20.7.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 186/44


BESCHLUSS DER KOMMISSION

vom 14. Juli 2010

zur Freistellung der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels in Italiens Makrozone Nord und des Stromeinzelhandels für Endkunden mit Mittel-, Hoch- und Höchstspannungsnetzanschluss in Italien von der Anwendung der Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2010) 4740)

(Nur der italienische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2010/403/EU)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (1), insbesondere auf Artikel 30 Absätze 5 und 6,

gestützt auf den per E-Mail vom 15. Februar 2010 vorgelegten Antrag der Compagnia Valdostana delle Acque S.p.A. — Compagnie Valdôtaine des eaux S.p.A. (im Folgenden „CVA“ genannt),

nach Anhörung des Beratenden Ausschusses für öffentliche Aufträge,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I.   SACHLAGE

(1)

Am 15. Februar 2010 übermittelte CVA der Kommission per E-Mail einen Antrag gemäß Artikel 30 Absatz 5 der Richtlinie 2004/17/EG. Mit ihren E-Mails vom 15. April 2010 ersuchte die Kommission die italienischen Behörden wie auch CVA um weitere Informationen. Solche zusätzlichen Informationen wurden von den italienischen Behörden per E-Mail am 10. Mai 2010 und am 20. Mai 2010 übermittelt sowie nach einer Verlängerung der ursprünglichen Frist von CVA am 7. Mai 2010.

(2)

Der von CVA, einem öffentlichen Unternehmen im Sinne der Richtlinie 2004/17/EG, eingereichte Antrag betrifft die folgenden Tätigkeiten:

a)

Stromerzeugung und Stromgroßhandel im gesamten Hoheitsgebiet der Italienischen Republik;

b)

alternativ Stromerzeugung und Stromgroßhandel im Gebiet der Nördlichen geografischen Zone (im Folgenden „Makrozone Nord“ (2)) und

c)

Verkauf von Strom im Einzelhandel an Endkunden auf dem freien Strommarkt im gesamten Hoheitsgebiet der Italienischen Republik.

II.   RECHTLICHER RAHMEN

(3)

Nach Maßgabe von Artikel 30 der Richtlinie 2004/17/EG fallen Aufträge, die die Ausübung einer der Tätigkeiten, auf die die Richtlinie Anwendung findet, ermöglichen sollen, nicht unter die Richtlinie, wenn die Tätigkeit in dem Mitgliedstaat, in dem sie ausgeübt wird, auf Märkten mit freiem Zugang unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzt ist. Ob eine Tätigkeit unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzt ist, wird anhand objektiver Kriterien unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale des betreffenden Sektors ermittelt. Der Zugang zu einem Markt gilt als frei, wenn der Mitgliedstaat die einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften zur Öffnung eines Sektors oder Teilsektors umgesetzt hat und anwendet. Diese Rechtsvorschriften sind in Anhang XI der Richtlinie 2004/17/EG aufgeführt und beziehen sich für den Stromsektor auf die Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt (3). Die Richtlinie 96/92/EG wurde ersetzt durch die Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG (4).

(4)

Italien hat sowohl die Richtlinie 96/92/EG als auch die Richtlinie 2003/54/EG umgesetzt und wendet sie an; dabei hat sich das Land für die rechtliche und funktionelle Entflechtung bei den Übertragungs- und Verteilungsnetzen entschieden, mit Ausnahme der kleinsten Unternehmen, die von der funktionellen Entflechtung freigestellt sind. Daher sollte in Anlehnung an Artikel 30 Absatz 3 Unterabsatz 1 der Zugang zum Markt im gesamten Hoheitsgebiet der Italienischen Republik als nicht eingeschränkt gelten.

(5)

Ob eine Tätigkeit unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzt ist, sollte anhand verschiedener Indikatoren beurteilt werden, von denen keiner für sich genommen den Ausschlag gibt. Hinsichtlich der Märkte, die dieser Beschluss betrifft, ist der Marktanteil der Hauptakteure auf einem bestimmten Markt ein Kriterium, das berücksichtigt werden sollte. Ein weiteres Kriterium ist der Konzentrationsgrad auf diesen Märkten. Angesichts der Merkmale der betrachteten Märkte sollten zusätzliche Kriterien berücksichtigt werden, z. B. das Funktionieren des Ausgleichsmarktes, der Preiswettbewerb und das Ausmaß, in dem Kunden den Versorger wechseln.

(6)

Dieser Beschluss lässt die Anwendung der Wettbewerbsvorschriften unberührt.

III.   BEWERTUNG

(7)

Im Sinne früherer Kommissionsentscheidungen (5) könnten im Stromsektor die folgenden einschlägigen Produktmärkte unterschieden werden: i) Erzeugung und Großhandel; ii) Übertragung; iii) Verteilung und iv) Einzelhandel. Deshalb sollte der Antrag von CVA getrennt hinsichtlich der Erzeugung und des Großhandels auf der einen Seite und hinsichtlich des Einzelhandels auf der anderen Seite analysiert werden.

(8)

Wie in Erwägungsgrund 2 erläutert, betrifft der Antrag von CVA die Stromerzeugung und den Stromgroßhandel im gesamten Hoheitsgebiet der Italienischen Republik oder alternativ in der Makrozone Nord.

(9)

Nach den vorliegenden Informationen (6) sollte das Hoheitsgebiet Italiens aufgrund von Engpässen auf den Verbindungsleitungen zwischen verschiedenen Zonen, deren Preise nahezu vollständig übereinstimmen, als ein Gebiet angesehen werden, das sich hinsichtlich der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels aus vier regionalen geografischen Märkten zusammensetzt: Makrozone Nord, Makrozone Mitte-Süden (7), Makrozone Sizilien (8) und Sardinien. Die italienischen Behörden haben bestätigt, dass die Abgrenzung der Makrozone Nord als ein relevanter Markt gültig bleibt; da derzeit allerdings Änderungen anstehen, ist die Abgrenzung der verbleibenden Makrozonen zurzeit nicht eindeutig und bis zum Abschluss umfassender Untersuchungen ist eine endgültige Beurteilung des Wettbewerbs auf diesen geografischen Märkten momentan nicht möglich. Aufgrund dieser Erwägungen und in Anbetracht dessen, dass sich die Kraftwerke von CVA nebenbei bemerkt alle in der Makrozone Nord befinden, wird sich der vorliegende Beschluss für die Zwecke der Prüfung der Bedingungen des Artikels 30 Absatz 1 der Richtlinie 2004/17/EG auf eine Untersuchung der Wettbewerbssituation innerhalb des Gebiets der Makrozone Nord hinsichtlich der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels beschränken. Obschon die Makrozone Nord für sich genommen einen relevanten Markt darstellt, kann sie aber nicht als völlig isoliert von den umgebenden Ländern und anderen Regionen gesehen werden.

(10)

Ausgehend von ihrer ständigen Praxis (9) bei Entscheidungen gemäß Artikel 30 kam die Kommission im Hinblick auf die Stromerzeugung zu dem Schluss: „Ein Indikator für den Grad des Wettbewerbs auf den nationalen Märkten ist der Gesamtmarktanteil der drei größten Erzeuger.“ Den Angaben der italienischen Behörden für 2009 zufolge beläuft sich der Anteil der drei größten Erzeuger in der Makrozone Nord auf 49,7 %. Dieser Konzentrationsgrad für den Gesamtmarktanteil der drei größten Erzeuger liegt unter den 52,2 %, die in der Entscheidung 2008/585/EG für Österreich genannt wurden, sowie unter den 58 % der Bruttoerzeugung, auf die in der Entscheidung 2008/741/EG im Falle Polens verwiesen wird, und er ist viel niedriger als die entsprechenden Werte in den Entscheidungen 2006/422/EG und 2007/706/EG für Finnland (73,6 %) bzw. Schweden (86,7 %). Er liegt jedoch über dem Konzentrationsgrad von 39 %, der in den Entscheidungen 2006/211/EG und 2007/141/EG für das Vereinigte Königreich genannt wird. Dennoch ist dieser Grad niedrig genug und könnte daher als Indiz dafür angesehen werden, dass die Stromerzeugung und der Stromgroßhandel in der Makrozone Nord in einem gewissem Maß unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzt sind.

(11)

Darüber hinaus importiert Italien Strom in erheblichem Umfang: 2008 in einer Größenordnung von über 42 997 GWh. Italien ist ein Nettoimporteur; der eingeführte Strom macht ungefähr 13,43 % des Gesamtbedarfs (10) des Landes aus. Wie die italienischen Behörden bestätigten (11), haben die Importe eine wettbewerbsfördernde Wirkung, insbesondere in der Makrozone Nord. Auch wenn diese Wirkung von den technischen Grenzen der Verbindungsleitungen mit anderen Ländern abhängig ist, dürfte sich die Situation angesichts der geltenden neuen Rechtsvorschriften (12) weiter verbessern. Elektrizitätsimporte von außerhalb des italienischen Hoheitsgebiets legen den führenden Erzeugern in der Makrozone Nord in einem gewissem Maße Beschränkungen bei der Festsetzung ihrer Preise auf. Diese Faktoren sollten daher als Indiz dafür angesehen werden, dass die Stromerzeugung und der Stromgroßhandel in der Makrozone Nord in einem gewissem Maß unmittelbar dem Wettbewerb mit anderen EU-Mitgliedstaaten ausgesetzt sind.

(12)

In der Mitteilung der Kommission vom 11. März 2010 — „Bericht über die Fortschritte bei der Verwirklichung des Erdgas- und Elektrizitätsbinnenmarktes“ (13) wurde herausgestellt, dass die drei größten Erzeuger in 14 Mitgliedstaaten immer noch mehr als 75 % der Erzeugungskapazität kontrollieren. Allerdings reiht der Bericht den italienischen Elektrizitätsmarkt in die Kategorie der „mäßig konzentrierten“ Märkte ein (14), während der Herfindahl-Hirchman Index (HHI) niedrigere Werte im Vergleich zu den anderen Kategorien aufzuweisen hat. Da sich der Wettbewerbsdruck in der Makrozone Nord sogar noch stärker bemerkbar macht als in den restlichen Zonen, kann der Konzentrationsgrad als Indiz dafür angesehen werden, dass die Stromerzeugung und der Stromgroßhandel in der Makrozone unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzt sind.

(13)

Ferner sollte das Funktionieren des Ausgleichsmechanismus ebenfalls als Kriterium herangezogen werden, auch wenn dieser nur einen kleinen Teil der in einem Mitgliedstaat erzeugten und/oder verbrauchten Elektrizitätsmenge erfasst. Den vorliegenden Informationen zufolge funktioniert der Ausgleichsmechanismus — insbesondere die marktbasierte Preisbildung und der gut entwickelte „intra-day“-Markt — so, dass er einen unmittelbaren Wettbewerb im Bereich der Stromerzeugung nicht behindert.

(14)

Was den Einzelhandel angeht, könnte eine weitere Unterscheidung des relevanten Produktmarkts angestellt werden, und zwar zwischen (A) dem Einzelhandel für Industriekunden mit Mittel-, Hoch- und Höchstspannungsnetzanschluss und (B) dem Einzelhandel für kleinere Industrie-, Gewerbe- und Privatkunden mit Niederspannungsnetzanschluss. Diese Märkte sind getrennt zu untersuchen.

(15)

Von den italienischen Behörden wurde bestätigt, dass der Markt für den Stromeinzelhandel für Kunden mit Mittel-, Hoch- und Höchstspannungsnetzanschluss von der Ausdehnung her national ist.

(16)

Gemäß den verfügbaren Informationen (15) betragen die aggregierten Marktanteile der drei größten Einzelhändler 43,89 %, was einen zufrieden stellend niedrigen Wert darstellt (16) und als Indiz zu werten ist, dass der Einzelhandel unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzt ist.

(17)

Angesichts der Merkmale des hier betrachteten Produkts (Elektrizität) und der Knappheit bzw. des Fehlens geeigneter Ersatzprodukte oder Dienstleistungen, kommt bei der Beurteilung der Wettbewerbssituation auf den Strommärkten dem Preiswettbewerb und der Preisbildung größere Bedeutung zu. Die Anzahl der Kunden, die den Versorger wechseln, kann deshalb ein Indikator für einen echten Preiswettbewerb sein und ist daher indirekt „ein natürlicher Indikator für die Wirksamkeit des Wettbewerbs. Wechseln wenige Kunden den Versorger, dürfte ein Problem mit dem Funktionieren des Marktes vorliegen, auch wenn die Vorteile, die mit der Möglichkeit verbunden sind, mit dem etablierten Versorger neu zu verhandeln, nicht außer Acht gelassen werden sollten“ (17).

(18)

Nach den jüngsten vorliegenden Informationen (18) beträgt in Italien die Versorgerwechselrate 2008 zu möglichen Kündigungsterminen bei großen Industriekunden 32,50 % und bei mittleren Industriekunden 32,80 %. Obschon sie niedriger ist als z. B. in Österreich, wo sich die Versorgerwechselrate bei großen und sehr großen Industriekunden auf 41,5 % belief (19), ist die Quote in Italien immer noch erheblich, da sie beinahe ein Drittel der großen und mittleren Industriekunden betrifft. Zudem gibt es auf dem Einzelhandelsmarkt für Endkunden, die an das Mittel-, Hoch- und Höchstspannungsnetz angeschlossen sind, keine regulierten Preise. Somit ist die Situation in Italien im Hinblick auf Versorgerwechsel und Kontrolle der Endnutzerpreise als zufrieden stellend zu betrachten und sollte daher als Indikator für einen unmittelbar wirksamen Wettbewerb gewertet werden.

(19)

Was den relevanten geografischen Markt angeht, so wird von jeher davon ausgegangen, dass dessen Ausdehnung national ist. In ihrem Antrag betrachtet CVA den nationalen Markt als relevanten Markt für den Stromeinzelhandel.

(20)

Geht man davon aus, dass der geografische Markt von der Ausdehnung her national ist, und legt man die derzeit verfügbaren Informationen (20) zugrunde, scheint der Grad der Marktkonzentration für den Stromeinzelhandel auf dem italienischen Markt sehr hoch zu sein. Die kumulierten Marktanteile der drei größten Einzelhändler für Kunden mit Niederspannungsnetzanschluss liegen bei 79,44 %, wobei das größte Unternehmen für sich alleine einen Anteil von 71,11 % verbuchen kann. In diesem Zusammenhang ist auch an die ständige Rechtsprechung (21) zu erinnern, nach der „besonders hohe Anteile — von außergewöhnlichen Umständen abgesehen — ohne weiteres den Beweis für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung liefern. Dies ist der Fall bei einem Marktanteil von 50 %.“

(21)

Darüber hinaus ist der Einzelhandelsmarkt in Italien in drei Unterkategorien unterteilt, von denen die beiden ersten regulierten Preisen unterliegen:

a)

ein Dienst mit erweitertem Schutz für Privatkunden und kleine Unternehmen (mit weniger als 50 Beschäftigten und einem Umsatz von höchstens 10 Mio. EUR), die an das Niederspannungsnetz angeschlossen sind und die keinen Vertrag für Einkäufe auf dem freien Markt unterzeichnet haben. Das Erbringen dieses Dienstes ist dem Unternehmen Acquirente Unico SpA (im Folgenden „einziger Käufer“) vorbehalten;

b)

ein gesicherter Dienst für alle Kunden, die nicht für den Dienst mit erweitertem Schutz in Frage kommen und keinen Vertrag für Einkäufe auf dem freien Markt haben. Dieser Dienst wird von Anbietern erbracht, die der einzige Käufer mit einer Ausschreibung auswählt, und

c)

der freie Markt, d. h. der verbleibende Teil des Einzelhandelsmarktes.

(22)

Diese Märkte sollten aber nicht als unabhängige, relevante Märkte für den Zweck dieses Beschlusses angesehen werden, da die Kunden von einer Unterkategorie in eine andere wechseln können und die Preise in allen Unterkategorien marktbasiert sind (22). Allerdings macht dem AEEG-Jahresbericht 2009 zufolge der sogenannte „gebundene Markt“, der den „Dienst mit erweitertem Schutz“ und den „gesicherten Dienst“ umfasst, etwa 36 % des gesamten Einzelhandelsmarktes aus. Außerdem ist — laut demselben Bericht — beim Dienst mit erweitertem Schutz ein spezieller Versorger, der auch auf dem freien Markt tätig ist, besonders stark vertreten (84,3 %). Nach Angaben der italienischen Behörden werden die Kosten für einen Versorgerwechsel von den Kunden als hoch empfunden und die Vorteile als gering angesehen. Dies macht es — kombiniert mit niedrigen Preisen im Rahmen des Dienstes mit erweitertem Schutz — für neue Betreiber sehr schwierig, eine ausreichende Kundenbasis innerhalb dieser Unterkategorie zu erhalten. Im Wesentlichen führt dies zu einem Wettbewerbsvorteil für Betreiber im Rahmen des Dienstes mit erweitertem Schutz, die auch auf dem freien Markt tätig sind, da Kunden, die von einem Dienst mit erweitertem Schutz zum freien Markt wechseln wollen oder umgekehrt, dies häufig tun, ohne den Versorger zu wechseln.

(23)

Jedoch kann den Angaben der einschlägigen italienischen Behörden zufolge (23) für die Zwecke des vorliegenden Beschlusses der Schluss gezogen werden, dass der geografische Markt für den Stromeinzelhandel in Italien von der Ausdehnung her nicht national ist, wie dies herkömmlicherweise angenommen wird und auch vom Antragsteller vorausgesetzt wird, sondern lokal, wobei ein Gebiet häufig nicht über die kommunale Ebene hinausgeht.

(24)

Da es keine Informationen über den Grad an Wettbewerb in jedem der so definierten lokalen Märkte für den Stromeinzelhandel für Endkunden mit Niederspannungsnetzanschluss gibt, ist es unter Berücksichtigung der oben genannten Zweifel hinsichtlich des Grads an Wettbewerb auf dem Einzelhandelsmarkt für Kunden mit Niederspannungsnetzanschluss, der allgemein als national betrachtet wird (siehe Erwägungsgründe 19 und 22), nicht möglich, den Schluss zu ziehen, dass die Bedingungen für eine Freistellung nach Artikel 30 Absatz 1 der Richtlinie 2004/17/EG für den Stromeinzelhandel für Endkunden mit Niederspannungsnetzanschluss in Italien erfüllt sind.

(25)

Deshalb kommt die Richtlinie 2004/17/EG weiterhin zur Anwendung, wenn Auftraggeber Aufträge vergeben, die den Stromeinzelhandel für Endkunden mit Niederspannungsnetzanschluss in Italien ermöglichen sollen, oder wenn sie Wettbewerbe für die dortige Ausübung dieser Tätigkeit durchführen.

IV.   SCHLUSSFOLGERUNGEN

(26)

Die Lage hinsichtlich der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels in der Makrozone Nord lässt sich daher wie folgt zusammenfassen: Die aggregierten Marktanteile der drei größten Erzeuger sind ziemlich gering, und die große Menge an importierter Elektrizität hat eine wettbewerbsfördernde Wirkung in dieser Zone. Wie in Erwägungsgrund 13 ausgeführt wurde, ist das Funktionieren des Ausgleichsmechanismus kein Hindernis dafür, dass der Stromerzeugungsmarkt unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzt ist. Daher können alle oben genannten Faktoren als Indikatoren für einen unmittelbar wirksamen Wettbewerb gewertet werden.

(27)

Angesichts der in den Erwägungsgründen 8 bis 13 untersuchten Faktoren sollte davon ausgegangen werden, dass die in Artikel 30 Absatz 1 der Richtlinie 2004/17/EG festgelegte Bedingung, dass eine Tätigkeit unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzt ist, in der Makrozone Nord für die Stromerzeugung und den Stromgroßhandel erfüllt ist.

(28)

Ferner sollte, da die Bedingung des freien Zugangs zum Markt als erfüllt gilt, die Richtlinie 2004/17/EG weder gelten, wenn Auftraggeber Aufträge vergeben, die die Stromerzeugung und den Stromgroßhandel in der Makrozone Nord ermöglichen sollen, noch wenn Wettbewerbe für die Ausübung einer solchen Tätigkeit in diesem geografischen Bereich durchgeführt werden.

(29)

Was den Stromeinzelhandel für Endkunden mit Mittel-, Hoch- und Höchstspannungsnetzanschluss in Italien angeht, so kann die Lage wie folgt zusammengefasst werden: die aggregierten Marktanteile der drei größten Einzelhandelsunternehmen sind gering, die Versorgerwechselrate zum Kündigungszeitpunkt ist zufrieden stellend und es gibt keine Kontrolle der Endnutzerpreise. Diese Schlussfolgerungen stimmen auch mit der Stellungnahme der relevanten italienischen Behörden überein, wonach dieser Markt seit mehreren Jahren dem Wettbewerb ausgesetzt und der daraus resultierende Grad an Wettbewerb zufrieden stellend ist.

(30)

Angesichts der in den Erwägungsgründen 15 bis 18 untersuchten Faktoren sollte davon ausgegangen werden, dass die in Artikel 30 Absatz 1 der Richtlinie 2004/17/EG festgelegte Bedingung, dass eine Tätigkeit unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzt ist, für den Stromeinzelhandel für Endkunden mit Mittel-, Hoch- und Höchstspannungsnetzanschluss im gesamten Hoheitsgebiet der Italienischen Republik erfüllt ist.

(31)

Ferner sollte, da die Bedingung des freien Zugangs zum Markt als erfüllt gilt, die Richtlinie 2004/17/EG weder gelten, wenn Auftraggeber Aufträge vergeben, die den Stromeinzelhandel für Endkunden mit Mittel-, Hoch- und Höchstspannungsnetzanschluss in Italien ermöglichen sollen, noch wenn Wettbewerbe für die Ausübung einer solchen Tätigkeit in diesem geografischen Bereich durchgeführt werden.

(32)

In Anbetracht der in den Erwägungsgründen 19 bis 25 geprüften Faktoren, angesichts der Zweifel hinsichtlich des ausreichenden Wettbewerbs auf nationaler Ebene bei dem Einzelhandel für Endkunden mit Niederspannungsnetzanschluss und vor dem Hintergrund des Mangels an detaillierten Informationen über die einzelnen relevanten lokalen Märkte nach Definition der italienischen Behörden ist es nicht möglich, den Schluss zu ziehen, dass die Bedingungen für eine Freistellung nach Artikel 30 Absatz 1 der Richtlinie 2001/17/EG für den Stromeinzelhandel für Endkunden mit Niederspannungsnetzanschluss in Italien erfüllt sind. Deshalb kommt die Richtlinie 2004/17/EG weiterhin zur Anwendung, wenn Auftraggeber Aufträge vergeben, die den Stromeinzelhandel für Endkunden mit Niederspannungsnetzanschluss in Italien ermöglichen sollen, oder wenn sie Wettbewerbe für die dortige Ausübung dieser Tätigkeit durchführen. Da die in Artikel 67 genannten Pflichten hinsichtlich der Statistiken weiterhin bestehen, kann es notwendig sein, dafür zu sorgen, dass die betreffenden Vertragsparteien geeignete Schritte — etwa Trennung bei Management und/oder Rechnungslegung — ergreifen, damit sie ordnungsgemäß über die Zuschlagserteilung berichten können, die für die jeweiligen Tätigkeiten, die nicht aufgrund des vorliegenden Beschlusses freigestellt sind, erfolgt ist.

(33)

Zudem sei daran erinnert, dass Aufträge, die mehrere Tätigkeiten betreffen, im Einklang mit Artikel 9 der Richtlinie 2004/17/EG zu behandeln sind. Im gegenwärtigen Zusammenhang bedeutet dies, dass wenn ein Auftraggeber „gemischte“ Aufträge vergibt, d. h. Aufträge für die Durchführung sowohl von Tätigkeiten, die von der Anwendung der Richtlinie 2004/17/EG freigestellt sind, als auch von Tätigkeiten, die nicht freigestellt sind, darauf zu achten ist, welche Tätigkeit den Hauptgegenstand des Auftrags darstellt. Wenn der Auftrag in erster Line den Stromeinzelhandel für Endkunden mit Niederspannungsnetzanschluss betrifft, so ist die Richtlinie 2004/17/EG anzuwenden. Ist es objektiv nicht möglich, festzustellen, welche Tätigkeit den Hauptgegenstand des Auftrags darstellt, so ist der Auftrag gemäß den Regeln des Artikels 9 Absätze 2 und 3 zu erteilen.

(34)

Dieser Beschluss stützt sich auf die Rechts- und Sachlage von Februar bis Mai 2010, wie sie sich aus den Angaben der Republik Italien, von CVA, den Mitteilungen von 2005 und 2010 sowie deren technischen Anhängen, der Arbeitsunterlage der Dienststellen 2007 sowie dem Jahresbericht von AEEG 2009 ergibt. Sie kann geändert werden, falls signifikante Änderungen der Rechts- oder der Sachlage dazu führen, dass die Bedingungen für die Anwendbarkeit von Artikel 30 Absatz 1 der Richtlinie 2004/17/EG für den Stromgroßhandel in der Makrozone Nord und den Einzelhandel für Endkunden mit Mittel-, Hoch- und Höchstspannungsnetzanschluss nicht mehr erfüllt sind —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Die Richtlinie 2004/17/EG gilt nicht für Aufträge, die von Auftraggebern vergeben werden und die folgende Tätigkeiten ermöglichen sollen:

a)

Stromerzeugung und Stromgroßhandel in der Makrozone Nord;

b)

Stromeinzelhandel für Endkunden, die an das Mittel-, Hoch- und Höchstspannungsnetz im gesamten Hoheitsgebiet der Italienischen Republik angeschlossen sind.

Artikel 2

Dieser Beschluss ist an die Italienische Republik gerichtet.

Brüssel, den 14. Juli 2010

Für die Kommission

Michel BARNIER

Mitglied der Kommission


(1)  ABl. L 134 vom 30.4.2004, S. 1.

(2)  Dazu gehört die Zone Nord sowie vier kleinere Zonen (Ene, Enw, Turbigo und Monfalcone) gemäß Anhang B der Mitteilung der Kommission vom 10. Januar 2007„Untersuchung der europäischen Gas- und Elektrizitätssektoren gemäß Artikel 17 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 (Abschlussbericht)“, KOM(2006) 851 endg., im Folgenden „Abschlussbericht“.

(3)  ABl. L 27 vom 30.1.1997, S. 20.

(4)  ABl. L 176 vom 15.7.2003, S. 37. Die Richtlinie 2003/54/EG wurde ersetzt durch die Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG (ABl. L 211 vom 14.8.2009, S. 55). Die neue Richtlinie schreibt eine noch stärkere Marktöffnung als die beiden vorherigen Richtlinien vor. Da die Frist für ihre Umsetzung jedoch noch nicht abgelaufen ist, wird weiterhin auf den mit Richtlinie 2003/54/EG eingeführten rechtlichen Rahmen Bezug genommen.

(5)  MERGER COMP M – 4110 E.ON — ENDESA, S. 3.

(6)  Siehe „Abschlussbericht“, Anhang B, Punkt A1, 2.

(7)  Dazu gehören die Zonen Centro Nord, Piombino, Centro Sud, Sud, Rossano, Brindisi und Calabria.

(8)  Dazu gehören die Zonen Sicilia, Priolo und Calabria.

(9)  Siehe Entscheidungen der Kommission 2009/47/EG (ABl. L 19 vom 23.1.2009, S. 57), 2008/585/EG (ABl. L 188 vom 16.7.2008, S. 28), 2008/741/EG (ABl. L 251 vom 19.9.2008, S. 35), 2007/141/EG (ABl. L 62 vom 1.3.2007, S. 23), 2007/706/EG (ABl. L 287 vom 1.11.2007, S. 18), 2006/211/EG (ABl. L 76 vom 15.3.2006, S. 6) und 2006/422/EG (ABl. L 168 vom 21.6.2006, S. 33).

(10)  d. h. der für den Inlandsverbrauch und den Export erforderlichen Elektrizitätsmenge.

(11)  Schreiben 0018212 vom 10. Mai 2010 der italienischen Behörde für Strom und Erdgas.

(12)  Gesetz Nr. 99/2009 vom 23. Juli 2009.

(13)  SEK(2010) 251 „Mitteilung von 2010“.

(14)  Tabelle 3.1 des technischen Anhangs (S. 12) der Mitteilung von 2010.

(15)  Jahresbericht über den Stand der Dienste und die Regulierungstätigkeiten der italienischen Behörde für Strom und Erdgas (AEEG) vom 31. März 2009, im Folgenden „AEEG-Jahresbericht 2009“, S. 79.

(16)  Er entspricht ziemlich genau dem Grad der Konzentration (43 %) auf dem schwedischen Einzelhandelsmarkt (siehe Erwägungsgrund 14 der Entscheidung 2007/706/EG).

(17)  Mitteilung der Kommission vom 15. November 2005 über die Fortschritte bei der Schaffung des Erdgas- und Elektrizitätsbinnenmarktes (KOM(2005) 568 endg.), im Folgenden „Mitteilung von 2005“, S. 9.

(18)  Tabelle 2.2 des technischen Anhangs der „Mitteilung von 2010“.

(19)  Siehe Erwägungsgrund 13 der Entscheidung 2008/585/EG.

(20)  Jahresbericht 2009 der AEEG.

(21)  Siehe Rdnr. 328 des Urteils des Gerichts erster Instanz vom 28. Februar 2002 in der Rechtssache T-395/94 — Atlantic Container Line AB und andere gegen Kommission —, Sammlung des Europäischen Gerichtshofs 2002, II-875.

(22)  Denn die regulierten Preise werden anhand der Preise festgesetzt, die auf dem freien Markt bestehen.

(23)  Schreiben 0032953 der italienischen Wettbewerbsbehörde vom 20. Mai 2010