15.12.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 423/65


LEITLINIE (EU) 2020/2091 DER EUROPÄISCHEN ZENTRALBANK

vom 4. Dezember 2020

zur Änderung der Leitlinie EZB/2003/5 über die Anwendung von Maßnahmen gegen unerlaubte Reproduktionen von Euro-Banknoten sowie über den Umtausch und Einzug von Euro-Banknoten (EZB/2020/61)

DER EZB-RAT —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 128 Absatz 1,

gestützt auf die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank, insbesondere auf die Artikel 12.1, 14.3 und 16,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Anzahl der aus dem Umlauf genommenen Reproduktionen von Euro-Banknoten, die die Öffentlichkeit mit echten Euro-Banknoten verwechseln könnte, hat zugenommen — trotz der Tatsache, dass einige dieser Reproduktionen kleine oder nicht leicht erkennbare Hinweise darauf enthalten, dass es sich um „Kopien“ oder „kein gesetzliches Zahlungsmittel“ handelt bzw. dass diese „nur für Filme oder als Requisite zu verwenden“ sind —, da ihr äußeres Erscheinungsbild den Eindruck von Euro-Banknoten erweckt und sie bestimmte Sicherheitsmerkmale von Euro-Banknoten nachahmen. Diese Reproduktionen werden hauptsächlich auf Online-Marktplätzen oder Webseiten angeboten und gekauft. Reproduktionen, die die Öffentlichkeit mit echten Euro-Banknoten verwechseln könnte, gelten gemäß der Leitlinie EZB/2003/5 (1) als unrechtmäßig. Daher ist es wichtig, Maßnahmen einzuleiten, um eine weitere Verbreitung von Reproduktionen zu verringern und diese letztendlich anzuhalten. Diese Maßnahmen sollen die bestehenden, dem Eurosystem zur Verfügung stehenden Maßnahmen ergänzen, einschließlich Übertretungsverfahren, die zur Verhängung von Sanktionen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2532/98 der Rates (2) führen können.

(2)

Seit der Einführung der Euro-Banknoten haben sich die Mitglieder des Eurosystems zur Gewährleistung einer harmonisierten Auslegung innerhalb des Euro-Währungsgebiets darüber ausgetauscht, ob bestimmte Reproduktionen als rechtmäßig oder nicht rechtmäßig gelten sollen. Zur Bearbeitung von möglichen zukünftigen Anträgen auf Gewährung von Ausnahmen für Reproduktionsformen, die nicht im Rahmen der bestehenden Praxis bewertet werden können, ist die Einrichtung eines Verfahrens zur Gewährleistung einer harmonisierten Auslegung in solchen Situationen erforderlich.

(3)

Die Leitlinie EZB/2003/5 sollte daher entsprechend geändert werden —

HAT FOLGENDE LEITLINIE ERLASSEN:

Artikel 1

Änderungen

Die Leitlinie EZB/2003/5 wird wie folgt geändert:

1.

Artikel 1 erhält folgende Fassung:

Artikel 1

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Leitlinie gelten die folgenden Begriffsbestimmungen:

1.

‚Unerlaubte Reproduktion‘: jede Reproduktion im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 des Beschlusses EZB/2013/10 (*1), die

a)

den Kriterien von Artikel 2 Absatz 3 des Beschlusses EZB/2013/10 nicht entspricht und die nicht von der EZB oder der betreffenden NZB nach Artikel 2 Absatz 5 des Beschlusses EZB/2013/10 ausgenommen wurde; oder

b)

das Urheberrecht der EZB an den Euro-Banknoten verletzt, z. B. dadurch, dass sie sich negativ auf das Ansehen der Euro-Banknoten auswirkt.

2.

‚Unerlaubte Handlung‘: die Herstellung, der Besitz, der Transport, die Verbreitung, der Verkauf, die Bewerbung, die Einfuhr in die Union und die Verwendung oder versuchte Verwendung unerlaubter Reproduktionen für Transaktionen.

(*1)  Beschluss EZB/2013/10 vom 19. April 2013 über die Stückelung, Merkmale und Reproduktion sowie den Umtausch und Einzug von Euro-Banknoten (ABl. L 118 vom 30.4.2013, S. 37).“"

2.

Artikel 2 wird wie folgt geändert:

a)

Die Überschrift von Artikel 2 erhält folgende Fassung:

„Anwendung von Maßnahmen zur Bekämpfung unerlaubter Handlungen“

b)

Absatz 1 erhält folgende Fassung:

„(1)   Erlangt eine NZB Kenntnis davon, dass eine unerlaubte Handlung auf ihrem Staatsgebiet vorgenommen wurde, so hat sie die unerlaubt handelnde Person mittels eines standardisierten Schreibens der EZB aufzufordern, eine oder mehrere der betreffenden unerlaubten Handlungen zu unterlassen, und — wenn dies angemessen erscheint — die Person, die im Besitz der unerlaubten Reproduktion ist, zu deren Aushändigung aufzufordern.“

c)

Die folgenden Absätze 1a, 1b und 1c werden eingefügt:

„(1a)   Erlangt eine NZB Kenntnis davon, dass entweder direkt oder indirekt eine unerlaubte Handlung vorgenommen wurde, beispielsweise in elektronischer Form auf Webseiten mit dem jeweiligen nationalen URL/Domain, drahtgebunden oder drahtlos oder auf sonstige Weise, die es der Öffentlichkeit ermöglicht, von einem Ort und zu einem Zeitpunkt ihrer Wahl auf die unerlaubte Reproduktion zuzugreifen, hat die NZB dies der EZB unverzüglich mitzuteilen. Zudem hat die NZB die unerlaubt handelnde Person mittels einer standardisierten Vorlage der EZB aufzufordern, die unerlaubte Handlung zu unterlassen. Die EZB trifft daraufhin alle möglichen Maßnahmen, um die unerlaubte Reproduktion von dem Ort ihrer elektronischen Speicherung zu entfernen.

(1b)   Zudem kann die EZB die unerlaubt handelnde Person auffordern, eine oder mehrere der betreffenden unerlaubten Handlungen zu unterlassen, wenn diese auf dem Staatsgebiet von mehr als einem Mitgliedstaat oder außerhalb der Union begangen werden. Die EZB hat die Person, die im Besitz der unerlaubten Reproduktion ist, zu deren Aushändigung aufzufordern, wenn dies angemessen erscheint.

(1c)   Bevor die NZB die in diesem Artikel genannten Maßnahmen ergreift, unterrichtet sie die EZB darüber. Die EZB koordiniert die zu ergreifenden Maßnahmen, damit die NZB bzw. die EZB bei der Ergreifung der Maßnahmen im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse handelt.“

d)

Absatz 3 erhält folgende Fassung:

„(3)   Die anschließende Entscheidung, ein Übertretungsverfahren gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 2532/98 des Rates (*2) einzuleiten, das zur Verhängung von Sanktionen gemäß dieser Verordnung führen kann, wird vom Direktorium der EZB oder der betreffenden NZB getroffen. Bevor eine solche Entscheidung getroffen wird, beraten sich die EZB und die jeweilige NZB, und die NZB teilt der EZB mit, ob ein gesondertes Übertretungsverfahren nach nationalem Strafrecht eingeleitet wurde oder eingeleitet werden kann und ob eine andere angemessene Rechtsgrundlage für Maßnahmen gegen die unerlaubte Reproduktion, z. B. nach dem Urheberrecht, vorliegt. Ein Übertretungsverfahren gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2532/98 ist nicht einzuleiten, wenn ein Übertretungsverfahren bereits nach nationalem Strafrecht eingeleitet wurde oder künftig eingeleitet werden soll oder eine andere geeignete Rechtsgrundlage gegen die unerlaubte Handlung vorliegt.

(*2)  Verordnung (EG) Nr. 2532/98 vom 23. November 1998 über das Recht der Europäischen Zentralbank, Sanktionen zu verhängen (ABl. L 318 vom 27.11.1998, S. 4).“"

e)

Absatz 5 erhält folgende Fassung:

„(5)   Die in diesem Artikel genannten Maßnahmen werden von der EZB selbst getroffen, wenn

a)

der Ursprung der unerlaubten Handlung nicht in angemessener Weise festgestellt werden kann,

b)

die unerlaubte Handlung auf dem Staatsgebiet mehrerer teilnehmender Mitgliedstaaten begangen wurde oder künftig begangen wird, oder

c)

die unerlaubte Handlung außerhalb des Staatsgebiets der teilnehmenden Mitgliedstaaten begangen wurde oder künftig begangen wird.“

(3)

Artikel 3 erhält folgende Fassung:

„Artikel 3

Anträge auf Gewährung einer Ausnahme für Reproduktionen

(1)   Alle Anträge auf Gewährung einer Ausnahme nach Artikel 2 Absatz 5 des Beschlusses ESB/2013/10 werden wie folgt bearbeitet:

a)

durch die betreffende NZB im Auftrag der EZB, wenn die Reproduktionen ausschließlich im Staatsgebiet des Mitgliedstaats der betreffenden NZB hergestellt wurden oder künftig hergestellt werden; oder

b)

durch die EZB in allen anderen in Artikel 2 Absatz 5 des Beschlusses ECB/2013/10 beschriebenen Fällen.

(2)   Geht bei der NZB ein Antrag auf Gewährung einer neuen Art von Ausnahme ein, so unterrichtet die NZB die EZB über den Antrag und ihre Absicht, die Ausnahme zu gewähren oder zu verweigern. Weichen die Ansichten der EZB und der NZB voneinander ab, so trifft das Direktorium die Entscheidung. Bei seiner Entscheidung hat das Direktorium die Ansichten des Banknotenausschusses (BANCO) und des Rechtsausschusses (LEGCO) zu berücksichtigen, insbesondere zur individuellen Lage des betreffenden Mitgliedstaats, vorbehaltlich der geäußerten Ansichten hinsichtlich der Auswirkungen des Beschlusses auf das gesamte Euro-Währungsgebiet. Die EZB sammelt alle Daten zu den von ihr erhaltenen Anträgen (unabhängig davon, ob diese an sie gerichtet sind oder nicht) sowie alle Antworten auf diese Anträge und unterrichtet die NZBen darüber. Die EZB kann die konsolidierten Daten von Zeit zu Zeit veröffentlichen.“

Artikel 2

Wirksamwerden

Diese Leitlinie wird am Tag ihrer Bekanntgabe an die nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, wirksam.

Artikel 3

Adressaten

Diese Leitlinie ist an alle Zentralbanken des Eurosystems gerichtet.

Geschehen zu Frankfurt am Main am 4. Dezember 2020.

Für den EZB-Rat

Die Präsidentin der EZB

Christine LAGARDE


(1)  Leitlinie EZB/2003/5 vom 20. März 2003 über die Anwendung von Maßnahmen gegen unerlaubte Reproduktionen von Euro-Banknoten sowie über den Umtausch und Einzug von Euro-Banknoten (ABl. L 78 vom 25.3.2003, S. 20).

(2)  Verordnung (EG) Nr. 2532/98 vom 23. November 1998 über das Recht der Europäischen Zentralbank, Sanktionen zu verhängen (ABl. L 318 vom 27.11.1998, S. 4).