19.6.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 154/21


RICHTLINIE 2010/38/EU DER KOMMISSION

vom 18. Juni 2010

zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates zwecks Aufnahme des Wirkstoffs Sulfurylfluorid

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (1), insbesondere auf Artikel 6 Absatz 1,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Das Vereinigte Königreich hat am 29. Juli 2002 gemäß Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie 91/414/EWG einen Antrag von Dow AgroScience auf Aufnahme des Wirkstoffs Sulfurylfluorid in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG erhalten. Mit der Entscheidung 2004/131/EG der Kommission (2) wurde bestätigt, dass die Unterlagen insofern vollständig sind, als sie grundsätzlich die Anforderungen der Anhänge II und III der Richtlinie 91/414/EWG hinsichtlich der Angaben und Informationen erfüllen.

(2)

Die Auswirkungen dieses Wirkstoffs auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt wurden gemäß Artikel 6 Absätze 2 und 4 der Richtlinie 91/414/EWG für die vom Antragsteller vorgeschlagenen Anwendungen geprüft. Am 29. Oktober 2004 übermittelte der berichterstattende Mitgliedstaat den Entwurf eines Bewertungsberichts.

(3)

Der Bewertungsbericht wurde von den Mitgliedstaaten und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) einem Peer Review unterzogen und der Kommission am 17. Dezember 2009 vorgelegt (3). Dieser Berichtsentwurf wurde von den Mitgliedstaaten und der Kommission im Rahmen des Ständigen Ausschusses für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit geprüft und am 12. März 2010 in Form des Beurteilungsberichts der Kommission über Sulfurylfluorid abgeschlossen.

(4)

Die verschiedenen Untersuchungen lassen den Schluss zu, dass Sulfurylfluorid enthaltende Pflanzenschutzmittel im Allgemeinen den Anforderungen gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a und b sowie Artikel 5 Absatz 3 der Richtlinie 91/414/EWG genügen, insbesondere hinsichtlich der geprüften und im Beurteilungsbericht der Kommission beschriebenen Anwendungen. Damit sichergestellt ist, dass Zulassungen für Sulfurylfluorid enthaltende Pflanzenschutzmittel in allen Mitgliedstaaten gemäß dieser Richtlinie erteilt werden können, sollte dieser Wirkstoff in Anhang I der genannten Richtlinie aufgenommen werden.

(5)

Unbeschadet dieser Schlussfolgerung sollten zu bestimmten Punkten weitere Informationen eingeholt werden. Gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 91/414/EWG kann die Aufnahme eines Stoffes in Anhang I an bestimmte Voraussetzungen gebunden sein. In Bezug auf Sulfurylfluorid empfiehlt es sich, vom Antragsteller weitere Informationen über die erforderlichen Verarbeitungsbedingungen in den Mühlen, um sicher zu stellen, dass Rückstände von Fluorid-Ion in Getreide die natürlichen Hintergrund-Konzentrationen nicht überschreiten, über Sulfurylfluoridkonzentrationen in der Troposphäre und über Schätzungen der Verweildauer von Sulfurylfluorid in der Atmosphäre zu verlangen.

(6)

Unbeschadet der in der Richtlinie 91/414/EWG festgelegten Verpflichtungen, die sich aus der Aufnahme eines Wirkstoffs in Anhang I ergeben, sollte den Mitgliedstaaten nach der Aufnahme ein Zeitraum von sechs Monaten für die Überprüfung bereits bestehender vorläufiger Zulassungen für Sulfurylfluorid enthaltende Pflanzenschutzmittel eingeräumt werden, um zu gewährleisten, dass die in der Richtlinie 91/414/EWG, insbesondere in Artikel 13, festgelegten Anforderungen sowie die in Anhang I enthaltenen maßgeblichen Bedingungen erfüllt sind. Die Mitgliedstaaten sollten bereits geltende vorläufige Zulassungen gemäß den Bestimmungen der Richtlinie 91/414/EWG in endgültige Zulassungen umwandeln oder sie ändern oder widerrufen. Abweichend von der oben genannten Frist ist für die Übermittlung und Bewertung der vollständigen Unterlagen nach Anhang III für jedes Pflanzenschutzmittel und für jede beabsichtigte Anwendung gemäß den in der Richtlinie 91/414/EWG festgelegten einheitlichen Grundsätzen ein längerer Zeitraum vorzusehen.

(7)

Daher ist es angezeigt, die Richtlinie 91/414/EWG entsprechend zu ändern.

(8)

Die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Ständigen Ausschusses für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit —

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Artikel 1

Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG wird gemäß dem Anhang der vorliegenden Richtlinie geändert.

Artikel 2

Die Mitgliedstaaten erlassen und veröffentlichen spätestens am 28. Februar 2011 die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Rechtsvorschriften mit und fügen eine Tabelle der Entsprechungen zwischen der Richtlinie und diesen innerstaatlichen Rechtsvorschriften bei.

Sie wenden diese Rechtsvorschriften ab 1. März 2011 an.

Bei Erlass dieser Vorschriften nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten legen die Einzelheiten der Bezugnahme fest.

Artikel 3

(1)   Gemäß der Richtlinie 91/414/EWG ändern oder widerrufen die Mitgliedstaaten erforderlichenfalls bis 28. Februar 2011 bereits geltende Zulassungen für Pflanzenschutzmittel, die Sulfurylfluorid als Wirkstoff enthalten. Bis zu diesem Datum prüfen sie insbesondere, ob die Bedingungen des Anhangs I der genannten Richtlinie in Bezug auf Sulfurylfluorid, mit Ausnahme der Bedingungen in Teil B des Eintrags zu diesem Wirkstoff, erfüllt sind und ob der Zulassungsinhaber Unterlagen besitzt, die gemäß Artikel 13 Absatz 2 den Anforderungen des Anhangs II der genannten Richtlinie entsprechen, oder ob er Zugang zu solchen Unterlagen hat.

(2)   Abweichend von Absatz 1 unterziehen die Mitgliedstaaten jedes zugelassene Pflanzenschutzmittel, das Sulfurylfluorid entweder als einzigen Wirkstoff oder als einen von mehreren Wirkstoffen enthält, die alle bis spätestens 31. August 2010 in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG aufgeführt waren, einer Neubewertung nach den einheitlichen Grundsätzen gemäß Anhang VI der Richtlinie 91/414/EWG, basierend auf Unterlagen, die den Anforderungen von Anhang III der Richtlinie genügen, und unter Berücksichtigung von Teil B des Eintrags in Anhang I der Richtlinie in Bezug auf Sulfurylfluorid. Sie entscheiden auf der Grundlage dieser Bewertung, ob das Pflanzenschutzmittel die Bedingungen gemäß Artikel 4 Absatz 1 Buchstaben b, c, d und e der Richtlinie 91/414/EWG erfüllt.

Nach dieser Entscheidung verfahren die Mitgliedstaaten wie folgt:

a)

Bei Pflanzenschutzmitteln, die Sulfurylfluorid als einzigen Wirkstoff enthalten, wird die Zulassung erforderlichenfalls bis spätestens 29. Februar 2012 geändert oder widerrufen; oder

b)

bei Pflanzenschutzmitteln, die Sulfurylfluorid als einen von mehreren Wirkstoffen enthalten, wird die Zulassung erforderlichenfalls entweder bis 29. Februar 2012 oder bis zu dem Datum geändert oder widerrufen, das in der Richtlinie bzw. den Richtlinien, durch die der betreffende Wirkstoff in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG aufgenommen wurde, für die Änderung bzw. den Widerruf festgelegt ist; maßgeblich ist das spätere Datum.

Artikel 4

Diese Richtlinie tritt am 1. September 2010 in Kraft.

Artikel 5

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Brüssel, den 18. Juni 2010

Für die Kommission

Der Präsident

José Manuel BARROSO


(1)  ABl. L 230 vom 19.8.1991, S. 1.

(2)  ABl. L 37 vom 10.2.2004, S. 34.

(3)  The EFSA Journal 2010; 8(1):1441. [66 S.], Schlussfolgerung zum Peer-Review der Risikobewertung von Pestiziden mit dem Wirkstoff Sulfurylfluorid (abgeschlossen: 17. Dezember 2009).


ANHANG

In Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG wird in der Tabelle folgender Eintrag angefügt:

Nr.

Gemeinsamer Name, Kennnummern

IUPAC-Bezeichnung

Reinheit (1)

Inkrafttreten

Befristung der Eintragung

Sonderbestimmungen

„311

Sulfurylfluorid

CAS-Nr.: 002699-79-8

CIPAC-Nr. 757

Sulfurylfluorid

> 994 g/kg

1. November 2010

31. Oktober 2020

TEIL A

Nur Verwendungen als Insektizid/Nematizid (Begasungsmittel) durch gewerbliche Anwender in abdichtbaren Räumen),

a)

die leer sind oder

b)

in denen die Verwendungsbedingungen sicher stellen, dass die Exposition der Verbraucher annehmbar ist,

dürfen zugelassen werden.

TEIL B

Bei der Anwendung der einheitlichen Grundsätze gemäß Anhang VI sind die Schlussfolgerungen des vom Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit am 11. Mai 2010 abgeschlossenen Beurteilungsberichts über Sulfurylfluorid und insbesondere die entsprechenden Anlagen I und II zu berücksichtigen.

Bei dieser Gesamtbewertung achten die Mitgliedstaaten insbesondere auf Folgendes:

auf das von anorganischem Fluorid ausgehende Risiko durch verunreinigte Produkte wie Mehl und Kleie, die während der Desinfektion im Mahlwerk verblieben sind, oder Getreide, das in Silos in der Mühle gelagert war. Es sind Maßnahmen zu treffen, die sicherstellen, dass solche Produkte nicht in die Nahrungs- oder Futtermittelkette gelangen;

das Risiko für Anwender und für Arbeiter, etwa beim Wiederbetreten von Räumen nach der Belüftung. Es sind Maßnahmen zu treffen, um sicher zu stellen, dass sie ein umluftunabhängiges Atemschutzgerät oder andere geeignete persönliche Schutzausrüstungen tragen;

das Risiko für Umstehende durch Einrichtung einer Sperrzone um den begasten Bereich.

Die Zulassungsbedingungen müssen gegebenenfalls Maßnahmen zur Risikobegrenzung umfassen.

Die betreffenden Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass der Antragsteller der Kommission weitere Informationen und insbesondere Bestätigungsdaten zu Folgendem übermittelt:

Die erforderlichen Verarbeitungsbedingungen in den Mühlen, um sicher zu stellen, dass Rückstände von Fluorid-Ion in Mehl, Kleie und Getreidekörner die natürlichen Hintergrund-Konzentrationen nicht überschreiten.

Sulfurylfluoridkonzentrationen in der Troposphäre. Die gemessenen Konzentrationen sind regelmäßig zu aktualisieren. Die Nachweisgrenze für die Analyse liegt bei mindestens 0,5 ppt (= 2,1 ng Sulfurylfluorid/m3 Luft der Troposphäre).

Schätzungen der Verweildauer von Sulfurylfluorid in der Atmosphäre, ausgehend vom schlimmstmöglichen Fall, was das Treibhauspotenzial (GPW — global warming potential) anbetrifft.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Antragsteller der Kommission diese Informationen bis spätestens 31. August 2012 vorlegt.“


(1)  Nähere Angaben zur Identität und Spezifikation der Wirkstoffe sind in dem betreffenden Beurteilungsbericht enthalten.