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Mitteilung der Kommission betreffend Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Bauten oder Grundstücken durch die öffentliche Hand

Amtsblatt Nr. C 209 vom 10/07/1997 S. 0003 - 0005


Mitteilung der Kommission betreffend Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Bauten oder Grundstücken durch die öffentliche Hand (97/C 209/03)

(Text von Bedeutung für den EWR)

I. EINFÜHRUNG

Die Kommission hat in den vergangenen Jahren in mehreren Fällen Verkäufe von Bauten oder Grundstücken der öffentlichen Hand im Hinblick auf damit verbundene staatliche Beihilfen an die erwerbenden Unternehmen überprüft. Um ihr allgemeines Vorgehen im Hinblick auf das Problem der staatlichen Beihilfe durch Verkäufe von Bauten oder Grundstücken der öffentlichen Hand transparenter zu gestalten und die Anzahl der Fälle, die sie zu prüfen hat, zu verringern, hat die Kommission einen allgemeinen Leitfaden an die Mitgliedstaaten formuliert.

Der folgende Leitfaden an die Mitgliedstaaten

- beschreibt ein einfaches Verfahren, das den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gibt, Verkäufe von Bauten oder Grundstücken in einer Weise abzuwickeln, daß staatliche Beihilfen grundsätzlich ausgeschlossen wären;

- bezeichnet eindeutig die Verkäufe von Bauten oder Grundstücken, die der Kommission notifiziert werden sollten, damit sie bewerten kann, ob ein bestimmtes Geschäft eine Beihilfe beinhaltet oder nicht und wenn ja, ob die Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist oder nicht;

- bietet der Kommission die Möglichkeit, ohne langwierige Verfahren Beschwerden und Anträge von Dritten zu behandeln, die sie auf versteckte Beihilfen bei Verkäufen von Bauten oder Grundstücken aufmerksam machen.

Dieser Leitfaden berücksichtigt, daß in den meisten Mitgliedstaaten durch Haushaltsvorschriften sichergestellt wird, daß öffentliches Eigentum grundsätzlich nicht unter seinem Marktwert verkauft wird. Daher sind die verfahrensbezogenen Vorsichtsmaßnahmen, die empfohlen werden, um eine Kollision mit Vorschriften über staatliche Beihilfen zu vermeiden, so formuliert, daß die Mitgliedstaaten normalerweise den Empfehlungen nachkommen könnten, ohne die nationalen Verfahren zu ändern.

Der Leitfaden betrifft nur Verkäufe von Bauten oder Grundstücken der öffentlichen Hand. Er betrifft nicht den Erwerb von Grundstücken oder die Abtretung oder Vermietung von Grundbesitz durch die öffentliche Verwaltung. Derartige Geschäfte können ebenfalls Elemente staatlicher Beihilfe enthalten.

Der Leitfaden berührt nicht besondere Vorschriften und Verfahrensweisen der Mitgliedstaaten, um die Qualität des privaten Wohnungswesens und den Zugang dazu zu fördern.

II. GRUNDSÄTZE

1. Verkauf durch ein bedingungsfreies Bietverfahren

Der Verkauf von Bauten oder Grundstücken nach einem hinreichend publizierten, allgemeinen und bedingungsfreien Bietverfahren (ähnlich einer Versteigerung) und die darauf folgende Veräußerung an den meistbietenden oder den einzigen Bieter stellt grundsätzlich einen Verkauf zum Marktwert dar und enthält damit keine staatliche Beihilfe. Es spielt keine Rolle, ob vor dem Bietverfahren eine andere Bewertung des Gebäudes oder des Grundstücks existierte, z. B. für Buchungszwecke oder um ein beabsichtigtes erstes Mindestangebot bereitzustellen.

a) Hinreichend publiziert ist ein Angebot, wenn es über einen längeren Zeitraum (zwei Monate und mehr) mehrfach in der nationalen Presse, Immobilienanzeigern oder sonstige geeignete Veröffentlichungen und durch Makler, die für eine große Anzahl potentieller Käufer tätig sind, bekanntgemacht wurde und so allen potentiellen Käufern zur Kenntnis gelangen konnte.

Die Absicht, Bauten oder Areale zu verkaufen, die wegen ihres großen Wertes oder wegen anderer Merkmale typischerweise für europaweit oder sogar international tätige Investoren von Interesse sein dürften, sollte in Publikationen bekanntgemacht werden, die regelmäßig international beachtet werden. Begleitend sollten derartige Angebote durch europaweit oder international tätige Makler verbreitet werden.

b) Bedingungsfrei ist eine Ausschreibung, wenn grundsätzlich jeder Käufer unabhängig davon, ob und in welcher Branche er gewerblich tätig ist, das Gebäude oder Grundstück erwerben und für seinen wirtschaftlichen Zweck nutzen kann und darf. Einschränkungen aus Gründen des Nachbar- oder Umweltschutzes oder zur Vermeidung rein spekulativer Gebote sowie raumordnungsrechtliche Einschränkungen für den Eigentümer eines Grundstücks nach nationalem Recht beeinträchtigen nicht die Bedingungsfreiheit eines Angebots.

c) Wenn es eine Verkaufsbedingung ist, daß der künftige Eigentümer besondere Verpflichtungen erfuellen muß, die sich nicht aus dem allgemeinen nationalen Recht der Entscheidungen der Planungsbehörden ergeben, oder Verpflichtungen für den allgemeinen Schutz und die Erhaltung der Umwelt und der öffentlichen Gesundheit zugunsten der öffentlichen Hand oder der Allgemeinheit übernimmt, so ist das Angebot als bedingungsfrei im oben erwähnten Sinn nur anzusehen, wenn alle potentiellen Erwerber nicht in der Lage wären, diese Verpflichtung zu erfuellen, unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit oder ob sie eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben oder nicht.

2. Verkauf ohne bedingungsfreies Bietverfahren

a) Unabhängige Gutachten

Wenn die öffentliche Hand nicht beabsichtigt, das unter Ziffer 1 dargelegte Verfahren anzuwenden, sollte vor den Verkaufsverhandlungen eine unabhängige Bewertung durch (einen) unabhängige(n) Sachverständige(n) für Wertermittlung erfolgen, um auf der Grundlage allgemein anerkannter Marktindikatoren und Bewertungsstandards den Marktwert zu ermitteln. Der so festgestellte Marktpreis ist der Mindestkaufpreis, der vereinbart werden kann, ohne daß eine staatliche Beihilfe gewährt würde.

Ein "Sachverständiger für Wertermittlung" ist eine Person mit einwandfreiem Leumund, die

- einen geeigneten Abschluß an einer anerkannten Ausbildungsstätte oder eine gleichwertige akademische Qualifikation erworben hat;

- in der Ermittlung von Anlagevermögenswerten nach Standort und Kategorie des Vermögenswerts sachkundig und erfahren ist.

Wenn in einem Mitgliedstaat keine geeigneten akademischen Qualifikationen erworben werden können, soll der Sachverständige für Wertermittlung Mitglied eines anerkannten Fachorgans für die Ermittlung von Anlagevermögenswerten sein und

- vom Gericht oder einer gleichgestellten Behörde bestellt werden oder

- mindestens über eine abgeschlossene höhere Schulbildung und ein ausreichendes Ausbildungsniveau mit wenigstens dreijähriger praktischer Erfahrung nach dem Erwerb der Qualifikation und über Kenntnisse in der Wertermittlung von Grundstücken und Gebäuden der besonderen Lokalität verfügen.

Der Sachverständige für Wertermittlung übt seine Aufgaben unabhängig aus, d. h., öffentliche Stellen sind nicht berechtigt, hinsichtlich des Ermittlungsergebnisses Anweisungen zu erteilen. Staatliche Bewertungsbüros, Beamte oder Angestellte gelten solange als unabhängig, wie eine unzulässige Einflußnahme auf ihre Feststellungen effektiv ausgeschlossen ist.

Unter Marktwert ist der Preis zu verstehen, der zum Zeitpunkt der Bewertung aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages über Bauten oder Grundstücke zwischen einem verkaufswilligen Verkäufer und einem ihm nicht durch persönliche Beziehungen verbundenen Käufer unter den Voraussetzungen zu erzielen ist, wobei das Grundstück offen am Markt angeboten wurde, die Marktverhältnisse einer ordnungsgemäßen Veräußerung nicht im Wege stehen und eine der Bedeutung des Objektes angemessene Verhandlungszeit zur Verfügung steht (1).

b) Toleranz

Erweist es sich nach vernünftigen Bemühungen als unmöglich, das Gebäude oder Grundstück zu dem festgelegten Marktwert zu veräußern, kann eine Abweichung bis zu 5 % gegenüber dem festgelegten Marktwert als marktkonform betrachtet werden. Erweist es sich nach einer weiteren angemessenen Zeitspanne als unmöglich, das Gebäude oder Grundstück zum Marktwert abzüglich dieser Toleranzmarge zu veräußern, so kann eine Neubewertung vorgenommen werden, die die Erfahrungen und eingegangenen Angebote berücksichtigt.

c) Besondere Verpflichtungen

Besondere Verpflichtungen, die mit dem Gebäude oder Grundstück und nicht mit dem Käufer oder seinen Wirtschaftstätigkeiten verbunden sind, können im öffentlichen Interesse an den Verkauf geknüpft werden, solange jeder potentielle Käufer sie unabhängig davon, ob und in welcher Branche er gewerblich tätig ist, zu erfuellen hätte und grundsätzlich erfuellen könnte. Der wirtschaftliche Nachteil solcher Verpflichtungen sollte getrennt bewertet und kann mit dem Kaufpreis verrechnet werden. Bei der Bewertung sind Verpflichtungen zu berücksichtigen, die ein Unternehmen auch im eigenen Interesse (Werbung, (Kultur- und Sport-)Sponsoring, Image, Verbesserung des eigenen Umfelds, Erholung der eigenen Mitarbeiter) übernimmt.

Die wirtschaftliche Belastung, die an Verpflichtungen geknüpft ist, die nach allgemeinem Recht jeden Grundstückseigner treffen, sind nicht vom Kaufpreis abzuziehen (Pflege und Erhaltung des Geländes im Rahmen der allgemeinen Sozialbindung des Eigentums, Entrichtung von Steuern und sonstigen Abgaben).

d) Gestehungskosten der öffentlichen Hand

Die für die öffentliche Hand anfallenden primären Kosten des Gebäude- oder Grundstückserwerbs sind ein Indikator für den Marktwert, wenn zwischen dem Erwerb und dem Verkauf des von der öffentlichen Hand erworbenen Gebäudes oder Grundstücks nicht ein beträchtlicher Zeitraum lag. Deshalb gilt grundsätzlich, daß während eines Zeitraums von mindestens drei Jahren vor dem Verkauf von der öffentlichen Hand erworbene Bauten oder Grundstücke grundsätzlich nicht unter den eigenen Gestehungskosten verkauft werden dürfen, wenn nicht der unabhängige Sachverständige allgemein zurückgehende Marktpreise für Bauten und Grundstücke im relevanten Markt ermittelt hat.

3. Anmeldung

Demgemäß sollen die Mitgliedstaaten unbeschadet der De-minimis-Bestimmung (2) die im folgenden aufgeführten Transaktionen bei der Kommission anmelden, damit diese feststellen kann, ob staatliche Beihilfen vorliegen, und in Fällen, in denen eine solche Beihilfe vorliegt, beurteilen kann, ob sie mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist:

a) alle Veräußerungen, die nicht aufgrund eines allgemeinen und bedingungsfreien Bietverfahrens an den meistbietenden oder einzigen Bieter erfolgen und

b) alle Veräußerungen ohne ein solches Verfahren, die nicht mindestens zu dem von unabhängigen Sachverständigen festgelegten Marktwert getätigt wurden.

4. Beschwerden

Wenn die Kommission mit einer Beschwerde oder sonstigem Vorbringen Dritter befaßt wird, wonach in einem Gebäude- oder Grundstücksverkauf der öffentlichen Hand eine staatliche Beihilfe enthalten war, so geht sie davon aus, daß dies nicht zutrifft, soweit aus der Mitteilung des betreffenden Mitgliedstaats hervorgeht, daß die genannten Grundsätze beachtet wurden.

(1) Artikel 49 Absatz 2 der Richtlinie 91/674/EWG des Rates (ABl. Nr. L 374 vom 31. 12. 1991, S. 7).

(2) ABl. Nr. C 68 vom 6. 3. 1996, S. 9.