32001D0198

Entscheidung der Kommission vom 15. November 2000 über die staatliche Beihilfe Belgiens zugunsten des Stahlunternehmens Cockerill Sambre SA (Text von Bedeutung für den EWR) (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2000) 3563)

Amtsblatt Nr. L 071 vom 13/03/2001 S. 0023 - 0027


Entscheidung der Kommission

vom 15. November 2000

über die staatliche Beihilfe Belgiens zugunsten des Stahlunternehmens Cockerill Sambre SA

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2000) 3563)

(Nur der französische und der niederländische Text sind verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2001/198/EGKS)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, für Kohle und Stahl, insbesondere auf Artikel 4 Buchstabe c),

gestützt auf die Entscheidung Nr. 2496/96/EGKS der Kommission vom 18. Dezember 1996 zur Einführung gemeinschaftlicher Vorschriften über Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie(1),

nach Aufforderung der Beteiligten aufgrund der vorerwähnten Entscheidung zur Äußerung(2), und unter Berücksichtigung der eingegangenen Stellungnahmen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I. DAS VERFAHREN

(1) Nach in der belgischen Presse bekannt gewordenen Informationen wandte sich die Kommission wegen Betriebsbeihilfen, die das Stahlunternehmen Cockerill Sambre SA angeblich im Rahmen einer Arbeitszeitverkürzung erhalten hatte, am 23. November 1998 mit einem schriftlichen Auskunftsersuchen (D/54789) an die belgischen Behörden. Diese bestätigten mit Schreiben vom 11. Dezember 1998 die Richtigkeit der Information, erklärten aber gleichzeitig, dass es sich ihrer Ansicht nach nicht um staatliche Beihilfen handle.

(2) Die Kommission hat Belgien mit Schreiben vom 25. Januar 2000 von ihrem Beschluss in Kenntnis gesetzt, wegen der Maßnahmen das Verfahren nach Artikel 6 Absatz 5 der Entscheidung Nr. 2496/96/EGKS (nachstehend der Stahlbeihilfekodex) zu eröffnen.

(3) Die Entscheidung der Kommission über die Eröffnung des Verfahrens wurde im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht(3). Darin wurden alle Beteiligten zur Äußerung zu den betreffenden Maßnahmen aufgefordert.

(4) Die Kommission hat Stellungnahmen erhalten und diese Belgien am 23. Mai 2000 mit der Aufforderung übermittelt, sich hierzu zu äußern. Die diesbezüglichen Kommentare Belgiens gingen mit Schreiben vom 8. Juni 2000 bei der Kommission ein.

II. AUSFÜHRLICHE BESCHREIBUNG DER BEIHILFE

(5) Die Beihilfe Belgiens zugunsten des Unternehmens Cockerill Sambre SA beläuft sich auf 553,3 Mio. BEF (13,7 Mio. EUR) und besteht aus zwei Elementen:

1. Herabsetzung der Arbeitgeberabgaben zur sozialen Sicherheit um insgesamt 418 Mio. BEF (10,36 Mio. EUR) während sieben Jahren von 1999 bis 2005 durch die belgische Regierung.

2. Zuschuss der wallonischen Regierung in Höhe von 135,3 Mio. BEF (3,35 Mio. EUR) während desselben Zeitraums von sieben Jahren.

(6) Diese Beihilfe wurde im Zusammenhang mit einer Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit der tarifgebundenen Arbeitnehmer des Unternehmens von 37 auf 34 Stunden gewährt. Sie betrifft 1852 Arbeitnehmer und erstreckt sich auf den Zeitraum 1999-2005.

(7) Die Beihilfe der belgischen Regierung wurde aufgrund des königlichen Erlasses vom 24. Dezember 1993 gewährt, der einen Plan zur Herabsetzung bestimmter Beiträge zur sozialen Sicherheit im Hinblick auf die Umverteilung der Arbeit enthält(4). Dieser Erlass wurde für Unternehmen in Schwierigkeiten oder in der Umstrukturierung durch den königlichen Erlass vom 24. Februar 1997 ergänzt, der die Möglichkeit vorsah, unter noch günstigeren Bedingungen von der Herabsetzung der Arbeitgeberbeiträge zu profitieren. Diese Bedingungen betreffen insbesondere die Zahl der zu schaffenden Arbeitsplätze und den Zeitraum während dem eine Herabsetzung der Sozialbeiträge eingeräumt werden kann. Dieser Zeitraum deckt sich mit dem Zeitraum, während dem das Unternehmen als in Schwierigkeiten oder in der Umstrukturierung befindlich anerkannt wird und kann bis zu höchstens sieben Jahren verlängert werden. Am 28. Juli 1997 erklärte die belgische Regierung Cockrill Sambre SA als ein in der Umstrukturierung befindliches Unternehmen, und am 19. Mai 1998 wurde dem Unternehmen die aufgrund des königlichen Erlasses vom 24. Dezember 1993 vorgesehene Möglichkeit zuerkannt, seine Sozialbeiträge unter den noch günstigeren Bedingungen des Erlasses vom 24. Februar 1997 herabzusetzen.

(8) Die wallonische Regierung gewährte ihre Beihilfe zusätzlich zu der Beihilfe der belgischen Regierung am 18. Dezember 1998. Die Beihilfe wird den Arbeitnehmern von einer zu diesem Zweck gegründeten Vereinigung ohne Erwerbszweck gezahlt.

(9) Die Beihilfen wurden gewährt, um das Lohnniveau der tarifgebundenen Arbeitnehmer des Unternehmens während eines Zeitraums von sieben Jahren trotz der Arbeitszeitverkürzung aufrecht zu erhalten, da das Unternehmen denselben Stundenlohn wie früher zahlt. Tatsächlich haben die tarifgebundenen Arbeitnehmer während der Tarifrunde 1997/98 eine Arbeitszeitverkürzung von wöchentlich 37 auf 34 Stunden verlangt und konnten diese Forderung nach den folgenden Modalitäten durchsetzen:

1. unbefristete Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit von 37 auf 34 Stunden;

2. Aufrechterhaltung der Arbeitszeit für sämtliche tarifgebundenen Arbeitnehmer im Rahmen des Plans "Horizon 2000" und dadurch Schaffung von 150 neuen Arbeitsplätzen, deren Gesamtzahl sich somit auf 1852 erhöht hat;

3. Aufrechterhaltung des Lohnniveaus von 1998, bis durch die Lohnindexierung ein entsprechender Lohn auf der Grundlage von 34 Stunden erreicht ist (voraussichtlich Ende 2005).

(10) Das Unternehmen zahlt lediglich den Teil der Entlohnung, der einem Lohn von 34 Stunden entspricht, welcher jährlich indexiert ist. Die Differenz zwischen dem vom Unternehmen gezahlten Betrag und der Entlohnung wird aus verschiedenen Quellen finanziert:

1. von den Arbeitnehmern selber aufgrund der Lohnerhöhung, auf die sie 1997 und 1998 Anspruch hatten, aber verzichtet haben (29,2 Mio. BEF = 0,7 Mio. EUR);

2. von der belgischen Regierung aufgrund der Beihilfen für die Schaffung von 150 neuen Arbeitsplätzen infolge der Neugestaltung der Arbeitszeit (418 Mio. BEF = 10,4 Mio. EUR);

3. von der wallonischen Regierung durch Beihilfen, die zu den von der belgischen Regierung gewährten Beihilfen hinzukommen (135,3 Mio. BEF = 3,4 Mio. EUR).

III. STELLUNGNAHME VON BETEILIGTEN

(11) Die Kommission hat im Rahmen des Verfahrens Stellungnahmen der UK Steel Association und der Ständigen Vertretung des Vereinigten Königreichs bei der Europäischen Union erhalten.

(12) Diese beiden Stellungnahmen kommen den Zweifeln entgegen, die die Kommission in ihrer Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens zum Ausdruck gebracht hat. Demnach wird die Auffassung vertreten, dass die betreffenden Maßnahmen Beihilfen zugunsten von Cockerill Sambre SA darstellen, die mit dem Stahlbeihilfekodex unvereinbar sind.

IV. BEMERKUNGEN BELGIENS

(13) In seinen Bemerkungen erklärt Belgien nochmals seinen bereits vor der Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens bezogenen Standpunkt, dass die betreffenden Maßnahmen keine staatlichen Beihilfen darstellen.

(14) Belgien behauptet, dass das Unternehmen weder einen direkten noch einen indirekten finanziellen Nutzen aus den Maßnahmen zieht und folglich die fraglichen öffentlichen Interventionen keine staatlichen Beihilfen darstellen. Das Fehlen eines finanziellen Vorteils begründet Belgien wie folgt:

1. Der Arbeitsumverteilungsplan (nachstehend AUP) wurde von den Arbeitnehmern vorgeschlagen, und Cockerill Sambre hat sich mit diesem Plan nur unter der Voraussetzung einverstanden erklärt, dass das Vorhaben keine Mehrkosten für das Unternehmen verursacht. Demnach würden durch die öffentlichen Beihilfen keine von Cockerill gegenüber seinen tarifgebundenen Arbeitnehmern eingegangenen Verpflichtungen finanziert. Im Tarifvertrag von 1998 über den AUP steht angeblich Folgendes: "Der vorliegende Tarifvertrag hängt wirtschaftlich von der Voraussetzung ab, dass ein öffentlicher Ausgleich in Höhe der paritätisch festgelegten Beträge gezahlt wird. Wird dieser Ausgleich nicht gezahlt, würden die Tarifpartner gemeinsam die Lage und die Möglichkeit der Durchführung der vorliegenden Vereinbarung überprüfen."

2. Die Herabsetzung der Sozialbeiträge hat für Cockerill Sambre keinen wirtschaftlichen Vorteil. Dies ergibt sich daraus, dass das Unternehmen die hieraus resultierenden Einsparungen in voller Höhe an die Arbeitnehmer weitergegeben hat, so dass die öffentlichen Mittel der belgischen Regierung nur durch das Unternehmen hindurchgelaufen sind, ohne seine frühere Belastung zu vermindern. Die öffentlichen Mittel der wallonischen Region nehmen im Übrigen nicht einmal den Umweg über das Unternehmen.

3. Cockerill Sambre muss für die von den tarifgebundenen Arbeitnehmern vor dem AUP abgearbeitete Stundenzahl weiterhin dieselben gesetzlichen und tariflichen Kosten zahlen. Der Stundenlohn bleibt für das Unternehmen im Anschluss an den AUP derselbe, da es, wie bereits erwähnt wurde, die neue Arbeitszeit nur unter der Voraussetzung genehmigt hat, dass ihm keine Mehrkosten dadurch entstehen.

4. Cockerill Sambre muss zusätzliche Nachteile und Belastungen auf sich nehmen, z. B. weitere Ausbildungskosten, geringere Verfügbarkeit, Heraufsetzung der Festkosten je Einheit, Verwaltungsmehrkosten, organisatorische Schwierigkeiten usw. Diese zusätzlichen Kosten sind angeblich relativ hoch und werden vom Unternehmen getragen.

5. Das Unternehmen hat zwei Buchführungsunternehmen mit der Erstellung eines Berichts beauftragt, in dem festgestellt wird, dass die Berechnungsweise des Unternehmens korrekt ist und seine finanziellen und buchmäßigen Angaben über die Anwendung des AUP im Jahr 1999 bestätigt werden können. Belgien gelangt daher zu dem Schluss, dass alle finanziellen Vorgänge, auch die öffentlichen Interventionen, ausschließlich den Arbeitnehmern zugute kommen und das Unternehmen von den öffentlichen Mitteln auf keinen Fall profitiert.

(15) Nach Auffassung Belgiens reicht es nicht aus, dass die Beihilfen den Arbeitnehmern eines bestimmten Unternehmens gewährt wurden, um zu behaupten, dass diese Beihilfen nicht als Beihilfen zugunsten von Einzelpersonen angesehen werden können. Dabei stützt sich Belgien auf die Entscheidung über die belgischen Interventionen zugunsten des Unternehmens SA Duferco Clabecq(5), in der die Kommission die Auffasung vertrat, dass das zusätzliche Arbeitslosengeld an die ehemaligen Arbeitnehmer der Forges de Clabecq bis zu ihrem 65. Lebensjahr keine staatliche Beihilfe zugunsten des Unternehmens, sondern eine Beihilfe zugunsten von Einzelpersonen war.

(16) Außerdem vertritt Belgien die Auffassung, dass die Beihilfen eine Sozialmaßnahme zugunsten der tarifgebundenen Arbeitnehmer von Cockerill Sambre darstellen. Angeblich hat die Kommission früher ähnliche Maßnahmen genehmigt, insbesondere Beihilfen der französischen Behörden zugunsten des Fischereisektors in ganz konkreten Situationen, aufgrund sofortiger Bedürfnisse der Antragsteller und ohne tatsächliche wirtschaftliche Auswirkung, die den freien Wettbewerb unter den Unternehmen beeinträchtigen könnte.

V. BEURTEILUNG DER MASSNAHMEN

Rechtsgrundlage der Beurteilung

(17) Cockerill Sambre SA ist ein integriertes Stahlunternehmen mit Sitz in der wallonischen Region. Bis Anfang 1999 handelte es sich um ein öffentliches Unternehmen, dessen Kapital mehrheitlich der wallonischen Region gehörte. In diesem Jahr wurde das Unternehmen nämlich an den französischen Stahlkonzern Usinor privatisiert. Als integriertes Stahlunternehmen fällt Cockerill Sambre SA in den Anwendungsbereich des EGKS-Vertrags. Die Beihilfen zugunsten des Unternehmens müssen daher auf der Grundlage des Stahlbeihilfekodex untersucht werden.

(18) Gemäß Artikel 6 des Kodex müssen die Mitgliedstaaten der Kommission jeden Transfer staatlicher Mittel zugunsten des Stahlsektors notifizieren. Außerdem müssen sie alle Vorhaben melden, bei denen der Stahlindustrie Beihilfen in Anwendung von aufgrund des EG-Vertrags von der Kommission genehmigten Beihilferegelungen gewährt werden. Die Kommission muss feststellen, ob die betreffenden Maßnahmen Beihilfen im Sinne des Artikels 1 Absatz 2 des Stahlbeihilfekodex darstellen und gegebenenfalls mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind.

(19) Die Kommission hat in ihrer Mitteilung über die Leitlinien für Beschäftigungsbeihilfen(6) die Kriterien veröffentlicht, anhand deren sie prüft, ob Interventionen des Staates zugunsten der Beschäftigung staatliche Beihilfen darstellen. Anhand dieser Kriterien muss auch im vorliegenden Fall festgestellt werden, ob die fraglichen Interventionen Beihilfen darstellen und ob sie gegebenenfalls mit dem EGKS-Vertrag und folglich mit dem Stahlbeihilfekodex vereinbar sind. Letzterer sieht keine Beschäftigungs- oder Betriebsbeihilfen in Verbindung mit den Lohnkosten vor.

Untersuchung der von Belgien vorgebrachten Argumente

(20) Belgien vertritt die Ansicht, dass jede staatliche Beihilfe dem begünstigten Unternehmen im Vergleich zu den übrigen konkurrierenden Unternehmen einen Vorteil verschafft. Doch im Gegensatz zur Behauptung Belgiens hat Cockerill Sambre aus den Beihilfen einen finanziellen und wirtschaftlichen Nutzen gezogen. Die hieraus resultierenden Vorteile sind der Situation gegenüberzustellen, in der sich das Unternehmen befände, hätte es (oder würde es) keine Beihilfe erhalten, und sind nicht mit der Situation in der Vergangenheit zu vergleichen. Denn:

1. die Tatsache, dass die Arbeitnehmer den AUP vorgeschlagen haben und das Unternehmen den Plan nur unter der Voraussetzung angenommen hat, dass es die hieraus resultierende Mehrbelastung nicht zu tragen braucht, ändert nichts daran, dass es sich bei der öffentlichen Intervention um eine staatliche Beihilfe handelt. Die sich aus Tarifverträgen ergebenden Kosten sind unabhängig von der Frage, wer die Initiative ergriffen hat, von den Unternehmen zu tragen. Schaltet sich der Staat unmittelbar in die Verhandlungen oder im Nachhinein zur Finanzierung der Kosten ein, liegt tatsächlich eine staatliche Beihilfe zugunsten des betreffenden Unternehmens vor. Nicht weil Cockerill Sambre seit Beginn der Verhandlungen gefordert hat, dass die mit der Vereinbarung einhergehende finanzielle Belastung vom Staat übernommen wird, und dieser Standpunkt im Tarifvertrag festgehalten wurde, sind die Lohnkosten seiner Arbeitnehmer etwa nicht mehr vom Unternehmen zu zahlen. Das Verhalten von Cockerill Sambre zeigt vielmehr, dass es sich der Bedeutung des erhaltenen Vorteils durchaus bewusst ist.

2. Auch die Tatsache, dass die öffentlichen Mittel durch das Unternehmen lediglich hindurch- oder nicht einmal hindurchlaufen, sondern letztendlich für die Arbeitnehmer bestimmt sind, ändert nichts daran, dass es sich um eine staatliche Beihilfe handelt. Wichtig ist vielmehr, dass mit den öffentlichen Geldern ein Teil der Vergütung einer Gruppe von Arbeitnehmern von Cockerill Sambre finanziert wird. Für die Einstufung als staatliche Beihilfe ist nicht die Frage der Organisation und Verwaltung dieser Gelder, sondern die Art der Ausgaben, die damit finanziert werden, entscheidend.

3. Außerdem bringt Belgien das Argument vor, dass die Lohnkosten je Stunde für das Unternehmen unverändert sind. Tatsächlich sind diese vom Unternehmen übernommenen Kosten unverändert geblieben, da die Mehrkosten infolge des AUP vom Staat übernommen wurden. Die Lohnkosten je Einheit für das Unternehmen blieben stets dieselben, würde der Staat die Mehrkosten infolge neuer Tarifverträge einschließlich finanzieller Vorteile für die Arbeitnehmer zahlen. Der Vorteil für das Unternehmen beruht gerade darin, dass es die mit seinen tarifgebundenen Arbeitnehmern vereinbarte Heraufsetzung der Lohnkosten nicht aus eigenen Mitteln finanziert.

4. Die Tatsache, dass das Unternehmen die indirekten Mehrkosten infolge des AUP nicht in seine Zahlungsverweigerung einbezogen hat, ist ebenfalls kein treffendes Argument, da diese Weigerung, wie weiter oben erwähnt wurde, überhaupt keine Bedeutung für die Feststellung der Art der ihm zugeflossenen Gelder selbst in Verbindung mit einer solchen Weigerung hat. Die Arbeitskosten gehören zu den wesentlichen Kosten jedes Unternehmens und dürfen zu keinem Zeitpunkt auf den Staat übertragen werden.

5. Wie bereits erwähnt wurde, sind Organisation und Verwaltung der öffentlichen Gelder durch ein Unternehmen kein stichhaltiges Element, um festzustellen, ob die Bereitstellung dieser Gelder durch den Staat eine staatliche Beihilfe darstellt. Dass die Rechnungsprüfer zu dem Schluss gelangt sind, die Kapitalströme in Verbindung mit den fraglichen öffentlichen Geldern seien normal gewesen, ist bei der Feststellung, ob die betreffende staatliche Intervention eine staatliche Beihilfe darstellt oder nicht, nicht ausschlaggebend.

(21) Nach Auffassung Belgiens ist die Tatsache, dass die Beihilfen nur an die betreffenden Arbeitnehmer gezahlt werden, weil sie Arbeitnehmer von Cockerill Sambre sind, nicht entscheidend, um die Beihilfen als Beihilfen an das Unternehmen und nicht als Beihilfe an Einzelpersonen einzustufen. Belgien ist davon überzeugt, dass die Kommission diesen Standpunkt in ihrer Entscheidung über die ehemaligen Arbeitnehmer des Unternehmens Forges de Clabecq bezogen hat. Genau das Gegenteil trifft zu: Nur weil Forges de Clabecq Konkurs angemeldet hatte, konnten die staaatlichen Beihilfen zugunsten der früheren Arbeitnehmer des Unternehmens als Beihilfen an Einzelpersonen angesehen werden. Als ihnen die Beihilfen zuerkannt wurden, waren sie nämlich nicht mehr Arbeitnehmer von Forges de Clabecq.

(22) Außerdem vertritt Belgien die Auffassung, dass die betreffenden staatlichen Beihilfen eine Sozialmaßnahme zugunsten dieser Gruppe von Arbeitnehmern darstellen. Belgien behauptet, dass die Kommission in einem ähnlichen Beihilfefall im französischen Fischereisektor in diesem Sinne entschieden hat. Da der Verweis nicht belegt wird, kann die Kommission die fragliche Entscheidung nicht wiederfinden und auch nicht kommentieren. Sie erinnert jedoch daran, dass der Fischereisektor in den Anwendungsbereich des EG-Vertrags fällt und in diesem Sektor verschiedene Arten von Beihilfen unter bestimmten Voraussetzungen, die aufgrund des EGKS-Vertrags, dem Cockerill Sambre unterliegt, nicht möglich sind, gewährt werden können.

Beurteilung der Vereinbarkeit der Beihilfe

(23) Die Kommission hat weiter oben ausgeführt, warum sie die von Belgien vorgebrachten Argumente nicht akzeptieren kann. Nach den in den Leitlinien für Beschäftigungsbeihilfen niedergelegten Kriterien gelangt sie zu dem Schluss, dass die fraglichen Beihilfen keine Beihilfen zugunsten von Einzelpersonen, sondern Beihilfen zugunsten des Unternehmens sind. Mit ihnen werden Kosten im Zusammenhang mit Arbeitsleistungen von Arbeitnehmern von Cockerill Sambre finanziert. Derartige Kosten bilden einen wesentlichen Teil der Betriebskosten jedes Unternehmens, und wird ihre Finanzierung vom Staat übernommen, so stellt diese tatsächlich eine staatliche Beihilfe zugunsten des Unternehmens dar.

(24) Die Kommission stellt außerdem, wie bereits in ihrer Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens fest, dass die staatlichen Beihilfen aufgrund eines Gesetzes gezahlt wurden, das die Kommission für mit dem EG-Vertrag vereinbar hielt, und Belgien verpflichtet war, bei der Anwendung dieses Gesetzes bei Beihilfen auf zentraler Ebene die besonderen sektoralen Vorschriften zu befolgen. Dieser Teil der Beihilfen ist also in Zuwiderhandlung gegen die Entscheidung der Kommission gewährt worden, die die staatliche Beihilferegelung genehmigt hatte. Die Regionalbeihilfen wurden ihrerseits als Ad-hoc-Beihilfen gewährt. Bei diesen Beihilfen handelt es sich demnach nicht um allgemeine Maßnahmen, sondern um Beihilfen, die einem bestimmten Unternehmen zugute gekommen sind.

VI. SCHLUSS

(25) Die Kommission stellt fest, dass Belgien in Zuwiderhandlung gegen Artikel 6 Absätze 1 und 2 des Stahlbeihilfekodex die Beihilfe zugunsten von Cockerill Sambre SA rechtswidrig durchgeführt hat.

(26) Die Beihilfe ist eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 1 des Stahlbeihilfekodex. Sie kann einer Beihilfe nach Artikel 2 bis 5 des Kodex nicht gleichgesetzt werden und ist demnach mit dem EGKS-Vertrag und dem reibungslosen Funktionieren des Gemeinsamen Marktes unvereinbar -

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die Beihilfe Belgiens zugunsten des Stahlunternehmens Cockerill Sambre SA in Höhe von 553,3 Mio. BEF (13,7 Mio. EUR) stellt eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 1 des Stahlbeihilfekodex dar und ist mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.

Artikel 2

(1) Belgien ergreift alle notwendigen Maßnahmen, um die in Artikel 1 genannte, rechtswidrig zur Verfügung gestellte Beihilfe von Cockerill Sambre SA zurückzufordern und alle weiteren Zahlungen einzustellen.

(2) Die Rückforderung der Beihilfe erfolgt unverzüglich nach den nationalen Verfahren, sofern diese die sofortige, tatsächliche Vollstreckung der Entscheidung ermöglichen. Die zurückzufordernde Beihilfe umfasst Zinsen von dem Zeitpunkt an, ab dem die rechtswidrige Beihilfe dem Empfänger zur Verfügung stand bis zu ihrer tatsächlichen Rückzahlung. Die Zinsen werden auf der Grundlage des für die Berechnung des Subventionsäquivalents der Regionalbeihilfen verwendeten Bezugssatzes berechnet.

Artikel 3

Belgien teilt der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach der Bekanntgabe dieser Entscheidung die Maßnahmen mit, die ergriffen wurden, um der Entscheidung nachzukommen.

Artikel 4

Diese Entscheidung ist an das Königreich Belgien gerichtet.

Brüssel, den 15. November 2000

Für die Kommission

Mario Monti

Mitglied der Kommission

(1) ABl. L 338 vom 28.12.1996, S. 42.

(2) ABl. C 88 vom 25.3.2000, S. 8.

(3) Siehe Fußnote 2.

(4) Dieser Erlass wurde von der Kommission mit Schreiben vom 30. Juni 1994 (D/9395) genehmigt als mit dem EG-Vertrag vereinbare Beihilfe.

(5) ABl. C 20 vom 22.1.1998, S. 3.

(6) ABl. C 334 vom 12.12.1995, S. 4.