11.8.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 261/42


BESCHLUSS (EU) 2020/1184 DER KOMMISSION

vom 17. Juli 2020

zu von Ungarn gemäß Artikel 114 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen über den Cadmiumgehalt in Phosphatdüngern

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen C(2020) 4862)

(Nur der ungarische Text ist verbindlich)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 114 Absatz 6,

in Erwägung nachstehender Gründe:

1.   SACHVERHALT UND VERFAHREN

(1)

Am 19. Juli 2019 teilte Ungarn der Kommission gemäß Artikel 114 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) mit, es beabsichtige, einzelstaatliche von der Verordnung (EU) 2019/1009 des Europäischen Parlaments und des Rates abweichende Bestimmungen hinsichtlich des Cadmiumgehalts in Phosphatdüngern beizubehalten (1).

1.1.   Rechtsvorschriften der Union

1.1.1.   Artikel 114 Absätze 4 und 6 AEUV

(2)

Die Absätze 4 und 6 des Artikels 114 AEUV lauten:

„4.   Hält es ein Mitgliedstaat nach dem Erlass einer Harmonisierungsmaßnahme durch das Europäische Parlament und den Rat beziehungsweise durch den Rat oder die Kommission für erforderlich, einzelstaatliche Bestimmungen beizubehalten, die durch wichtige Erfordernisse im Sinne des Artikels 36 oder in Bezug auf den Schutz der Arbeitsumwelt oder den Umweltschutz gerechtfertigt sind, so teilt er diese Bestimmungen sowie die Gründe für ihre Beibehaltung der Kommission mit.

(…)

6.   Die Kommission beschließt binnen sechs Monaten nach den Mitteilungen nach den Absätzen 4 […], die betreffenden einzelstaatlichen Bestimmungen zu billigen oder abzulehnen, nachdem sie geprüft hat, ob sie ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung und eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen und ob sie das Funktionieren des Binnenmarkts behindern.

Erlässt die Kommission innerhalb dieses Zeitraums keinen Beschluss, so gelten die in den Absätzen 4 […] genannten einzelstaatlichen Bestimmungen als gebilligt.

Die Kommission kann, sofern dies aufgrund des schwierigen Sachverhalts gerechtfertigt ist und keine Gefahr für die menschliche Gesundheit besteht, dem betreffenden Mitgliedstaat mitteilen, dass der in diesem Absatz genannte Zeitraum gegebenenfalls um einen weiteren Zeitraum von bis zu sechs Monaten verlängert wird.“

1.2.   Harmonisierungsvorschriften im Bereich von Düngeprodukten

1.2.1.   Verordnung (EG) Nr. 2003/2003

(3)

Die Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) gilt für Erzeugnisse, die als Düngemittel mit der Bezeichnung „EG-Düngemittel“ in Verkehr gebracht werden. Ein Düngemittel, das zu einem in Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 aufgeführten Düngemitteltyp gehört und die Bedingungen der genannten Verordnung erfüllt, kann als „EG-Düngemittel“ bezeichnet werden und ist für den freien Verkehr im Binnenmarkt zugelassen.

(4)

Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 enthält eine erschöpfende Liste der Düngemitteltypen, die unter die Harmonisierungsvorschriften fallen. Für jeden Düngemitteltyp gelten spezifische Anforderungen, z. B. hinsichtlich des Nährstoffgehalts, der Nährstofflöslichkeit oder der Verarbeitungsverfahren.

(5)

Die Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 gilt hauptsächlich für mineralische Düngemittel. Einige der erfassten Düngemitteltypen weisen einen Massengehalt an Phosphor von 5 % Phosphorpentoxid-(P2O5)-Äquivalent oder mehr auf.

(6)

In Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 ist der Grundsatz des freien Verkehrs von EG-Düngemitteln auf dem Binnenmarkt verankert, wonach die Mitgliedstaaten nicht befugt sind, aus Gründen der Zusammensetzung, Kennzeichnung, Etikettierung oder Verpackung sowie anderer Bestimmungen dieser Verordnung das Inverkehrbringen von Düngemitteln, die die Bezeichnung „EG-Düngemittel“ tragen und den Bestimmungen dieser Verordnung entsprechen, zu verbieten, zu beschränken oder zu behindern.

(7)

In dieser Verordnung sind keine Grenzwerte für Kontaminanten in EG-Düngemitteln festgelegt. Abgesehen von einigen Ausnahmen auf der Grundlage der Entscheidungen der Kommission in Anwendung der entsprechenden Bestimmungen des AEUV (3) sind daher EG-Düngemittel mit einem Phosphorgehalt von mindestens 5 % P2O5 unabhängig von ihrem Cadmiumgehalt für den freien Verkehr im Binnenmarkt zugelassen.

(8)

Dennoch wurde die Absicht der Kommission, sich mit der Frage ungewollter Cadmiumbeimengungen in mineralischen Düngemitteln zu befassen, bereits in Erwägungsgrund 15 der Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 angekündigt. Danach können Düngemittel „durch Stoffe verunreinigt sein, die die Gesundheit von Menschen und Tieren und die Umwelt gefährden können. Die Kommission beabsichtigt, nach Stellungnahme des Wissenschaftlichen Ausschusses für Toxizität, Ökotoxizität und Umwelt (SCTEE) die Problematik ungewollter Cadmiumbeimengungen in mineralischen Düngemitteln in Angriff zu nehmen, und wird gegebenenfalls einen Vorschlag für eine Verordnung erstellen, den sie dem Europäischen Parlament und dem Rat vorzulegen beabsichtigt. Gegebenenfalls werden andere Kontaminanten in ähnlicher Weise untersucht.“

1.2.2.   Verordnung (EU) 2019/1009

(9)

Die Verordnung (EU) 2019/1009 enthält Harmonisierungsvorschriften für „EU-Düngeprodukte“. Durch sie wird die Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 mit Wirkung vom 16. Juli 2022 aufgehoben.

(10)

EU-Düngeprodukte sind Düngeprodukte, die bei ihrer Bereitstellung auf dem Binnenmarkt mit einer CE-Kennzeichnung versehen werden. Ein EU-Düngeprodukt muss die Anforderungen der Verordnung (EU) 2019/1009 für die betreffende Produktfunktionskategorie („PFC“) und Komponentenmaterialkategorie(n) erfüllen und gemäß den darin festgelegten Kennzeichnungsvorschriften gekennzeichnet sein. Es gibt sieben PFC für EU-Düngeprodukte, von denen eine Düngemittel umfasst.

(11)

Die Verordnung (EU) 2019/1009 deckt anorganische Düngemittel in einer allgemeineren Form ab als Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 2003/2003, vorbehaltlich einiger allgemeiner Anforderungen an ihre Qualität und Sicherheit. Darüber hinaus gilt die Verordnung (EU) 2019/1009 für organische und organisch-mineralische Düngemittel, die nicht in den sachlichen Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 fallen.

(12)

Mit der Verordnung (EU) 2019/1009 wird auf Unionsebene der Begriff „Phosphatdünger“ für anorganische Makronährstoffdünger oder organisch-mineralische Düngemittel mit einem Phosphorgehalt von mindestens 5 % P2O5 eingeführt.

(13)

In der Verordnung werden erstmals auf Unionsebene Grenzwerte für Kontaminanten in EU-Düngeprodukten festgelegt. Auf der Grundlage von Anhang I Nummer 3 Buchstabe a Ziffer ii in PFC 1(B) (organisch-mineralisches Düngemittel) und Nummer 2 Buchstabe a Ziffer ii in PFC 1(C)(I) (anorganisches Makronährstoff-Düngemittel) der Verordnung (EU) 2019/1009 darf der Cadmiumgehalt in Phosphatdüngern den Grenzwert von 60 mg/kg P2O5 nicht überschreiten.

(14)

Der Grundsatz des freien Verkehrs ist in Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2019/1009 verankert, wonach die Mitgliedstaaten die Bereitstellung von EU-Düngeprodukten, die dieser Verordnung entsprechen, auf dem Markt aus Gründen der Zusammensetzung, Etikettierung oder anderer von dieser Verordnung abgedeckter Aspekte nicht behindern dürfen. Jedoch darf gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2019/1009 ein Mitgliedstaat, auf den am 14. Juli 2019 im Wege einer gemäß Artikel 114 Absatz 4 AEUV gewährten Ausnahmeregelung die Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 in Bezug auf den Cadmiumgehalt von Düngemitteln keine Anwendung findet, so lange weiterhin die nationalen Grenzwerte für den Cadmiumgehalt in Phosphatdüngern anwenden, bis auf Unionsebene harmonisierte Grenzwerte für den Cadmiumgehalt in Phosphatdüngern gelten, die gleich hoch oder niedriger sind als die nationalen Grenzwerte.

(15)

Zudem ist die Kommission bis zum 16. Juli 2026 verpflichtet, die Grenzwerte für den Cadmiumgehalt in Phosphatdüngern mit Blick auf eine Bewertung der Machbarkeit einer Verringerung dieser Werte auf ein geringeres angemessenes Niveau zu prüfen. Die Kommission muss Umweltfaktoren — insbesondere im Kontext von Boden und Klimabedingungen, Gesundheitsfaktoren sowie sozioökonomischen Faktoren — berücksichtigen; dies umfasst auch die Versorgungssicherheit.

1.2.3.   Fakultative Regelung

(16)

Der EU-Markt für Düngeprodukte ist nur teilweise harmonisiert.

(17)

Mit der Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 soll der freie Verkehr von EG-Düngemitteln auf dem Binnenmarkt gewährleistet werden. Sie berührt jedoch nicht die sogenannten „nationalen Düngemittel“, die in den Mitgliedstaaten im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften in Verkehr gebracht werden. Hersteller können Düngemittel daher entweder als „EG-Düngemittel“ oder als „nationale Düngemittel“ vermarkten.

(18)

Die Verordnung (EU) 2019/1009 behält die fakultative Regelung unverändert bei. Sie gewährleistet auf diese Weise den freien Verkehr von EU-Düngeprodukten auf dem Binnenmarkt und ermöglicht weiterhin das Inverkehrbringen nationaler Düngeprodukte. Die Wahl bleibt dem Hersteller überlassen.

(19)

Sowohl auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 als auch der Verordnung (EU) 2019/1009 dürfen die Mitgliedstaaten die Bereitstellung konformer EG-Düngemittel bzw. EU-Düngeprodukte auf dem Markt nicht aus Gründen behindern, die unter anderem mit dem Cadmiumgehalt zusammenhängen.

(20)

Die Mitgliedstaaten können jedoch für geeignet erachtete Grenzwerte für Kontaminanten in nationalen Düngeprodukten beibehalten oder einführen, die nicht in den Geltungsbereich der Verordnung (EU) 2019/1009 fallen. In jedem Mitgliedstaat bestehen mehr oder weniger Bedenken hinsichtlich der Gefahr, die die Anreicherung von Cadmium für die langfristige Nachhaltigkeit der Pflanzenproduktion darstellt. Die meisten Mitgliedstaaten haben bereits Vorschriften zur Begrenzung des Cadmiumgehalts in nationalen Düngeprodukten mit dem Ziel eingeführt, die Cadmiumemissionen in die Umwelt und damit die Exposition des Menschen gegenüber Cadmium zu verringern. Dieser Beschluss bezieht sich nicht auf diese Art von Vorschriften.

(21)

Somit bestehen die Harmonisierungsvorschriften der Union neben den einzelstaatlichen Bestimmungen für Düngeprodukte.

1.3.   Mitgeteilte einzelstaatliche Bestimmungen

(22)

Die von Ungarn mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen (im Folgenden die „mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen“) sind in der Verordnung Nr. 36/2006 des ungarischen Ministeriums für Landwirtschaft und Entwicklung für den ländlichen Raum über die Genehmigung, die Lagerung, das Inverkehrbringen und die Verwendung von Düngeprodukten vom 18. Mai 2006 enthalten. Die Verordnung Nr. 36/2006 enthält bestimmte Bedingungen. Insbesondere ist in Anhang 3 Nummer 1.2 der Verordnung für Cadmium ein nationaler Grenzwert von 20 mg/kg P2O5 festgelegt. Dieser Grenzwert gilt für drei Kategorien nationaler Düngemittel: Phosphordünger, NPK-Dünger und NPK + Spurennährstoffdüngemittel unabhängig von ihrem Gehalt an P2O5. In seinem Schreiben vom 27. September 2019 bestätigte Ungarn, dass dieser Grenzwert nicht für EG-Düngemittel gilt.

(23)

Ungarn hat in seiner Mitteilung sowie den der Kommission übermittelten zusätzlichen Informationen angegeben, dass es beabsichtigt, den oben genannten Grenzwert auf anorganische und organisch-mineralische Düngemittel anzuwenden, die unter die Verordnung (EU) 2019/1009 fallen und auf dem ungarischen Markt bereitgestellt werden. Insbesondere gelten die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen, sofern sie genehmigt werden, nur als Ausnahme von den Bestimmungen über Phosphatdünger in Anhang I Teil II Nummer 3 Buchstabe a Ziffer ii PFC 1(B) und Nummer 2 Buchstabe a Ziffer ii PFC 1(C)(I) der Verordnung (EU) 2019/1009. Diese Bestimmungen betreffen anorganische und organisch-mineralische Düngemittel mit einem Massengehalt an Gesamtphosphor von mindestens 5 % Phosphorpentoxid (P2O5)-Äquivalent.

(24)

In Bezug auf die verschiedenen Bedingungen der Verordnung Nr. 36/2006, mit Ausnahme der Cadmiumgrenzwerte, hat Ungarn bestätigt, dass diese anderen Bedingungen nicht als von der Kommission zu genehmigende mitgeteilte einzelstaatliche Bestimmungen anzusehen sind, die von der Verordnung (EU) 2019/1009 abweichen, da es nicht beabsichtigt, über den Cadmiumgrenzwert hinaus von dieser abzuweichen.

1.4.   Verfahren

(25)

Zum Zeitpunkt der Annahme der Verordnung (EU) 2019/1009 haben Ungarn, die Slowakei und die Tschechische Republik eine politische Erklärung unterzeichnet, in der sie ihr Bedauern über den wenig ambitionierten endgültigen Kompromiss zum Cadmiumgrenzwert in Phosphatdüngern zum Ausdruck bringen und bereits Ihre Unterstützung bezüglich auf Artikel 114 Absatz 4 AEUV gestützte einzelstaatliche Ausnahmeregelungen von diesem harmonisierten Grenzwert bekundet haben.

(26)

Mit Schreiben vom 17. Juli 2019, das am 19. Juli 2019 eingegangen ist, teilte Ungarn der Kommission seine Absicht mit, einzelstaatliche von der Verordnung (EU) 2019/1009 abweichende Bestimmungen hinsichtlich des Cadmiumgehalts in Phosphatdüngern beizubehalten. Gemäß Artikel 114 Absatz 4 in Verbindung mit Artikel 36 AEUV stützt sich die Begründung Ungarns auf wichtige Erfordernisse im Zusammenhang mit dem langfristigen Schutz des Bodens und dem daraus resultierenden Gesundheits- und Umweltschutz.

(27)

Mit Schreiben vom 26. Juli 2019 bestätigte die Kommission den Eingang der Mitteilung und informierte die ungarischen Behörden darüber, dass der sechsmonatige Prüfungszeitraum gemäß Artikel 114 Absatz 6 AEUV am 20. Juli 2019 beginne.

(28)

Zur Untermauerung ihrer Mitteilung nach Artikel 114 Absatz 4 AEUV übermittelten die ungarischen Behörden der Kommission mit Schreiben vom 27. September 2019 und 15. Oktober 2019 zusätzliche Informationen. Diese Informationen enthalten Klarstellungen zum sachlichen Geltungsbereich der einzelstaatlichen Bestimmungen, die Ungarn beibehalten möchte, sowie detaillierte Daten zum ungarischen Düngemittelmarkt.

(29)

Die Kommission veröffentlichte ferner eine Bekanntmachung zur Mitteilung im Amtsblatt der Europäischen Union (4), um interessierte Kreise über die Absicht Ungarns, seine einzelstaatlichen Bestimmungen beizubehalten, und die Gründe für das Ersuchen zu informieren. Mit Schreiben vom 19. November 2019 informierte die Kommission ferner die anderen Mitgliedstaaten über die Mitteilung und räumte ihnen die Möglichkeit ein, innerhalb von 30 Tagen dazu Stellung zu nehmen.

(30)

Innerhalb dieser Frist gingen bei der Kommission Bemerkungen von zwei Mitgliedstaaten ein, und zwar von: Lettland und der Tschechischen Republik. Lettland erklärte, es habe keine Einwände gegen die Absicht Ungarns, einzelstaatliche Bestimmungen beizubehalten, die in Bezug auf den Cadmiumgrenzwert von Phosphatdüngern von den Bestimmungen der Verordnung (EU) 2019/1009 abweichen. Die Tschechische Republik gab an, dass sie keine Bemerkungen zu der Mitteilung habe. Nach der Veröffentlichung der Bekanntmachung im Amtsblatt gingen keine Bemerkungen ein.

(31)

In dem am 17. Januar 2020 mitgeteilten Beschluss (5) ist die Kommission gemäß Artikel 114 Absatz 6 Unterabsatz 3 AEUV sowie aufgrund des schwierigen Sachverhalts, und da durch die Verlängerung allein keine Gefahr für die menschliche Gesundheit besteht, der Auffassung, dass es gerechtfertigt ist, den in Artikel 114 Absatz 6 Unterabsatz 1 AEUV genannten Zeitraum um einen weiteren Zeitraum von sechs Monaten bis zum 20. Juli 2020 zu verlängern. Da die Komplexität der Angelegenheit mit den Zulässigkeitsvoraussetzungen zusammenhing, behielt sich die Kommission die Entscheidung über die Zulässigkeit der Mitteilung dieser Entscheidung vor.

2.   BEURTEILUNG

2.1.   Zulässigkeit

(32)

Gemäß Artikel 114 Absätze 4 und 6 AEUV kann ein Mitgliedstaat nach dem Erlass einer Harmonisierungsmaßnahme strengere einzelstaatliche Bestimmungen beibehalten, die durch wichtige Erfordernisse im Sinne des Artikels 36 AEUV oder in Bezug auf den Schutz der Arbeitsumwelt oder den Umweltschutz gerechtfertigt sind, sofern er der Kommission diese einzelstaatlichen Bestimmungen mitteilt und die Kommission diese billigt.

(33)

Ungarn beantragt bei der Kommission die Genehmigung einer Ausnahmeregelung, wonach nur Phosphatdünger mit einem Phosphorpentoxidgehalt (P2O5) von mindestens 5 % P2O5‚ die höchstens 20 mg Cadmium/kg P2O5 enthalten, in Ungarn in Verkehr gebracht werden dürfen. In dem Schreiben vom 27. September 2019 stellt Ungarn seine Absicht klar, eine Ausnahmeregelung bezüglich des Grenzwerts für Cadmium in Phosphatdüngern (und zwar sowohl anorganische Makronährstoffdünger als auch organisch-mineralische Düngemittel) beizubehalten.

(34)

Um die Zulässigkeit des Antrags zu prüfen, muss die Kommission beurteilen, ob es sich bei den betreffenden mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen um eine bereits bestehende Maßnahme handelt, die von der neu eingeführten Harmonisierungsvorschrift abweicht, und ob diese strenger ist.

2.1.1.   Zum Bestehen der mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen

(35)

Für die Zwecke dieser Beurteilung ist es wichtig, die besondere Komplexität der vorliegenden Situation zu berücksichtigen.

(36)

Erstens wird die in der Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 festgelegte erschöpfende Liste eng definierter EG-Düngemitteltypen durch ein völlig anderes Regelwerk ersetzt. Mit der Verordnung (EU) 2019/1009 werden diese Düngemitteltypen somit durch wesentlich allgemeinere Düngemittelkategorien ersetzt und der Geltungsbereich der Harmonisierung auf andere Produktkategorien als Düngemittel erweitert. Anders gesagt wird die Verordnung (EU) 2019/1009 zwar für alle Produkte gelten, die zuvor im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 harmonisiert wurden, sie wird aber die erste EU-Harmonisierungsmaßnahme für bestimmte Düngemittelkategorien darstellen, die in ihren erweiterten Geltungsbereich fallen.

(37)

Zweitens werden mit der Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 zwar EG-Düngemittel harmonisiert, jedoch kein harmonisierter Grenzwert für Cadmium festgelegt. Anders gesagt, obwohl einige der Düngemittel, auf die sich die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen beziehen, als solche bereits Gegenstand von Harmonisierungsmaßnahmen waren, zielen diese Harmonisierungsmaßnahmen bislang nicht auf das Risiko ab, dem die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen begegnen sollen.

(38)

Drittens beantragte Ungarn keine Ausnahme von der Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 und wendet derzeit keinen Cadmiumgrenzwert für EG-Düngemittel an.

(39)

Diese Komplexität wirft die Frage auf, ob die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen als beibehalten und der Kommission gemäß Artikel 114 Absatz 4 AEUV in Bezug auf die Verordnung (EU) 2019/1009 unter Berücksichtigung der durch die Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 eingeführten Harmonisierung mitteilungspflichtig angesehen werden könnten.

(40)

Einerseits werden mit Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2019/1009 frühere Ausnahmen von Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 auf Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2019/1009 ausgeweitet, sodass bestehende einzelstaatliche Maßnahmen, die auf der Grundlage von Mitteilungen nach Artikel 114 Absatz 4 AEUV und Beschlüssen der Kommission nach Artikel 114 Absatz 6 AEUV rechtmäßig auf Düngemittel angewandt werden, die in den Harmonisierungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 fallen, auch für EU-Düngeprodukte gelten können, die erstmals aufgrund der Verordnung (EU) 2019/1009 in den neu erweiterten Harmonisierungsbereich fallen. Damit wird auch bestätigt, dass die Verordnung (EU) 2019/1009 eine Fortsetzung der Harmonisierung darstellt, die sich aus der Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 ergibt.

(41)

Andererseits bestätigt Erwägungsgrund 11 der Verordnung (EU) 2019/1009, dass der Gesetzgeber durch die Umformulierung von Artikel 114 Absatz 4 AEUV der Auffassung war, dass die Verordnung (EU) 2019/1009 für die Zwecke der Beurteilungen nach Artikel 114 Absatz 4 AEUV in Betracht gezogen werden sollte:

„In mehreren Mitgliedstaaten gibt es nationale Bestimmungen, mit denen der Cadmiumgehalt von Phosphatdüngern aus Gründen des Schutzes der Gesundheit des Menschen und der Umwelt begrenzt wird. Hält es ein Mitgliedstaat für erforderlich, solche nationalen Bestimmungen nach dem Erlass harmonisierter Grenzwerte im Rahmen dieser Verordnung so lange beizubehalten, bis diese harmonisierten Grenzwerte gleich hoch oder niedriger sind als die bereits bestehenden nationalen Grenzwerte, so sollte er diese Bestimmungen der Kommission gemäß Artikel 114 Absatz 4 AEUV mitteilen. Hält es darüber hinaus ein Mitgliedstaat für erforderlich, auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse gestützte einzelstaatliche Bestimmungen zum Schutz der Umwelt oder der Arbeitsumwelt aufgrund eines spezifischen Problems für diesen Mitgliedstaat, das sich nach dem Erlass der Harmonisierungsmaßnahme ergibt, wie etwa Bestimmungen für eine Begrenzung des Cadmiumgehalts in Phosphatdüngern einzuführen, so sollte er gemäß Artikel 114 Absatz 5 AEUV die in Aussicht genommenen Bestimmungen sowie die Gründe für ihre Einführung der Kommission mitteilen. […]“

(42)

Diese Auslegung wird auch durch die unterschiedlichen sachlichen Geltungsbereiche der Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 und der Verordnung (EU) 2019/1009 gestützt, in denen die Verordnung (EU) 2019/1009 die Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 nicht nur durch einen erweiterten Geltungsbereich, sondern auch durch ein völlig anderes Regelwerk ersetzt.

(43)

Es sei auch darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden „Gerichtshof“) in der Vergangenheit in Fällen, in denen eine neue Harmonisierungsmaßnahme eine bestehende ersetzt hatte, nur auf die neu erlassene Harmonisierungsmaßnahme Bezug genommen hat, die für die Zwecke der Beurteilungen nach Artikel 114 Absatz 4 AEUV zu berücksichtigen ist (6).

(44)

Da die Verordnung (EU) 2019/1009 die Harmonisierungsmaßnahme ist, die für die Zwecke der mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen nach Artikel 114 Absatz 4 AEUV in Betracht zu ziehen ist, ist es gemäß Artikel 114 Absatz 4 AEUV Sache der Kommission festzustellen, ob die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen bereits vor dieser Verordnung bestanden.

(45)

Viertens kommt sowohl in der Verordnung (EU) 2019/1009 als auch in der Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 die oben beschriebene fakultative Regelung zur Anwendung, was bedeutet, dass nationale Vorschriften neben den Harmonisierungsvorschriften der EU bestehen können, und zwar innerhalb des gleichen sachlichen Geltungsbereichs wie die Harmonisierungsvorschriften, aber nur für Produkte, die nicht auf der Grundlage der Harmonisierungsvorschriften in Verkehr gebracht werden. Die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen gelten bisher nur für die letztgenannten Produkte, d. h. Düngemittel, die unter Erwägungsgrund 17 als „nationale Düngemittel“ bezeichnet werden. Daher ist die derzeitige Anwendung der mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen auf solche nationalen Düngemittel rechtmäßig, weil die Harmonisierungsvorschriften für die Person, die die Düngemittel in Verkehr bringt, fakultativ sind. Ungarn beabsichtigt nun allerdings, dieselben mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen als Ausnahme von der Verordnung (EU) 2019/1009 — jedoch nicht von der Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 — anzuwenden.

(46)

Diese Komplexität wirft die Frage auf, ob die Mitteilung Ungarns als Beibehaltung einzelstaatlicher Bestimmungen im Sinne von Artikel 114 Absatz 4 AEUV und nicht als Einführung einzelstaatlicher Bestimmungen nach dem Erlass der Harmonisierungsmaßnahme gemäß Artikel 114 Absatz 5 AEUV angesehen werden kann.

(47)

Zunächst ist festzustellen, dass die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen in ihrer derzeitigen Fassung seit 2006 in Kraft sind. Sie waren damit zum Zeitpunkt der Ausarbeitung der Verordnung (EU) 2019/1009 in Kraft und stammen daher aus der Zeit vor der genannten Verordnung. Ungarn beantragt daher nicht die Einführung einzelstaatlicher Bestimmungen nach dem Erlass der Harmonisierungsmaßnahme, wie dies bei einer Mitteilung nach Artikel 114 Absatz 5 AEUV der Fall wäre.

(48)

Andererseits könnte die Frage gestellt werden, ob die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen im Sinne von Artikel 114 Absatz 4 AEUV beibehalten werden, da die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen in ihrer derzeitigen Fassung nicht für EG-Düngemittel gelten. Ungarn beabsichtigt jedoch, die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen auch auf EU-Düngeprodukte anzuwenden. Dazu ist eine Anpassung der ungarischen Rechtsvorschriften erforderlich.

(49)

Um festzustellen, ob die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen bereits im Sinne von Artikel 114 Absatz 4 AEUV bestehen — auch wenn sie geringfügig angepasst werden müssten, um EU-Düngeprodukte einzubeziehen, während EG-Düngemittel weiterhin ausgeschlossen sind —, ist es wichtig, den Zweck der Unterscheidung zwischen Artikel 114 Absatz 4 und 5 AEUV im Blick zu behalten.

(50)

Diese Unterscheidung wurde in der Rechtsprechung des Gerichtshofs behandelt. In der Rechtssache C-3/00 Dänemark gegen Kommission kam der Gerichtshof in Bezug auf Artikel 95 EGV, der Artikel 114 AEUV entspricht, zu folgendem Schluss:

„Die beiden in Artikel 95 EG vorgesehenen Fälle unterscheiden sich darin, dass im ersten Fall die einzelstaatlichen Bestimmungen schon vor der Harmonisierungsmaßnahme bestanden. Sie waren dem Gemeinschaftsgesetzgeber somit bekannt, aber dieser konnte oder wollte sich bei der Harmonisierung nicht von ihr leiten lassen. Es wurde daher als hinnehmbar angesehen, dass der Mitgliedstaat die Fortgeltung seiner eigenen Vorschriften beantragen kann. Dabei verlangt der EG-Vertrag, dass solche Vorschriften durch wichtige Erfordernisse im Sinne des Artikels 30 EG oder in Bezug auf den Schutz der Arbeitsumwelt oder den Umweltschutz gerechtfertigt sind. Dagegen kann im zweiten Fall der Erlass neuer einzelstaatlicher Rechtsvorschriften die Harmonisierung stärker gefährden. Die Gemeinschaftsorgane konnten die einzelstaatliche Regelung naturgemäß bei der Ausarbeitung der Harmonisierungsmaßnahme nicht berücksichtigen. In diesem Fall können die in Artikel 30 EG genannten Erfordernisse nicht herangezogen werden; zulässig sind allein Gründe des Schutzes der Umwelt oder der Arbeitsumwelt, wobei Voraussetzung ist, dass der Mitgliedstaat neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorlegt und dass das Erfordernis der Einführung neuer einzelstaatlicher Bestimmungen auf einem spezifischen Problem für diesen Mitgliedstaat beruht, das sich nach dem Erlass der Harmonisierungsmaßnahme ergibt.“ (7)

(51)

In Anbetracht der zitierten Rechtsprechung sollte berücksichtigt werden, dass der Zweck der Unterscheidung zwischen Artikel 114 Absatz 4 und 5 AEUV darin besteht, in Fällen, in denen die Harmonisierung eher gefährdet sein könnte, höhere Begründungserfordernisse aufzustellen, da die betreffende einzelstaatliche Bestimmung dem Gesetzgeber zum Zeitpunkt des Erlasses der harmonisierten Maßnahme nicht bekannt war und daher bei der Ausarbeitung der Harmonisierungsmaßnahme nicht berücksichtigt wurde.

(52)

Wie bereits festgestellt, sind die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen in ihrer derzeitigen Fassung seit 2006 in Kraft. Sie waren damit zum Zeitpunkt der Ausarbeitung der Verordnung (EU) 2019/1009 in Kraft und stammen daher auch aus der Zeit vor der genannten Verordnung.

(53)

Außerdem geht aus der Folgenabschätzung zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates mit Vorschriften für die Bereitstellung von Düngeprodukten mit CE-Kennzeichnung auf dem Markt (8) hervor, dass die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen dem Unionsgesetzgeber bei der Ausarbeitung der Verordnung (EU) 2019/1009 bekannt waren. Folglich sollten die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen als bereits bestehende Bestimmungen im Sinne von Artikel 114 Absatz 4 AEUV betrachtet werden.

(54)

Wie oben erwähnt, gilt für diese Beurteilung die Verordnung (EU) 2019/1009 als einschlägige Harmonisierungsmaßnahme. Daher sollten die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen vor dem Hintergrund dieser Verordnung beurteilt werden. Es bleibt zu prüfen, ob die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen eine Ausnahme von der Verordnung (EU) 2019/1009 darstellen und strenger sind als diese.

2.1.2.   Zur Stringenz der mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen im Zusammenhang mit der Verordnung (EU) 2019/1009

(55)

Der in Anhang I Teil II Nummer 3 Buchstabe a Ziffer ii PFC 1(B) und Nummer 2 Buchstabe a Ziffer ii PFC 1(C)(I) der Verordnung (EU) 2019/1009 festgelegte Grenzwert für den Cadmiumgehalt, wovon die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen abweichen, beträgt 60 mg/kg P2O5; in den mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen ist für Cadmium ein Grenzwert von 20 mg/kg P2O5 festgelegt. Es ist daher klar, dass die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen von den Bestimmungen der Verordnung (EU) 2019/1009 abweichen und strenger sind als diese.

(56)

Aus den vorstehenden Gründen können folgende Schlussfolgerungen gezogen werden: 1) Die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen stammen aus der Zeit vor der Harmonisierungsmaßnahme und waren dem Gesetzgeber zum Zeitpunkt der Ausarbeitung der Harmonisierungsmaßnahme, nämlich der Verordnung (EU) 2019/1009, bekannt. Sie sollten daher als bereits bestehende Maßnahme nach Artikel 114 Absatz 4 AEUV gelten; 2) die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen, die von Anhang I Teil II Nummer 3 Buchstabe a Ziffer ii PFC 1(B) und Nummer 2 Buchstabe a Ziffer ii PFC 1(C)(I) der Verordnung (EU) 2019/1009 abweichen, sind strenger als die Bestimmungen dieser Verordnung.

(57)

Die Kommission ist daher der Auffassung, dass die von Ungarn übermittelte Mitteilung nach Artikel 114 Absatz 4 AEUV in vollem Umfang zulässig ist.

2.2.   Sachliche Beurteilung

(58)

Gemäß Artikel 114 Absatz 4 und Artikel 114 Absatz 6 Unterabsatz 1 AEUV muss die Kommission sicherstellen, dass die in diesem Artikel vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind, die es einem Mitgliedstaat ermöglichen, seine von der jeweiligen Harmonisierungsmaßnahme der Union abweichenden einzelstaatlichen Bestimmungen beizubehalten.

(59)

Insbesondere muss die Kommission beurteilen, ob die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen durch wichtige Erfordernisse im Sinne des Artikels 36 AEUV oder in Bezug auf den Schutz der Arbeitsumwelt oder den Umweltschutz gerechtfertigt sind und nicht über das Maß hinausgehen, das für die Erreichung des angestrebten legitimen Ziels erforderlich ist. Erfüllen die einzelstaatlichen Bestimmungen nach Auffassung der Kommission die genannten Voraussetzungen, so muss diese darüber hinaus gemäß Artikel 114 Absatz 6 AEUV prüfen, ob die einzelstaatlichen Bestimmungen ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen und ob sie das Funktionieren des Binnenmarkts behindern.

(60)

Angesichts des in Artikel 114 Absatz 6 AEUV festgelegten Zeitrahmens hat sich die Kommission bei der Prüfung, ob die gemäß Artikel 114 Absatz 4 AEUV mitgeteilten einzelstaatlichen Maßnahmen gerechtfertigt sind, allerdings auf die von dem betreffenden Mitgliedstaat zugeleitete Begründung zu stützen. Die Beweislast liegt bei dem ersuchenden Mitgliedstaat, der seine einzelstaatlichen Maßnahmen beibehalten möchte.

(61)

Verfügt die Kommission jedoch über Informationen, laut denen die Harmonisierungsmaßnahme der Union, von der die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen abweichen, gegebenenfalls überprüft werden müsste, kann sie diese Informationen bei der Beurteilung der mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen berücksichtigen.

2.2.1.   Standpunkt Ungarns

(62)

Der Standpunkt Ungarns in Bezug auf den Cadmiumgehalt in Phosphatdüngern mit mindestens 5 % P2O5 beruht auf dem langfristigen Schutz des Bodens und dem daraus resultierenden Gesundheits- und Umweltschutz.

(63)

Ungarn hat in seiner Mitteilung an die Kommission die erwarteten Auswirkungen des in der Verordnung (EU) 2019/1009 festgelegten Grenzwerts von 60 mg/kg P2O5 auf sein Hoheitsgebiet analysiert. Dieser Grenzwert führte zu erheblichen Bedenken hinsichtlich des Schutzes der menschlichen Gesundheit und der Umwelt. Cadmium wird als karzinogener Stoff eingestuft und zählt zu den giftigsten Elementen. Pflanzen nehmen Cadmium leicht auf, wodurch es in die Lebensmittelkette gelangt. Ungarn nimmt bei durch Lungenkrebs verursachten Todesfällen in der Union und weltweit eine Spitzenposition ein. Ungarn betont daher, dass die Cadmiumexposition über Lebensmittel weiter verringert werden muss.

(64)

Da die Cadmiumexposition in der Allgemeinbevölkerung statistisch mit einem erhöhten Krebsrisiko unter anderem in der Lunge in Verbindung gebracht wurde, möchte Ungarn die Cadmiumexposition seiner Bevölkerung durch einen niedrigeren Grenzwert in Phosphatdüngern weiter verringern.

(65)

Neben den Bedenken hinsichtlich der menschlichen Gesundheit legt Ungarn auch Begründungen im Zusammenhang mit dem Schutz der Umwelt und dem langfristigen Schutz seiner Böden vor, bei denen es sich mehrheitlich um saure oder extrem säurehaltige Böden handelt und die daher anfälliger für die Anreicherung von Cadmium sind und deshalb eines besseren Schutzes bedürfen.

(66)

Ungarn stützt sich bei seiner Argumentation auf Studien, die die Anreicherung von Cadmium im menschlichen Körper mit verschiedenen Gesundheitsproblemen — insbesondere Lungenkrebs, aber auch mit chronischer Niereninsuffizienz und Osteoporose — verbinden (9). Ungarn stützt sich in seiner Mitteilung auch auf verschiedene Quellen im Zusammenhang mit der Anreicherung von Cadmium im Boden (10). Ungarn hält an der Existenz eines direkten Zusammenhangs zwischen der Anreicherung von Cadmium im Boden, der unvermeidlichen Aufnahme in Lebens- und Futtermitteln und den schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit fest.

(67)

Die überwiegende Mehrheit der Phosphatdünger auf dem ungarischen Markt sind EG-Düngemittel. Dennoch weisen die meisten EG-Düngemittel auf dem ungarischen Markt einen Cadmiumgehalt von weniger als 20 mg/kg P2O5 auf. Da 95 % der eingeführten Düngemittel bereits den in der Verordnung (EU) 2019/1009 festgelegten künftigen Grenzwert von 60 mg/kg P2O5 einhalten, befürchtet Ungarn, dass sich das Einfuhrverhalten in Zukunft ändern wird und zu einem erheblichen Anstieg der Vermarktung von Erzeugnissen mit einem höheren Cadmiumgehalt als 20 mg/kg P2O5 führen wird, was zu einer weiteren Anreicherung von Cadmium im Boden führt und dieses folglich auch in die Lebensmittelkette gelangt.

2.2.2.   Beurteilung des Standpunkts Ungarns

2.2.2.1.   Begründung durch wichtige Erfordernisse gemäß Artikel 36 AEUV oder den Schutz der Umwelt oder des Arbeitsumfelds

(68)

Mit den mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen soll ein höheres Schutzniveau für die Gesundheit und das Leben von Menschen und für die Umwelt erreicht werden, als es in der Verordnung (EU) 2019/1009 in Bezug auf die Cadmiumexposition vorgesehen ist, indem die weitere Anreicherung von Cadmium im Boden verhindert wird. Das Mittel zur Erreichung dieses Ziels ist die Beibehaltung eines niedrigeren Cadmiumgrenzwerts in Phosphatdüngern mit einem Massengehalt an P2O5 von mindestens 5 % gegenüber dem in der Verordnung (EU) 2019/1009 festgelegten harmonisierten Grenzwert.

(69)

Was den Schutz von Leben und Gesundheit der Menschen anbelangt, so ist Cadmium für den Menschen ein nicht wesentlicher und toxischer Bestandteil und hat keinen Nutzen für Pflanzen und Tiere. Insbesondere wurde Cadmiumoxid gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates (11) als karzinogener Stoff der Kategorie 2 eingestuft.

(70)

Das Vorhandensein von Cadmium in Pflanzen und die Aufnahme von Cadmium durch Lebensmittel könnte langfristig schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben. Darüber hinaus wird es, sobald es vom menschlichen Körper aufgenommen wurde, wirksam zurückgehalten und reichert sich im Laufe des Lebens an (12).

(71)

Cadmium kann die Nieren schädigen; es führt zu einer übermäßigen Produktion von Beta-2-Mikroglobulin — ein Protein, das über den Urin ausgeschieden wird und ein biologischer Indikator für die Nierenfunktion ist. Dauer und Umfang der Cadmiumexposition bestimmen die Schwere der Auswirkung. Skelettschäden sind eine weitere kritische Auswirkung einer chronischen Cadmiumexposition in etwas höherem Umfang als bei Fällen, in denen das Protein Beta-2-Mikroglobulin im Urin ein frühzeitiger Indikator wäre. Cadmium lagert sich hauptsächlich in Leber und Nieren an, wird nur langsam ausgeschieden und kann jahrzehntelang im menschlichen Körper verbleiben.

(72)

Die Bevölkerung ist Cadmium aus verschiedenen Quellen, einschließlich des Rauchens, ausgesetzt. Für die nicht rauchende Bevölkerung sind Lebensmittel die Hauptquelle für die Aufnahme von Cadmium. Cadmium wirkt in erster Linie toxisch auf die Nieren, kann aber auch eine Demineralisierung der Knochen verursachen und ist statistisch mit einem erhöhten Krebsrisiko in Lunge, Endometrium, Blase und Brust verbunden (13). Darüber hinaus können Gesundheitsrisiken für erwachsene Raucher und Menschen, die an Eisenmangel leiden und/oder in der Nähe industrieller Quellen leben, nicht ausgeschlossen werden (14).

(73)

Angesichts der hohen Sterblichkeitsrate durch Lungenkrebs in Ungarn ist das Interesse an der Vermeidung einer weiteren Cadmiumexposition begründet.

(74)

Zusätzlich zu den Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit könnte eine weitere Cadmiumanreicherung in Böden negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt des Bodens und damit auf die Bodenfunktionen (z. B. Abbau organischer Stoffe) sowie auf die Grundwasserqualität — durch Auswaschung in Böden — haben. Sowohl die Toxizität als auch die Bioverfügbarkeit von Cadmium werden von der Bodenbeschaffenheit beeinflusst. Cadmiummobilität und Bioverfügbarkeit sind in säurehaltigeren Böden höher und in kreide-/kalkhaltigen Böden niedriger. Etwa die Hälfte der ungarischen Böden sind saure oder extrem säurehaltige Böden; dadurch ergibt sich eine besondere Situation für diesen Mitgliedstaat, der damit einer besonderen Gefährdung durch die Anreicherung von Cadmium in Böden ausgesetzt ist.

(75)

Bedenken hinsichtlich der von Cadmium ausgehenden Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt wurden vom Rat bereits in seiner Entschließung vom 25. Januar 1988 (15) geäußert. Der Rat betont, wie wichtig es ist, das Eindringen von Cadmium in Böden aus allen Quellen, einschließlich diffuser Quellen (z. B. atmosphärischer Eintrag, Phosphatdünger, Klärschlamm usw.), zu verringern, und zwar unter anderem durch „geeignete Maßnahmen zur Begrenzung des Cadmiumgehalts von Phosphatdüngern auf der Grundlage geeigneter Technologien, die keine übermäßigen Kosten verursachen und die Umweltbedingungen in den verschiedenen Regionen der Gemeinschaft berücksichtigen“.

(76)

In Erwägungsgrund 15 der Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 wurde die Absicht der Kommission, die Problematik ungewollter Cadmiumbeimengungen in mineralischen Düngemitteln in Angriff zu nehmen, bereits angekündigt.

(77)

Im Jahr 2002 kam der Wissenschaftliche Ausschuss „Gesundheits- und Umweltrisiken“ zu dem Schluss, dass ein Grenzwert von 40 mg/kg P2O5 oder mehr zu einer Anreicherung von Cadmium in den meisten Böden in der Europäischen Union führen würde. Bei einem Grenzwert von 20 mg/kg P2O5 oder weniger hingegen wurde nicht angenommen, dass es über einen Zeitraum von 100 Jahren zu einer langfristigen Anreicherung im Boden kommt, wenn das Eindringen von Cadmium aus anderen Quellen nicht berücksichtigt wird.

(78)

In ihrem Vorschlag für die Verordnung (EU) 2019/1009 (16) kam die Kommission auf der Grundlage der wissenschaftlichen Daten, die bei der Beurteilung der Auswirkungen zur Verfügung standen, zu dem Schluss, dass Cadmiummetall und Cadmiumoxid im Allgemeinen ein ernstes Risiko für die Gesundheit darstellen können. Die Kommission schlug vor, einen Grenzwert von 60 mg/kg P2O5 in Phosphatdüngern festzulegen und diesen Grenzwert innerhalb von 12 Jahren nach Inkrafttreten der neuen Verordnung schrittweise auf 20 mg/kg P2O5 zu senken.

(79)

Es wird auch allgemein anerkannt, dass cadmiumhaltige Düngemittel die weitaus bedeutendste Quelle für das Eindringen von Cadmium in Böden und in die Nahrungskette sind (17). In der Verordnung (EU) 2019/1009 ist ein Grenzwert von 60 mg/kg P2O5 festgelegt, der ab dem 16. Juli 2022 gilt. Bei der überwiegenden Mehrheit der auf dem europäischen Markt verfügbaren Düngemittel wird dieser Grenzwert bereits eingehalten. Obwohl die Einführung dieses Grenzwerts ein Schritt in die richtige Richtung ist, ist es auf der Grundlage der verfügbaren wissenschaftlichen Daten unwahrscheinlich, dass sich die Anreicherung von Cadmium in Böden langfristig signifikant verringert.

(80)

Da in Zukunft ein ehrgeizigerer harmonisierter Grenzwert für Cadmium in Phosphatdüngern erforderlich sein wird, ist die Kommission gemäß der Verordnung (EU) 2019/1009 verpflichtet, diese Grenzwerte erneut zu bewerten, um sie nach Möglichkeit zu senken.

(81)

Auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen muss berücksichtigt werden, dass der in den mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen festgelegte Höchstgrenzwert durch Erfordernisse des Schutzes der menschlichen Gesundheit, des menschlichen Lebens und der Umwelt gerechtfertigt ist.

2.2.2.2.   Keine willkürliche Diskriminierung, keine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten, keine Behinderung des Funktionierens des Binnenmarkts

a)   Keine willkürliche Diskriminierung

(82)

Gemäß Artikel 114 Absatz 6 AEUV ist die Kommission verpflichtet zu überprüfen, ob die Beibehaltung der mitgeteilten Maßnahmen nicht ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung darstellen. Um eine Diskriminierung zu vermeiden, dürfen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (18) vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, sofern dies nicht objektiv gerechtfertigt ist. Das Fehlen einer Diskriminierung bedeutet, dass nationale Handelsbeschränkungen nicht so angewandt werden dürfen, dass sie zu einer Diskriminierung von Waren aus anderen Mitgliedstaaten führen.

(83)

Die einzelstaatlichen Bestimmungen gelten sowohl für inländische Erzeugnisse als auch für solche aus anderen Mitgliedstaaten. Sofern nicht das Gegenteil nachgewiesen wird, kann davon ausgegangen werden, dass die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen kein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung darstellen.

b)   Keine verschleierte Beschränkung des Handels

(84)

Nationale Maßnahmen, die strengere Bedingungen für das Inverkehrbringen von Erzeugnissen als eine Verordnung der Union festlegen, würden normalerweise ein Handelshemmnis darstellen. Das liegt daran, dass einige der Erzeugnisse, die in den übrigen Mitgliedstaaten rechtmäßig in Verkehr gebracht werden, in dem betreffenden Mitgliedstaat aufgrund der einzelstaatlichen Bestimmung nicht in Verkehr gebracht werden könnten. Durch die in Artikel 114 Absatz 6 AEUV festgelegten Voraussetzungen soll verhindert werden, dass unangemessene Beschränkungen auf die in den Absätzen 4 und 5 genannten Kriterien gestützt werden, bei denen es sich eigentlich um Maßnahmen wirtschaftlicher Art handelt, mit denen die Einfuhr von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten behindert und somit die nationale Produktion auf indirekte Weise geschützt werden sollen. (19)

(85)

Da die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen auch für Wirtschaftsteilnehmer, die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassen sind, strengere Anforderungen an den Cadmiumgehalt in Phosphatdüngern in einem ansonsten harmonisierten Bereich mit sich bringen, könnten sie eine verschleierte Beschränkung des Handels oder eine Behinderung des Funktionierens des Binnenmarkts darstellen.

(86)

Da sich nicht nachweisen lässt, dass die einzelstaatlichen Bestimmungen die nationale Produktion schützen sollen, kann der Schluss gezogen werden, dass die einzelstaatlichen Bestimmungen keine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen. Die Kommission muss daher prüfen, ob die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen das Funktionieren des Binnenmarktes behindern.

c)   Keine Behinderung des Funktionierens des Binnenmarkts

(87)

Nach Artikel 114 Absatz 6 AEUV muss die Kommission prüfen, ob die Beibehaltung der mitgeteilten Maßnahmen ein Hindernis für das Funktionieren des Binnenmarkts darstellt. Die Auslegung dieser Voraussetzung darf nicht dazu führen, dass die Billigung jeder einzelstaatlichen Maßnahme verhindert wird, von der Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts zu erwarten sind. Jede einzelstaatliche Maßnahme, die eine Abweichung von einer auf die Vollendung und das Funktionieren des Binnenmarkts ausgerichteten Harmonisierungsmaßnahme darstellt, ist im Grunde genommen eine Maßnahme, die Auswirkungen auf den Binnenmarkt erwarten lässt. Damit also der Nutzen des Verfahrens gemäß Artikel 114 AEUV erhalten bleibt, ist das Konzept der Behinderung des Funktionierens des Binnenmarkts im Zusammenhang mit Artikel 114 Absatz 6 AEUV als Auswirkung aufzufassen, die im Hinblick auf das angestrebte Ziel unverhältnismäßig ist. (20)

(88)

Bei der Bewertung, ob die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen tatsächlich dazu geeignet und erforderlich sind, dieses Ziel zu erreichen, sind mehrere Faktoren zu berücksichtigen. Die Kommission muss beurteilen, ob das Schutzniveau, das sich aus dem in den ungarischen Rechtsvorschriften festgelegten Cadmiumgrenzwert ergibt, im Hinblick auf den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen einerseits und der Umwelt andererseits wirksam ist.

(89)

Mit den mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen sollen die menschliche Gesundheit und die Umwelt geschützt werden, indem die Anreicherung von Cadmium im Boden vermieden wird. In seiner Mitteilung an die Kommission begründet Ungarn die Notwendigkeit der Ausnahmeregelung mit den besonderen Umständen der spezifischen Gefährdung der ungarischen Bevölkerung aufgrund der hohen Zahl von durch Lungenkrebs verursachten Todesfällen und des Säuregehalts des Bodens.

(90)

Ungarn nimmt bei durch Lungenkrebs verursachten Todesfällen in der Union und weltweit eine Spitzenposition ein. Aufgrund dieser Tatsache betont Ungarn, dass die Cadmiumexposition über Lebensmittel weiter verringert werden muss. Darüber hinaus sind etwa die Hälfte der ungarischen Böden saure oder extrem säurehaltige Böden; dadurch ergibt sich eine besondere Situation für diesen Mitgliedstaat, der damit einer besonderen Gefährdung durch die Anreicherung von Cadmium in Böden ausgesetzt ist.

(91)

Ferner wurde ein Höchstgrenzwert von 20 mg/kg P2O5 oder weniger für die Cadmiumkonzentration in Düngemitteln ermittelt, um die langfristige Anreicherung von Cadmium im Boden über einen Zeitraum von 100 Jahren wirksam zu vermeiden.

(92)

Auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten Ungarns können die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen als erforderlich angesehen werden, um die mit ihnen verfolgten Ziele zu erreichen.

(93)

Ungarn macht ferner geltend, dass die meisten EG-Düngemittel auf dem ungarischen Markt einen Cadmiumgehalt von weniger als 20 mg/kg P2O5 aufweisen, obwohl dies derzeit für EG-Düngemittel nicht vorgeschrieben ist. Die Festlegung eines Grenzwerts von 20 mg/kg P2O5 wird daher keine erheblichen Marktstörungen verursachen.

(94)

Andere Maßnahmen wie Nutzungsbeschränkungen wären in der Praxis sehr schwer zu kontrollieren und könnten das angestrebte Ziel nicht erreichen. Die Kommission ist der Auffassung, dass die Beibehaltung der mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen nicht unverhältnismäßig ist und kein Hindernis für das Funktionieren des Binnenmarkts im Sinne von Artikel 114 Absatz 6 AEUV darstellt.

(95)

Daher ist nach Ansicht der Kommission die Voraussetzung erfüllt, dass das Funktionieren des Binnenmarkts nicht behindert werden darf.

2.2.2.3.   Zeitliche Beschränkung

(96)

Um sicherzustellen, dass die einzelstaatliche Maßnahme und das mögliche Hindernis für das Funktionieren des Binnenmarkts auf das zur Erreichung der von Ungarn verfolgten Ziele unbedingt erforderliche Maß beschränkt sind, sollte die einzelstaatliche Ausnahmeregelung zeitlich begrenzt sein. Die Ausnahmeregelung wäre nicht mehr erforderlich, wenn der harmonisierte Grenzwert künftig auf oder unter dem ungarischen Grenzwert festgesetzt würde.

(97)

Der harmonisierte Grenzwert könnte nur durch einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates auf der Grundlage eines Vorschlags der Kommission, beispielsweise im Rahmen der Überprüfung gemäß Artikel 49 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/1009, auf oder unter dem ungarischen Grenzwert festgesetzt werden. Der Zeitraum, für den die Ausnahmeregelung gewährt wird, sollte daher durch diesen Beschluss nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt begrenzt werden, sondern auf einen solchen künftigen Beschluss des Gesetzgebers abgestimmt werden.

(98)

Dies steht im Einklang mit Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2019/1009, wonach eine gemäß Artikel 114 Absatz 4 AEUV gewährte Ausnahme von der Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 in Bezug auf den Cadmiumgehalt so lange gilt, bis auf Unionsebene harmonisierte Grenzwerte für den Cadmiumgehalt in Phosphatdüngern gelten, die gleich hoch oder niedriger sind als die nationalen Grenzwerte.

(99)

Die Genehmigung der mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen sollte daher so lange gelten, bis auf Unionsebene ein überarbeiteter harmonisierter Grenzwert gilt, der gleich hoch oder niedriger ist als der ungarische Grenzwert.

3.   SCHLUSSFOLGERUNGEN

(100)

Aus den vorstehenden Gründen sollte der Schluss gezogen werden, dass die am 19. Juli 2019 übermittelte Mitteilung Ungarns über die Beibehaltung einzelstaatlicher Bestimmungen, die von der Verordnung (EU) 2019/1009 abweichen, zulässig ist.

(101)

Die Kommission ist ferner der Auffassung, dass die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen

den Bedarf am Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit erfüllen,

im Hinblick auf die angestrebten Ziele verhältnismäßig sind,

kein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung darstellen,

keine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen.

(102)

Die Kommission ist daher der Auffassung, dass die mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen genehmigt werden sollten —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Die von Ungarn gemäß Artikel 114 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen, die hinsichtlich des Cadmiumgehalts von Phosphatdüngern von der Verordnung (EU) 2019/1009 abweichen, d. h. das Verbot des Inverkehrbringens von Phosphatdüngern mit einem Massengehalt von mindestens 5 % P2O5 gemäß Anhang I Nummer 3 Buchstabe a Ziffer ii in PFC 1(B) und Nummer 2 Buchstabe a Ziffer ii in PFC 1(C)(I) der Verordnung (EU) 2019/1009 mit einem Cadmiumgehalt von über 20 mg/kg in Ungarn, werden genehmigt, bis auf Unionsebene ein harmonisierter Grenzwert gilt, der gleich hoch oder niedriger ist als der ungarische Grenzwert.

Artikel 2

Dieser Beschluss ist an Ungarn gerichtet.

Brüssel, den 17. Juli 2020

Für die Kommission

Thierry BRETON

Mitglied der Kommission


(1)  Verordnung (EU) 2019/1009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 mit Vorschriften für die Bereitstellung von EU-Düngeprodukten auf dem Markt und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1069/2009 und (EG) Nr. 1107/2009 sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 (ABl. L 170 vom 25.6.2019, S. 1).

(2)  Verordnung (EG) Nr. 2003/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über Düngemittel (ABl. L 304 vom 21.11.2003, S. 1).

(3)  Siehe Entscheidungen der Kommission vom 3. Januar 2006: Entscheidung 2006/347/EG der Kommission zu vom Königreich Schweden gemäß Artikel 95 Absatz 4 EG-Vertrag mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen über den höchsten zulässigen Cadmiumgehalt von Düngemitteln (ABl. L 129 vom 17.5.2006, S. 19), Entscheidung 2006/348/EG der Kommission zu von der Republik Finnland gemäß Artikel 95 Absatz 4 EG-Vertrag mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen über den höchsten zulässigen Cadmiumgehalt von Düngemitteln (ABl. L 129 vom 17.5.2006, S. 25) und Entscheidung 2006/349/EG der Kommission zu von der Republik Österreich gemäß Artikel 95 Absatz 4 EG-Vertrag mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen über den höchsten zulässigen Cadmiumgehalt von Düngemitteln (ABl. L 129 vom 17.5.2006, S. 31).

(4)  ABl. C 394 vom 21.11.2019, S. 2.

(5)  Beschluss der Kommission zur Verlängerung des in Artikel 114 Absatz 6 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) genannten Zeitraums im Zusammenhang mit von Ungarn gemäß Artikel 114 Absatz 4 AEUV mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen über den höchsten zulässigen Cadmiumgehalt von Düngemitteln (C(2020) 134 final).

(6)  Siehe Rechtssache C-360/14 P Deutschland gegen Europäische Kommission.

(7)  Rechtssache C-3/00 Dänemark gegen Kommission, Rn. 58. Ferner bestätigt beispielsweise in T-234/04, Königreich der Niederlande gegen Kommission‚ Rn. 58, verbundene Rechtssachen T 366/03 und T-235/04 Land Oberösterreich und Österreich gegen Kommission‚ Rn. 62 und C-512/99, Deutschland gegen Kommission‚ Rn. 41.

(8)  Siehe die Folgenabschätzung zum Vorschlag der Kommission, die speziell dem Cadmiumgrenzwert gewidmet war, SWD(2016) 64 final, TEIL 2/2; https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/10102/2016/EN/SWD-2016-64-F1-EN-MAIN-PART-2.PDF (auf Englisch); siehe insbesondere Seiten 5, 6, 25, 28, 29 und 32 sowie Anhang I.

(9)  z. B. HORVÁTH O, MAKRAINÉ HORVÁTH A ZS., 2006. A csontritkulás, korunk „néma járványa“. Nővér 2006 (19) 2, MÁTYUS J, OLÁH A, ÚJHELYI L, KÁRPÁTI I, BALLA J., 2008. Az idült vesebetegség epidémiája szükségessé teszi a glomerulus filtrációs ráta számítását. Orvosi Hetilap 149(2): 77-82 und IARC-Monographien, Band 100C, Cadmium and Cadmium Compounds. 2012.

(10)  z. B. ADRIANO, D.C., 2001. Trace Elements in Terrestrial Environments. Biogeochemistry, Bioavailability and Risks of Metals. (2. Ausgabe). Springer-Verlag. New York, ALLOWAY, B.J. (Hg.), 1990. Heavy Metals in Soils. Blackie and Son Ltd. Glasgow und London. John Wiley and Sons Inc. New York.

(11)  Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1).

(12)  Siehe den wissenschaftlichen Bericht der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit über die Exposition gegenüber Cadmium in der Nahrung in der europäischen Bevölkerung aus dem Jahr 2012, veröffentlicht unter: https://www.efsa.europa.eu/sites/default/files/scientific_output/files/main_documents/2551.pdf (auf Englisch), (EFSA Journal 2012;10(1)).

(13)  EFSA Journal 2012;10(1).

(14)  Bericht über die EU-Risikobewertung zu Cadmium und Cadmiumoxid, zitiert in SWD(2016) 64 final, S. 11.

(15)  ABl. C 30 vom 4.2.1988, S. 1.

(16)  COM/2016/0157 final — 2016/084 (COD).

(17)  Siehe die von Fertilizers Europe im Jahr 2013 in Auftrag gegebene Studie „Revisiting and updating the effect of phosphate fertilizers to cadmium accumulation in

European agricultural soils“ (Überprüfung und Aktualisierung der Wirkung von Phosphatdüngern auf die Anreicherung von Cadmium in europäischen landwirtschaftlichen Böden) von Erik Smolders und Laetitia Six,

veröffentlicht unter http://ec.europa.eu/health/scientific_committees/environmental_risks/docs/scher_o_168_rd_en.pdf (auf Englisch).

(18)  z. B. C-492/14, Essent Belgium, S. 80, Beschluss der Kommission vom 8. Mai 2018 zu den von Dänemark mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen über den Zusatz von Nitriten zu bestimmten Fleischerzeugnissen, C(2018) 2721, Erwägungsgrund 52 (ABl. L 118 vom 14.5.2018, S. 7), Entscheidung der Kommission vom 3. Januar 2006 zu von der Republik Finnland gemäß Artikel 95 Absatz 4 EG-Vertrag mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen über den höchsten zulässigen Cadmiumgehalt von Düngemitteln, 2006/348/EG, Erwägungsgrund 38, Entscheidung der Kommission vom 3. Januar 2006 zu vom Königreich Schweden gemäß Artikel 95 Absatz 4 EG-Vertrag mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen über den höchsten zulässigen Cadmiumgehalt von Düngemitteln, 2006/347/EG, Erwägungsgrund 39, Entscheidung der Kommission vom 3. Januar 2006 zu von der Republik Österreich gemäß Artikel 95 Absatz 4 EG-Vertrag mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen über den höchsten zulässigen Cadmiumgehalt von Düngemitteln, 2006/349/EG, Erwägungsgrund 39.

(19)  Beschluss der Kommission vom 8. Mai 2018 zu den von Dänemark mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen über den Zusatz von Nitriten zu bestimmten Fleischerzeugnissen, C(2018) 2721, Erwägungsgrund 54, Entscheidung der Kommission vom 3. Januar 2006 zu von der Republik Finnland gemäß Artikel 95 Absatz 4 EG-Vertrag mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen über den höchsten zulässigen Cadmiumgehalt von Düngemitteln, 2006/348/EG, Erwägungsgrund 40, Entscheidung der Kommission vom 3. Januar 2006 zu vom Königreich Schweden gemäß Artikel 95 Absatz 4 EG-Vertrag mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen über den höchsten zulässigen Cadmiumgehalt von Düngemitteln, 2006/347/EG, Erwägungsgrund 41, Entscheidung der Kommission vom 3. Januar 2006 zu von der Republik Österreich gemäß Artikel 95 Absatz 4 EG-Vertrag mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen über den höchsten zulässigen Cadmiumgehalt von Düngemitteln, 2006/349/EG, Erwägungsgrund 41.

(20)  Beschluss der Kommission vom 8. Mai 2018 zu den von Dänemark mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen über den Zusatz von Nitriten zu bestimmten Fleischerzeugnissen, C(2018) 2721, Erwägungsgrund 55 (ABl. L 118 vom 14.5.2018, S. 7), Entscheidung der Kommission vom 3. Januar 2006 zu von der Republik Finnland gemäß Artikel 95 Absatz 4 EG-Vertrag mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen über den höchsten zulässigen Cadmiumgehalt von Düngemitteln, 2006/348/EG, Erwägungsgrund 42, Entscheidung der Kommission vom 3. Januar 2006 zu vom Königreich Schweden gemäß Artikel 95 Absatz 4 EG-Vertrag mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen über den höchsten zulässigen Cadmiumgehalt von Düngemitteln, 2006/347/EG, Erwägungsgrund 43, Entscheidung der Kommission vom 3. Januar 2006 zu von der Republik Österreich gemäß Artikel 95 Absatz 4 EG-Vertrag mitgeteilten einzelstaatlichen Bestimmungen über den höchsten zulässigen Cadmiumgehalt von Düngemitteln, 2006/349/EG, Erwägungsgrund 43.