24.5.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 135/1


VERORDNUNG (EU) 2017/880 DER KOMMISSION

vom 23. Mai 2017

mit Regelungen über die Anwendung einer Rückstandshöchstmenge, die für einen pharmakologisch wirksamen Stoff in einem bestimmten Lebensmittel festgelegt wurde, auf ein anderes von derselben Tierart stammendes Lebensmittel bzw. die Anwendung einer Rückstandshöchstmenge, die für einen pharmakologisch wirksamen Stoff in einer oder mehreren Tierarten festgelegt wurde, auf andere Tierarten, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 470/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 470/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über die Schaffung eines Gemeinschaftsverfahrens für die Festsetzung von Höchstmengen für Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe in Lebensmitteln tierischen Ursprungs, zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 des Rates und zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (1), insbesondere auf Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe b,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Pharmakologisch wirksame Stoffe werden auf der Grundlage von Gutachten zu Rückstandhöchstmengen eingestuft, die die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) erstellt. Diese Gutachten umfassen eine wissenschaftliche Risikobewertung und Erwägungen des Risikomanagements.

(2)

Bei der Durchführung der wissenschaftlichen Risikobewertungen und der Ausarbeitung der Empfehlungen für das Risikomanagement muss die EMA erwägen, die Rückstandshöchstmengen, die für einen pharmakologisch wirksamen Stoff in einem bestimmten Lebensmittel bzw. in einer oder mehreren Tierarten festgelegt wurden, auf ein anderes von derselben Tierart stammendes Lebensmittel bzw. auf andere Tierarten zu extrapolieren, damit für Erkrankungen von der Lebensmittelgewinnung dienenden Tieren mehr zugelassene Tierarzneimittel bereitstehen.

(3)

Die Extrapolation umfasst einen Vorgang, bei dem die Höchstmengen an Rückständen in Geweben oder Lebensmitteln, die von einer der Lebensmittelgewinnung dienenden Tierart stammen, für die Rückstandshöchstmengen vorliegen, herangezogen werden, um die Mengen an Rückständen abzuschätzen und die Höchstmengen an Rückständen für ein Gewebe oder ein Lebensmittel festzulegen, das von einer anderen Tierart stammt, bzw. für ein anderes Gewebe oder ein anderes Lebensmittel, das von derselben Tierart stammt, wenn für dieses keine oder keine vollständigen herkömmlichen Rückstandsdaten vorliegen. Um die ordnungsgemäße Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 470/2009 zu gewährleisten, sollten Grundsätze und Mindestkriterien für die Extrapolation festgelegt werden.

(4)

Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen dem Gutachten des Ständigen Ausschusses für Tierarzneimittel —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Gegenstand und Geltungsbereich

In dieser Verordnung werden Grundsätze und Mindestkriterien dargelegt für die Anwendung von Rückstandshöchstmengen, die für einen pharmakologisch wirksamen Stoff in einem bestimmten Lebensmittel festgelegt wurden, auf ein anderes von derselben Tierart stammendes Lebensmittel bzw. für die Anwendung von Rückstandshöchstmengen, die für einen pharmakologisch wirksamen Stoff in einer oder mehreren Tierarten festgelegt wurden, auf andere Tierarten („Extrapolation“).

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

1.

„Referenztierart/Referenzlebensmittel/Referenzgewebe“ eine Tierart/ein Lebensmittel/ein Gewebe, für die/das auf der Grundlage geeigneter und vollständiger Daten Rückstandshöchstmengen festgelegt wurden;

2.

„betreffende Tierart/betreffendes Lebensmittel/betreffendes Gewebe“ eine Tierart/ein Lebensmittel/ein Gewebe, für die/das eine Extrapolation in Erwägung gezogen wird;

3.

„Haupttierarten“ Rinder, Fleischschafe, Schweine, Hühner und Eier sowie Salmoniden;

4.

„Nebentierarten“ alle Tierarten, die nicht zu den Haupttierarten zählen;

5.

„verwandte Tierarten“ Tierarten, die derselben Kategorie der der Lebensmittelgewinnung dienenden Art der Wiederkäuer, Monogastriden, Säugetiere, Vögel oder Fische angehören;

6.

„nicht verwandte Tierarten“ Tierarten, die anderen Kategorien der der Lebensmittelgewinnung dienenden Arten angehören.

Artikel 3

Grundsätze der Extrapolation

Die EMA erwägt die Extrapolation von Rückstandshöchstmengen, wenn für den pharmakologisch wirksamen Stoff eine Rückstandshöchstmenge vorliegt oder der Status „Keine Rückstandshöchstmenge(n) erforderlich“ festgelegt ist und auf die betreffende Tierart folgende Bedingungen zutreffen:

1.

Sie ist mit einer Referenztierart für die Haupttierarten verwandt, für die in Bezug auf das betreffende Gewebe/Lebensmittel Rückstandshöchstmengen festgelegt wurden oder der Status „Keine Rückstandshöchstmenge(n) erforderlich“ festgelegt ist.

2.

Sie ist mit einer Referenztierart für die Nebentierarten verwandt, für die in Bezug auf das betreffende Gewebe/Lebensmittel Rückstandshöchstmengen festgelegt wurden oder der Status „Keine Rückstandshöchstmenge(n) erforderlich“ festgelegt ist.

3.

Sie ist nicht mit der Referenztierart verwandt, für die in Bezug auf das betreffende Gewebe/Lebensmittel Rückstandshöchstmengen festgelegt wurden oder der Status „Keine Rückstandshöchstmenge(n) erforderlich“ festgelegt ist.

4.

Es wurde eine Rückstandshöchstmenge für die betreffende Tierart festgelegt, nicht aber für das betreffende Gewebe/Lebensmittel.

Artikel 4

Mindestkriterien für die Extrapolation

Die EMA darf nur dann extrapolieren, wenn alle der folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a)

der EMA liegt für die Referenztierart ein kompletter Satz an Rückstandsdaten vor;

b)

es ist bekannt, bis zu welchem Grad der pharmakologisch wirksame Stoff von der Referenztierart verstoffwechselt wird;

c)

für die Referenztierart liegt eine in geeigneter Form validierte Analysemethode vor;

d)

im Hinblick auf die Extrapolation zwischen nicht verwandten Tierarten ist erwiesen, dass das Stoffwechselprofil der Referenztierart und der betreffenden Tierart ähnlich sind;

e)

die extrapolierten Rückstandshöchstmengen ergeben eine theoretische maximale tägliche Aufnahmemenge (TMDI), die die annehmbare Tagesdosis (ADI) nicht überschreitet;

f)

bei Stoffen, deren Markerrückstand keine Ausgangsverbindung umfasst, ist nachgewiesen, dass der Markerrückstand bei der betreffenden Tierart/im betreffenden Lebensmittel vorhanden ist;

g)

bei Extrapolationen zwischen verschiedenen Lebensmitteln steht für das zusätzliche Lebensmittel ein nicht genutzter Anteil des ADI-Werts zur Verfügung.

Artikel 5

Extrapolation von Haupttierarten auf verwandte Nebentierarten

Wenn die EMA erwägt, Rückstandshöchstmengen einer Referenztierart für die Haupttierarten auf eine betreffende Art aus der Kategorie der verwandten Arten, die zu den Nebentierarten gehört, zu extrapolieren, wendet sie folgende Kriterien an:

a)

Die für die Referenztierart geltenden Rückstandshöchstmengen können im Verhältnis 1:1 auf die betreffende Tierart extrapoliert werden, wenn es sich bei der Ausgangsverbindung um den Markerrückstand bei der Referenztierart handelt.

b)

Wenn es sich bei der Ausgangsverbindung nicht um den Markerrückstand bei der Referenztierart handelt, kann vom Antragsteller die Bestätigung verlangt werden, dass der Markerrückstand in den betreffenden Geweben/Lebensmitteln vorkommt.

c)

Die festgelegten Rückstandshöchstmengen werden gemäß dem Muster im Anhang extrapoliert.

d)

Das Gewebe/Lebensmittel von Haupt- und Nebentierart muss dasselbe sein.

e)

Der Status „Keine Rückstandshöchstmenge(n) erforderlich“ kann direkt auf die betreffende Tierart extrapoliert werden.

Artikel 6

Extrapolation zwischen nicht verwandten Tierarten sowie von einer Referenztierart für die Nebentierarten auf eine betreffende Tierart der Haupttierarten

Wenn die EMA erwägt, Rückstandshöchstmengen zwischen nicht verwandten Tierarten bzw. von einer Referenztierart für die Nebentierarten auf eine betreffende Tierart der Haupttierarten zu extrapolieren, wendet sie folgende Kriterien an:

a)

Die Extrapolation von Neben- auf Haupttierarten im Verhältnis 1:1 ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Stoffwechsel bei der Referenztierart und bei der betreffenden Tierart erwiesenermaßen ähnlich funktioniert.

b)

Wird eine Extrapolation zwischen nicht verwandten Arten (einschließlich Nebentierarten) erwogen, kann der Antragsteller aufgefordert werden, stoffspezifische Informationen vorzulegen, die untermauern, dass der Stoffwechsel bei der Referenztierart und bei der betreffenden Tierart ähnlich ist.

c)

Wurden Rückstandshöchstmengen für mehr als eine nicht verwandte Tierart festgelegt, wird auf die betreffende Tierart diejenige Reihe an Rückstandshöchstmengen im Verhältnis 1:1 extrapoliert, die zu der geringsten Aufnahme durch die Verbraucher führt.

d)

Bei spezifischen Unsicherheiten in Bezug auf die Daten kann die EMA erwägen, weitere spezifische Sicherheitsfaktoren zu berücksichtigen.

e)

Der Status „Keine Rückstandshöchstmenge(n)“ kann auf die betreffende Tierart extrapoliert werden, wenn der Stoffwechsel ähnlich funktioniert.

f)

Rückstandshöchstmengen können dann direkt von Landtieren auf Fische mit Muskel und Haut in natürlichen Verhältnissen extrapoliert werden, wenn es sich bei der Ausgangsverbindung um den Markerrückstand handelt und die Rückstandshöchstmenge für die Referenztierart in Bezug auf den Muskel festgelegt wurde;

g)

Es wird nicht von Fischen auf Säugetiere/Vogelarten extrapoliert.

Artikel 7

Extrapolation zwischen Lebensmitteln

Wenn die EMA eine Extrapolation zwischen Lebensmitteln in Erwägung zieht, wendet sie folgende Kriterien an:

a)

Bei der Extrapolation zwischen Lebensmitteln wird als Ausgangspunkt für die Ableitung der Rückstandshöchstmenge für das betreffende Lebensmittel die niedrigste der für die Tierart festgelegten Rückstandshöchstmengen gewählt.

b)

Es kann auch der verbleibende Anteil des ADI-Werts als Ausgangspunkt gewählt und die Rückstandshöchstmenge direkt berechnet werden.

c)

Darüber hinaus kann zur Expositionsabschätzung eine konservative Abschätzung des Verhältnisses von Markerrückstand zu Gesamtrückständen herangezogen werden, um den TMDI-Wert zu berechnen.

d)

Bei der Extrapolation zwischen Lebensmitteln müssen möglicherweise die Rückstandshöchstmengenwerte entsprechend den unterschiedlichen Verzehrsmengen angepasst werden.

e)

Bei der Extrapolation von Rückstandshöchstmengen von anderen Geweben auf Milch innerhalb derselben Tierart sind die physikalisch-chemischen Eigenschaften des Wirkstoffes zu berücksichtigen und wie sich diese Eigenschaften auf die Akkumulierung in der Milch auswirken können. Das niedrigste Verhältnis von Markerrückstand zu Gesamtrückständen in Geweben kann ein zulässiger Ausgangspunkt für die Bestimmung des für Milch geltenden Verhältnisses sein.

f)

Es werden keine Rückstandshöchstmengen von Geflügelgeweben auf Eier von Geflügel extrapoliert.

g)

Bei der Extrapolation von Rückstandshöchstmengen auf Honig sind folgende Aspekte zu beachten:

i)

Der Antragsteller kann aufgefordert werden, physikalisch-chemische und biologische Daten zur Stabilität des Markerrückstands und zu den voraussichtlichen (Haupt-)Abbauprodukten und ihrer möglichen Bildung vorzulegen.

ii)

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass bei Honig eine Wartezeit von „null Tagen“ erwünscht ist, sind Rückstandsdaten erforderlich, die belegen, dass die Mengen an Rückständen in Honig bei der vorgesehenen Verwendung des Stoffes bei Bienen ohne Wartezeit sicher sind. Anhand dieser Daten kann auch die Rückstandshöchstmenge abgeleitet werden.

iii)

Es dürfen nur dann Rückstandshöchstmengen auf Honig extrapoliert werden, wenn Informationen vorliegen, die die toxikologische Relevanz der Hauptrückstände (einschließlich Abbauprodukten) in Honig belegen, und wenn erwiesen ist, dass die Rückstandsmenge in Honig von behandelten Bienen auch ohne Wartezeit unter der Rückstandshöchstmenge liegt.

Artikel 8

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Brüssel, den 23. Mai 2017

Für die Kommission

Der Präsident

Jean-Claude JUNCKER


(1)  ABl. L 152 vom 16.6.2009, S. 11.


ANHANG

Extrapolation von Haupttierarten auf Nebentierarten:

Kategorie

Geltende Rückstandshöchstmengen

Extrapolation auf

Wiederkäuer

Rinder (Fleisch)

alle sonstigen Wiederkäuer (Fleisch) außer Schafe

Schafe (Fleisch)

alle sonstigen Wiederkäuer (Fleisch) außer Rinder

Rinder und Schafe (Fleisch)

alle Wiederkäuer (Fleisch)

Milch von Rindern

alle Milch von Wiederkäuern

Monogastriden

Schweine

alle Säugetiere mit einhöhligem Magen

Vögel

Hühner und Eier

Geflügel und Eier von Geflügel

Fische

Salmoniden

alle Fische

Sonstige

entweder Rinder, Schafe oder Schweine

Pferde, Kaninchen

falls identische Rückstandshöchstmenge bei Wiederkäuern und Monogastriden

alle Säugetiere

falls identische Rückstandshöchstmengen bei Rindern (oder Schafen), Schweinen und Hühnern

alle der Lebensmittelgewinnung dienenden Tierarten (außer Fische)