oder aus GVO bestehende Arzneimittel zur Behandlung oder Verhütung von COVID-19, deren klinische Prüfungen unter die Ausnahmeregelung gemäß der vorliegenden Verordnung fallen würden, nicht verpflichtet sein, die schriftliche Zustimmung der zuständigen Behörde für die absichtliche Freisetzung von GVO in die Umwelt zu Forschungs- und Entwicklungszwecken gemäß Teil B der Richtlinie 2001/18/EG beizufügen.

(20)

Diese Verordnung lässt die Vorschriften der Union über Humanarzneimittel unberührt. Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 werden die Umweltauswirkungen von GVO enthaltenden oder aus GVO bestehenden Arzneimitteln zur Behandlung oder Verhütung von COVID-19 parallel zur Bewertung der Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des betreffenden Arzneimittels nach wie vor von der EMA unter Einhaltung der in der Richtlinie 2001/18/EG festgelegten Umweltschutzanforderungen bewertet.

(21)

Die Richtlinie 2001/20/EG gilt weiterhin, und klinische Prüfungen mit GVO enthaltenden oder aus GVO bestehenden Prüfpräparaten zur Behandlung oder Verhütung von COVID-19 bedürfen weiterhin einer schriftlichen Genehmigung durch die zuständige Behörde in jedem Mitgliedstaat, in dem die Prüfung durchgeführt wird. Die Einhaltung ethischer Anforderungen und der guten klinischen Praxis bei der Durchführung klinischer Prüfungen bleibt weiterhin verpflichtend ebenso wie die Einhaltung der guten Herstellungspraxis bei der Herstellung oder der Einfuhr von GVO enthaltenden oder aus GVO bestehenden Prüfpräparaten.

(22)

Generell darf kein Arzneimittel in der Union oder in einem Mitgliedstaat in Verkehr gebracht werden, ohne dass die zuständigen Behörden eine Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß der Richtlinie 2001/83/EG oder der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 erteilt haben. In der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 sind jedoch Ausnahmeregelungen für Situationen vorgesehen, in denen ein Arzneimittel dringend verabreicht werden muss, um den spezifischen Bedarf eines Patienten zu decken, wenn es im Rahmen eines „compassionate use“ erfolgt oder wenn es als Reaktion auf die vermutete oder bestätigte Verbreitung von krankheitserregenden Substanzen, Toxinen, Chemikalien oder einer Kernstrahlung, durch die Schaden hervorgerufen werden könnte, geschieht. Die Mitgliedstaaten können insbesondere gemäß Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 2001/83/EG in besonderen Bedarfsfällen Arzneimittel von den Bestimmungen der vorliegenden Richtlinie ausnehmen, die auf eine nach Treu und Glauben aufgegebene Bestellung, für die nicht geworben wurde, geliefert werden und die nach den Angaben eines zugelassenen Angehörigen der Gesundheitsberufe hergestellt werden und zur Verabreichung an einen bestimmten Patienten unter seiner unmittelbaren persönlichen Verantwortung bestimmt sind. Nach Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie 2001/83/EG können die Mitgliedstaaten außerdem als Reaktion auf die vermutete oder bestätigte Verbreitung von krankheitserregenden Substanzen, Toxinen, Chemikalien oder einer Kernstrahlung, durch die Schaden hervorgerufen werden könnte, vorübergehend das Inverkehrbringen eines nicht genehmigten Arzneimittels gestatten. Nach Artikel 83 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 können die Mitgliedstaaten ein Humanarzneimittel aus humanen Erwägungen einer Gruppe von Patienten zur Verfügung stellen, die an einer zu Invalidität führenden chronischen oder schweren Krankheit leiden oder deren Krankheit als lebensbedrohend gilt und die mit einem genehmigten Arzneimittel nicht zufriedenstellend behandelt werden können.

(23)

Von einigen Mitgliedstaaten wurden Zweifel hinsichtlich der Wechselwirkung dieser Bestimmungen der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 mit den GVO-Rechtsvorschriften geäußert. Da Impfstoffe oder Therapien gegen COVID-19 der Öffentlichkeit unbedingt zur Verfügung gestellt werden müssen, sobald sie für diesen Zweck bereit stehen, und Verzögerungen oder Unklarheiten hinsichtlich des Status dieser Arzneimittel in bestimmten Mitgliedstaaten zu vermeiden sind, ist es angemessen, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung oder eine Zustimmung gemäß der Richtlinie 2001/18/EG oder der Richtlinie 2009/41/EG keine Voraussetzung sind, wenn die Mitgliedstaaten Entscheidungen gemäß Artikel 5 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 2001/83/EG oder gemäß Artikel 83 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 betreffend GVO enthaltende oder aus GVO bestehende Arzneimittel zur Behandlung oder Verhütung von COVID-19 treffen.

(24)

Da die Ziele dieser Verordnung, nämlich eine befristete Ausnahme von den Rechtsvorschriften der Union für GVO zu gewähren, damit sichergestellt ist, dass die Durchführung klinischer Prüfungen mit GVO enthaltenden oder aus GVO bestehenden Prüfpräparaten zur Behandlung oder Verhütung von COVID-19 im Hoheitsgebiet mehrerer Mitgliedstaaten nicht verzögert wird, und die Anwendung von Artikel 5 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 2001/83/EG sowie von Artikel 83 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 in Bezug auf GVO enthaltende oder aus GVO bestehende Arzneimittel zur Behandlung oder Verhütung von COVID-19 klarzustellen, von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, sondern wegen ihres Umfangs und ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Aufgrund der Bedeutung, die der Gewährleistung eines hohen Umweltschutzniveaus in allen Politikbereichen zukommt, und entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sollte diese Verordnung auf den gegenwärtigen Notstand mit seiner akuten Gefährdung der menschlichen Gesundheit beschränkt bleiben, insofern das Ziel des Schutzes der menschlichen Gesundheit nicht anders verwirklicht werden kann, und geht nicht über das zur Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.

(25)

Wegen dieser Dringlichkeit wurde es als angemessen angesehen, eine Ausnahme von der Achtwochenfrist nach Artikel 4 des dem EUV, dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft beigefügten Protokolls Nr. 1 über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union vorzusehen.

(26)

Um sicherzustellen, dass die klinischen Prüfungen mit GVO enthaltenden oder aus GVO bestehenden Prüfpräparaten zur Behandlung oder Verhütung von COVID-19 unverzüglich beginnen können, und um die Anwendung von Artikel 5 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 2001/83/EG sowie von Artikel 83 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 in Bezug auf GVO enthaltende oder aus GVO bestehende Arzneimittel zur Behandlung oder Verhütung von COVID-19 klarzustellen, sollte diese Verordnung in Anbetracht ihrer Ziele aus Gründen der Dringlichkeit am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Für die Zwecke dieser Verordnung gelten die folgenden Begriffsbestimmungen:

1.

„klinische Prüfung“ bedeutet klinische Prüfung im Sinne von Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 2001/20/EG;

2.

„Sponsor“ bedeutet Sponsor im Sinne von Artikel 2 Buchstabe e der Richtlinie 2001/20/EG;

3.

„Prüfpräparat“ bedeutet Prüfpräparat im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d der Richtlinie 2001/20/EG;

4.

„Arzneimittel“ bedeutet Arzneimittel im Sinne von Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie 2001/83/EG;

5.

„genetisch veränderter Organismus“ oder „GVO“ bedeutet genetisch veränderter Organismus im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 der Richtlinie 2001/18/EG.

Artikel 2

(1)   Für alle Vorgänge im Zusammenhang mit der Durchführung klinischer Prüfungen, einschließlich der Verpackung und Etikettierung, der Lagerung, des Transports, der Vernichtung, Beseitigung, Verteilung, Abgabe, Verabreichung oder Verwendung von zur Anwendung beim Menschen bestimmten, GVO enthaltenden oder aus GVO bestehenden Prüfpräparaten zur Behandlung oder Verhütung von COVID-19 — mit Ausnahme der Herstellung der Prüfpräparate — ist keine vorherige Umweltverträglichkeitsprüfung oder Zustimmung gemäß den Artikeln 6 bis 11 der Richtlinie 2001/18/EG oder den Artikeln 4 bis 13 der Richtlinie 2009/41/EG erforderlich, wenn diese Vorgänge mit der Durchführung einer klinischen Prüfung in Zusammenhang stehen, die gemäß der Richtlinie 2001/20/EG genehmigt wurde.

(2)   Die Sponsoren minimieren durch geeignete Maßnahmen die vorhersehbaren negativen Umweltauswirkungen aufgrund einer absichtlichen oder unbeabsichtigten Freisetzung des Prüfpräparats in die Umwelt.

(3)   Abweichend von Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 und von Anhang I Teil I Nummer 1.6 Absatz 4 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 2001/83/EG ist der Antragsteller bei Anträgen auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von GVO enthaltenden oder aus GVO bestehenden Arzneimitteln zur Behandlung oder Verhütung von COVID-19 nicht verpflichtet, eine Abschrift der schriftlichen Zustimmung der zuständigen Behörde für die absichtliche Freisetzung von GVO in die Umwelt zu Forschungs- und Entwicklungszwecken gemäß Teil B der Richtlinie 2001/18/EG beizufügen.

Artikel 3

(1)   Die Artikel 6 bis 11 und 13 bis 24 der Richtlinie 2001/18/EG sowie die Artikel 4 bis 13 der Richtlinie 2009/41/EG gelten nicht für Vorgänge im Zusammenhang mit der Abgabe und Verwendung von GVO enthaltenden oder aus GVO bestehenden Arzneimitteln zur Behandlung oder Verhütung von COVID-19 — einschließlich der Verpackung und Etikettierung, der Lagerung, des Transports, der Vernichtung, Beseitigung, Verteilung oder Verabreichung, mit Ausnahme der Herstellung der Arzneimittel — in jedem der folgenden Fälle:

a)

wenn solche Arzneimittel von einem Mitgliedstaat gemäß Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 2001/83/EG von den Bestimmungen jener Richtlinie ausgenommen wurden;

b)

wenn solche Arzneimittel von einem Mitgliedstaat gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie 2001/83/EG vorübergehend genehmigt wurden; oder

c)

wenn solche Arzneimittel von einem Mitgliedstaat gemäß Artikel 83 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 bereitgestellt werden.

(2)   Sofern möglich, minimieren die Mitgliedstaaten durch geeignete Maßnahmen die vorhersehbaren negativen Umweltauswirkungen aufgrund einer absichtlichen oder unbeabsichtigten Freisetzung des Arzneimittels in die Umwelt.

Artikel 4

(1)   Diese Verordnung gilt, solange die WHO COVID-19 zur Pandemie erklärt hat oder solange ein Durchführungsrechtsakt der Kommission gilt, mit dem sie gemäß Artikel 12 des Beschlusses Nr. 1082/2013/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (7) eine gesundheitliche Notlage aufgrund von COVID-19 feststellt.

(2)   Sind die Bedingungen für die Geltung der vorliegenden Verordnung nach Absatz 1 nicht länger erfüllt, veröffentlicht die Kommission eine entsprechende Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union.

(3)   Unter den Anwendungsbereich von Artikel 2 der vorliegenden Verordnung fallende klinische Prüfungen, die vor der Veröffentlichung der Bekanntmachung nach Absatz 2 des vorliegenden Artikels gemäß der Richtlinie 2001/20/EG genehmigt wurden, dürfen gültig fortgesetzt und zur Untermauerung eines Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen verwendet werden, auch wenn keine Umweltverträglichkeitsprüfung oder Zustimmung gemäß den Artikeln 6 bis 11 der Richtlinie 2001/18/EG oder gemäß den Artikeln 4 bis 13 der Richtlinie 2009/41/EG vorliegt.

Artikel 5

Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Geschehen zu Brüssel am 15. Juli 2020.

Im Namen des Europäischen Parlaments

Der Präsident

D. M. SASSOLI

Im Namen des Rates

Die Präsidentin

J. KLOECKNER


(1)  Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 10. Juli 2020 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 14. Juli 2020.

(2)  Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311vom 28.11.2001, S. 67).

(3)  Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Unionsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. L 136 vom 30.4.2004, S. 1).

(4)  Richtlinie 2001/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln (ABl. L 121 vom 1.5.2001, S. 34).

(5)  Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl. L 106 vom 17.4.2001, S. 1).

(6)  Richtlinie 2009/41/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen (ABl. L 125 vom 21.5.2009, S. 75).

(7)  Beschluss Nr. 1082/2013/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 2119/98/EG (ABl. L 293 vom 5.11.2013, S. 1).