1.6.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 134/66


RICHTLINIE 2010/32/EU DES RATES

vom 10. Mai 2010

zur Durchführung der von HOSPEEM und EGÖD geschlossenen Rahmenvereinbarung zur Vermeidung von Verletzungen durch scharfe/spitze Instrumente im Krankenhaus- und Gesundheitssektor

(Text von Bedeutung für den EWR)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 155 Absatz 2,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Nach Artikel 155 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union („AEUV“) können die Sozialpartner gemeinsam die Durchführung der auf Unionsebene geschlossenen Vereinbarungen in den durch Artikel 153 AEUV erfassten Bereichen durch einen Beschluss des Rates auf Vorschlag der Kommission beantragen.

(2)

Mit Schreiben vom 17. November 2008 haben die europäischen Sozialpartnerorganisationen HOSPEEM (Europäische Arbeitgebervereinigung für Kliniken und Gesundheitswesen — ein Branchenverband der Arbeitgeber) und EGÖD (Europäischer Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienst — eine europäische Gewerkschaftsorganisation) die Kommission über ihre Absicht unterrichtet, Verhandlungen gemäß Artikel 138 Absatz 4 und Artikel 139 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (im Folgenden „EG-Vertrag“ genannt) (1) aufzunehmen, um eine Rahmenvereinbarung zur Vermeidung von Verletzungen durch scharfe/spitze Instrumente im Krankenhaus- und Gesundheitssektor auszuhandeln.

(3)

Am 17. Juli 2009 haben die Sozialpartner auf Gemeinschaftsebene eine Rahmenvereinbarung zur Vermeidung von Verletzungen durch scharfe/spitze Instrumente im Krankenhaus- und Gesundheitssektor unterzeichnet.

(4)

Da die Ziele der Richtlinie, nämlich die Schaffung einer möglichst sicheren Arbeitsumgebung durch Vermeidung von Verletzungen von Arbeitnehmern durch scharfe/spitze medizinische Instrumente (einschließlich Nadelstichverletzungen) und Schutz gefährdeter Arbeitnehmer im Krankenhaus- und Gesundheitssektor, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können und sich daher besser auf Unionsebene erreichen lassen, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das zur Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.

(5)

Bei der Ausarbeitung ihres Richtlinienvorschlags hat die Kommission berücksichtigt, dass die Unterzeichnerparteien im Anwendungsbereich der Vereinbarung, also für den Krankenhaus- und Gesundheitssektor, repräsentativ sind und über ein Mandat verfügen und dass die Bestimmungen der Rahmenvereinbarung rechtmäßig sind und mit den einschlägigen Bestimmungen für kleine und mittlere Unternehmen im Einklang stehen.

(6)

Die Kommission hat das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über ihren Vorschlag unterrichtet.

(7)

Das Europäische Parlament hat am 11. Februar 2010 eine Entschließung zu dem Vorschlag angenommen.

(8)

Die Rahmenvereinbarung soll gemäß ihrem Paragraf 1 zum Erreichen eines der Ziele der Sozialpolitik, nämlich zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen beitragen.

(9)

Paragraf 11 der Vereinbarung sieht vor, dass bestehende und künftige Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft (beziehungsweise — seit dem 1. Dezember 2009 — der Union), die einen besseren Schutz der Arbeitnehmer vor Verletzungen durch scharfe/spitze medizinische Instrumente vorsehen, von der Vereinbarung unberührt bleiben.

(10)

Die Mitgliedstaaten sollten wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen für Verstöße gegen die in dieser Richtlinie festgelegten Pflichten vorsehen.

(11)

Sofern sie alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um jederzeit gewährleisten zu können, dass die durch diese Richtlinie vorgeschriebenen Ergebnisse erzielt werden, können die Mitgliedstaaten den Sozialpartnern auf deren gemeinsamen Antrag die Durchführung dieser Richtlinie übertragen.

(12)

Nach Nummer 34 der Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung (2) sind die Mitgliedstaaten aufgefordert, für ihre eigenen Zwecke und im Interesse der Union eigene Tabellen aufzustellen, aus denen im Rahmen des Möglichen die Entsprechungen zwischen dieser Richtlinie und den Umsetzungsmaßnahmen zu entnehmen sind, und diese zu veröffentlichen —

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Artikel 1

Mit der vorliegenden Richtlinie wird die als Anhang beigefügte Rahmenvereinbarung zur Vermeidung von Verletzungen durch scharfe/spitze Instrumente im Krankenhaus- und Gesundheitssektor, die die einschlägigen Sozialpartner auf Gemeinschaftsebene, HOSPEEM und EGÖD, am 17. Juli 2009 geschlossen haben, durchgeführt.

Artikel 2

Die Mitgliedstaaten legen fest, welche Sanktionen bei einem Verstoß gegen die innerstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie zu verhängen sind. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

Artikel 3

(1)   Die Mitgliedstaaten setzen spätestens bis zum 11. Mai 2013 die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, um dieser Richtlinie nachzukommen, oder sie stellen sicher, dass die Sozialpartner die notwendigen Bestimmungen bis zu diesem Zeitpunkt durch Vereinbarung einführen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

Bei Erlass dieser Vorschriften nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.

(2)   Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.

Artikel 4

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Artikel 5

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Geschehen zu Brüssel am 10. Mai 2010.

Im Namen des Rates

Die Präsidentin

Á. GONZÁLEZ-SINDE REIG


(1)  Neue Nummerierung: Artikel 154 Absatz 4 und Artikel 155 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).

(2)  ABl. C 321 vom 31.12.2003, S. 1.


ANHANG

RAHMENVEREINBARUNG ZUR VERMEIDUNG VON VERLETZUNGEN DURCH SCHARFE/SPITZE INSTRUMENTE IM KRANKENHAUS- UND GESUNDHEITSSEKTOR

Präambel

1.

Das Thema Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz sollte für jeden im Krankenhaus- und Gesundheitssektor wichtig sein. Sachgemäß durchgeführte Maßnahmen zur Vermeidung von Verletzungen und zum Schutz vor vermeidbaren Verletzungen wirken sich positiv auf die Ressourcen aus.

2.

Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer sind von höchster Bedeutung und eng mit der Gesundheit der Patienten verbunden. Dies stärkt die Qualität der Pflege.

3.

Die Festlegung und Umsetzung von Regeln in Bezug auf Verletzungen durch scharfe/spitze medizinische Instrumente sollten das Ergebnis eines sozialen Dialogs sein.

4.

HOSPEEM (Europäische Arbeitgebervereinigung für Kliniken und Gesundheitswesen) und EGÖD (Europäischer Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienst), die anerkannten europäischen Sozialpartner im Krankenhaus- und Gesundheitssektor, haben Folgendes vereinbart:

Allgemeine Erwägungen

1.

Gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 138 und Artikel 139 Absatz 2 (1);

2.

gestützt auf die Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (2);

3.

gestützt auf die Richtlinie 89/655/EWG des Rates vom 30. November 1989 über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Benutzung von Arbeitsmitteln durch Arbeitnehmer bei der Arbeit (3);

4.

gestützt auf die Richtlinie 2000/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. September 2000 über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit (4);

5.

gestützt auf die Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2007-2012 (5);

6.

gestützt auf die Richtlinie 2002/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft (6);

7.

gestützt auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 6. Juli 2006 mit Empfehlungen zum Schutz der in Europa im Gesundheitsbereich tätigen Arbeitnehmer vor durch Blut übertragbaren Infektionen aufgrund von Nadelstichverletzungen (2006/2015(INI));

8.

gestützt auf die erste und zweite Phase der Konsultation der Europäischen Kommission zum Schutz der in der Europäischen Union im Gesundheitsbereich tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor durch Blut übertragbaren Infektionen nach Nadelstichverletzungen;

9.

gestützt auf die Ergebnisse des EGÖD/HOSPEEM-Fachseminars zu Nadelstichverletzungen am 7. Februar 2008;

10.

gestützt auf die Hierarchie der allgemeinen Grundsätze der Gefahrenverhütung gemäß Artikel 6 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates sowie auf die in den Artikeln 3, 5 und 6 der Richtlinie 2000/54/EG festgelegten Schutzmaßnahmen;

11.

gestützt auf die gemeinsamen ILO-/WHO-Leitlinien zum Gesundheitswesen und zu HIV/Aids sowie die gemeinsamen ILO-/WHO-Leitlinien zur Postexpositionsprophylaxe zur Vermeidung von HIV-Infektionen;

12.

unter vollständiger Berücksichtigung der geltenden nationalen Gesetzgebung und Tarifverträge;

13.

Es sind Maßnahmen zur Beurteilung der Häufigkeit von Unfällen mit scharfen/spitzen Instrumenten im Krankenhaus- und Gesundheitssektor erforderlich; jedoch ist bereits wissenschaftlich nachgewiesen, dass Schutzmaßnahmen eine beachtliche Verringerung von Unfällen und Infektionen bewirken können;

14.

Eine umfassende Risikobewertung ist eine Voraussetzung, um geeignete Maßnahmen zur Vermeidung von Verletzungen und Infektionen festzulegen;

15.

Die Arbeitgeber und die Arbeitnehmervertreter für Sicherheit und Gesundheitsschutz müssen zusammenarbeiten, um Arbeitnehmer vor Verletzungen und Infektionen durch scharfe/spitze medizinische Instrumente zu schützen und diesen vorzubeugen;

16.

Von Verletzungen durch scharfe/spitze Instrumente sind vornehmlich, aber nicht ausschließlich, Arbeitnehmer im Gesundheitssektor betroffen;

17.

Auszubildende und Studenten, die im Rahmen ihrer Ausbildung klinisch unterrichtet und unterwiesen werden, werden zwar nicht als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vereinbarung angesehen, sollten aber dennoch unter die in dieser Vereinbarung beschriebenen Präventions- und Schutzmaßnahmen fallen, wobei für die Haftung die einzelstaatliche Gesetzgebung und Praxis maßgeblich ist;

Paragraf 1:   Zweck

Zweck dieser Rahmenvereinbarung ist es,

eine möglichst sichere Arbeitsumgebung zu schaffen;

Verletzungen von Arbeitnehmern durch scharfe/spitze medizinische Instrumente (einschließlich Nadelstichverletzungen) zu vermeiden;

gefährdete Arbeitnehmer zu schützen;

einen integrierten Ansatz mit Regeln für Risikobewertung, Risikoprävention, Unterrichtung und Unterweisung, Information, Schaffung von Gefahrenbewusstsein und Überwachung zu entwickeln;

Verfahren für Reaktion und Folgemaßnahmen einzuführen.

Paragraf 2:   Anwendungsbereich

Diese Vereinbarung gilt für alle Arbeitnehmer im Krankenhaus- und Gesundheitssektor sowie alle Personen, die unter der Weisungsbefugnis und der Aufsicht der Arbeitgeber stehen. Die Arbeitgeber sollten Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Subunternehmer die in dieser Vereinbarung festgelegten Bestimmungen einhalten.

Paragraf 3:   Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Vereinbarung gelten folgende Definitionen:

1.

   „Arbeitnehmer“: alle Personen, die von einem Arbeitgeber beschäftigt werden und deren Tätigkeit unmittelbar auf den Krankenhaus- und Gesundheitssektor bezogen ist und die ihre Dienstleistungen in diesem Sektor erbringen, einschließlich Praktikanten und Auszubildenden. Diese Vereinbarung gilt auch für Arbeitnehmer, die bei einem Leiharbeitsunternehmen im Sinne der Richtlinie 91/383/EWG des Rates zur Ergänzung der Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmern mit befristetem Arbeitsverhältnis oder Leiharbeitsverhältnis (7) beschäftigt sind.

2.

   „Arbeitsplätze“: Gesundheitseinrichtungen/-dienste im öffentlichen und im privaten Sektor sowie in allen anderen Bereichen, in denen Gesundheitsdienstleistungen/-tätigkeiten unter der Weisungsbefugnis und der Aufsicht eines Arbeitgebers erbracht und durchgeführt werden.

3.

   „Arbeitgeber“: natürliche/juristische Personen/Organisationen, die Arbeitnehmer beschäftigen. Sie sind für die Verwaltung, Organisation und Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen/-tätigkeiten oder unmittelbar damit verbundenen Dienstleistungen/Tätigkeiten durch Arbeitnehmer verantwortlich.

4.

   „Scharfe/spitze Instrumente“: zur Durchführung bestimmter medizinischer Tätigkeiten benötigte Gegenstände oder Instrumente, die schneiden, stechen und Verletzungen und/oder Infektionen verursachen können. Scharfe/spitze Instrumente gelten als Arbeitsmittel im Sinne der Richtlinie 89/655/EWG über die Benutzung von Arbeitsmitteln.

5.

   „Rangfolge der Maßnahmen“: sie ergibt sich aus der Geeignetheit der Maßnahmen zur Vermeidung, Verhinderung und Verringerung von Gefahren gemäß Artikel 6 der Richtlinie 89/391/EWG und den Artikeln 3, 5 und 6 der Richtlinie 2000/54/EG.

6.

   „Spezifische Schutzmaßnahmen“: sind Maßnahmen zur Vermeidung von Verletzungen und/oder Infektionsübertragungen bei der Erbringung von unmittelbar mit dem Krankenhaus- und Gesundheitssektor verbundenen Dienstleistungen und Tätigkeiten; dazu zählen die Verwendung der benötigten Arbeitsmittel, die nach der Risikobewertung die sichersten sind, sowie sichere Methoden für die Entsorgung scharfer/spitzer medizinischer Instrumente.

7.

   „Arbeitnehmervertreter“: jede Person, die gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Praktiken zur Vertretung der Arbeitnehmer gewählt, ausgewählt oder benannt wurde.

8.

   „Arbeitnehmervertreter für Sicherheit und Gesundheitsschutz“: nach der Definition in Artikel 3 Buchstabe c der Richtlinie 89/391/EWG jede Person, die gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Praktiken gewählt, ausgewählt oder benannt wurde, um die Arbeitnehmer in Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit zu vertreten.

9.

   „Subunternehmer“: jede Person, die im Rahmen vertraglicher Arbeitsbeziehungen zum Arbeitgeber direkt mit dem Krankenhaus- und Gesundheitssektor verbundene Dienstleistungen und Tätigkeiten erbringt bzw. durchführt.

Paragraf 4:   Grundsätze

1.

Um der Gefahr von Verletzungen und Infektionen durch scharfe/spitze medizinische Instrumente vorzubeugen, ist gut geschultes, angemessen ausgestattetes und geschütztes Personal im Gesundheitssektor unabdingbar. Die wichtigste Strategie zur Verhinderung beruflich bedingter Verletzungen und Infektionen bzw. zur Minimierung des Risikos ist die Vermeidung von Expositionen.

2.

Den Arbeitnehmervertretern für Sicherheit und Gesundheitsschutz kommt bei der Risikoprävention und dem Schutz gegenüber Risiken eine zentrale Rolle zu.

3.

Der Arbeitgeber hat die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer in allen mit der Arbeit zusammenhängenden Aspekten einschließlich psychosozialer Faktoren und der Arbeitsorganisation sicherzustellen.

4.

Soweit möglich übernimmt jeder Arbeitnehmer entsprechend der Unterrichtung und Unterweisung durch den Arbeitgeber und dessen Anweisungen Verantwortung für seine eigene Sicherheit und Gesundheit und für die Sicherheit und die Gesundheit anderer Personen, die von seinen Handlungen am Arbeitsplatz betroffen sind.

5.

Der Arbeitgeber sorgt für eine Arbeitsumgebung, in der sich die Arbeitnehmer und ihre Vertreter an der Entwicklung von Regeln und Methoden für Gesundheit und Sicherheit beteiligen.

6.

Die in den Paragrafen 5 bis 10 dieser Vereinbarung genannten spezifischen Schutzmaßnahmen beruhen auf dem Grundsatz, niemals davon auszugehen, dass kein Risiko besteht. Es gilt die Hierarchie der allgemeinen Grundsätze der Gefahrenverhütung gemäß Artikel 6 der Richtlinie 89/391/EWG und gemäß den Artikeln 3, 5 und 6 der Richtlinie 2000/54/EG.

7.

Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter arbeiten auf geeigneter Ebene zusammen, um Gefahren zu vermeiden bzw. auszuschließen, die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer zu schützen und eine sichere Arbeitsumgebung zu schaffen; dazu gehören auch eine Beteiligung hinsichtlich der Auswahl und Verwendung sicherer Arbeitsmittel, der Ermittlung der besten Vorgehensweisen bei der Unterrichtung und Unterweisung sowie hinsichtlich der Information und der Schaffung eines Gefahrenbewusstseins.

8.

Die Maßnahmen sind im Rahmen eines Verfahrens zur Anhörung und Beteiligung gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Tarifverträgen zu ergreifen.

9.

Die Maßnahmen zur Schaffung eines Gefahrenbewusstseins sind nur dann wirksam, wenn sowohl die Arbeitgeber als auch die Arbeitnehmer und ihre Vertreter in die Pflicht genommen werden.

10.

An Arbeitsplätzen kann die größtmögliche Sicherheit nur durch eine Kombination von Planung, Gefahrenbewusstsein, Information, Unterrichtung und Unterweisung sowie Schutzmaßnahmen und Überwachung erreicht werden.

11.

Gefördert wird eine Kultur der Vermeidung von Schuldzuweisungen. Das Verfahren zur Meldung von relevanten Zwischenfällen sollte nicht auf individuelle Fehler, sondern auf systemische Faktoren ausgerichtet sein. Die systematische Meldung ist als akzeptiertes Verfahren anzusehen.

Paragraf 5:   Risikobewertung

1.

Die Verfahren zur Risikobewertung werden nach Maßgabe der Artikel 3 und 6 der Richtlinie 2000/54/EG sowie der Artikel 6 und 9 der Richtlinie 89/391/EWG durchgeführt.

2.

Die Risikobewertung beinhaltet die Ermittlung der Exposition; dabei ist die Wichtigkeit einer gut ausgestatteten und organisierten Arbeitsumgebung anzuerkennen; sie hat alle Situationen zu erfassen, in denen Verletzungen, Blut oder andere potenziell infektiöse Stoffe vorkommen.

3.

Bei der Risikobewertung werden Technologie, Arbeitsorganisation, Arbeitsbedingungen, Qualifikationsniveau, arbeitsbezogene psychosoziale Faktoren sowie der Einfluss von Faktoren der Arbeitsumgebung berücksichtigt. Auf diese Weise wird festgestellt,

wie Expositionen vermieden werden könnten;

welche alternativen Systeme in Frage kommen.

Paragraf 6:   Maßnahmen zur Vermeidung und Schutzmaßnahmen

1.

Ergibt sich aus der Risikobewertung ein Risiko der Verletzung und/oder Infektion durch scharfe/spitze Instrumente, so sind zur Verhinderung der Exposition der Arbeitnehmer die nachstehenden Maßnahmen, nicht notwendigerweise in der angegebenen Reihenfolge, zu treffen:

Festlegung und Umsetzung sicherer Verfahren für den Umgang mit scharfen/spitzen medizinischen Instrumenten und kontaminierten Abfällen und für deren Entsorgung. Diese Verfahren werden regelmäßig neu bewertet und sind integraler Bestandteil der Maßnahmen zur Information, Unterrichtung und Unterweisung der Arbeitnehmer gemäß Paragraf 8;

Vermeidung unnötiger Verwendungen scharfer/spitzer Instrumente durch Änderung der Verfahren auf der Grundlage der Ergebnisse der Risikobewertung sowie Bereitstellung medizinischer Instrumente mit integrierten Sicherheits- und Schutzmechanismen;

das Wiederaufsetzen der Schutzkappe auf die gebrauchte Nadel wird mit sofortiger Wirkung verboten.

2.

Unter Berücksichtigung der Tätigkeit und der Risikobewertung ist das Expositionsrisiko auf ein so niedriges Niveau zu verringern, dass Sicherheit und Gesundheit der betroffenen Arbeitnehmer angemessen geschützt sind. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Risikobewertung sind die folgenden Maßnahmen zu treffen:

Einführung sachgerechter Entsorgungsverfahren sowie deutlich gekennzeichneter und technisch sicherer Behälter für die Entsorgung scharfer/spitzer medizinischer Instrumente und Injektionsgeräte; die Behälter sind so nah wie möglich an den von der Bewertung erfassten Bereichen, in denen scharfe/spitze medizinische Instrumente verwendet oder vorgefunden werden können, aufzustellen;

Prävention von Infektionsgefahren durch Einführung sicherer Arbeitsregelungen mittels

a)

Entwicklung eines kohärenten umfassenden Präventionskonzepts, das Technologie, Arbeitsorganisation, Arbeitsbedingungen, arbeitsbezogene psychosoziale Faktoren sowie den Einfluss von Faktoren der Arbeitsumgebung umfasst;

b)

Unterrichtung und Unterweisung;

c)

Anwendung von Gesundheitsüberwachungsverfahren gemäß Artikel 14 der Richtlinie 2000/54/EG;

Verwendung persönlicher Schutzausrüstung.

3.

Ergibt die in Paragraf 5 vorgesehene Risikobewertung, dass die Gesundheit und die Sicherheit von Arbeitnehmern durch eine Exposition gegenüber biologischen Arbeitsstoffen gefährdet sind, für die es wirksame Impfstoffe gibt, so wird den Arbeitnehmern eine Impfung angeboten.

4.

Die Impfung und die gegebenenfalls erforderlichen Auffrischungsimpfungen sowie die Bestimmung der Art des Impfstoffs erfolgen nach Maßgabe der einzelstaatlichen Vorschriften und/oder Verfahren.

Die Arbeitnehmer werden über die Vor- und Nachteile der Impfung wie auch des Unterlassens der Impfung in Kenntnis gesetzt;

die Impfung ist allen Arbeitnehmern sowie Auszubildenden und Studenten, die am Arbeitsplatz Gesundheitsdienstleistungen und damit verbundene Tätigkeiten erbringen, kostenlos anzubieten.

Paragraf 7:   Information und Schaffung eines Gefahrenbewusstseins

Da scharfe/spitze medizinische Instrumente als Arbeitsmittel im Sinne der Richtlinie 89/655/EWG (8) gelten, treffen die Arbeitgeber zusätzlich zu der in Artikel 6 der Richtlinie 89/655/EWG vorgesehenen Unterrichtung der Arbeitnehmer und Bereitstellung von schriftlichen Anweisungen die nachstehenden geeigneten Maßnahmen:

Hinweis auf die verschiedenen Risiken;

Informationen zu den geltenden Rechtsvorschriften;

Förderung bewährter Verfahren für die Prävention und die Meldung von Zwischenfällen bzw. Unfällen;

Sensibilisierung durch Ausarbeitung von Maßnahmen und Informationsmaterial in Zusammenarbeit mit repräsentativen Gewerkschaften und/oder Arbeitnehmervertretern;

Bereitstellung von Informationen über vorhandene Unterstützungsprogramme.

Paragraf 8:   Unterrichtung und Unterweisung

Zusätzlich zu den in Artikel 9 der Richtlinie 2000/54/EG vorgesehenen Maßnahmen wird eine geeignete Unterrichtung und Unterweisung über die Regeln und Verfahren in Bezug auf Verletzungen durch scharfe/spitze Gegenstände angeboten, die u. a. folgende Themen abdecken:

richtige Verwendung scharfer/spitzer medizinischer Instrumente mit integrierten Schutzmechanismen;

Einarbeitung aller neuen Mitarbeiter und Zeitkräfte;

Risiken im Zusammenhang mit der Exposition gegenüber Blut und Körperflüssigkeiten;

Schutzmaßnahmen unter Berücksichtigung der am Arbeitsplatz üblichen Vorgehensweisen, einschließlich grundlegender Schutzmaßnahmen, sicherer Arbeitsverfahren, korrekter Verwendungs- und Entsorgungsverfahren sowie Bedeutung der Schutzimpfung;

Verfahren für Meldung, Reaktion und Überwachung und ihre Bedeutung;

im Verletzungsfall zu treffende Maßnahmen.

Die Arbeitgeber sind verpflichtet, eine für die Arbeitnehmer obligatorische Unterrichtung und Unterweisung zu organisieren und anzubieten. Der Arbeitgeber hat die Arbeitnehmer für die Teilnahme an dieser obligatorischen Unterrichtung und Unterweisung freizustellen. Eine solche Unterrichtung und Unterweisung, bei der die Ergebnisse von Überwachungs-, Modernisierungs- und Verbesserungsprozessen zu berücksichtigen sind, wird regelmäßig angeboten.

Paragraf 9:   Meldeverfahren

1.

Die geltenden Meldeverfahren werden in Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretern für Sicherheit und Gesundheitsschutz und/oder den geeigneten Arbeitgeber-/Arbeitnehmervertretern überarbeitet. Die Meldemechanismen sollten lokale, nationale und europaweite Regelungen einschließen.

2.

Die Arbeitnehmer melden Unfälle oder Zwischenfälle mit scharfen/spitzen Instrumenten umgehend dem Arbeitgeber und/oder der verantwortlichen Person und/oder der für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz zuständigen Person.

Paragraf 10:   Reaktion und Folgemaßnahmen

Für den Fall einer Verletzung mit scharfen oder spitzen Gegenständen sind geeignete Regeln und Verfahren vorgesehen. Alle Arbeitnehmer sind auf diese Regeln und Verfahren hinzuweisen. Diese sollten mit den europäischen, nationalen bzw. regionalen Vorschriften und Tarifverträgen im Einklang stehen.

Insbesondere werden folgende Maßnahmen getroffen:

Der Arbeitgeber unternimmt unverzüglich die erforderlichen Schritte zur Versorgung des verletzten Arbeitnehmers, einschließlich Postexpositionsprophylaxe und notwendiger medizinischer Untersuchungen, wenn dies aus medizinischen Gründen angezeigt ist, und sorgt für eine angemessene Gesundheitsüberwachung gemäß Paragraf 6 Absatz 2 Buchstabe c;

der Arbeitgeber untersucht die Ursachen und Umstände, protokolliert den Unfall bzw. Zwischenfall und ergreift die gegebenenfalls erforderlichen Maßnahmen. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, in einem angemessenen Zeitraum Informationen über den Unfall bzw. Zwischenfall mitzuteilen, damit alle Einzelheiten erfasst werden können;

im Falle einer Verletzung prüft der Arbeitgeber, inwieweit die nachstehenden Schritte, die gegebenenfalls eine Beratung und eine angemessene, garantierte medizinische Behandlung einschließen, in Betracht kommen: Rehabilitationsmaßnahmen, Weiterbeschäftigung und Gewährung von Ausgleichszahlungen im Einklang mit den geltenden nationalen und/oder sektoralen Tarifverträgen oder Vorschriften.

Hinsichtlich der Verletzung, der Diagnose und der Behandlung ist absolute Vertraulichkeit zu wahren.

Paragraf 11:   Umsetzungsbestimmungen

Bestehende und künftige nationale und gemeinschaftliche (9) Bestimmungen, die einen besseren Schutz der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit Verletzungen durch scharfe/spitze medizinische Instrumente vorsehen, bleiben von der vorliegenden Vereinbarung unberührt.

Die Unterzeichnerparteien ersuchen die Kommission, dem Rat diese Vereinbarung zur Beschlussfassung vorzulegen, damit ihre Bestimmungen für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verbindlich werden.

Erlangt diese Vereinbarung durch einen Beschluss des Rates Wirksamkeit, kann ihre Auslegung auf europäischer Ebene unbeschadet der Aufgaben der Kommission, der einzelstaatlichen Gerichte und des Europäischen Gerichtshofs von der Kommission an die Unterzeichnerparteien zurückverwiesen werden, die eine Stellungnahme abgeben.

Fünf Jahre nach dem Beschluss des Rates überprüfen die Unterzeichnerparteien die Anwendung dieser Vereinbarung, wenn eine der Parteien dies beantragt.

Brüssel, den 17. Juli 2009

Im Namen von EGÖD

Karen JENNINGS

Im Namen von HOSPEEM

Godfrey PERERA


(1)  Neue Nummerierung: Artikel 154 und Artikel 155 Absatz 2 AEUV.

(2)  ABl. L 183 vom 29.6.1989, S. 1.

(3)  ABl. L 393 vom 30.12.1990, S. 13. Die Richtlinie wurde anschließend mit der Richtlinie 2009/104/EG (ABl. L 260 vom 3.10.2009, S. 5-19) kodifiziert.

(4)  ABl. L 262 vom 17.10.2000, S. 21.

(5)  KOM(2007) 62 endg. vom 21.2.2007.

(6)  ABl. L 80 vom 23.3.2002, S. 29-34.

(7)  ABl. L 206 vom 29.7.1991, S. 19.

(8)  Die Richtlinie wurde später mit der Richtlinie 2009/104/EG kodifiziert.

(9)  An die Stelle der „Gemeinschaft“ ist seit dem 1. Dezember 2009 die „Union“ getreten.