20.10.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 277/18


VERORDNUNG (EG) Nr. 1229/2007 DER KOMMISSION

vom 19. Oktober 2007

zur Einstellung der Untersuchung betreffend die mutmaßliche Umgehung von Antidumpingmaßnahmen, die mit der Verordnung (EG) Nr. 1629/2004 des Rates gegenüber Einfuhren bestimmter Grafitelektrodensysteme mit Ursprung in Indien eingeführt wurden

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 384/96 des Rates vom 22. Dezember 1995 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (1) („Grundverordnung“), insbesondere auf die Artikel 9 und 13,

in Erwägung nachstehender Gründe:

A.   VERFAHREN

1.   Geltende Maßnahmen und vorausgegangene Untersuchungen

(1)

Nach parallel geführten Antidumping- und Antisubventionsverfahren führte der Rat mit der Verordnung (EG) Nr. 1629/2004 (2) („ursprüngliche Verordnung“) einen endgültigen Antidumpingzoll von 0 % auf die Einfuhren bestimmter Grafitelektrodensysteme mit Ursprung in Indien ein. Gleichzeitig wurden mit der Verordnung (EG) Nr. 1628/2004 des Rates (3) für diese Einfuhren Ausgleichszölle zwischen 7,0 % und 15,7 % verhängt.

2.   Antrag

(2)

Am 15. Januar 2007 erhielt die Kommission einen Antrag gemäß Artikel 13 Absatz 3 der Grundverordnung auf Untersuchung der mutmaßlichen Umgehung der gegenüber den Einfuhren bestimmter Grafitelektrodensysteme mit Ursprung in Indien eingeführten Antidumpingmaßnahmen. Der Antrag wurde von der European Carbon and Graphite Association („ECGA“) im Namen von in der Gemeinschaft niedergelassenen Herstellern bestimmter Grafitelektrodensysteme eingereicht.

(3)

Der Antrag enthielt Anscheinsbeweise dafür, dass sich nach der Einführung der Antidumpingmaßnahmen gegenüber Einfuhren bestimmter Grafitelektrodensysteme mit Ursprung in Indien das Handelsgefüge verändert hatte; so nahmen die Einfuhren von künstlichem Grafit aus Indien („untersuchte Ware“) deutlich zu, während die Einfuhren bestimmter Grafitelektrodensysteme aus Indien („betroffene Ware“) im selben Zeitraum stark zurückgingen.

(4)

Dem Antrag auf Untersuchung der mutmaßlichen Umgehung der geltenden Maßnahmen zufolge führte ein ausführender Hersteller der betroffenen Ware mit Ursprung in Indien nach der Einführung der Maßnahmen die untersuchte Ware an das mit ihm verbundene Unternehmen in der Gemeinschaft aus. In diesem Unternehmen in der Gemeinschaft erfolgte dann die Weiterverarbeitung der untersuchten Ware zu der betroffenen Ware.

(5)

Des Weiteren wurde geltend gemacht, dass es für diese Veränderung außer der Einführung des Antidumpingzolls auf bestimmte Grafitelektrodensysteme mit Ursprung in Indien keine hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung gebe.

(6)

Schließlich brachte der Antragsteller vor, dass die Abhilfewirkung des geltenden Antidumpingzolls auf die betroffene Ware durch die Mengen untergraben werde und im Verhältnis zum Normalwert, der früher für die betroffene Ware festgestellt wurde, Dumping vorliege.

3.   Einleitung

(7)

Die Kommission leitete mit der Verordnung (EG) Nr. 216/2007 (4) („Einleitungsverordnung“) eine Untersuchung der mutmaßlichen Umgehung ein und wies gemäß Artikel 13 Absatz 3 und Artikel 14 Absatz 5 der Grundverordnung die Zollbehörden an, ab dem 2. März 2007 die Einfuhren der untersuchten Ware, d. h. Stäbe aus künstlichem Grafit mit einem Durchmesser von mindestens 75 mm des KN-Codes ex 3801 10 00 (TARIC-Code 3801100010) mit Ursprung in Indien, zollamtlich zu erfassen.

4.   Untersuchung

(8)

Die Kommission unterrichtete die indischen Behörden über die Einleitung der Untersuchung. Den ausführenden Herstellern in Indien sowie den im Antrag genannten oder der Kommission aus der früheren Untersuchung bekannten Einführern in der Gemeinschaft wurden Fragebogen übermittelt. Die interessierten Parteien erhielten Gelegenheit, innerhalb der in der Einleitungsverordnung gesetzten Frist schriftlich Stellung zu nehmen und eine Anhörung zu beantragen.

(9)

Zwei ausführende Hersteller in Indien beantworteten den Fragebogen vollständig. Ferner ging noch eine Antwort von einem Einführer in der Gemeinschaft ein.

(10)

In den Betrieben der folgenden Unternehmen führte die Kommission Kontrollbesuche durch:

Graphite India Limited, Durgapur und Bangalore, Indien („GIL“),

Graphite COVA GmbH, Rothenbach, Deutschland („COVA“).

5.   Untersuchungszeitraum

(11)

Der Untersuchungszeitraum („UZ“) erstreckte sich vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2006.

B.   UNTERSUCHUNGSERGEBNISSE

1.   Allgemeines/Umfang der Mitarbeit

(12)

Zwei ausführende Hersteller der betroffenen Ware und der untersuchten Ware arbeiteten bei der Untersuchung mit. Ein Abgleich der von den beiden Unternehmen übermittelten Daten mit den bereits vorliegenden Angaben über die Einfuhren der untersuchten Ware ergab, dass die beiden Unternehmen, Graphite India Limited und HEG Limited, im UZ als einzige die untersuchte Ware in die Gemeinschaft ausführten.

2.   Betroffene Ware und gleichartige Ware

(13)

Bei der von der mutmaßlichen Umgehung betroffenen Ware handelt es sich um Grafitelektroden der für Elektrolichtbogenöfen verwendeten Art mit einer Rohdichte von mindestens 1,65 g/cm3 und einem elektrischen Widerstand von höchstens 6,0 μΩ·m des KN-Codes ex 8545 11 00 (TARIC-Code 8545110010) und die für diese Elektroden verwendeten Nippel des KN-Codes ex 8545 90 90 (TARIC-Code 8545909010), gemeinsam oder unabhängig voneinander eingeführt, mit Ursprung in Indien („betroffene Ware“).

(14)

Bei der untersuchten Ware handelt es sich um Stäbe aus künstlichem Grafit mit einem Durchmesser von mindestens 75 mm mit Ursprung in Indien, die in der Regel unter dem KN-Code ex 3801 10 00 (TARIC-Code 3801100010) eingereiht werden („untersuchte Ware“). Die untersuchte Ware ist ein Zwischenprodukt bei der Herstellung der betroffenen Ware, das bereits deren grundlegende Eigenschaften aufweist.

3.   Veränderung des Handelsgefüges

(15)

Eurostat-Daten zufolge sanken die Einfuhren unter den KN-Codes 8545 11 00 und 8545 90 90 aus Indien von 11 866 Tonnen im Jahr 2004 auf 3 244 Tonnen im Jahr 2006. Im selben Zeitraum stiegen die Einfuhren unter KN-Code ex 3801 10 00 von 1 348 Tonnen auf 10 289 Tonnen.

(16)

Wie unter Erwägungsgrund 3 bereits erwähnt, ist die Veränderung des Handelsgefüges angeblich darauf zurückzuführen, dass statt fertiger Grafitelektrodensysteme in Indien hergestellte Stäbe aus künstlichem Grafit eingeführt wurden.

(17)

Bei dem Kontrollbesuch bei Graphite COVA, dem verbundenen Unternehmen in Deutschland, wurde jedoch deutlich, dass es sich bei dem Teil der Einfuhren aus Indien, die als künstliches Grafit angemeldet wurden, tatsächlich um Einfuhren von zweimal gebrannten Elektroden in Form von Kohlenstoffstäben handelte, die noch nicht grafitiert worden waren. Diese Elektroden wurden vor dem Weiterverkauf in Deutschland grafitiert und bearbeitet.

(18)

Die vorliegenden Daten bestätigen daher die vom Antragsteller beschriebene Veränderung des Handelsgefüges, da die Einfuhren unter den KN-Codes 8545 11 00 und 8545 90 90 offensichtlich teilweise durch gestiegene Einfuhren unter dem KN-Code ex 3801 10 00 ersetzt wurden.

(19)

Diese Einfuhren umfassten im Wesentlichen Kohlenstoffstäbe zur Herstellung von Elektroden mit einem Durchmesser von mindestens 600 mm sowie Stäbe aus künstlichem Grafit zur Herstellung von Elektrodennippeln, die COVA von seinem Mutterunternehmen GIL in Indien einführte.

(20)

Bei HEG hatte keine Veränderung des Handelsgefüges stattgefunden.

4.   Fehlen einer hinreichenden Begründung oder wirtschaftlichen Rechtfertigung

(21)

Die Kommissionsdienststellen untersuchten aufgrund der Vermutung des Antragstellers, ob der Erwerb von COVA durch GIL im Jahr 2004 und die darauf folgenden Änderungen des Handelsgefüges eine andere wirtschaftliche Rechtfertigung erlauben als die 2004 eingeführten Maßnahmen.

(22)

Es wurden insbesondere folgende Punkte analysiert:

die Art der Produktionstätigkeit von COVA vor und nach dem Erwerb durch GIL,

die Höhe der von GIL bei COVA getätigten Investitionen und das gesamte Geschäftsvolumen in Bezug auf Elektroden und andere Waren,

die derzeitigen und früheren technischen Sachzwänge von COVA bei der Herstellung von Nippeln und Elektroden mit großem Durchmesser,

die Kapazitätsbeschränkungen bei COVA in den einzelnen Produktionsphasen,

die Unterschiede zwischen COVA und GIL bei den Kosten wie Arbeit, Energie und Herstellgemeinkosten in den einzelnen Produktionsphasen und

technische und Marketingvorteile der Endfertigung von Elektroden und Elektrodennippeln in Deutschland gegenüber einer Endfertigung in Indien.

(23)

Die Prüfung dieser Fragen sowohl bei den deutschen als auch bei den indischen Herstellern ergab Folgendes:

Es gibt eine Reihe von Gründen, und zwar sowohl hinsichtlich der Kapazitätsbeschränkungen als auch der technischen Zwänge, die erklären, weshalb COVA bis jetzt noch nicht die volle Produktion von Nippeln und Elektroden mit großen Durchmessern aufgenommen hat. In der Vergangenheit stellte COVA keine Elektroden mit sehr großem Durchmesser her; die Produktion dieser Elektroden wurde normalerweise an andere Hersteller vergeben. Elektrodennippel wurden in der Regel in einem Betrieb hergestellt, der nicht mehr zu der Unternehmensgruppe gehört. Es ist daher durchaus nachzuvollziehen, dass COVA nunmehr diese Waren von seinem Mutterunternehmen GIL bezieht.

Der Unterschied bei den Gesamtherstellkosten zwischen Deutschland und Indien ist nicht sehr groß, und der geringe Kostenvorteil, der entstünde, wenn die Ware vollständig in Indien hergestellt würde, wird u. a. durch die Vorteile ausgeglichen, die sich aus der Fertigstellung der Ware in Deutschland, der Vermarktung unter dem Firmennamen COVA und der Möglichkeit ergeben, dass die gesamte Produktpalette von der Anlage in Deutschland aus in den Verkauf gehen kann.

Es wurde geltend gemacht, dass der Erwerb von COVA durch GIL allein auf die Einführung der Maßnahmen zurückzuführen ist. GIL hat jedoch so viel in COVA investiert, dass es unwahrscheinlich ist, dass die auf die fraglichen Einfuhren zu zahlenden Zölle der Hauptgrund für diese Investition gewesen sind.

(24)

Es wurde daher der Schluss gezogen, dass es neben der Einführung von Zöllen auf die Einfuhren bestimmter Grafitelektrodensysteme mit Ursprung in Indien plausible wirtschaftliche Gründe für die unter Erwägungsgrund 3 beschriebene Veränderung des Handelsgefüges gab.

5.   Zusatzwert

(25)

Die Fertigstellung der Elektroden und Nippel in der Gemeinschaft wurde auch unter Berücksichtigung des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe b der Grundverordnung geprüft.

(26)

Die Untersuchung ergab, dass die aus Indien eingeführten Teile mehr als 60 % des Gesamtwerts der Teile des Endprodukts ausmachen; allerdings betrug die Wertsteigerung, die diese Teile während der Fertigstellung erfuhren, mehr als 25 % der Herstellkosten der betroffenen Ware. Eine Umgehung gemäß Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe b der Grundverordnung kann daher nicht festgestellt werden.

C.   EINSTELLUNG

(27)

Angesichts der Feststellungen unter den Erwägungsgründen 24 und 26 erscheint es angemessen, die laufende Antiumgehungsuntersuchung einzustellen. Die mit der Einleitungsverordnung eingeführte zollamtliche Erfassung der Einfuhren von bestimmtem künstlichem Grafit mit Ursprung in Indien sollte beendet und die Verordnung aufgehoben werden.

(28)

Die interessierten Parteien wurden über die wesentlichen Tatsachen und Erwägungen unterrichtet, auf deren Grundlage die Kommission beabsichtigt, die Untersuchung einzustellen, und erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die eingegangenen Stellungnahmen boten keinen Anlass zu einer Änderung der vorstehenden Schlussfolgerungen —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die mit der Verordnung (EG) Nr. 216/2007 eingeleitete Untersuchung einer mutmaßlichen Umgehung der Antidumpingmaßnahmen gegenüber den Einfuhren bestimmter Grafitelektrodensysteme mit Ursprung in Indien durch Einfuhren von bestimmtem künstlichem Grafit mit Ursprung in Indien wird eingestellt.

Artikel 2

Die Zollbehörden werden angewiesen, die zollamtliche Erfassung der Einfuhren nach Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 216/2007 zu beenden.

Artikel 3

Die Verordnung (EG) Nr. 216/2007 wird aufgehoben.

Artikel 4

Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Brüssel, den 19. Oktober 2007

Für die Kommission

Peter MANDELSON

Mitglied der Kommission


(1)  ABl. L 56 vom 6.3.1996, S. 1. Verordnung zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 2117/2005 (ABl. L 340 vom 23.12.2005, S. 17).

(2)  ABl. L 295 vom 18.9.2004, S. 10.

(3)  ABl. L 295 vom 18.9.2004, S. 4.

(4)  ABl. L 62 vom 1.3.2007, S. 16.