12.6.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 173/65


VERORDNUNG (EU) Nr. 598/2014 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 16. April 2014

über Regeln und Verfahren für lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen der Union im Rahmen eines ausgewogenen Ansatzes sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2002/30/EG

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 100 Absatz 2,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsaktes an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (1),

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen (2),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Ein Hauptziel der gemeinsamen Verkehrspolitik ist eine nachhaltige Entwicklung. Voraussetzung dafür ist ein integriertes Konzept, das sowohl das wirksame Funktionieren der Verkehrssysteme in der Union als auch den Schutz der Umwelt sicherstellt.

(2)

Eine nachhaltige Entwicklung des Luftverkehrs erfordert die Einführung von Maßnahmen zur Minderung der Lärmbelastung, die von Flughäfen der Union ausgeht. Diese Maßnahmen sollten der Verbesserung der Lärmsituation an Flughäfen der Union dienen, um die Lebensqualität der Anlieger aufrechtzuerhalten oder zu steigern und insbesondere in Bezug auf Nachtflüge die Kompatibilität zwischen Luftverkehr und Wohngebieten zu fördern.

(3)

In der Entschließung A33/7 der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) wird für den Lärmschutz der Begriff des „ausgewogenen Ansatzes“ (ausgewogener Ansatz der ICAO) eingeführt und eine einheitliche Methode im Umgang mit Fluglärm festgelegt. Der ausgewogene Ansatz der ICAO sollte weiterhin das Fundament für Lärmschutzvorschriften im Luftverkehr als globaler Wirtschaftsbranche bilden. Der ausgewogene Ansatz erkennt den Wert einschlägiger rechtlicher Verpflichtungen, bestehender Vereinbarungen, geltender Gesetze und etablierter Strategien an und lässt diese unberührt. Infolge der Einbindung der internationalen Vorschriften des ausgewogenen Ansatzes der ICAO in diese Verordnung ist davon auszugehen, dass ein deutlich geringeres Risiko internationaler Rechtsstreitigkeiten für den Fall besteht, dass Luftfahrtunternehmen aus Drittländern von lärmbedingten Betriebsbeschränkungen betroffen sein sollten.

(4)

Nachdem aufgrund der Richtlinie 2002/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (4) und der Richtlinie 2006/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (5) die lautesten Luftfahrzeuge abgezogen wurden, ist eine Aktualisierung dahin gehend erforderlich, wie Maßnahmen zu Betriebsbeschränkungen einzusetzen sind, um den Behörden die Möglichkeit zu geben, innerhalb des internationalen Rahmens des ausgewogenen Ansatzes mit den derzeit lautesten Luftfahrzeugen umzugehen, um die Lärmumgebung an Flughäfen der Union zu verbessern.

(5)

In dem Bericht der Kommission vom 15. Februar 2008 mit dem Titel „lärmbedingte Betriebsbeschränkungen an EU-Flughäfen“ wird darauf hingewiesen, dass in der Richtlinie 2002/30/EG die Verteilung der Zuständigkeiten und die genauen Rechte und Pflichten der Betroffenen während des Lärmbewertungsprozesses präzisiert werden müssen, um sicherzustellen, dass zur Erreichung der Lärmminderungsziele kosteneffiziente Maßnahmen für jeden Flughafen ergriffen werden.

(6)

Die Einführung lärmbedingter Betriebsbeschränkungen auf einzelnen Flughäfen in der Union durch die Mitgliedstaaten führt zwar zu Kapazitätseinschränkungen, kann aber zu einer Verbesserung der Lärmsituation in der Umgebung von Flughäfen beitragen. Die ineffiziente Nutzung der vorhandenen Kapazitäten kann jedoch zu Wettbewerbsverzerrungen führen oder die Effizienz des gesamten Luftverkehrsnetzes in der Union beeinträchtigen. Da das spezifische Lärmminderungsziel dieser Verordnung von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden kann, sondern vielmehr wegen harmonisierter Regeln für das Verfahren zur Einführung von Betriebsbeschränkungen als Teil des Lärmminderungsprozesses auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Verwirklichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus. Eine solche harmonisierte Methode legt keine Lärmqualitätsziele fest, die weiterhin von der Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (6) oder anderen einschlägigen Rechtsvorschriften der Union oder der einzelnen Mitgliedstaaten abhängen, noch wird damit der konkreten Auswahl von Maßnahmen vorgegriffen.

(7)

Diese Verordnung sollte nur für Mitgliedstaaten gelten, in denen sich ein Flughafen mit mehr als 50 000 Flugbewegungen ziviler Luftfahrzeuge pro Kalenderjahr befindet, und nur dann angewendet werden, wenn die Einführung von lärmbedingten Betriebsbeschränkungen auf diesem Flughafen in Erwägung gezogen wird.

(8)

Diese Verordnung sollte nur für zivil genutzte Luftfahrzeuge gelten. Sie sollte nicht für militärische Luftfahrzeuge und Luftfahrzeuge in zoll- oder polizeidienstlichen Einsätzen oder Brandlöscheinsätzen gelten. Darüber hinaus sollten verschiedene Einsätze außergewöhnlicher Art, wie etwa Flüge aus dringenden humanitären Gründen, Such- und Rettungsflüge in Notsituationen und Flüge zwecks medizinischer Hilfe sowie zur Katastrophenhilfe von den Bestimmungen dieser Verordnung ausgenommen werden.

(9)

Lärmbewertungen sollten zwar regelmäßig auf der Grundlage der Richtlinie 2002/49/EG stattfinden, allerdings nur dann zusätzliche Lärmbekämpfungsmaßnahmen zur Folge haben, wenn unter Berücksichtigung der zu erwartenden Entwicklung des Flughafens die Lärmminderungsziele durch die aktuelle Kombination von Maßnahmen nicht erreicht werden. In Bezug auf Flughäfen, bei denen ein Lärmproblem ermittelt wurde, sollten zusätzliche Lärmbekämpfungsmaßnahmen im Einklang mit der Methode des ausgewogenen Ansatzes ermittelt werden. Um für eine breite Anwendung des ausgewogenen Ansatzes der ICAO in der Union zu sorgen, wird dessen Berücksichtigung auch über den Geltungsbereich dieser Verordnung hinaus empfohlen, soweit dies von dem jeweiligen Mitgliedstaat als angemessen erachtet wird. Lärmbedingte Betriebsbeschränkungen sollten nur dann eingeführt werden, wenn andere Maßnahmen des ausgewogenen Ansatzes nicht zur Verwirklichung der spezifischen Lärmminderungsziele ausreichen.

(10)

Während Kosten-Nutzen-Analysen durch einen Vergleich sämtlicher Kosten und Vorteile Aufschluss über die Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Wohlstand insgesamt geben, sind Kosten-Wirksamkeits-Analysen auf die Frage ausgerichtet, wie sich ein bestimmtes Ziel am kosteneffizientesten erreichen lässt, wofür lediglich die Kosten miteinander verglichen werden müssen. Diese Verordnung sollte Mitgliedstaaten nicht davon abhalten, gegebenenfalls eine entsprechende Kosten-Nutzen-Analyse durchzuführen.

(11)

Die Bedeutung von Gesundheitsaspekten in Bezug auf Lärmprobleme muss anerkannt werden, es ist daher wichtig, diesen Aspekten bei einer Entscheidung über Lärmminderungsziele an allen Flughäfen kohärent Rechnung zu tragen und dabei alle in diesem Bereich vorhandenen gemeinsamen Unionsvorschriften zu berücksichtigen. Gesundheitsaspekte sollten daher im Einklang mit den Unionsvorschriften zur Bewertung von Lärmauswirkungen beurteilt werden.

(12)

Lärmbewertungen sollten auf der Grundlage objektiver und messbarer Kriterien erfolgen, die allen Mitgliedstaaten gemeinsamen sind, und sie sollten auf verfügbaren vorhandenen Informationen beruhen, wie sie u. a. aus der Durchführung der Richtlinie 2002/49/EG hervorgehen. Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass diese Informationen zuverlässig sind, transparent ermittelt werden und den zuständigen Behörden und interessierten Parteien zur Verfügung stehen. Die zuständigen Behörden sollten die erforderlichen Überwachungsinstrumente einführen.

(13)

Die für den Erlass von lärmbedingten Betriebsbeschränkungen zuständige Behörde sollte unabhängig von Organisationen sein, die in den Flughafenbetrieb oder in die Erbringung von Luftverkehrs- oder Flugsicherungsdiensten eingebunden sind, von Organisationen, die diesbezügliche Interessen vertreten, sowie die Interessen von Anwohnern, die in der Nähe von Flughäfen wohnen. Dies sollte nicht dahin gehend verstanden werden, dass die Mitgliedstaaten gezwungen wären, ihre Verwaltungsstrukturen und Entscheidungsverfahren zu ändern.

(14)

Es wird zur Kenntnis genommen, dass die Mitgliedstaaten aufgrund nationaler Rechtsvorschriften, die sich auf national anerkannte Lärmverfahren stützen, Entscheidungen über lärmbedingte Betriebsbeschränkungen erlassen haben, die mit der im maßgeblichen Bericht Doc. 29 mit dem Titel „Standardberechnungsmethode für Lärmkonturen um zivile Flughäfen“ der Europäischen Zivilluftfahrtkonferenz (ECAC-Bericht Doc. 29) beschriebenen Methode möglicherweise noch nicht voll im Einklang stehen und bei denen die international anerkannten Informationen über die Lärmwerte von Luftfahrzeugen nicht berücksichtigt wurden. Effizienz und Wirksamkeit einer lärmbedingten Betriebsbeschränkung sollten jedoch anhand von Methoden beurteilt werden, die im ECAC-Bericht Doc. 29 und im ausgewogenen Ansatz vorgeschrieben sind. Die Mitgliedstaaten sollten daher ihre nationalen Rechtsvorschriften hinsichtlich der Prüfung von Betriebsbeschränkungen mit dem ECAC-Bericht Doc. 29 vollumfänglich in Einklang bringen.

(15)

Um die Nutzung neuer Technologien und Betriebsfunktionen von Luftfahrzeugen und Bodengeräten zu ermöglichen, sollte im Vergleich zur Richtlinie 2002/30/EG eine neue, weiter gefasste Definition der Betriebsbeschränkungen eingeführt werden. Deren Anwendung sollte nicht zu Verzögerungen bei der Einführung betrieblicher Maßnahmen führen, durch die die Lärmbelastung unmittelbar verringert werden könnte, ohne dass die Betriebskapazität eines Flughafens erheblich beeinträchtigt wird. Derartige Maßnahmen sollten daher nicht als neue Betriebsbeschränkungen gelten.

(16)

Durch eine Zentralisierung lärmbezogener Informationen ließe sich der Verwaltungsaufwand sowohl für die Luftfahrzeug- als auch die Flughafenbetreiber erheblich reduzieren. Informationen dieser Art werden derzeit auf Ebene der einzelnen Flughäfen bereitgestellt und verarbeitet. Zu Betriebszwecken müssen diese Daten den Luftfahrzeug- und Flughafenbetreibern zur Verfügung gestellt werden. Die Datenbank über Lärmschutzzertifizierung der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (im Folgenden „die Agentur“) sollte als Validierungsinstrument für die auf die einzelnen Flüge bezogenen Daten der Europäischen Organisation zur Sicherung der Luftfahrt (Eurocontrol) verwendet werden. Bereits jetzt werden diese Daten systematisch für die zentrale Verkehrsflussregelung angefordert, stehen derzeit jedoch weder der Kommission noch der Agentur zur Verfügung und bedürfen für die Zwecke dieser Verordnung und für die leistungsbezogene Regulierung im Flugverkehrsmanagement einer Spezifizierung. Durch einen leichten Zugang zu validierten Modellierungsdaten, die nach international anerkannten Verfahren und bewährten Vorgehensweisen bestimmt werden, dürfte sich die Qualität der Kartierung von Lärmkonturen einzelner Flughäfen zur Unterstützung bei politischen Entscheidungen verbessern.

(17)

Um unerwünschte Auswirkungen auf die Flugsicherheit, Flughafenkapazität und den Wettbewerb zu vermeiden, sollte die Kommission die jeweils zuständigen Behörden informieren, falls sie zu der Feststellung gelangt, dass das zur Einführung der lärmbedingten Betriebsbeschränkungen eingehaltene Verfahren nicht den Anforderungen dieser Verordnung entspricht. Die einschlägige zuständige Behörde sollte die Mitteilung der Kommission prüfen und die Kommission über ihre Absichten unterrichten, bevor sie die Betriebsbeschränkungen einführt.

(18)

Um dem ausgewogenen Ansatz Rechnung zu tragen, sollte die Möglichkeit vorgesehen werden, unter besonderen Umständen Ausnahmen für Betreiber aus Entwicklungsländern zuzulassen, die ansonsten übermäßige Härten zu erleiden hätten. Der Begriff „Entwicklungsländer“ ist im Lichte des spezifischen Zusammenhangs zum Luftverkehr auszulegen und umfasst nicht alle Länder, die in der internationalen Gemeinschaft ansonsten als Entwicklungsländer bezeichnet würden. Insbesondere muss sichergestellt werden, dass derartige Ausnahmen mit dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung vereinbar sind.

(19)

Um den kontinuierlichen Fortschritten der Triebwerks- und Flugwerktechnik sowie der Methoden zur Kartierung von Lärmkonturen Rechnung zu tragen, sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, Rechtsakte gemäß Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu folgenden Punkten zu erlassen: regelmäßige Aktualisierung der für die in dieser Verordnung genannten Luftfahrzeuge geltenden Lärmstandards und des Verweises auf das zugehörige Zertifizierungsverfahren, wobei den Änderungen einschlägiger ICAO-Dokumente Rechnung getragen wird, sofern dies angezeigt ist, und Aktualisierung des Verweises auf die Berechnungsmethode für Lärmkonturen, wobei den Änderungen einschlägiger ICAO-Dokumente Rechnung getragen wird, sofern dies angezeigt ist. Außerdem sollten in die technischen Aktualisierungen im Wege delegierter Rechtsakte gegebenenfalls auch Änderungen des ECAC-Berichts Doc. 29 einbezogen werden. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission im Zuge ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultationen, auch auf der Ebene von Sachverständigen, durchführt. Bei der Vorbereitung und Ausarbeitung delegierter Rechtsakte sollte die Kommission gewährleisten, dass die einschlägigen Dokumente dem Europäischen Parlament und dem Rat gleichzeitig, rechtzeitig und auf angemessene Weise übermittelt werden.

(20)

Diese Verordnung schreibt zwar eine regelmäßige Bewertung der Lärmsituation auf Flughäfen vor, aber eine derartige Bewertung führt nicht unbedingt zur Annahme neuer lärmbedingter Betriebsbeschränkungen oder zur Überprüfung bestehender Beschränkungen. Mit dieser Verordnung wird daher keine Überprüfung lärmbedingter Betriebsbeschränkungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung bereits gelten, vorgeschrieben, einschließlich lärmbedingter Betriebsbeschränkungen, die auf Gerichtsbeschlüssen beruhen oder das Ergebnis lokaler Mediationsverfahren sind. Geringfügige technische Änderungen von Maßnahmen, die sich nicht wesentlich auf die Kapazität oder den Betrieb auswirken, sollten nicht als neue lärmbedingte Betriebsbeschränkungen gelten.

(21)

Wurde das Konsultationsverfahren, das der Annahme einer lärmbedingten Betriebsbeschränkung vorausgeht, nach der Richtlinie 2002/30/EG eingeleitet und dauert das Konsultationsverfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung noch an, so sollte die endgültige Entscheidung gemäß der Richtlinie 2002/30/EG getroffen werden können, damit die in diesem Verfahren bereits erzielten Fortschritte gewahrt werden.

(22)

In Anbetracht der Notwendigkeit, die Lärmbewertungsmethode innerhalb des Luftverkehrsmarkts der Union einheitlich anzuwenden, werden in dieser Verordnung gemeinsame Regeln für lärmbedingte Betriebsbeschränkungen festgelegt.

(23)

Die Richtlinie 2002/30/EG sollte daher aufgehoben werden —

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Gegenstand, Ziele und Anwendungsbereich

(1)   In dieser Verordnung werden, in Bezug auf ermittelte Lärmprobleme, Regeln für das einzuhaltende Verfahren zur einheitlichen Einführung lärmbedingter Betriebsbeschränkungen für einzelne Flughäfen festgelegt, um im Einklang mit dem ausgewogenen Ansatz zu einer Verbesserung der Lärmsituation beizutragen und die Zahl der von den potenziell nachteiligen Auswirkungen des Fluglärms erheblich betroffenen Menschen zu begrenzen oder zu reduzieren.

(2)   Mit dieser Verordnung werden folgende Ziele verfolgt:

a)

Erleichterung der Erreichung bestimmter Lärmminderungsziele, auch unter Gesundheitsaspekten, auf Ebene der einzelnen Flughäfen unter Einhaltung der einschlägigen Unionsregelungen, insbesondere derjenigen, die in der Richtlinie 2002/49/EG festgelegt sind, und der Rechtsvorschriften in jedem einzelnen Mitgliedstaat;

b)

Ermöglichung von Betriebsbeschränkungen im Einklang mit dem ausgewogenen Ansatz, um eine nachhaltige Entwicklung der Kapazität des Flughafens und des Flugverkehrsmanagementnetzes unter Betrachtung des gesamten Flugwegs („Gate to Gate“) zu erreichen.

(3)   Diese Verordnung gilt für zivil genutzte Luftfahrzeuge. Sie gilt nicht für Luftfahrzeuge, die militärischen, zoll-, polizeidienstlichen oder ähnlichen Einsätzen dienen.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

1.

„Luftfahrzeug“ ein Starrflügel-Luftfahrzeug mit einer höchstzulässigen Startmasse von 34 000 kg oder mehr oder mit einer für das betreffende Luftfahrzeugmuster zugelassenen maximalen Sitzzahl von 19 Fluggastsitzen oder mehr, nicht gerechnet die ausschließlich für Besatzungsmitglieder vorgesehenen Sitze;

2.

„Flughafen“ einen Flughafen mit mehr als 50 000 Flugbewegungen (Starts oder Landungen) ziviler Luftfahrzeuge pro Kalenderjahr, berechnet anhand der durchschnittlichen Anzahl der Flugbewegungen in den letzten drei Kalenderjahren vor der Lärmbewertung;

3.

„ausgewogener Ansatz“ das von der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation entwickelte Verfahren, bei dem die möglichen Maßnahmen, insbesondere Reduzierung des Fluglärms an der Quelle, Flächennutzungsplanung und -verwaltung sowie lärmmindernde Betriebsverfahren und Betriebsbeschränkungen, in einheitlicher Weise geprüft werden, um das Lärmproblem auf einem einzelnen Flughafen auf die kosteneffizienteste Weise zu lösen;

4.

„knapp die Vorschriften erfüllendes Luftfahrzeug“ ein Luftfahrzeug, das gemäß den im Band I Teil II Kapitel 3 des Anhangs 16 zum Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt, unterzeichnet am 7. Dezember 1944 (im Folgenden das „Abkommen von Chicago“) festgelegten Höchstwerten zertifiziert ist, und zwar unter Einhaltung einer kumulativen Marge von weniger als 8 EPNdB (für „Effective Perceived Noise in Dezibel“, „effektiver wahrgenommener Lärm in Dezibel“) während einer Übergangszeit bis zum 14. Juni 2020 und einer kumulativen Marge von weniger als 10 EPNdB nach Ablauf dieser Übergangszeit, wobei die kumulative Marge die in EPNdB ausgedrückte Zahl ist, die man durch Addieren der einzelnen Margen (d. h. der Differenzen zwischen dem zertifizierten Lärmpegel und dem zulässigen Lärmhöchstpegel) jeder der drei Referenzlärmmesspunkte, wie sie im Band I Teil II Kapitel 3 des Anhangs 16 zum Abkommen von Chicago festgelegt sind, erhält;

5.

„Lärmminderungsmaßnahme“ jede Maßnahme, die sich auf die Lärmsituation in der Umgebung von Flughäfen auswirkt und für die die Grundsätze des ausgewogenen Ansatzes gelten, einschließlich anderer, nicht betriebsbezogener Maßnahmen, die die Anzahl der vom Fluglärm betroffenen Menschen beeinflussen können;

6.

„Betriebsbeschränkung“ eine Lärmminderungsmaßnahme, die den Zugang zu einem Flughafen oder seine Betriebskapazität einschränkt, einschließlich Betriebsbeschränkungen, durch die knapp die Vorschriften erfüllende Luftfahrzeuge von bestimmten Flughäfen abgezogen werden sollen, sowie partieller Betriebsbeschränkungen, die zum Beispiel für eine bestimmte Tageszeit oder nur für bestimmte Start- und Landebahnen des Flughafens gelten.

Artikel 3

Zuständige Behörden

(1)   Ein Mitgliedstaat, in dem sich ein Flughafen im Sinne des Artikels 2 Nummer 2 befindet, benennt eine oder mehrere Behörden, die für das einzuhaltende Verfahren für den Erlass von Betriebsbeschränkungen zuständig sind.

(2)   Die zuständigen Behörden sind unabhängig von Organisationen, die von Lärmminderungsmaßnahmen betroffen sein könnten. Diese Unabhängigkeit kann durch eine funktionale Trennung erreicht werden.

(3)   Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission rechtzeitig die Namen und Anschriften der benannten zuständigen Behörden gemäß Absatz 1 mit. Diese Informationen werden von der Kommission veröffentlicht.

Artikel 4

Recht auf Einlegung eines Rechtsmittels

(1)   Die Mitgliedstaaten gewährleisten das Recht, gegen aufgrund dieser Verordnung erlassene Betriebsbeschränkungen bei einer Beschwerdestelle, die nicht die Behörde ist, die die angefochtene Beschränkung erlassen hat, gemäß den nationalen Rechtsvorschriften und Verfahren Rechtsbehelfe einzulegen.

(2)   Der Mitgliedstaat, in dem sich ein Flughafen im Sinne des Artikels 2 Nummer 2 befindet, teilt der Kommission rechtzeitig den Namen und die Anschrift der benannten Beschwerdestelle gemäß Absatz 1 mit oder gegebenenfalls die Vorkehrungen, mit denen sichergestellt wird, dass eine Beschwerdestelle benannt wird.

Artikel 5

Allgemeine Lärmschutzregeln für Luftfahrzeuge

(1)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Lärmsituation an einem einzelnen Flughafen im Sinne des Artikels 2 Nummer 2 gemäß der Richtlinie 2002/49/EG einer Bewertung unterzogen wird.

(2)   Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass der ausgewogene Ansatz zur Bekämpfung von Fluglärm auf Flughäfen, bei denen ein Lärmproblem ermittelt wurde, angewandt wird. Zu diesem Zweck stellen sie sicher, dass

a)

das Lärmminderungsziel für diesen Flughafen festgelegt wird, wobei gegebenenfalls dem Artikel 8 und dem Anhang V der Richtlinie 2002/49/EG Rechnung zu tragen ist;

b)

verfügbare Möglichkeiten zur Minderung der Lärmauswirkungen ermittelt werden;

c)

die voraussichtliche Kosteneffizienz der Lärmminderungsmaßnahmen gründlich bewertet wird;

d)

die Maßnahmen ausgewählt werden, wobei das Interesse der Allgemeinheit im Bereich des Luftverkehrs bezüglich der Entwicklungsperspektiven ihrer Flughäfen berücksichtigt wird, ohne dass die Sicherheit darunter leidet;

e)

die interessierten Parteien auf transparente Weise zu den geplanten Maßnahmen angehört werden;

f)

die Maßnahmen beschlossen und in hinreichender Weise mitgeteilt werden;

g)

die Maßnahmen durchgeführt werden und

h)

ein Streitbeilegungsverfahren vorgesehen wird.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass bei der Ergreifung von Lärmminderungsmaßnahmen die folgende Kombination möglicher Maßnahmen in die Überlegungen einbezogen wird, um die kosteneffizienteste Maßnahme oder Kombination von Maßnahmen zu bestimmen:

a)

absehbare Auswirkung einer Reduzierung des Fluglärms an der Quelle;

b)

Planung und Verwaltung der Flächennutzung;

c)

betriebliche Verfahren zur Lärmminderung;

d)

Erlass von Betriebsbeschränkungen nicht als erstes Mittel, sondern nur nach Abwägung der anderen Maßnahmen des ausgewogenen Ansatzes.

Falls erforderlich, können die zur Verfügung stehenden Maßnahmen auch den Abzug knapp die Vorschriften erfüllender Luftfahrzeuge beinhalten. Mitgliedstaaten oder Flughafenbetreiber können wirtschaftliche Anreize bieten, um Luftfahrzeugbetreiber dazu zu ermutigen, im Übergangszeitraum gemäß Artikel 2 Nummer 4 weniger laute Luftfahrzeuge einzusetzen. Diese wirtschaftlichen Anreize unterliegen den für staatliche Beihilfen geltenden Vorschriften.

(4)   Im Rahmen des ausgewogenen Ansatzes können die Maßnahmen je nach Luftfahrzeugmuster, Lärmwerten des Luftfahrzeugs, Nutzung der Flughafen- und Flugsicherungseinrichtungen, Flugroute und/oder Zeitraum differenziert werden.

(5)   Unbeschadet des Absatzes 4 gelten Betriebsbeschränkungen, bei denen knapp die Vorschriften erfüllende Luftfahrzeuge vom Flughafen abgezogen werden, nicht für zivile Unterschallflugzeuge, die laut ihrer ursprünglichen Bescheinigung oder ihrer Neubescheinigung den Lärmstandards des Bands I Teil II Kapitel 4 des Anhangs 16 zum Abkommen von Chicago entsprechen.

(6)   Die aufgrund dieser Verordnung ergriffenen Maßnahmen oder Kombinationen von Maßnahmen für einen bestimmten Flughafen sind nicht restriktiver, als es zur Erreichung der für diesen Flughafen festgelegten Lärmminderungsziele notwendig ist. Betriebsbeschränkungen dürfen keine Diskriminierung, insbesondere aufgrund der Nationalität oder der Identität, und keine Willkür darstellen.

Artikel 6

Regeln für die Lärmbewertung

(1)   Die zuständigen Behörden sorgen dafür, dass die Lärmsituation an Flughäfen, für die sie zuständig sind, regelmäßig nach der Richtlinie 2002/49/EG sowie nach geltenden Rechtsvorschriften des jeweiligen Mitgliedstaats einer Bewertung unterzogen wird. Die zuständigen Behörden können die Unterstützung des Leistungsüberprüfungsgremiums gemäß Artikel 3 der Verordnung (EU) Nr. 691/2010 der Kommission (7) in Anspruch nehmen.

(2)   Geht aus der in Absatz 1 genannten Bewertung hervor, dass neue betriebsbeschränkende Maßnahmen erforderlich sein könnten, um ein Lärmproblem an einem Flughafen zu lösen, so gewährleisten die zuständigen Behörden, dass

a)

die Methode, die Indizes und die Informationen in Anhang I so verwendet werden, dass der Beitrag jeder Art von Maßnahme gemäß dem ausgewogenen Ansatz gebührend berücksichtigt wird, bevor Betriebsbeschränkungen eingeführt werden;

b)

auf geeigneter Ebene eine technische Zusammenarbeit zwischen Flughafenbetreibern, Luftfahrzeugbetreibern und Flugsicherungsdienstleistern eingerichtet wird, in deren Rahmen Maßnahmen zur Lärmminderung geprüft werden. Die zuständigen Behörden gewährleisten ferner, dass Anwohner oder ihre Vertreter und einschlägige lokale Behörden gehört werden und dass sie technische Informationen über Lärmminderungsmaßnahmen erhalten;

c)

die Kostenwirksamkeit jeder neuen Betriebsbeschränkung gemäß Anhang II bewertet wird. Geringfügige technische Änderungen von Maßnahmen, die sich nicht wesentlich auf die Kapazität oder den Betrieb auswirken, gelten nicht als neue Betriebsbeschränkungen;

d)

die Anhörung interessierter Parteien, die in Form eines Mediationsverfahrens durchgeführt werden kann, rechtzeitig und in fundierter Weise und so durchgeführt wird, dass Offenheit und Transparenz hinsichtlich der Daten und der Berechnungsmethoden gewährleistet sind. Interessierte Kreise haben mindestens drei Monate Zeit zur Stellungnahme, bevor die neuen Betriebsbeschränkungen erlassen werden. Zu den interessierten Kreisen gehören mindestens

i)

vom Fluglärm betroffene Anwohner in Flughafennähe oder ihre Vertreter und die einschlägigen lokalen Behörden;

ii)

die Vertreter von in Flughafennähe ansässigen örtlichen Unternehmen, deren Betrieb durch den Flugverkehr und den Flughafenbetrieb betroffen ist;

iii)

die betreffenden Flughafenbetreiber;

iv)

die Vertreter der von Lärmminderungsmaßnahmen möglicherweise betroffenen Luftfahrzeugbetreiber;

v)

die betreffenden Flugsicherungsdienstleister;

vi)

der Netzmanager gemäß der Verordnung (EU) Nr. 677/2011 der Kommission (8);

vii)

gegebenenfalls der benannte Zeitnischen-Koordinator.

(3)   Die zuständigen Behörden verfolgen und überwachen die Umsetzung der Betriebsbeschränkungen und werden gegebenenfalls tätig. Sie gewährleisten, dass die einschlägigen Informationen den Anwohnern in Flughafennähe und den einschlägigen lokalen Behörden kostenfrei zur Verfügung gestellt werden sowie für diese leicht und unverzüglich zugänglich sind.

(4)   Die einschlägigen Informationen umfassen gegebenenfalls

a)

Information zu angeblichen Verstößen — unter Einhaltung nationalen Rechts — aufgrund von Änderungen der Flugverfahren unter Angabe ihrer Auswirkungen und der Gründe für diese Änderungen;

b)

die allgemeinen Kriterien für die Verkehrsaufteilung und -steuerung an jedem Flughafen, sofern diese Kriterien Auswirkungen auf die Umwelt oder Lärmauswirkungen haben können, und

c)

die von Systemen zur Lärmmessung erfassten Daten, sofern verfügbar.

Artikel 7

Informationen über Lärmwerte

(1)   Grundlage für Entscheidungen über lärmbedingte Betriebsbeschränkungen ist der Lärmwert des Luftfahrzeugs, der durch das gemäß Band I des Anhangs 16 zum Abkommen von Chicago, sechste Ausgabe vom März 2011, durchgeführte Zertifizierungsverfahren ermittelt wurde.

(2)   Auf Verlangen der Kommission übermitteln die Luftfahrzeugbetreiber in Bezug auf ihre Luftfahrzeuge, die sie auf Flughäfen in der Union betreiben, die folgenden lärmbezogenen Angaben:

a)

die Nationalität und das Registrierungskennzeichen des Luftfahrzeugs;

b)

lärmbezogene Unterlagen des verwendeten Luftfahrzeugs zusammen mit der damit zusammenhängenden höchstzulässigen Startmasse;

c)

etwaige Veränderungen des Luftfahrzeugs, die sich auf seinen Lärmwert auswirken und in den lärmbezogenen Unterlagen vermerkt sind.

(3)   Auf Verlangen der Agentur liefern Inhaber einer Luftfahrzeugmusterzulassung oder einer zusätzlichen Musterzulassung, die im Einklang mit der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates (9) ausgestellt wurde, sowie juristische oder natürliche Personen, die Luftfahrzeuge betreiben, für die keine Musterzulassung nach der genannten Verordnung ausgestellt wurde, zu Lärmmodellierungszwecken Lärm- und Leistungsangaben für ihre Luftfahrzeuge. Die Agentur präzisiert, welche Daten verlangt werden, und gibt Zeitpunkt, Form und Art der Datenbereitstellung an. Die Agentur prüft die zu Modellierungszwecken erhaltenen Lärm- und Leistungsangaben und stellt die Angaben anderen Parteien zu Lärmmodellierungszwecken zur Verfügung.

(4)   Die in den Absätzen 2 und 3 dieses Artikels genannten Daten werden auf das unbedingt Notwendige beschränkt und kostenlos und gegebenenfalls in elektronischer Form unter Verwendung des vorgegebenen Formats bereitgestellt.

(5)   Die Agentur prüft die Lärm- und Leistungsangaben für Lärmmodellierungszwecke in Bezug auf ihre Aufgaben gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 216/2008.

(6)   Die Daten werden in einer zentralen Datenbank gespeichert und den zuständigen Behörden, Luftfahrzeugbetreibern, Flugsicherungsdienstleistern und Flughafenbetreibern zu Betriebszwecken zur Verfügung gestellt.

Artikel 8

Regeln für die Einführung von Betriebsbeschränkungen

(1)   Betriebsbeschränkungen werden von den zuständigen Behörden sechs Monate im Voraus den Mitgliedstaaten, der Kommission und den interessierten Parteien zur Kenntnis gebracht, wobei diese Frist mindestens zwei Monate vor der Festlegung der Zeitnischen-Koordinierungsparameter für den betreffenden Flughafen und die jeweilige Flugplanperiode gemäß Artikel 2 Buchstabe m der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates (10) endet.

(2)   Nach der Bewertung gemäß Artikel 6 wird der Bekanntmachung ein schriftlicher Bericht gemäß Artikel 5 beigefügt, in dem die Gründe der Betriebsbeschränkung, das für den Flughafen festgelegte Lärmminderungsziel, die zur Erreichung dieses Ziels erwogenen Maßnahmen sowie die voraussichtliche Kosteneffizienz der einzelnen erwogenen Maßnahmen und gegebenenfalls ihre grenzüberschreitenden Auswirkungen beschrieben werden.

(3)   Auf Ersuchen eines Mitgliedstaats oder aus eigener Initiative kann die Kommission innerhalb von drei Monaten nach Eingang der Mitteilung nach Absatz 1 das Verfahren zur Einführung einer Betriebsbeschränkung überprüfen. Gelangt die Kommission zu der Feststellung, dass bei der Einführung einer lärmbedingten Betriebsbeschränkung das in dieser Verordnung vorgesehene Verfahren nicht eingehalten wurde, so kann sie dies der jeweils zuständigen Behörde entsprechend mitteilen. Die jeweils zuständige Behörde prüft die Mitteilung der Kommission und unterrichtet die Kommission über ihre Absichten, bevor sie die Betriebsbeschränkungen einführt.

(4)   Sollen durch die Betriebsbeschränkung knapp die Vorschriften erfüllende Luftfahrzeuge von einem Flughafen abgezogen werden, so werden auf dem betreffenden Flughafen sechs Monate nach der Bekanntmachung gemäß Absatz 1 keine zusätzlichen Dienste über die Zahl der Bewegungen hinaus zugelassen, die knapp die Vorschriften erfüllende Luftfahrzeuge im entsprechenden Vorjahreszeitraum vollzogen haben. Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die zuständigen Behörden die jährliche Rate zur Senkung der Anzahl der Bewegungen von knapp die Vorschriften erfüllenden Luftfahrzeugen der betroffenen Luftfahrtunternehmen auf diesem Flughafen festlegen, wobei das Alter der Luftfahrzeuge und die Zusammensetzung der gesamten Flotte zu berücksichtigen sind. Unbeschadet des Artikels 5 Absatz 4 darf diese Rate nicht mehr als 25 % der Anzahl der Bewegungen von knapp die Vorschriften erfüllenden Luftfahrzeugen jedes Luftfahrtunternehmens, das den Flughafen anfliegt, betragen.

Artikel 9

Entwicklungsländer

(1)   Um übermäßige wirtschaftliche Härten zu vermeiden, können die zuständigen Behörden unter vollständiger Wahrung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung knapp die Vorschriften erfüllende Luftfahrzeuge, die in Entwicklungsländern zugelassen sind, von lärmbedingten Betriebsbeschränkungen ausnehmen, sofern diese Luftfahrzeuge

a)

über ein Lärmzeugnis verfügen, das die Einhaltung der Höchstwerte gemäß Band I Kapitel 3 des Anhangs 16 zum Abkommen von Chicago bescheinigt;

b)

in den fünf Jahren vor Inkrafttreten dieser Verordnung in der Union betrieben wurden;

c)

in dem gleichen Fünfjahreszeitraum im Register des betreffenden Entwicklungslands eingetragen waren und

d)

weiterhin von einer in diesem Entwicklungsland ansässigen natürlichen oder juristischen Person betrieben werden.

(2)   Die Mitgliedstaaten unterrichten die zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten und die Kommission über die von ihnen nach Absatz 1 gewährten Ausnahmen.

Artikel 10

Freistellung für einzelne Flüge unter außergewöhnlichen Umständen

In Einzelfällen können die zuständigen Behörden auf Flughäfen, für die sie zuständig sind, einzelne Einsätze von knapp die Vorschriften erfüllenden Luftfahrzeugen, die aufgrund dieser Verordnung nicht zulässig wären, genehmigen.

Diese Freistellungen beschränken sich auf

a)

Flüge, die unter so außergewöhnlichen Umständen stattfinden, dass die Verweigerung einer vorübergehenden Freistellung nicht gerechtfertigt wäre, darunter auch Flüge im Rahmen der humanitären Hilfe, oder

b)

Flüge ohne Entgelt zum Zweck von Umbauten, Reparaturen oder Wartung.

Artikel 11

Delegierte Rechtsakte

Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 12 delegierte Rechtsakte zu erlassen, in denen Folgendes festgelegt wird:

a)

technische Aktualisierungen der Lärmhöchstwerte gemäß Artikel 5 Absatz 5 und Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a sowie des Zertifizierungsverfahrens gemäß Artikel 7 Absatz 1;

b)

technische Aktualisierungen der Methodik und der Indizes gemäß Anhang I.

Zweck dieser Aktualisierungen ist gegebenenfalls die Berücksichtigung der Änderungen einschlägiger internationaler Vorschriften.

Artikel 12

Ausübung der Befugnisübertragung

(1)   Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte wird der Kommission unter den in diesem Artikel festgelegten Bedingungen übertragen.

(2)   Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß Artikel 11 wird der Kommission für einen Zeitraum von fünf Jahren ab dem 13. Juni 2016 übertragen. Die Kommission erstellt spätestens neun Monate vor Ablauf des Zeitraums von fünf Jahren einen Bericht über die Befugnisübertragung. Die Befugnisübertragung verlängert sich stillschweigend um Zeiträume gleicher Länge, es sei denn, das Europäische Parlament oder der Rat widersprechen einer solchen Verlängerung spätestens drei Monate vor Ablauf des jeweiligen Zeitraums.

(3)   Die Befugnisübertragung gemäß Artikel 11 kann vom Europäischen Parlament oder vom Rat jederzeit widerrufen werden. Der Beschluss über den Widerruf beendet die Übertragung der in diesem Beschluss angegebenen Befugnis. Er wird am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union oder zu einem im Beschluss über den Widerruf angegebenen späteren Zeitpunkt wirksam. Die Gültigkeit von delegierten Rechtsakten, die bereits in Kraft sind, wird von dem Beschluss über den Widerruf nicht berührt.

(4)   Sobald die Kommission einen delegierten Rechtsakt erlässt, übermittelt sie ihn gleichzeitig dem Europäischen Parlament und dem Rat.

(5)   Ein delegierter Rechtsakt, der gemäß Artikel 11 erlassen wurde, tritt nur in Kraft, wenn weder das Europäische Parlament noch der Rat innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Übermittlung dieses Rechtsakts an das Europäische Parlament und den Rat Einwände erhoben haben oder wenn vor Ablauf dieser Frist das Europäische Parlament und der Rat beide der Kommission mitgeteilt haben, dass sie keine Einwände erheben werden. Auf Initiative des Europäischen Parlaments oder des Rates wird diese Frist um zwei Monate verlängert.

Artikel 13

Information und Überarbeitung

Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission auf Anforderung Informationen über die Anwendung dieser Verordnung.

Spätestens am 14. Juni 2021 erstattet die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat Bericht über deren Anwendung.

Dem Bericht werden erforderlichenfalls Vorschläge für eine Überarbeitung der Verordnung beigefügt.

Artikel 14

Bestehende Betriebsbeschränkungen

Lärmbedingte Betriebsbeschränkungen, die bereits vor dem 13. Juni 2016 eingeführt wurden, bleiben in Kraft, bis die zuständigen Behörden beschließen, sie gemäß dieser Verordnung zu überprüfen.

Artikel 15

Aufhebung

Die Richtlinie 2002/30/EG wird mit Wirkung vom 13. Juni 2016 aufgehoben.

Artikel 16

Übergangsbestimmungen

Ungeachtet des Artikels 15 dieser Verordnung können lärmbedingte Betriebsbeschränkungen, die nach dem 13. Juni 2016 angenommen wurden, nach Maßgabe der Richtlinie 2002/30/EG angenommen werden, wenn das der Annahme dieser Beschränkungen vorausgehende Konsultationsverfahren zu dem genannten Zeitpunkt noch andauert und wenn diese Beschränkungen spätestens ein Jahr nach dem genannten Zeitpunkt angenommen werden.

Artikel 17

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am 13. Juni 2016 in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Geschehen zu Straßburg am 16. April 2014.

Im Namen des Europäischen Parlaments

Der Präsident

M. SCHULZ

Im Namen des Rates

Der Präsident

D. KOURKOULAS


(1)  ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 173.

(2)  ABl. C 277 vom 13.9.2012, S. 110.

(3)  Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 12. Dezember 2012 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Standpunkt des Rates in erster Lesung vom 24. März 2014 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht). Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 14. April 2014 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht)].

(4)  Richtlinie 2002/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. März 2002 über Regeln und Verfahren für lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen der Gemeinschaft (ABl. L 85 vom 28.3.2002, S. 40).

(5)  Richtlinie 2006/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Regelung des Betriebs von Flugzeugen des Teils II Kapitel 3 Band 1 des Anhangs 16 zum Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt, 2. Ausgabe (1988) (ABl. L 374 vom 27.12.2006, S. 1).

(6)  Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Juni 2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm (ABl. L 189 vom 18.7.2002, S. 12).

(7)  Verordnung (EU) Nr. 691/2010 der Kommission vom 29. Juli 2010 zur Festlegung eines Leistungssystems für Flugsicherungsdienste und Netzfunktionen und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2096/2005 zur Festlegung gemeinsamer Anforderungen bezüglich der Erbringung von Flugsicherungsdiensten (ABl. L 201 vom 3.8.2010, S. 1).

(8)  Verordnung (EU) Nr. 677/2011 der Kommission vom 7. Juli 2011 zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen für die Funktionen des Flugverkehrsmanagementnetzes und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 691/2010 (ABl. L 185 vom 15.7.2011, S. 1).

(9)  Verordnung (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Februar 2008 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Zivilluftfahrt und zur Errichtung einer Europäischen Agentur für Flugsicherheit, zur Aufhebung der Richtlinie 91/670/EWG des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1592/2002 und der Richtlinie 2004/36/EG (ABl. L 79 vom 19.3.2008, S. 1).

(10)  Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates vom 18. Januar 1993 über gemeinsame Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der Gemeinschaft (ABl. L 14 vom 22.1.1993, S. 1).


ANHANG I

BEWERTUNG DER LÄRMSITUATION EINES FLUGHAFENS

Methode:

Die zuständigen Behörden stellen sicher, dass Lärmbewertungsmethoden verwendet werden, die gemäß dem Bericht Doc. 29 mit dem Titel „Standardberechnungsmethode für Lärmkonturen um zivile Flughäfen“ der Europäischen Zivilluftfahrtkonferenz, dritte Ausgabe, entwickelt wurden.

Indizes:

1.

Fluglärmauswirkungen werden mindestens in Form der Indizes Lden und Lnight gemäß ihrer Definition und Berechnung in Anhang I der Richtlinie 2002/49/EG beschrieben.

2.

Es können zusätzliche Lärmindizes verwendet werden, die eine objektive Grundlage haben.

Informationen zur Lärmbekämpfung:

1.   Aktueller Stand

1.1.

Beschreibung des Flughafens, darunter Angaben über Größe, Lage, Umgebung, Flugverkehrsaufkommen und Verkehrsmix.

1.2.

Beschreibung aller Umweltschutzziele für den Flughafen und vor dem Hintergrund des ganzen Landes. Dazu gehört auch eine Beschreibung der Fluglärm-Minderungsziele für den Flughafen.

1.3.

Angaben über Lärmkonturen der relevanten Vorjahre, einschließlich einer Schätzung der Zahl der vom Fluglärm betroffenen Menschen, die gemäß Anhang II der Richtlinie 2002/49/EG durchgeführt wird.

1.4.

Beschreibung der im Rahmen des ausgewogenen Ansatzes bestehenden und geplanten Maßnahmen zur Fluglärmbekämpfung und ihrer Auswirkungen auf sowie ihres Beitrags zur Lärmsituation mittels folgender Angaben:

1.4.1.

bezüglich der Reduzierung an der Quelle:

a)

Informationen über die aktuelle Luftfahrzeugflotte und erwartete technische Verbesserungen,

b)

spezifische Pläne zur Flottenerneuerung;

1.4.2.

bezüglich der Flächennutzungsplanung und -verwaltung:

a)

bestehende Planungsinstrumente, wie die umfassende Planung und Erstellung von Lärmzonen,

b)

bestehende Minderungsmaßnahmen, wie Bauvorschriften, Schallisolierungsprogramme und Maßnahmen zur Einschränkung der Nutzung lärmempfindlicher Gebiete,

c)

Anhörungen zu Flächennutzungsmaßnahmen,

d)

Überwachung von Eingriffen;

1.4.3.

bezüglich betrieblicher Lärmminderungsmaßnahmen, soweit sie die Kapazität des Flughafens nicht einschränken:

a)

Bevorzugung bestimmter Start- und Landebahnen,

b)

Bevorzugung bestimmter Flugrouten,

c)

Nutzung lärmmindernder An- und Abflugverfahren,

d)

die Angabe, inwieweit diese Maßnahmen durch die in Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 691/2010 genannten Umweltindikatoren geregelt sind;

1.4.4.

bezüglich Betriebsbeschränkungen:

a)

Verwendung globaler Beschränkungen, wie Höchstgrenzen für Flugbewegungen oder Lärmquoten,

b)

Verwendung luftfahrzeugspezifischer Beschränkungen, wie der Abzug von knapp die Vorschriften erfüllenden Luftfahrzeugen,

c)

Verwendung partieller Beschränkungen, bei denen zwischen Maßnahmen am Tag und in der Nacht unterschieden wird;

1.4.5.

bestehende finanzielle Instrumente, wie lärmbezogene Flughafengebühren.

2.   Prognose ohne neue Maßnahmen

2.1.

Gegebenenfalls Beschreibung des bereits genehmigten und des vorgesehenen Flughafenausbaus, z. B. Kapazitätserweiterung, Ausbau von Start- und Landebahn und/oder Abfertigungsgebäuden, Vorhersagen bezüglich An- und Abflügen, geplanter künftiger Verkehrsmix und erwartetes Wachstum sowie eine detaillierte Untersuchung der Lärmauswirkungen, die aus diesen Erweiterungen der Kapazität, der Start- und Landebahnen oder der Abfertigungsgebäude und aus der Änderung der An- und Abflugrouten für die Umgebung folgen würden.

2.2.

Im Fall einer Erweiterung der Flughafenkapazität: Nutzen der zusätzlichen Kapazität für das gesamte Luftverkehrsnetz und die Region.

2.3.

Beschreibung der Auswirkungen auf die Lärmsituation ohne weitere Maßnahmen sowie der bereits zur Verbesserung der Lärmsituation im selben Zeitraum geplanten Maßnahmen.

2.4.

Voraussichtliche Lärmkonturen, einschließlich der Zahl der voraussichtlich vom Fluglärm betroffenen Menschen, mit Unterscheidung zwischen älteren Wohngebieten, Neubaugebieten oder geplanten Wohngebieten und zukünftigen Wohngebieten, die von den zuständigen Behörden bereits genehmigt wurden.

2.5.

Abschätzung der Folgen und möglichen Kosten für den Fall, dass zunehmender Lärm erwartet wird und nichts gegen dessen Auswirkungen unternommen wird.

3.   Prüfung zusätzlicher Maßnahmen

3.1.

Zusätzliche mögliche Maßnahmen und Angabe der wichtigsten Auswahlgründe. Beschreibung der für eine weitere Analyse ausgewählten Maßnahmen und Angaben zum Ergebnis der Kosten-Nutzen-Analyse, insbesondere zu den Kosten der Durchführung der Maßnahmen, der erwarteten Zahl der Nutznießer und dem zeitlichen Rahmen, sowie eine Auflistung der einzelnen Maßnahmen nach dem Grad ihrer Gesamtwirksamkeit.

3.2.

Überblick über die möglichen Auswirkungen der vorgeschlagenen Maßnahmen auf andere Flughäfen, Betreiber und sonstige Betroffene, was die Umwelt und den Wettbewerb betrifft.

3.3.

Begründung der Entscheidung für die bevorzugte Lösung.

3.4.

Nichttechnische Zusammenfassung.


ANHANG II

Bewertung der Kosteneffizienz lärmbedingter Betriebsbeschränkungen

Die Bewertung der Kosteneffizienz von geplanten lärmbedingten Betriebsbeschränkungen erfolgt unter weitest gehender Berücksichtigung folgender quantifizierbarer Faktoren:

1.

durch die geplanten Maßnahmen jetzt und künftig zu erwartende Lärmvorteile;

2.

Sicherheit des Flugbetriebs, einschließlich Risiken für Dritte;

3.

Kapazität des Flughafens;

4.

Auswirkungen auf das europäische Luftverkehrsnetz.

Darüber hinaus können die zuständigen Behörden folgende Faktoren berücksichtigen:

1.

Gesundheit und Sicherheit der Anwohner in Flughafennähe;

2.

Umweltverträglichkeit, einschließlich der Interdependenz von Lärm und Emissionen;

3.

direkte und indirekte katalytische Beschäftigungs- und Wirtschaftseffekte.


Erklärung der Kommission zur Überarbeitung der Richtlinie 2002/49/EG

Die Kommission berät derzeit mit den Mitgliedstaaten über Anhang II der Richtlinie 2002/49/EG (Lärmberechnungsmethoden) im Hinblick auf seine Annahme in den kommenden Monaten.

Die Kommission beabsichtigt, ausgehend von der gegenwärtigen Arbeit der WHO hinsichtlich der Methode zur Bewertung der Gesundheitsauswirkungen der Lärmbelastung, Anhang III der Richtlinie 2002/49/EG (Bewertung der Gesundheitsauswirkung, Dosiswirkungskurven) zu überarbeiten.