11.4.2006   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 101/5


GEMEINSAMER STANDPUNKT 2006/276/GASP DES RATES

vom 10. April 2006

über restriktive Maßnahmen gegen einzelne belarussische Amtsträger und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2004/661/GASP

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union, insbesondere auf Artikel 15,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Der Rat hat am 24. September 2004 den Gemeinsamen Standpunkt 2004/661/GASP über restriktive Maßnahmen gegen einzelne belarussische Amtsträger (1) angenommen; diese belarussischen Amtsträger waren für die Einleitung einer unabhängigen Untersuchung und einer strafrechtlichen Verfolgung der Tatvorwürfe zuständig, sind aber untätig geblieben, oder gelten dem Pourgourides-Bericht zufolge als Hauptverantwortliche für das Verschwinden von vier namhaften Persönlichkeiten in Belarus in den Jahren 1999/2000 sowie die anschließende Verschleierung der Vorfälle und haben offenkundig die Ermittlungen der Justiz behindert.

(2)

Der Rat hat am 13. Dezember 2004 den Gemeinsamen Standpunkt 2004/848/GASP zur Änderung des Gemeinsamen Standpunkts 2004/661/GASP (2) angenommen, mit dem der Anwendungsbereich der restriktiven Maßnahmen auf Personen, die für die Fälschungen bei den Wahlen und beim Referendum vom 17. Oktober 2004 in Belarus direkt verantwortlich sind, und auf jene ausgedehnt wurde, die für schwere Menschenrechtsverletzungen beim Vorgehen gegen friedliche Demonstranten im Anschluss an die Wahlen und das Referendum in Belarus die Verantwortung tragen.

(3)

Der Europäische Rat hat am 23. März 2006 das Vorgehen der belarussischen Behörden verurteilt, die an jenem Tag friedliche Demonstranten festgenommen haben, die ihr legitimes Recht auf Versammlungsfreiheit wahrgenommen haben, um gegen den Ablauf der Präsidentschaftswahlen vom 19. März 2006 in Belarus zu protestieren. Der Europäische Rat hat bedauert, dass die Regierung von Belarus die OSZE-Verpflichtungen hinsichtlich demokratischer Wahlen nicht eingehalten hat, und ist der Ansicht, dass die Präsidentschaftswahlen mit grundlegenden Mängeln behaftet waren.

(4)

Der Europäische Rat hat daher beschlossen, dass die EU restriktive Maßnahmen gegen diejenigen erlassen sollte, die für die Verletzungen internationaler Wahlstandards verantwortlich sind, auch gegen Präsident Lukaschenko.

(5)

Ferner sollten restriktive Maßnahmen gegen die belarussischen Regierungsmitglieder und Amtsträger verabschiedet werden, die für die Verletzung internationaler Wahlstandards und das harte Vorgehen gegen die Zivilgesellschaft und die demokratische Opposition verantwortlich sind.

(6)

Die restriktiven Maßnahmen gemäß dem Gemeinsamen Standpunkt 2004/661/GASP und die zusätzlichen restriktiven Maßnahmen sollten in einem einzigen Rechtsakt zusammengefasst werden. Deshalb sollte der Gemeinsame Standpunkt 2004/661/GASP aufgehoben werden.

(7)

Im Hinblick auf die in Erwägungsgrund 1 genannten Maßnahmen wird die EU ihren Standpunkt anhand der zukünftigen Entwicklung überprüfen, wobei sie auf die Bereitschaft der entsprechenden belarussischen Behörden abstellt, die Angelegenheit der verschwundenen Personen umfassend und transparent zu untersuchen und die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen.

(8)

Die restriktiven Maßnahmen gegen Personen, die für die Fälschungen bei den Wahlen und beim Referendum vom 17. Oktober 2004 in Belarus direkt verantwortlich sind, und gegen jene, die für schwere Menschenrechtsverletzungen beim Vorgehen gegen friedliche Demonstranten im Anschluss an die Wahlen und das Referendum in Belarus die Verantwortung tragen, sollten im Lichte der Reformen, mit denen das Wahlgesetz den Verpflichtungen im Rahmen der OSZE und anderen von der OSZE/dem BDIMR empfohlenen internationalen Standards für demokratische Wahlen angeglichen werden soll, sowie vor dem Hintergrund konkreter Maßnahmen der Regierung, im Zusammenhang mit friedlichen Demonstrationen die Menschenrechte zu achten, überprüft werden.

(9)

Die restriktiven Maßnahmen gegen Personen, die bei den Wahlen vom 19. März 2006 für die Verletzung internationaler Wahlstandards und im Zusammenhang mit diesen Wahlen für das harte Vorgehen gegen die Zivilgesellschaft verantwortlich sind, sollten unter Beachtung folgender Aspekte überprüft werden: rasche Freilassung und Rehabilitierung aller politischen Häftlinge, Durchführung von Reformen, mit denen das Wahlgesetz den Verpflichtungen im Rahmen der OSZE und anderen von der OSZE/dem BDIMR empfohlenen internationalen Standards für demokratische Wahlen angeglichen werden soll, Durchführung künftiger Wahlen sowie Ergreifung konkreter Maßnahmen der Regierung zur Wahrung der demokratischen Rechte, der Rechtstaatlichkeit und der Menschenrechte und Grundfreiheiten, zu denen die Freiheit der Meinungsäußerung, die Medienfreiheit sowie die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit gehören —

HAT FOLGENDEN GEMEINSAMEN STANDPUNKT ANGENOMMEN:

Artikel 1

1.   Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um den Personen die Einreise in ihr Hoheitsgebiet oder die Durchreise durch dieses zu verweigern, die

a)

für die Einleitung einer unabhängigen Untersuchung und einer strafrechtlichen Verfolgung der Tatvorwürfe zuständig waren, aber untätig geblieben sind, sowie jenen, die dem Pourgourides-Bericht zufolge als Hauptverantwortliche für das Verschwinden von vier namhaften Persönlichkeiten in Belarus in den Jahren 1999/2000 und die anschließende Verschleierung der Vorfälle gelten, wegen offenkundiger Behinderung der Ermittlungen der Justiz (Anhang I);

b)

für die Fälschungen bei den Wahlen und beim Referendum vom 17. Oktober 2004 in Belarus verantwortlich sind, und jene, die für schwere Menschenrechtsverletzungen beim Vorgehen gegen friedliche Demonstranten im Anschluss an die Wahlen und das Referendum in Belarus die Verantwortung tragen (Anhang II);

c)

für die Verletzung internationaler Wahlstandards bei den Präsidentschaftswahlen vom 19. März 2006 und das harte Vorgehen gegen die Zivilgesellschaft und die demokratische Opposition verantwortlich sind (Anhang III).

2.   Absatz 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht dazu, eigenen Staatsangehörigen die Einreise in ihr Hoheitsgebiet zu verweigern.

3.   Absatz 1 berührt nicht die Fälle, in denen ein Mitgliedstaat durch eine völkerrechtliche Verpflichtung gebunden ist, und zwar,

i)

wenn er Gastland einer internationalen zwischenstaatlichen Organisation ist,

ii)

wenn er Gastland einer internationalen Konferenz ist, die von den Vereinten Nationen einberufen worden ist oder unter deren Schirmherrschaft steht,

iii)

im Rahmen eines multilateralen Abkommens, das Vorrechte verleiht und Befreiungen vorsieht, oder

iv)

im Rahmen des 1929 zwischen dem Heiligen Stuhl (Staat Vatikanstadt) und Italien geschlossenen Lateranvertrags.

4.   Absatz 3 gilt auch in den Fällen, in denen ein Mitgliedstaat Gastland der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ist.

5.   In allen Fällen, in denen ein Mitgliedstaat eine Ausnahme aufgrund der Absätze 3 oder 4 gewährt, ist der Rat ordnungsgemäß zu unterrichten.

6.   Die Mitgliedstaaten können Ausnahmen von den Maßnahmen nach Absatz 1 in den Fällen zulassen, in denen die Reise aufgrund einer humanitären Notlage oder aufgrund der Teilnahme an Tagungen auf zwischenstaatlicher Ebene — einschließlich solcher, die von der Europäischen Union unterstützt werden oder von einem Mitgliedstaat, der zu dem Zeitpunkt den OSZE-Vorsitz innehat, ausgerichtet werden — gerechtfertigt ist, wenn dort ein politischer Dialog geführt wird, durch den Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in Belarus unmittelbar gefördert werden.

7.   Ein Mitgliedstaat, der Ausnahmen nach Absatz 6 zulassen möchte, unterrichtet den Rat schriftlich hiervon. Die Ausnahme gilt als gewährt, wenn nicht von einem oder mehreren Mitgliedern des Rates innerhalb von zwei Arbeitstagen nach Eingang der Mitteilung über die vorgeschlagene Ausnahme schriftlich Einwand erhoben wird. Wenn von einem oder von mehreren Mitgliedern des Rates Einwand erhoben wird, kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit beschließen, die vorgeschlagene Ausnahme zu gewähren.

8.   In den Fällen, in denen ein Mitgliedstaat gemäß den Absätzen 3, 4, 6 und 7 den in den Anhängen I, II und III genannten Personen die Einreise in sein Hoheitsgebiet oder die Durchreise durch dieses Gebiet genehmigt, gilt die Genehmigung nur für den Zweck, für den sie erteilt wurde, und für die davon betroffenen Personen.

Artikel 2

Der Rat nimmt auf Vorschlag eines Mitgliedstaats oder der Kommission — falls aufgrund der politischen Entwicklungen in Belarus erforderlich — Änderungen der Verzeichnisse in den Anhängen I, II und III vor.

Artikel 3

Damit die vorstehend genannten Maßnahmen größtmögliche Wirkung entfalten können, empfiehlt die Europäische Union Drittstaaten, restriktive Maßnahmen analog zu den in diesem Gemeinsamen Standpunkt vorgesehenen zu ergreifen.

Artikel 4

Dieser Gemeinsame Standpunkt gilt für einen Zeitraum von 12 Monaten. Er wird fortlaufend überprüft. Er wird gegebenenfalls verlängert oder geändert, wenn der Rat der Auffassung ist, dass seine Ziele nicht erreicht wurden.

Artikel 5

Der Gemeinsame Standpunkt 2004/661/GASP wird aufgehoben.

Artikel 6

Dieser Gemeinsame Standpunkt wird am Tag seiner Annahme wirksam.

Artikel 7

Dieser Gemeinsame Standpunkt wird im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

Geschehen zu Brüssel am 10. April 2006.

Im Namen des Rates

Die Präsidentin

U. PLASSNIK


(1)  ABl. L 301 vom 28.9.2004, S. 67. Zuletzt geändert durch den Gemeinsamen Standpunkt 2005/666/GASP (ABl. L 247 vom 23.9.2005, S. 40).

(2)  ABl. L 367 vom 14.12.2004, S. 35.


ANHANG I

Verzeichnis der Personen nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a

1.

SIWAKOW, JURI (JURIY) Leonidowitsch, ehemaliger Minister für Tourismus und Sport der Republik Belarus, geboren am 5. August 1946 in der Region Sachalin, ehemals Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik.

2.

SCHEJMAN (SCHEIMAN), WIKTOR Wladimirowitsch, Staatssekretär des Sicherheitsrates der Republik Belarus, geboren am 26. Mai 1958 im Gebiet Grodno.

3.

PAWLITSCHENKO (PAWLIUTSCHENKO), DMITRIJ (Dmitri) Walerijewitsch, Leiter der Spezialeinsatzkräfte des Innenministeriums (SOBR) der Republik Belarus, geboren 1966 in Witebsk.

4.

NAUMOW, WLADIMIR Wladimirowitsch, Innenminister, geboren 1956.


ANHANG II

Verzeichnis der Personen nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b

1.

JERMOSCHINA, Lidia Michajlowna, Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission der Republik Belarus, geboren am 29. Januar 1953 in Slutsk (Region Minsk).

2.

PODOBED, Juri Nikolaewitsch, Oberstleutnant der Miliz, Spezialeinheit (OMON), Innenministerium, geboren am 5. März 1962 in Slutsk (Region Minsk).


ANHANG III

Verzeichnis der Personen nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe c

1.

LUKASCHENKO, Aleksander Grigorjewitsch, geboren am 30.8.1954 in Kopys (Verwaltungsbezirk Witebsk), Präsident.

2.

NIEVYHLAS, Hienads Mikalajewitsch; Nevyglas, Gennadi Nikolajewitsch, geboren am 11.2.1954 in Parahonsk, Distrikt Pinsk, Leiter der Präsidialadministration.

3.

PETKEWITSCH, Natalja Wladimirowna, geboren 1972 in Minsk, Stellvertretende Leiterin der Präsidialadministration.

4.

RUBINOW, Anatoli Nikolajewitsch, geboren 15.4.1939, stellvertretender Leiter der Abteilung Medien und Ideologie in der Präsidialadministration.

5.

PRALIASKOWSKI, Alieh Vitoldawitsch; Proleskowsky, Oleg Vitoldowitsch, geboren am 1.10.1963 in Sagorsk, Russland (jetzt Sergijew Posad), Berater und Leiter der Hauptabteilung Ideologie in der Präsidialadministration.

6.

RADKOW, Aleksander Michailowitsch, geboren am 1.7.1951 in Votnja, Minister für Bildung

7.

RUSAKEWITSCH, Wladimir Wassiljewitsch, geboren am 13.9.1947 in Wygonoschtschi, Minister für Information

8.

HALAVANAW, Viktar Ryhorawitsch; Golowanow, Viktor Grigorewitsch, geboren 1952 in Borisow, Minister für Justiz.

9.

SIMOWSKI, Aliaksandr Lieanidawitsch; Simowsky, Alexander Leonidowitsch, geboren am 10.1.1961, möglicherweise in der Ukraine, Mitglied des Oberhauses des Parlaments, Leiter der staatlichen Rundfunk- und Fernsehanstalt

10.

KANAPLIOW, Uladsimir Mikalajewitsch; Konopljew, Wladimir Nikolajewitsch, geboren am 3.1.1954 in Akulintsy, Vorsitzender des Unterhauses des Parlaments

11.

TSCHARHINIETS, Mikalay Iwanawitsch; Tscherginets, Nikolai Iwanowitsch, geboren am 17.10.1937 in Minsk, Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Oberhauses

12.

KASTSIAN, Siarhiey Iwanawitsch; Kostyan, Sergej Iwanowitsch, geboren am 15.1.1941 in Usochi, Verwaltungsbezirk Mogilew, Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Unterhauses

13.

ORDA, Michail Siarhiejewitsch, Orda, Michail Sergejewitsch, geboren am 28.9.1966 in Diatlowo, Verwaltungsbezirk Grodno, Mitglied des Oberhauses, Vorsitzender der BRSM

14.

LOSOWIK, Nikolai Iwanowitsch, geboren 1951 in Newinjany, Verwaltungsbezirk Minsk, stellvertretender Vorsitzender der Zentralen Wahlkommission

15.

MIKLASCHEWITSCH, Pjotr Petrowitsch, geboren 1954 in Kosuta, Verwaltungsbezirk Minsk, Generalstaatsanwalt

16.

SLISCHEWSKY, Oleg Leonidowitsch, Leiter der Abteilung soziale Organisationen, Parteien und NRO beim Justizministerium

17.

CHARITON, Alexander, Berater der Abteilung soziale Organisationen, Parteien und NRO beim Justizministerium

18.

SMIRNOW, Jewgeni, geboren 1949 im Verwaltungsbezirk Riasan, Russland, erster Stellvertreter des Präsidenten des Wirtschaftsgerichts

19.

REUTSKAJA, Nadeschda, Richterin im Minsker Distrikt Moskau

20.

TRUBNIKOW, Nikolai, Richter im Minsker Partisanskij Distrikt

21.

KUPRIJANOW, Nikolai, Staatsanwalt in Minsk

22.

SUCHORENKO, Stepan Nikolajewitsch, geboren am 27.1.1957 in Sduditsche, Verwaltungsbezirk Mogilew, Vorsitzender des KGB

23.

DEMENTEI, Wassili Iwanowitsch, Erster stellvertretender Vorsitzender des KGB

24.

KOSIK, Lieanid Piatrowitsch; Kosik Leonid Petrowitsch, geboren am 13.7.1948 in Borisow, Leiter des Gewerkschaftsbunds

25.

KOLEDA, Alexander, Vorsitzender des zentralen Wahlausschusses des Verwaltungsbezirks Brest

26.

USOW, N. D., Vorsitzender des zentralen Wahlausschusses des Verwaltungsbezirks Gomel

27.

LUTSCHINA, Leonid, Vorsitzender des zentralen Wahlausschusses des Verwaltungsbezirks Grodno

28.

KRAWTSCHENKO Tadjana Alexandrowna, Vorsitzende des zentralen Wahlausschusses der Stadt Minsk

29.

KURLOWITSCH Wladimir, Vorsitzender des zentralen Wahlausschusses des Verwaltungsbezirks Minsk

30.

METELITSA, Nikolai, Vorsitzender des zentralen Wahlausschusses des Verwaltungsbezirks Mogilew

31.

PISCHULENOK, M. V., Vorsitzender des zentralen Wahlausschusses des Verwaltungsbezirks Witebsk