10.9.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 320/39


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 13. Juli 2018

zum nationalen Reformprogramm Frankreichs 2018 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Frankreichs 2018

(2018/C 320/09)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (2), insbesondere auf Artikel 6 Absatz 1,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 22. November 2017 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, mit dem das Europäische Semester für wirtschaftspolitische Koordinierung 2018 eingeleitet wurde. Dabei wurde der europäischen Säule sozialer Rechte, die am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamiert wurde, gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 22. März 2018 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 22. November 2017 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Frankreich als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei. Am selben Tag nahm die Kommission auch eine Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets an, die am 22. März 2018 vom Europäischen Rat gebilligt wurde. Am 14. Mai 2018 nahm der Rat die Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (3) (im Folgenden „Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet“) an.

(2)

Angesichts der engen Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften in der Wirtschafts- und Währungsunion sollte Frankreich als Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, die vollständige und fristgerechte Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet, die in den nachstehenden Empfehlungen, insbesondere in den Empfehlungen 1 und 2, ihren Niederschlag findet, sicherstellen.

(3)

Der Länderbericht 2018 für Frankreich wurde am 7. März 2018 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Frankreichs bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 11. Juli 2017 (4), bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 bewertet. Im Länderbericht wurde außerdem eine eingehende Überprüfung nach Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 vorgenommen, deren Ergebnisse ebenfalls am 7. März 2018 veröffentlicht wurden. Die Kommission gelangte aufgrund ihrer Analyse zu dem Schluss, dass in Frankreich makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. Schwachstellen sind insbesondere auf den hohen öffentlichen Schuldenstand und eine geringe Dynamik der Wettbewerbsfähigkeit vor dem Hintergrund eines langsamen Produktivitätszuwachses zurückzuführen. Der Gefahr von nachteiligen Auswirkungen auf die französische Wirtschaft und — in Anbetracht von deren Größe — von negativen Ansteckungseffekten auf die Wirtschafts- und Währungsunion kommt besondere Bedeutung zu.

(4)

Am 25. April 2018 übermittelte Frankreich sein nationales Reformprogramm 2018 und sein Stabilitätsprogramm 2018. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(5)

Die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen wurden bei der Programmplanung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds („ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 berücksichtigt. Gemäß Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme und zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn dies für die Förderung der Umsetzung der einschlägigen Empfehlungen des Rates notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der ESI-Fonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(6)

Infolge der fristgerechten und dauerhaften Korrektur des übermäßigen Defizits und des Beschlusses (EU) 2018 /924 des Rates (6), das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit einzustellen, befindet sich Frankreich in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts und unterliegt der Übergangsregelung für den Schuldenabbau. In ihrem Stabilitätsprogramm 2018 erwartet die Regierung eine allmähliche Verbesserung des gesamtstaatlichen Saldos von – 2,6 % des BIP im Jahr 2017 auf + 0,3 % des BIP im Jahr 2022. Das mittelfristige Haushaltsziel — ein strukturelles Defizit von 0,4 % des BIP — dürfte während des vom Stabilitätsprogramm 2018 erfassten Zeitraums nicht erreicht werden. Dem Stabilitätsprogramm 2018 zufolge wird die gesamtstaatliche Schuldenquote voraussichtlich von 97,0 % des BIP im Jahr 2017 auf 89,2 % im Jahr 2022 zurückgehen. Das makroökonomische Szenario, das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegt, ist plausibel. Allerdings wurden die Maßnahmen, die zur Erreichung der ab 2019 anvisierten Defizitziele erforderlich sind, nicht ausreichend spezifiziert.

(7)

Am 11. Juli 2017 empfahl der Rat Frankreich, sicherzustellen, dass die nominale Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben (7) 1,2 % im Jahr 2018 nicht überschreitet, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 0,6 % des BIP entspricht. Gleichzeitig wurde festgehalten, dass das Ziel, einen haushaltspolitischen Kurs zu erreichen, der sowohl zur Stützung der derzeitigen Erholung als auch zur Gewährleistung der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen beiträgt, bei der Bewertung der Übersichten über die Haushaltsplanung 2018 und der anschließenden Bewertung der Haushaltsergebnisse 2018 berücksichtigt werden muss. Ausgehend von der Bewertung der Solidität der Erholung in Frankreich, die die Kommission — unter gebührender Berücksichtigung der Herausforderungen hinsichtlich der Tragfähigkeit — im Rahmen ihrer Stellungnahme zur Übersicht über die Haushaltsplanung Frankreichs 2018 vorgenommen hat, müssen in diesem Zusammenhang keine weiteren Elemente berücksichtigt werden. Die Kommission geht in ihrer Frühjahrsprognose 2018 davon aus, dass im Jahr 2018 die Gefahr einer erheblichen Abweichung vom empfohlenen Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel besteht.

(8)

Angesichts des gesamtstaatlichen Schuldenstands Frankreichs von über 60 % des BIP und der prognostizierten Produktionslücke von 0,6 % dürfte die nominale Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben im Jahr 2019 1,4 % nicht überschreiten; dies steht im Einklang mit der strukturellen Anpassung von 0,6 % des BIP nach der gemeinsam vereinbarten Anpassungsmatrix hinsichtlich der Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Gemäß der Frühjahrsprognose 2018 der Kommission besteht — unter Annahme einer unveränderten Politik — im Jahr 2019 sowie in den Jahren 2018 und 2019 zusammengenommen die Gefahr einer erheblichen Abweichung von dieser Vorgabe. Allem Anschein nach wird Frankreich die Übergangsregelung für den Schuldenabbau in den Jahren 2018 und 2019 voraussichtlich nicht einhalten. Insgesamt ist der Rat der Auffassung, dass ab 2018 die erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden sollten, um die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts einzuhalten. Es entspräche dem Vorsichtsprinzip, unerwartete Mehreinnahmen zum weiteren Abbau der gesamtstaatlichen Schuldenquote zu verwenden.

(9)

Die öffentlichen Ausgaben in Frankreich sind die höchsten in der Union. Die Ausgabenquote wird im Jahr 2018 voraussichtlich einen Wert von 56,0 % des BIP erreichen und damit um 10,6 Prozentpunkte über dem Unionsdurchschnitt liegen. In den letzten Jahren wurde die Konsolidierungsstrategie hauptsächlich von den rückläufigen Zinsen und den Kürzungen bei den öffentlichen Investitionen getragen; es ist jedoch unwahrscheinlich, dass das Niedrigzinsumfeld mittelfristig fortbestehen wird, und die Einschränkungen der produktiven Investitionen könnten das künftige wirtschaftliche Potenzial beeinträchtigen. Bei den seit 2014 durchgeführten Ausgabenüberprüfungen wurden keine wesentlichen Einsparungen festgestellt, und die Effizienzgewinne waren in Ermangelung geeigneter Folgemaßnahmen und des geringen Maßes an politischer Eigenverantwortung begrenzt. Die jüngste Ausgabenüberprüfungsstrategie wurde eingestellt und wird durch die öffentliche Aktion 2022 (Action Publique 2022) abgelöst, deren Grundsätze im Mandat der Regierung vom Oktober 2017 festgelegt sind. Der Ausschuss für die öffentliche Aktion 2022 (Comité Action Publique 2022) soll bis Sommer 2018 einen Bericht erstellen und prüfen, welche Maßnahmen erforderlich sind. Es sind jedoch noch keine genau spezifizierten Maßnahmen vorgeschlagen worden, und neue Einsparungen in diesem Rahmen werden erst ab 2020 erzielt. Die rasche Umsetzung von Sparmaßnahmen würde den Anstrengungen, die derzeit erforderliche Haushaltskonsolidierung kurz- bis mittelfristig anzugehen, zugutekommen.

(10)

Zurzeit gibt es in Frankreich 37 verschiedene Rentensysteme. Sie gelten für unterschiedliche Gruppen von Arbeitnehmern und unterliegen unterschiedlichen Regeln. Eine schrittweise Vereinheitlichung der Regeln würde die Transparenz des Systems steigern, für mehr Generationengerechtigkeit sorgen und die Mobilität der Arbeitskräfte erleichtern. Auch die Harmonisierung der Berechnungsvorschriften würde eine bessere Kontrolle der öffentlichen Ausgaben begünstigen. Auch wenn die bereits verabschiedeten Rentenreformen den Anteil der Rentenausgaben langfristig senken dürften, so würde ein einfacheres und effizienteres Rentensystem weitere Einsparungen ermöglichen und die Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen mittelfristig mindern. Einer jüngsten Studie von La Fondation pour la recherche sur les administrations et les politiques publiques (iFRAP) zufolge könnte die Angleichung der verschiedenen Rentensysteme im öffentlichen und privaten Sektor bis 2022 Einsparungen bei den öffentlichen Ausgaben von über 5 Mrd. EUR ermöglichen.

(11)

Die Arbeitslosenquote sank von 10,4 % im Jahr 2015 auf 9,4 % im Jahr 2017 und dürfte in den kommenden Jahren weiter zurückgehen; die Beschäftigungsquote stieg im Jahr 2017 auf 70,6 %. Für junge Menschen, Geringqualifizierte und Menschen mit Migrationshintergrund (sowohl der ersten als auch der zweiten Generation) sind die Arbeitsmarktbedingungen jedoch nach wie vor schwieriger als für andere. Im Jahr 2017 waren nur 55,6 % der außerhalb der EU geborenen Menschen (im Alter von 20-64 Jahren) erwerbstätig; dieser Wert liegt um 17,0 Prozentpunkte unter dem der in Frankreich Geborenen. Die Einwohner der am stärksten benachteiligten Gegenden (Quartiers de la politique de la ville), darunter Menschen mit Migrationshintergrund, haben weiterhin Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt. Trotz politischer Maßnahmen sind die Auswirkungen des sozioökonomischen Hintergrunds und des Migrationshintergrunds auf die schulische Leistung vergleichsweise stark ausgeprägt und behindern die Integration in den Arbeitsmarkt. Es gibt auch Anzeichen für diskriminierende Praktiken auf dem Arbeitsmarkt. Wirksame aktive beschäftigungspolitische Maßnahmen, einschließlich Sprachkursen, intensiver Beratung und Hilfe bei der Suche nach geeigneten Mitarbeitern, sowie ein entschlosseneres Vorgehen gegen diskriminierende Praktiken sind wesentliche Voraussetzungen, um die Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt zu fördern.

(12)

Das Gesetz von 2016 über Arbeit, die Modernisierung des sozialen Dialogs und die Sicherung der beruflichen Laufbahnen zielt darauf ab, die Unternehmen besser in die Lage zu versetzen, sich an die Wirtschaftszyklen anzupassen und den Anteil der Beschäftigten mit befristeten Arbeitsverträgen zu senken. Wenngleich mehr Menschen mit unbefristeten Verträgen eingestellt werden, stellt die Segmentierung des Arbeitsmarktes nach wie vor eine Herausforderung dar, und der Übergang zu mehr unbefristeten Beschäftigungsformen sollte gefördert werden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, die Umsetzung des laufenden ehrgeizigen Reformprogramms abzuschließen, das die kürzlich verabschiedete Reform des Arbeitsrechts, die geplante Überarbeitung des Systems der Arbeitslosenunterstützung und die Reform des Systems der beruflichen Bildung, einschließlich Lehrlingsausbildung, beinhaltet.

(13)

Die schrittweise Umsetzung von Maßnahmen zur Verringerung der Steuer- und Abgabenbelastung des Faktors Arbeit hat seit 2013 zu einer Verbesserung der Kostenwettbewerbsfähigkeit Frankreichs geführt; die in der Vergangenheit entstandenen Verluste sind jedoch noch nicht in vollem Umfang wieder wettgemacht worden. Bezogen auf den Durchschnittslohn zählte der Anteil der Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber an den Gesamtarbeitskosten in Frankreich im Jahr 2016 nach wie vor zu den höchsten in der Union. Die bestehenden politischen Maßnahmen zur Verringerung der Arbeitskosten sollen ab 2019 weiter konsolidiert und gestärkt werden; geplant sind die bereits angekündigte Ablösung der Steuergutschriften für Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung (CICE) durch eine allgemeine Senkung der Sozialabgaben für Arbeitgeber und die Einführung weiterer Ermäßigungen für niedrige Löhne, um die Beschäftigung Geringqualifizierter zu fördern.

(14)

Seit 2013 wird der französische Mindestlohn durch Indexierungsregeln bestimmt, ohne dass Ad-hoc-Erhöhungen vorgenommen wurden. Deshalb ist er in einem Kontext niedriger Inflation und eines gedämpften Lohnwachstums langsamer gestiegen als die Referenzlöhne (1,23 % im Jahr 2017, gegenüber 1,31 % beim Durchschnittslohn). Während der Mindestlohn im Verhältnis zum Durchschnittslohn im internationalen Vergleich hoch ist, wurden die Arbeitskosten auf der Ebene des Mindestlohns durch Ermäßigungen bei den Sozialabgaben deutlich verringert. Diese Ermäßigungen werden noch erhöht und im Jahr 2019 dauerhaft eingeführt. Wenngleich die Indexierung des Mindestlohns wichtig ist, um die Kaufkraft der Arbeitnehmer zu wahren, könnte der derzeitige (in der Union einmalige) Mechanismus die Möglichkeit einschränken, den Lohn an sich ändernde Gegebenheiten anzupassen, was sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit auswirken könnte. Eine Gruppe unabhängiger Sachverständiger nimmt jährlich eine Bewertung des Mindestlohns vor und gibt unverbindliche Stellungnahmen zu seiner Entwicklung ab. Im Jahr 2017 empfahl die Gruppe eine Überarbeitung der Indexierungsregeln, zum Beispiel durch ausschließliche Bindung an die Inflation.

(15)

Das derzeitige System der beruflichen Erstausbildung fördert die Integration in den Arbeitsmarkt nicht in ausreichendem Maße, insbesondere weil ein signifikanter Anteil der Schüler in Zweige mit eingeschränkten Beschäftigungsaussichten gelenkt wird. Darüber hinaus erzielen die französischen Auszubildenden erheblich schlechtere Bildungsergebnisse als der Unionsdurchschnitt, während die Schüler der allgemeinbildenden Schulen erheblich besser abschneiden. Vor diesem Hintergrund sind Maßnahmen zur Förderung der Lehrlingsausbildung, die bessere Beschäftigungsaussichten gewährleisten, und Maßnahmen zur Verbesserung der schulischen Ergebnisse von grundlegender Bedeutung, um Jugendbeschäftigung und Chancengleichheit zu fördern. Gleichzeitig ist es wichtig, den Zugang Geringqualifizierter und Arbeitsuchender zu Weiterbildungsmaßnahmen zu verbessern und den Erwerb höherer Qualifikationen, unterstützt durch geeignete Bildungsberatung, zu fördern. Um diesen Herausforderungen und insbesondere der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, die Steuerung des Systems zu verbessern, die Arbeitsmarktrelevanz, die Qualität und den Zugang zur Weiterbildung sicherzustellen und Arbeitsmarktübergänge zu gewährleisten, hat die Regierung am 27. April 2018 den Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Systems der Lehrlingsausbildung und der beruflichen Weiterbildung vorgelegt. Ferner bestätigt das Nationale Reformprogramm 2018 die Absicht, einen mit 14 Mrd. EUR dotierten Investitionsplan zur Kompetenzförderung umzusetzen und ebnet den Weg für eine ergänzende Reform der schulischen beruflichen Erstausbildung.

(16)

Insgesamt liefert das Sozialschutzsystem gute Ergebnisse. Die Einkommensunterschiede nach Transferleistungen liegen unter dem Unionsdurchschnitt, und trotz des jüngsten Anstiegs ist die Zahl der Menschen, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind, weiterhin vergleichsweise niedrig. Bestimmte Gruppen, insbesondere Alleinerziehende, nicht in der Union geborene Menschen und Menschen in benachteiligten städtischen Gegenden sind jedoch einem höheren Armutsrisiko ausgesetzt. Der Zugang der in Armut lebenden Menschen zu angemessenem Wohnraum ist nach wie vor problematisch. Trotz jüngster Verbesserungen besteht in einigen Gegenden weiterhin ein Mangel an Sozialwohnungen.

(17)

Ungeachtet der laufenden Reformen, die auf eine Verringerung der steuerlichen Belastung der Unternehmen und die Förderung produktiver Investitionen abzielen, ist das französische Steuersystem nach wie vor durch ein hohes Maß an Komplexität gekennzeichnet, in dem Steueraufwendungen, ineffiziente Steuern und Produktionssteuern einem gut funktionierenden Unternehmensumfeld entgegenstehen. Die hohe Zahl der Steueraufwendungen (Steuergutschriften, Steuerbefreiungen, Steuerermäßigungen) stellt für Unternehmen, insbesondere KMU, eine zusätzliche Belastung dar, da sie mit erhöhten Befolgungskosten und verstärkter Unsicherheit verbunden ist. Für die Steuerverwaltung ist sie zudem mit zusätzlichen Kosten für die Kontrolle verbunden. Die Steueraufwendungen werden im Rahmen des Haushaltsgesetzes 2018 weiter an Quantität und Volumen zunehmen und dürften 99,8 Mrd. EUR im Jahr 2018 (4,2 % des BIP) erreichen, im Vergleich zu 93 Mrd. EUR im Jahr 2017. Darüber hinaus wurden rund 192 Steuern ermittelt, mit denen nur geringe Einnahmen (weniger als 150 Mio. EUR pro Jahr) erzielt werden; allerdings wurde nur eine sehr begrenzte Zahl von ihnen seit 2014 abgeschafft (8). Schließlich hat Frankreich im Unionsvergleich sehr hohe Produktionssteuern (9) (3,1 % des BIP im Jahr 2016), bei denen es sich hauptsächlich um Steuern auf Kapital und Arbeit handelt, die die Unternehmen aufgrund ihrer Produktionstätigkeit, unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Leistung, zu entrichten haben.

(18)

Im Jahr 2016 entfielen auf marktbestimmte Dienstleistungen mehr als 50 % der Wertschöpfung, 40 % der Beschäftigung und 20 % des Wertschöpfungsexports der verarbeitenden Industrie. Obwohl sich der Wettbewerb bei den marktbestimmten Dienstleistungen auf die gesamte Wirtschaft auswirkt, wird er nach wie vor durch Regulierungsauflagen und Verwaltungsaufwand behindert, was auch den Wachstumsmöglichkeiten der Unternehmen abträglich ist. Reformen im Dienstleistungsbereich könnten, sofern sie ausreichend ehrgeizig sind und vollständig umgesetzt werden, signifikante positive Auswirkungen auf die Wirtschaft haben. In Bezug auf die Priorisierung der Reformanstrengungen ist es wichtig, der wirtschaftlichen Relevanz und der Leistung der einzelnen Teilbereiche der Dienstleistungsbranche Rechnung zu tragen. Werden die vorrangigen Reformen, die in der Dienstleistungsbranche durchzuführen sind, anhand eines indikatorbasierten Ansatzes ermittelt, so ergibt sich eine Reihe von unternehmensorientierten Dienstleistungen (in Architektur- und Ingenieurwesen, Rechtsberatung und Buchhaltung, Verwaltung und Unterstützung) sowie von Dienstleistungen in den Bereichen Einzelhandel, Beherbergungs- und Gaststättenwesen sowie Gesundheit. Im spezifischen Bereich der freiberuflichen Dienstleistungen hat das Gesetz zur Förderung von Wachstum, Wirtschaftstätigkeit und wirtschaftlicher Chancengleichheit (das „Macron-Gesetz“) vom 6. August 2015 die Beschränkungen in einer begrenzten Zahl freier Berufe, bei denen es sich größtenteils um Rechtsberufe handelt, gelockert. Es besteht nach wie vor Spielraum für weitere Reformen bei den freiberuflichen Dienstleistungen. Weitere Reformen könnten bestimmte Beschränkungen im Bereich des Zugangs zu und der Ausübung von Berufen angehen (z. B. den Umstand, dass bestimmte Tätigkeiten bestimmten Berufsgruppen vorbehalten sind, Beschränkungen in Bezug auf Stimmrechte und Beteiligungsverhältnisse, multidisziplinäre Beschränkungen und Numerus-Clausus-Beschränkungen), die als exzessiv angesehen werden. Reformen zur Beseitigung der wichtigsten Hindernisse für das Unternehmenswachstum könnten auf die Beseitigung von Schwelleneffekten im Zusammenhang mit größenspezifischen Kriterien in Rechtsvorschriften und die Verringerung des Verwaltungsaufwands für Unternehmen abzielen. Schließlich könnte Frankreich in größerem Maße von der digitalen Wirtschaft profitieren, wenn seine Versorgung mit schnellen Breitbanddiensten verbessert würde.

(19)

Dem Europäischen Innovationsanzeiger zufolge bleibt Frankreichs Innovationsleistung trotz des vergleichsweise hohen Maßes an öffentlicher Unterstützung hinter der Innovationsspitze der Union zurück. Die Innovationsleistung würde insbesondere durch effizientere öffentliche Unterstützungssysteme, einschließlich einer Steuergutschrift für Forschung und Entwicklung (Crédit d'Impôt Recherche), gefördert werden. Dabei sollten die Ergebnisse laufender Evaluierungen in Maßnahmen zur Verbesserung der Ausgestaltung der öffentlichen Unterstützung für die Innovation einfließen. Der Wissenstransfer zwischen öffentlicher Forschung und Wirtschaft stellt nach wie vor eine Herausforderung dar, was die kommerzielle Nutzung der Forschungsergebnisse einschränkt. Im Vergleich zu anderen Ländern der Union ist Frankreichs Bilanz im Bereich öffentlich-privater Kopublikationen und unternehmensfinanzierter FuE des öffentlichen Sektors gering. In gewissem Umfang besteht die Möglichkeit, Transfermechanismen zwischen Wissenschaft und Industrie durch eine Erleichterung der Zusammenarbeit in der Forschung und durch Förderung der Mobilität von Forschern zu stärken.

(20)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2018 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Frankreichs umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2018 veröffentlicht. Sie hat auch das Stabilitätsprogramm 2018, das nationale Reformprogramm 2018 und die Maßnahmen zur Umsetzung der an Frankreich gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Frankreich berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Vorschriften und Leitlinien der Union beurteilt.

(21)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Stabilitätsprogramm 2018 geprüft; seine Stellungnahme hierzu (10) spiegelt sich insbesondere in der nachstehenden Empfehlung 1 wider.

(22)

Vor dem Hintergrund der eingehenden Überprüfung durch die Kommission und dieser Bewertung hat der Rat das nationale Reformprogramm 2018 und das Stabilitätsprogramm 2018 geprüft. Seine Empfehlungen gemäß Artikel 6 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 spiegeln sich in den nachstehenden Empfehlungen 1 bis 3 wider —

EMPFIEHLT, dass Frankreich 2018 und 2019

1.

sicherstellt, dass die nominale Wachstumsrate der staatlichen Nettoprimärausgaben im Jahr 2019 1,4 % nicht überschreitet, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 0,6 % des BIP entspricht; unerwartete Mehreinnahmen nutzt, um den Abbau des gesamtstaatlichen Schuldenstands zu beschleunigen; im Jahr 2018 Einsparungen bei den Ausgaben erzielt und die im Rahmen der öffentlichen Aktion 2022 erforderlichen Ziele und neuen Maßnahmen vollständig spezifiziert, damit sie sich im Haushalt 2019 in konkreten Einsparungen bei den Ausgaben und Effizienzgewinnen niederschlagen; die Regeln der verschiedenen Rentensysteme schrittweise vereinheitlicht, um deren Gerechtigkeit und Tragfähigkeit zu verbessern;

2.

die Reformen des Systems der beruflichen Bildung fortführt, um dessen Arbeitsmarktrelevanz zu stärken und den Zugang zur Weiterbildung, insbesondere für gering qualifizierte Arbeitnehmer und Arbeitsuchende, zu verbessern; die Chancengleichheit und den Zugang zum Arbeitsmarkt fördert, einschließlich für Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen, die in benachteiligten Gegenden leben; sicherstellt, dass die Entwicklungen des Mindestlohns mit den Zielen der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Wettbewerbsfähigkeit vereinbar sind;

3.

das Steuersystem durch Einschränkung der Steueraufwendungen, Abschaffung ineffizienter Steuern und Senkung der Steuern, die auf die Produktion von Unternehmen erhoben werden, vereinfacht; den Regelungs- und Verwaltungsaufwand verringert, um den Wettbewerb im Dienstleistungssektor zu stärken und das Wachstum der Unternehmen zu fördern; die Anstrengungen zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Innovationssystems intensiviert, insbesondere durch Verbesserung der Wirksamkeit staatlicher Förderregelungen und Ausbau des Wissenstransfers zwischen öffentlichen Forschungseinrichtungen und Unternehmen.

Geschehen zu Brüssel am 13. Juli 2018.

Im Namen des Rates

Der Präsident

H. LÖGER


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25.

(3)  ABl. C 179 vom 25.5.2018, S. 1.

(4)  ABl. C 261 vom 9.8.2017, S. 1.

(5)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(6)  Beschluss (EU) 2018/924 des Rates vom 22. Juni 2018 zur Aufhebung der Entscheidung 2009/414/EG über das Bestehen eines übermäßigen Defizits in Frankreich (ABl. L 164 vom 29.6.2018, S. 44).

(7)  Die staatlichen Nettoprimärausgaben umfassen die Gesamtheit der Staatsausgaben ohne Zinsaufwendungen, Ausgaben für Unionsprogramme, die vollständig durch Einnahmen aus Fonds der Union ausgeglichen werden, und nichtdiskretionäre Änderungen der Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung. Staatlich finanzierte Bruttoanlageinvestitionen werden über einen Zeitraum von vier Jahren geglättet. Diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen oder gesetzlich vorgeschriebene Einnahmesteigerungen sind eingerechnet. Einmalige Maßnahmen sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite werden saldiert.

(8)  Inspection Générale des Finances (2014), Les taxes à faible rendement.

(9)  Unter dem Begriff „Produktionssteuern“ sind „sonstige Produktionsabgaben“ nach Eurostat (Kategorie D29) zu verstehen.

(10)  Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.