19.12.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 343/26


DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) Nr. 1363/2013 DER KOMMISSION

vom 12. Dezember 2013

zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel im Hinblick auf die Begriffsbestimmung für „technisch hergestellte Nanomaterialien“

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (1), insbesondere auf Artikel 18 Absatz 5,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Gemäß Artikel 18 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 müssen alle Lebensmittelzutaten, die in Form technisch hergestellter Nanomaterialien vorhanden sind, im Zutatenverzeichnis eindeutig aufgeführt werden, um die Information der Verbraucher zu gewährleisten. Zudem muss auf die Bezeichnung von Lebensmittelzutaten, die in Form technisch hergestellter Nanomaterialien vorhanden sind, das in Klammern gesetzte Wort „Nano“ folgen. Die Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 enthält dementsprechend eine Begriffsbestimmung für „technisch hergestellte Nanomaterialien“.

(2)

Gemäß Artikel 18 Absatz 5 der genannten Verordnung ist die Kommission befugt, die dort genannte Begriffsbestimmung für „technisch hergestellte Nanomaterialien“ durch delegierte Rechtsakte an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt oder an die auf internationaler Ebene vereinbarten Begriffsbestimmungen anzupassen, damit die Ziele der Verordnung erreicht werden.

(3)

Am 18. Oktober 2011 hat die Kommission die Empfehlung 2011/696/EU (2) abgegeben, unter anderem auf eine Aufforderung des Europäischen Parlaments zur Einführung einer umfassenden, auf wissenschaftlichen Kenntnissen beruhenden Definition des Begriffs Nanomaterialien im Unionsrecht. Die Definition in dieser Empfehlung stützt sich ausschließlich auf die Größe der konstituierenden Partikel eines Materials und bezieht sich auf natürliches, auf bei Prozessen anfallendes und auf hergestelltes Material. Berücksichtigt werden unter anderem der Bericht der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission „Considerations on a Definition of Nanomaterials for Regulatory purposes“ (3), das Gutachten des Wissenschaftlichen Ausschuss „Neu auftretende und neu identifizierte Gesundheitsrisiken“ (SCENIHR) über die wissenschaftliche Grundlage für die Bestimmung des Begriffs „Nanomaterial“ (4) und die Begriffsbestimmung von „Nanomaterial“ der Internationalen Organisation für Normung (ISO) (5).

(4)

Gemäß der Empfehlung 2011/696/EU sollte die Definition von „Nanomaterial“ in dieser Empfehlung den Geltungsbereich von EU-Rechtsvorschriften unberührt lassen.

(5)

In einer Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zur zweiten Überprüfung der Rechtsvorschriften zu Nanomaterialien (6) äußerte die Kommission ihre Absicht, die Definition des Begriffs „Nanomaterial“ aus der Empfehlung 2011/696/EU in EU-Rechtsvorschriften zu verwenden. Bei Verwendung anderer Definitionen in den EU-Rechtsvorschriften werden die entsprechenden Vorschriften angepasst, um für einen einheitlichen Ansatz zu sorgen, obgleich möglicherweise auch in Zukunft sektorspezifische Lösungen erforderlich sein werden.

(6)

Es ist daher angezeigt, die Begriffsbestimmung für „technisch hergestellte Nanomaterialien“ in der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 an die Definition in der Empfehlung 2011/696/EU anzupassen, die den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt widerspiegelt.

(7)

Da die Begriffsbestimmung in der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 sich auf „technisch hergestellte Nanomaterialien“ bezieht, und nicht auf „Nanomaterial“ im Allgemeinen, sollte die Definition nicht für natürliche und bei Prozessen anfallende Nanomaterialien gelten.

(8)

Darüber hinaus ist es angezeigt, die Definition von „technisch hergestelltem Nanomaterial“ in Verbindung mit absichtlich hergestelltem Material zu bringen, das ausdrücklich definiert werden sollte. Diese Definition sollte die Begriffsbestimmung der ISO berücksichtigen, wonach „technisch hergestelltes Nanomaterial“ Nanomaterial ist, das für einen bestimmten Zweck oder eine bestimmte Funktion entwickelt wurde („nanomaterial designed for a specific purpose or function (7)).

(9)

Gemäß Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates (8) dürfen nur die in den Unionslisten aufgeführten zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffe als solche in Verkehr gebracht und unter den darin festgelegten Bedingungen und nach einer Sicherheitsbewertung in Lebensmitteln und in Lebensmittelzusatzstoffen, -enzymen und -aromen verwendet werden.

(10)

Diese Unionslisten wurden mit den Verordnungen (EU) Nr. 1129/2011 (9) und (EU) Nr. 1130/2011 (10) der Kommission erstellt. In diese Listen wurden die Lebensmittelzusatzstoffe aufgenommen, die vor dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 zur Verwendung zugelassen waren, nachdem geprüft wurde, ob sie mit den Bestimmungen dieser Verordnung übereinstimmen. Alle diese zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffe sind derzeit Gegenstand einer Neubewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (im Folgenden „die Behörde“) in Übereinstimmung mit der Verordnung (EU) Nr. 257/2010 der Kommission (11). Die Neubewertung von Lebensmittelzusatzstoffen erfolgt nach den in der genannten Verordnung festgelegten Prioritäten nach Gruppen von Lebensmittelzusatzstoffen, entsprechend der jeweiligen Hauptfunktionsgruppe. Sie erstreckt sich auch auf etwaige Fragen im Zusammenhang mit Nanomaterialien, die erforderlichenfalls bei einer Prüfung der Verwendungsbedingungen behandelt werden können. Bisher sind 30 Lebensmittelfarbstoffe bewertet worden. Keiner der Farbstoffe wird in Nano-Form hergestellt. Bei Calciumcarbonat (E 170) und Pflanzenkohle (E 153) empfahl die Behörde, in den Spezifikationen die Partikelgröße festzulegen. Für die Bewertung anderer Zusatzstoffe, die in einer Nano-Form vorliegen könnten, gelten folgende Fristen:

a)

31. Dezember 2015: Titandioxid (E 171), Eisenoxide und Eisenhydroxide (E 172), Silber (E 174) und Gold (E 175);

b)

31. Dezember 2016: Siliciumdioxid (E 551);

c)

31. Dezember 2018: Calciumsilicat (E 552), Magnesiumsilicat (E 553a) und Talkum (E 553b).

(11)

Bestimmte Lebensmittelzusatzstoffe, die in den Unionslisten gemäß den Verordnungen (EU) Nr. 1129/2011 und (EU) Nr. 1130/2011 aufgeführt sind, könnten in Form von „technisch hergestelltem Nanomaterial“ im Lebensmittel für den Endverbraucher enthalten sein. Wenn solchen Lebensmittelzusatzstoffen jedoch in der Liste der Zutaten in Klammern das Wort „Nano“ hinzugefügt wird, könnte dies die Verbraucher verunsichern, weil der Eindruck entstehen kann, dass diese Zusatzstoffe neu sind, obwohl sie in dieser Form seit Jahrzehnten in Lebensmitteln verwendet werden.

(12)

Die Lebensmittelzusatzstoffe in den Unionslisten gemäß den Verordnungen (EU) Nr. 1129/2011 und (EU) Nr. 1130/2011 sollten daher nicht [zwingend] mit dem Zusatz „Nano“ in dem Zutatenverzeichnis versehen werden, und die Definition von technisch hergestellten Nanomaterialien sollte nicht für sie gelten. Die Notwendigkeit spezieller Kennzeichnungsvorschriften für diese Zusatzstoffe im Hinblick auf Nanomaterialien sollte im Rahmen des Programms zur Neubewertung angegangen werden, indem erforderlichenfalls die Verwendungsbedingungen in Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 und die Spezifikationen dieser Lebensmittelzusatzstoffe in der Verordnung (EU) Nr. 231/2012 der Kommission (12) geändert werden. Diese Ausnahme sollte nicht für Zusatzstoffe gelten, die zu einem späteren Zeitpunkt in die Unionslisten aufgenommen werden, einschließlich neuer Einträge gemäß Artikel 12 der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008.

(13)

Der zahlenbasierte Schwellenwert von 50 % für die Größenverteilung sollte dahingehend überprüft werden, ob er künftig durch einen Schwellenwert zwischen 1 und 50 % ersetzt werden sollte, wenn es neue technologische Entwicklungen bei den Nachweis- und Quantifizierungsmethoden gibt und Gesundheits- und Sicherheitserwägungen dies rechtfertigen.

(14)

Die Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 sollte daher entsprechend geändert werden —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe t der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 erhält folgende Fassung:

„t)

‚technisch hergestelltes Nanomaterial‘ jedes absichtlich hergestellte Material, das Partikel in ungebundenem Zustand, als Aggregat oder als Agglomerat enthält, und bei dem mindestens 50 % der anzahlgewichteten Partikelgrößenverteilung ein oder mehrere Außenmaße im Bereich von 1 nm bis 100 nm aufweisen.

Abweichend hiervon gilt:

a)

Lebensmittelzusatzstoffe, auf die die Begriffsbestimmung gemäß Absatz 1 zutrifft, gelten nicht als technisch hergestellte Nanomaterialien, wenn sie mit den Verordnungen (EU) Nr. 1129/2011 (13) und (EU) Nr. 1130/2011 (14) der Kommission in die Unionslisten gemäß Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 aufgenommen wurden;

b)

Fullerene, Graphenflocken und einwandige Kohlenstoff-Nanoröhren mit mindestens einem Außenmaß unter 1 nm sind als technisch hergestellte Nanomaterialien zu betrachten.

Für die Anwendung der Begriffsbestimmung in Absatz 1 gilt Folgendes:

i)

‚Partikel‘ ist ein sehr kleines Teilchen einer Materie mit definierten physikalischen Grenzen;

ii)

‚Agglomerat‘ ist eine Ansammlung schwach gebundener Partikel oder Aggregate, in der die resultierende Oberfläche ähnlich der Summe der Oberflächen der einzelnen Bestandteile ist;

iii)

‚Aggregat‘ ist ein Partikel aus fest gebundenen oder verschmolzenen Partikeln;

iv)

‚absichtlich hergestellt‘ bedeutet, dass das Material hergestellt wird, um eine bestimmte Funktion zu erfüllen oder einem bestimmten Zweck zu dienen;“.

Artikel 2

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Brüssel, den 12. Dezember 2013

Für die Kommission

Der Präsident

José Manuel BARROSO


(1)  ABl. L 304 vom 22.11.2011, S. 18.

(2)  Empfehlung 2011/696/EU der Kommission vom 18. Oktober 2011 zur Definition von Nanomaterialien (ABl. L 275 vom 20.10.2011, S. 38).

(3)  EUR 24 403 EN, Juni 2010

(4)  http://ec.europa.eu/health/scientific_committees/emerging/docs/scenihr_o_032.pdf

(5)  http://cdb.iso.org

(6)  KOM(2012) 572 final vom 3.10.2012.

(7)  http://cdb.iso.org.

(8)  Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Lebensmittelzusatzstoffe (ABl. L 354 vom 31.12.2008, S. 16).

(9)  Verordnung (EU) Nr. 1129/2011 der Kommission vom 11. November 2011 zur Änderung des Anhangs II der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf eine Liste der Lebensmittelzusatzstoffe der Europäischen Union ABl. L 295 vom 12.11.2011, S. 1).

(10)  Verordnung (EU) Nr. 1130/2011 der Kommission vom 11. November 2011 zur Änderung des Anhangs III der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über Lebensmittelzusatzstoffe im Hinblick auf eine Liste der Europäischen Union der für die Verwendung in Lebensmittelzusatzstoffen, Lebensmittelenzymen, Lebensmittelaromen und Nährstoffen zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffe (ABl. L 295 vom 12.11.2011, S. 178).

(11)  Verordnung (EU) Nr. 257/2010 der Kommission vom 25. März 2010 zur Aufstellung eines Programms zur Neubewertung zugelassener Lebensmittelzusatzstoffe gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über Lebensmittelzusatzstoffe (ABl. L 80 vom 26.3.2010, S. 19).

(12)  Verordnung (EU) Nr. 231/2012 der Kommission vom 9. März 2012 mit Spezifikationen für die in den Anhängen II und III der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates aufgeführten Lebensmittelzusatzstoffe (ABl. L 83 vom 22.3.2012, S. 1).