9.8.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 261/79


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 11. Juli 2017

zum nationalen Reformprogramm der Niederlande 2017 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm der Niederlande 2017

(2017/C 261/18)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (2), insbesondere auf Artikel 6 Absatz 1,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 16. November 2016 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, mit dem das Europäische Semester für wirtschaftspolitische Koordinierung 2017 eingeleitet wurde. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 9./10. März 2017 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 16. November 2016 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie die Niederlande als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei. Am selben Tag nahm die Kommission auch eine Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets an, die am 9./10. März 2017 vom Europäischen Rat gebilligt wurde. Am 21. März 2017 nahm der Rat die Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (im Folgenden „Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet“) an (3).

(2)

Als Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, und angesichts der engen Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften in der Wirtschafts- und Währungsunion sollten die Niederlande die vollständige und fristgerechte Umsetzung der Empfehlungen für das Euro-Währungsgebiet, die in den nachstehenden Empfehlungen 1 und 2 ihren Niederschlag finden, sicherstellen.

(3)

Der Länderbericht 2017 für die Niederlande wurde am 22. Februar 2017 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte der Niederlande bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 12. Juli 2016, bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung der nationalen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 bewertet. Der Länderbericht enthielt außerdem die eingehende Überprüfung nach Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011, deren Ergebnisse ebenfalls am 22. Februar 2017 veröffentlicht wurden. Auf der Grundlage ihrer Analyse gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass in den Niederlanden makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. Die Niederlande weisen unter den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets im Dreijahresschnitt gemessen am BIP den höchsten Leistungsbilanzüberschuss auf. Der Überschuss legt eine suboptimale Ressourcenverteilung nahe, die noch Raum für mehr Wachstum und Wohlstand lässt. Die verfügbaren Einkommen der Haushalte werden durch hohe gesetzliche Steuern und Abgaben belastet. Die private Verschuldung — insbesondere die Hypothekenbelastung der Haushalte — ist hoch. Die langen Bilanzen der Haushalte erhöhen die Anfälligkeit für finanzielle Schocks. Es besteht besonderer Handlungsbedarf, um die Gefahr schädlicher Auswirkungen auf die niederländische Wirtschaft und — in Anbetracht ihrer Größe und grenzübergreifenden Bedeutung — auf die Wirtschafts- und Währungsunion einzudämmen.

(4)

Am 26. April 2017 übermittelten die Niederlande ihr nationales Reformprogramm 2017 und ihr Stabilitätsprogramm 2017. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(5)

Die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen wurden bei der Programmplanung der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds) für den Zeitraum 2014-2020 berücksichtigt. Gemäß Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme und zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn dies für die Förderung der Umsetzung der einschlägigen Empfehlungen des Rates notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der ESI-Fonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(6)

Die Niederlande befinden sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts und unterliegen der Schuldenregel. In ihrem Stabilitätsprogramm 2017 plant die Regierung eine Erhöhung des gesamtstaatlichen Überschusses von 0,5 % des BIP im Jahr 2017 auf 1,3 % des BIP im Jahr 2020. Das mittelfristige Haushaltsziel — ein strukturelles Defizit von 0,5 % des BIP — wird im gesamten Programmzeitraum weiterhin mit Abstand erfüllt. Dem Stabilitätsprogramm 2017 zufolge wird die Schuldenquote im Jahr 2017 voraussichtlich auf 58,5 % und damit unter den im Vertrag festgesetzten Referenzwert von 60 % des BIP sinken. Die Regierung plant für das Jahr 2020 einen weiteren Rückgang der Schuldenquote auf 49,3 % des BIP. Das makroökonomische Szenario, das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegt, ist plausibel. Ausgehend von der Frühjahrsprognose 2017 der Kommission dürfte der strukturelle Saldo von einem Überschuss von 0,2 % des BIP im Jahr 2017 auf 0,4 % des BIP im Jahr 2018 steigen und damit das mittelfristige Haushaltsziel übertreffen. Der gesamtstaatliche Schuldenstand soll auch weiter in einem über die Anforderungen der Schuldenregel hinausgehenden Maße auf festem Abwärtskurs bleiben. Insgesamt ist der Rat der Auffassung, dass die Niederlande die Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts in den Jahren 2017 und 2018 voraussichtlich erfüllen werden. Gleichzeitig besteht unter Einhaltung des mittelfristigen Ziels aber nach wie vor Spielraum, das Potenzialwachstum und die Binnennachfrage zu stützen, indem die Haushalts- und Strukturpolitik, einschließlich Investitionen in Forschung und Entwicklung, genutzt werden und die Voraussetzungen für ein stärkeres Reallohnwachstum geschaffen werden, auch im Kontext anhaltender außenwirtschaftlicher Ungleichgewichte.

(7)

Der jüngste Beschäftigungsanstieg ist weitgehend auf die wachsende Zahl von Beschäftigten mit befristeten Arbeitsverträgen und von Selbstständigen zurückzuführen. Der hohe und weiter steigende Anteil an befristeten Arbeitsverträgen wie auch die rasche Zunahme von Selbstständigen ohne Angestellte ist im Zusammenhang mit großen Unterschieden bei den anwendbaren arbeitsrechtlichen Bestimmungen, dem Arbeitsschutz und Unterschieden bei den steuer- und sozialrechtlichen Vorschriften zu sehen. Obwohl einige Maßnahmen ergriffen wurden, schaffen einige dieser Faktoren weiterhin einen finanziellen Anreiz für Angestellte, sich selbstständig zu machen, oder begünstigen ihre Einstellung mit befristeten Verträgen. Dies könnte insbesondere an den Rändern des Arbeitsmarktes zu Verzerrungen führen und könnte zur beobachteten Abschwächung des gesamtwirtschaftlichen Reallohnwachstums beigetragen haben. Selbstständige sind mit Blick auf Berufsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit und Alter häufiger unterversichert. Langfristig könnte dies die Tragfähigkeit des Sozialversicherungssystems beeinträchtigen. Die Vollstreckung von Maßnahmen gegen Scheinselbstständigkeit wurde bis zum Jahr 2018 ausgesetzt. Die Beschäftigungssituation von Menschen mit Migrationshintergrund bleibt eine große Herausforderung. Die Beschäftigungsquote von nicht in der EU geborenen Migranten liegt 20 Prozentpunkte unter jener von Menschen, die in den Niederlanden geboren wurden; nur zu einem geringen Teil lässt sich dies mit Alters- oder Bildungsunterschieden erklären.

(8)

Der Anstieg der Sparquote der Haushalte in den vergangenen Jahren war teilweise auf höhere Einlagen in die zweite Säule des Rentensystems (obligatorische private Zusatzversicherung) zurückzuführen, woran die regulatorischen Rahmenbedingungen ihren Anteil hatten. Eine angemessene generationeninterne und -übergreifende Kosten- und Risikoaufteilung, die über die beschlossenen Bestimmungen zu Indexierung und Finanzpuffern (Rahmenvorschriften für die Bewertung der Finanzlage) hinausgeht, würde den privaten Haushalten eine wachstumsfreundlichere Allokation ihrer Finanzmittel erleichtern. Die Regierung hat ihre Absicht angekündigt, die zweite Säule des Rentensystems umfassend zu reformieren, um die Absicherung zu verbessern und ein transparenteres, flexibleres und versicherungsmathematisch gerechteres System zu schaffen.

(9)

Über Jahrzehnte entstandene starre Strukturen und verzerrte Anreize prägen die Muster der Wohnfinanzierung und des sektoralen Sparverhaltens. Die Neigung der privaten Haushalte, über Hypothekenkredite auf Wohneigentum Bruttoschulden zu hebeln, ist auf langjährige steuerliche Anreize, insbesondere die volle steuerliche Absetzbarkeit von Hypothekenzinsen zurückzuführen. Trotz der stärkeren wirtschaftlichen Erholung sind dagegen seit 2012 keine weiteren Maßnahmen ergriffen worden.

(10)

Die Investitionstätigkeit ist während der Krise erheblich zurückgegangen und hat sich seither nur teilweise wieder erholt. Die Schwäche der gesamtwirtschaftlichen Investitionen scheint stark zyklisch geprägt zu sein und wurde durch einen Rückgang am Wohnungsmarkt sowie durch Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung befördert. Zwar scheinen die Investitionshemmnisse nur geringfügig zu sein, die Verfahren für Baugenehmigungen sind jedoch vergleichsweise langwierig. Die geringen Investitionen in erneuerbare Energien scheinen mit früheren Marktdynamiken, Marktunsicherheit und regulatorischen Faktoren zusammenzuhängen. Öffentliche und private Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind angesichts des Bildungsniveaus, der akademischen Leistungen und des wirtschaftlichen Entwicklungsstandes im Vergleich zu den leistungsstärksten Mitgliedstaaten gering. Die öffentlichen Ausgaben in diesem Bereich stagnieren seit 2014, und auch die privaten FuE-Ausgaben bleiben niedrig. Mit Blick auf die entsprechende Empfehlung des Rates von 2016 sind keine Fortschritte zu verzeichnen.

(11)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2017 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik der Niederlande umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2017 veröffentlicht. Sie hat auch das Stabilitätsprogramm 2017, das nationale Reformprogramm 2017 sowie die Maßnahmen zur Umsetzung der an die Niederlande gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat sie nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in den Niederlanden berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Vorschriften und Leitlinien der Union beurteilt.

(12)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Stabilitätsprogramm 2017 der Niederlande geprüft und ist zu der Auffassung (5) gelangt, dass die Niederlande den Stabilitäts- und Wachstumspakt voraussichtlich erfüllen.

(13)

Vor dem Hintergrund der eingehenden Überprüfung durch die Kommission und dieser Bewertung hat der Rat das nationale Reformprogramm 2017 und das Stabilitätsprogramm 2017 geprüft. Seine Empfehlungen gemäß Artikel 6 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 spiegeln sich in den nachstehenden Empfehlungen 1 und 2 an die Niederlande wider —

EMPFIEHLT, dass die Niederlande 2017 und 2018

1.

unter Einhaltung des mittelfristigen Ziels die Haushalts- und Strukturpolitik zur Stützung des Potenzialwachstums und der Binnennachfrage, einschließlich Investitionen in Forschung und Entwicklung, nutzen; Maßnahmen ergreifen, um die verbleibenden Verzerrungen auf dem Wohnungsmarkt und die Verschuldungsanreize für private Haushalte, insbesondere durch eine Verringerung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinsen, abzubauen;

2.

gegen die verbleibenden Hemmnisse bei der Einstellung von Mitarbeitern mit unbefristeten Verträgen vorgehen; den starken Anstieg der Zahl der Selbstständigen ohne Angestellte angehen, auch durch den Abbau der die Selbstständigkeit begünstigenden steuerlichen Verzerrungen, ohne dabei die unternehmerische Initiative zu beeinträchtigen, sowie durch Förderung des Zugangs der Selbstständigen zu einer erschwinglichen sozialen Absicherung; auf Basis der bereits begonnenen umfangreichen Vorbereitungen die zweite Säule des Rentensystems transparenter, generationengerechter und schockresistenter gestalten; die Voraussetzungen schaffen, um unter Achtung der Rolle der Sozialpartner ein höheres Reallohnwachstum zu fördern.

Geschehen zu Brüssel am 11. Juli 2017.

Im Namen des Rates

Der Präsident

T. TÕNISTE


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25.

(3)  ABl. C 92 vom 24.3.2017, S. 1.

(4)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(5)  Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.