21.10.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 276/54


EMPFEHLUNG DER KOMMISSION

vom 18. Mai 2005

für die länderübergreifende kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, die für legale Online-Musikdienste benötigt werden

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2005/737/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 211,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Im April 2004 hat die Kommission eine Mitteilung über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten im Binnenmarkt angenommen.

(2)

Das Europäische Parlament hat in seinem Bericht vom 15. Januar 2004 (1) für Rechteinhaber die Möglichkeit gefordert, Urheberrechte und verwandte Schutzrechte während deren gesamter Geltungsdauer unabhängig von Staatsgrenzen oder Nutzungsformen wahrzunehmen, und zwar wo immer solche Rechte entstehen.

(3)

Das Parlament hat weiter betont, dass jedes Vorgehen der Gemeinschaft in Bezug auf die grenzüberschreitende kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten das Vertrauen von Künstlern wie Schriftstellern und Musikern in eine angemessene Vergütung für eine europaweite Nutzung ihrer Werke stärken sollte (2).

(4)

Neue Technologien haben eine neue Generation gewerblicher Nutzer hervorgebracht, die Musikwerke und andere Inhalte online verwendet. Die Bereitstellung legaler Online-Musikdienste berührt eine Reihe von Urheber und Leistungsschutzrechten.

(5)

Eine Kategorie dieser Rechte ist das ausschließliche Vervielfältigungsrecht, das sich auf alle im Zuge der Online-Verbreitung von Musikwerken vorgenommenen Vervielfältigungen erstreckt. Andere Kategorien von Rechten sind das Recht der öffentlichen Wiedergabe eines Musikwerkes, das Recht auf angemessene Vergütung für die öffentliche Wiedergabe anderer Inhalte und das ausschließliche Recht der öffentlichen Zugänglichmachung eines Musikwerks oder anderer Inhalte.

(6)

Nach der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (3) und der Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (4) ist eine Lizenz für jedes der Rechte in der Online-Nutzung erforderlich. Diese können von Verwertungsgesellschaften, die bestimmte Leistungen der Rechteverwaltung für die Rechteinhaber als Wirtschaftsteilnehmer erbringen, oder von den Rechteinhabern selbst wahrgenommen werden.

(7)

Lizenzen sind oft auf ein Territorium beschränkt, und das zwingt gewerbliche Nutzer, für jedes in der Online-Nutzung benötigte Recht in jedem Mitgliedstaat von jeder jeweiligen Verwertungsgesellschaft eine Lizenz zu erwerben.

(8)

Im Zeitalter der Online-Nutzung von Musikwerken brauchen gewerbliche Nutzer aber ein multiterritorial ausgelegtes Lizenzierungssystem, das der Grenzenlosigkeit der Onlinewelt gerecht wird. Es sollte daher für eine multiterritoriale Lizenzierung gesorgt werden, um für gewerbliche Nutzer mehr Rechtssicherheit für ihre Aktivität zu fördern und das Wachstum legaler Online-Dienste zu fördern, wodurch sich wiederum die Einnahmen der Rechteinhaber erhöhen würden.

(9)

Der freie länderübergreifende Dienstleistungsverkehr impliziert für die kollektive Rechtewahrnehmung, dass die Rechteinhaber die Möglichkeit haben, die Verwertungsgesellschaft für die Wahrnehmung der Rechte, die für legale Online-Musikdienste benötigt werden, frei in der Gemeinschaft zu wählen. Dieses Recht beinhaltet die Möglichkeit, alle oder einen Teil der Online-Rechte einer anderen Verwertungsgesellschaft zu übertragen; der Sitzstaat oder die Staatsangehörigkeit der Verwertungsgesellschaft bzw. des Rechteinhabers sollte hierfür keine Rolle spielen.

(10)

Mit der Förderung effizienter Strukturen für die länderübergreifende Rechtewahrnehmung sollte auch dafür gesorgt werden, dass Verwertungsgesellschaften mit Rücksicht auf die Einhaltung des Wettbewerbsrechts rationeller und transparenter arbeiten, vor allem angesichts der durch die Digitaltechnik bedingten Erfordernisse.

(11)

Das Verhältnis zwischen Rechteinhabern und Verwertungsgesellschaften sollte, unabhängig davon, ob der Wahrnehmungsauftrag auf vertraglichen Vereinbarungen oder statutarischen Mitgliedschaftsbestimmungen basiert, für die Rechteinhaber einen Mindestschutz in Bezug auf alle Rechte beinhalten, die für die Bereitstellung legaler Online-Musikdienste erforderlich sind. Verwertungsgesellschaften sollten Rechteinhaber ungeachtet ihres Sitzstaates oder ihrer Staatsangehörigkeit nicht unterschiedlich behandeln.

(12)

Die für die Rechteinhaber eingezogenen Entgelte sollten gerecht und ohne Diskriminierung aufgrund des Wohnsitzes, der Staatsangehörigkeit oder der Kategorie der Rechteinhaber verteilt werden. Vor allem Nutzungsgebühren, die im Auftrag der Rechteinhaber in anderen Mitgliedstaaten als dem ihres Wohnsitzes oder ihrer Staatsangehörigkeit eingezogen werden, sollten möglichst effizient und effektiv verteilt werden.

(13)

Ergänzende Empfehlungen über Rechenschaftspflicht, Vertretung der Rechteinhaber in den Entscheidungsgremien der Verwertungsgesellschaften und Streitbeilegungsverfahren sollten ein rationelleres und transparenteres Arbeiten der Verwertungsgesellschaften sicherstellen und dafür sorgen, dass Rechteinhaber und gewerbliche Nutzer eine fundierte Wahl treffen können. Es sollte keine Ungleichbehandlung durch die Verwertungsgesellschaften geben, die auf unterschiedliche Kategorien von Mitgliedern abstellt: alle Rechteinhaber, seien es Schriftsteller, Komponisten, Verleger, Tonträgerhersteller, ausübende Künstler oder andere, sollten gleich behandelt werden.

(14)

Die Entwicklung des Online-Musikmarktes sollte fortlaufend abgeschätzt werden —

EMPFIEHLT:

Begriffsbestimmungen

1.

Für die Zwecke dieser Empfehlung gelten folgende Begriffsbestimmungen:

a)

„Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, die für die Bereitstellung legaler Online-Musikdienste auf Gemeinschaftsebene benötigt werden“ bedeutet die Erbringung folgender Dienste: Erteilung von Lizenzen an gewerbliche Nutzer; Prüfung und Überwachung von Rechten; Durchsetzung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten; Einziehung von Nutzungsgebühren und Verteilung an die Rechteinhaber;

b)

„Musikwerke“ bedeutet jedes Werk der Musik oder andere Inhalte;

c)

„Repertoire“ bedeutet der Katalog von Musikwerken, der von einer Verwertungsgesellschaft verwaltet wird;

d)

„Mehrgebietslizenz“ bedeutet eine Lizenz, die sich auf das Territorium von mehr als einem Mitgliedstaat erstreckt;

e)

„Verwertungsgesellschaft“ bedeutet jede Person, die Dienstleistungen im Sinne des Buchstabens a für mehrere Rechteinhaber erbringt;

f)

„Online-Rechte“ bedeutet eines der folgenden Rechte:

i)

das ausschließliche Recht der Vervielfältigung in der Form von unkörperlichen Kopien (Richtlinie 2001/29/EG), die im Zuge der Online-Verbreitung von Musikwerken vorgenommen werden;

ii)

das Recht der öffentlichen Wiedergabe eines Musikwerks, entweder in der Form eines Rechts zu erlauben oder zu verbieten (Richtlinie 2001/29/EG), oder eines Rechts auf angemessene Vergütung (Richtlinie 92/100/EWG). Diese Rechte erstrecken sich auf Webcasting, Internet-Radio und Simulcasting oder „Near-on-Demand“-Dienste, die entweder auf einem PC oder auf einem Mobiltelefon empfangen werden;

iii)

das ausschließliche Recht der öffentlichen Zugänglichmachung eines Musikwerks (Richtlinie 2001/29/EG), das „On-Demand“ oder andere „interaktive“ Dienste umfasst;

g)

„Rechteinhaber“ bedeutet jede natürliche oder juristische Person, die Online-Rechte hält;

h)

„gewerblicher Nutzer“ bedeutet alle Personen, die an der Erbringung von Online-Musikdiensten beteiligt sind, und die von einem Rechteinhaber eine Lizenz benötigen, um Online-Musikdienste legal anbieten zu können;

i)

„Gegenseitigkeitsvereinbarungen“ bedeutet jede bilaterale Vereinbarung, mit der eine Verwertungsgesellschaft einer anderen das Recht einräumt, in dem Hoheitsgebiet, in dem Letztere ansässig ist, das Repertoire der Ersteren zu vertreten.

Generell

2.

Die Mitgliedstaaten werden eingeladen die notwendigen Schritte zu unternehmen, um das Wachstum von legalen Online-Musikdiensten zu ermöglichen, indem sie rechtliche Rahmenbedingungen zur optimalen Wahrnehmung auf Gemeinschaftsebene von Urheberrechten oder verwandten Schutzrechten für die Erbringung legaler Online-Musikdienste fördert.

Die Beziehungen zwischen Rechteinhabern, Verwertungsgesellschaften und gewerblichen Nutzern

3.

Rechteinhaber sollen das Recht haben, die Wahrnehmung aller Online-Rechte, die zum Betrieb legaler Online-Musikdienste notwendig sind, in einem territorialen Umfang ihrer Wahl einer Verwertungsgesellschaft ihrer Wahl anzuvertrauen; der Sitzstaat oder die Staatsangehörigkeit der Verwertungsgesellschaft bzw. des Rechteinhabers sollte hierfür keine Rolle spielen.

4.

Verwertungsgesellschaften sollten bei der Wahrnehmung der Interessen von Rechteinhabern größte Sorgfalt walten lassen.

5.

In Bezug auf die Lizenzierung von Online-Rechten sollte im Verhältnis zwischen Rechteinhabern und Verwertungsgesellschaften, unabhängig davon, ob der Wahrnehmungsauftrag auf vertraglichen Vereinbarungen oder statutarischen Mitgliedschaftsbestimmungen basiert, zumindest Folgendes gelten:

a)

Die Rechteinhaber sollten festlegen können, für welche Online-Rechte sie der Verwertungsgesellschaft einen Wahrnehmungsauftrag erteilen.

b)

Die Rechteinhaber sollten festlegen können, für welches geografische Gebiet sie der Verwertungsgesellschaft einen Wahrnehmungsauftrag erteilen.

c)

Die Rechteinhaber sollten, nach Ankündigung ihres Vorhabens innerhalb einer angemessenen Frist, das Recht haben, alle Online-Rechte herauszunehmen und die Wahrnehmung dieser Rechte für ein geografisches Gebiet ihrer Wahl einer Verwertungsgesellschaft ihrer Wahl zu übertragen; der Sitzstaat oder die Staatsangehörigkeit der Verwertungsgesellschaft bzw. des Rechteinhabers sollte hierfür keine Rolle spielen.

d)

Wenn ein Rechteinhaber mit der Wahrnehmung von Online-Rechten eine andere Verwertungsgesellschaft beauftragt hat, so sollten alle beteiligten Verwertungsgesellschaften, vorbehaltlich der sonstigen Kooperation zwischen Verwertungsgesellschaften, sicherstellen, dass diese Online-Rechte vom Geltungsbereich aller Gegenseitigkeitsvereinbarungen untereinander ausgenommen werden.

6.

Verwertungsgesellschaften sollten Rechteinhaber und gewerbliche Nutzer zum Repertoire, das sie vertreten, über alle bestehenden Gegenseitigkeitsvereinbarungen und den räumlichen Geltungsbereich ihrer Vertretungsmacht für dieses Repertoire und die anwendbaren Tarife informiert halten.

7.

Verwertungsgesellschaften sollten innerhalb einer angemessenen Frist einander und gewerblichen Nutzern Veränderungen des Repertoires, das sie vertreten, bekannt geben.

8.

Gewerbliche Nutzer sollten Verwertungsgesellschaften über die Dienste, für die Rechte erworben werden, informieren.

9.

Verwertungsgesellschaften sollten gewerblichen Nutzern Lizenzen auf der Basis objektiver Kriterien und ohne Diskriminierung der Nutzer erteilen.

Gerechte Verteilung der Einnahmen und Abzüge

10.

Die Verwertungsgesellschaften sollten die erzielten Einnahmen unter allen von ihnen vertretenen Rechteinhabern oder Kategorien von Rechteinhabern gerecht verteilen.

11.

In vertraglichen Vereinbarungen und statutarischen Mitgliedschaftsbestimmungen, die das Verhältnis zwischen Verwertungsgesellschaften und Rechteinhabern über die Wahrnehmung von Musikrechten auf Gemeinschaftsebene für die Online-Nutzung regeln, sollte auch festgehalten werden ob, und wenn ja in welchem Umfang, Einnahmen von den zu verteilenden Lizenzgebühren für andere Zwecke als die erbrachten Wahrnehmungsleistungen einbehalten werden.

12.

Die Verwertungsgesellschaften sollten bei der Auszahlung der Lizenzgebühren gegenüber allen Rechteinhabern, die sie vertreten, die einbehaltenen Einnahmen für andere Zwecke als die erbrachten Wahrnehmungsleistungen auflisten.

Vertretung und Diskriminierungsverbot

13.

Im Verhältnis zwischen Verwertungsgesellschaften und Rechteinhabern sollten, unabhängig davon, ob der Wahrnehmungsauftrag auf vertraglichen Vereinbarungen oder statutarischen Mitgliedschaftsbestimmungen basiert, folgende Grundsätze gelten:

a)

alle Kategorien von Rechteinhabern werden in Bezug auf alle angebotenen Wahrnehmungsleistungen gleich behandelt;

b)

der Grundsatz sollte gelten, dass die Rechteinhaber an den internen Entscheidungsprozessen in fairem und ausgewogenem Umfang beteiligt werden.

Rechenschaftspflicht

14.

Verwertungsgesellschaften sollten gegenüber allen von ihnen entweder direkt oder über Gegenseitigkeitsvereinbarungen vertretenen Rechteinhabern regelmäßig Rechenschaft ablegen über erteilte Lizenzen, anwendbare Tarife und eingenommene und ausgeschüttete Nutzungsgebühren.

Streitbeilegung

15.

Die Mitgliedstaaten werden eingeladen, effektive Streitbeilegungsmechanismen zur Verfügung zu stellen, insbesondere betreffend Tarife, Lizenzbedingungen, Übertragung von Online-Rechten zur Wahrnehmung oder Entzug von Online-Rechten.

Überprüfung der Anwendung

16.

Die Mitgliedstaaten und die Verwertungsgesellschaften werden eingeladen, jährlich der Kommission über die Maßnahmen, die sie in Bezug auf diese Empfehlung getroffen haben, und über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten auf Gemeinschaftsebene für die Erbringung legaler Online-Musikdienste zu berichten.

17.

Die Kommission wird fortlaufend die Entwicklung des Online-Musiksektors im Lichte dieser Empfehlung beurteilen.

18.

Die Kommission wird auf Basis der Beurteilung, die in Punkt 17 angeführt ist, den weiteren Handlungsbedarf auf Gemeinschaftsebene abschätzen.

Adressaten

19.

Diese Empfehlung ist an die Mitgliedstaaten und an alle Marktteilnehmer, die auf dem Gebiet der Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten in der Gemeinschaft tätig sind, gerichtet.

Brüssel, den 18. Mai 2005

Für die Kommission

Charlie McCREEVY

Mitglied der Kommission


(1)  A5-0478/2003.

(2)  Siehe Erwägungsgrund 29.

(3)  ABl. L 167 vom 22.6.2001, S. 10.

(4)  ABl. L 346 vom 27.11.1992, S. 61. Richtlinie geändert durch die Richtlinie 2001/29/EG.