31993D0508

93/508/EWG: Entscheidung der Kommission vom 7. Juli 1993 über die von der italienischen Regierung beschlossene Beihilfe zugunsten der Keramikindustrie in Latium (Nur der italienische Text ist verbindlich)

Amtsblatt Nr. L 238 vom 23/09/1993 S. 0038 - 0043


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION vom 7. Juli 1993 über die von der italienischen Regierung beschlossene Beihilfe zugunsten der Keramikindustrie in Latium (Nur der italienische Text ist verbindlich)

(93/508/EWG)DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 93 Absatz 2 erster Unterabsatz,

nachdem sie den Beteiligten gemäß vorgenanntem Artikel Gelegenheit zur Äusserung gegeben hat,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I Die italienische Region Latium hat mit dem Regionalgesetz Nr. 90 vom 14. Dezember 1990 (1) eine Beihilferegelung zugunsten der Keramikindustrie eingeführt. Artikel 1 bestimmt, daß zur Sicherung der Beschäftigung und zur Förderung und Entwicklung lokaler Traditionen im Raum Civita Castellana, Fabrica di Roma, Gallese, Corchiano, Castel Sant'Elia, Nepi, Faleria, Stimigliano, Cittaducale, Forano und Castel S. Angelo von der Region eine Werbekampagne für Keramikartikel wie Sanitärerzeugnisse, Tafelgeschirr und Töpferware aus Keramik finanziert werden kann, die von Unternehmen hergestellt werden, die in dem vorgenannten Gebiet ihren Sitz und ihre Produktionsstätten haben. Die Merkmale der förderungswürdigen Erzeugnisse werden von der Regionalregierung festgesetzt.

Artikel 2

des Regionalgesetzes Nr. 90/90 bestimmt, daß Investitionen zur Sicherstellung der vorerwähnten Merkmale von der Regionalregierung durch Zuschüsse bis zu 25 % der zuschußfähigen Kosten gefördert werden können.

Artikel 3

bestimmt, daß für die Werbekampagne ein Betrag von 1 000 Millionen Lit und für die Investitionsförderung ein Betrag von 5 000 Millionen Lit bereitgestellt werden.

Mit Entscheidung Nr. 1468 der Regionalregierung Latium vom 3. März 1992 wurden die Spezifikationen der förderungswürdigen Erzeugnisse gemäß Artikel 1 Punkt 2 des Regionalgesetzes Nr. 90/90 festgelegt. Eine vorausgegangene Entscheidung (Entscheidung Nr. 11944 vom 17. Dezember 1991) bestimmt, daß die zuschußfähigen Kosten Leasing-Kosten und die Abschreibungen für längstens drei Jahre wie auch die Kosten für externe Beratung, für die Einführung von Qualitätssicherungssystemen und für Ausbildung sowie bestimmte Betriebskosten umfassen. Alle zuschußfähigen Kosten müssen im Zusammenhang mit der Einführung von werkseigenen Qualitätssicherungssystemen, qualitätsbezogenen Maßnahmen der Verfahrensinnovation und dem Erwerb von Dienstleistungen zur Verbesserung oder Kontrolle der Qualität des Inputs, des Herstellungsverfahrens und des Outputs stehen. Die Beihilfe wird in Form eines Zuschusses von 25 % der zuschußfähigen Kosten mit einem Hoechstbetrag von 300 Millionen Lit je Unternehmen gewährt. Eine Kumulierung mit anderen regionalen oder nationalen Beihilfen ist bis maximal 70 % der zuschußfähigen Kosten zulässig.

Weder das Regionalgesetz Nr. 90 von 1990 noch die Entscheidungen Nr. 11944 von 1991 und Nr. 1468 von 1992 wurden der Kommission im voraus gemeldet, wie es Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages vorschreibt.

II Mit Schreiben ihrer Ständigen Vertretung vom 29. Oktober 1992 hat die italienische Regierung die fragliche Beihilferegelung der Kommission gemeldet. In ihrer Meldung wies die italienische Regierung darauf hin, daß das fragliche Gesetz ungeachtet der Tatsache, daß es bereits in Kraft getreten ist, erst nach Genehmigung seitens der Kommission angewendet würde.

Die Kommission befand, daß die Notifizierung nicht rechtzeitig erfolgt ist, da weder das Regionalgesetz Nr. 90/90 noch die Entscheidung Nr. 1468 eine auf das Erfordernis der vorherigen Genehmigung durch die Kommission bezogene Aufschubklausel enthält. Die Kommission hat die Beihilferegelung deshalb als eine nichtangemeldete Beihilfe behandelt. Ferner befand die Kommission, daß die Beihilfe geeignet wäre, eine Verfälschung des Wettbewerbs und eine Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten im Sinne des Artikels 92 Absatz 1 EWG-Vertrag zu bewirken, und daß sie nicht für eine der in diesem Artikel vorgesehenen Ausnahmen in Betracht zu kommen scheint. Insbesondere befand die Kommission, daß die in Artikel 92 Absatz 3 Buchstaben a) und c) vorgesehenen gebietsbezogenen Ausnahmen nicht anwendbar sind, da für die Beihilfe Unternehmen sowohl aus Fördergebieten als auch aus nichtgeförderten Gebieten in Betracht kommen und eine Kumulierung mit Regionalbeihilfen möglich ist. Auch kann nicht unterstellt werden, daß die Beihilfen für Werbung und für der Qualitätsverbesserung dienende Investitionen die Entwicklung der Keramikindustrie fördern, ohne im Sinne von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c) die Handelsbedingungen in einer Weise zu verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft. Weiterhin hat die italienische Regierung nicht die Notwendigkeit der Beihilfe, die zudem auch nicht den von der Kommission aufgestellten Kriterien für die Zulässigkeit von Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen zu erfuellen scheint, nachgewiesen. Die Kommission hat daher beschlossen, das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag einzuleiten.

Die italienische Regierung wurde von dieser Entscheidung mit Schreiben vom 18. Januar 1993 unterrichtet und dabei aufgefordert, sich binnen einem Monat zu äussern. Auch den übrigen Mitgliedstaaten und anderen Beteiligten wurde Gelegenheit zur Äusserung gegeben (2).

III Erst mit Schreiben vom 8. April 1993 übermittelte die italienische Regierung ihre Bemerkungen im Rahmen besagten Verfahrens. Sie wiederholte dabei ihre frühere Aussage, wonach bis zur Genehmigung durch die Kommission noch keine Beihilfen im Rahmen der fraglichen Beihilferegelung gewährt worden sind. Bezueglich der Werbekampagne wies die italienische Regierung darauf hin, daß diese auf Italien beschränkt bliebe und von der Region Latium durchgeführt würde. Zu den zuschußfähigen Kosten führte die italienische Regierung aus, daß diese neben "weichen" Ausgaben für Ausbildung und externe Beratung auch Investitionskosten umfassen und daß für die letztere Gruppe nur die jährlichen Abschreibungen für maximal drei Jahre berücksichtigt werden würden, wodurch sich die Beihilfenintensität verringern würde. Des weiteren wies die italienische Regierung darauf hin, daß es sich bei den begünstigten Unternehmen durchgängig um kleine und mittlere Unternehmen oder Zusammenschlüsse solcher Unternehmen handelt. Weiterhin hob die italienische Regierung die regionalen Probleme im Raum Civita Castellana, die positiven Auswirkungen der Beihilfe auf die Beschäftigungslage und die Besonderheiten der in diesem Gebiet hergestellten Keramikwaren hervor, durch die sich die Auswirkung der Beihilfe auf den innergemeinschaftlichen Wettbewerb verringern würde. Schließlich erklärte die italienische Regierung, daß die Region Latium die Möglichkeit einer Kumulierung mit anderen Beihilfen streichen und eine genauere Beschreibung der Begünstigten oder der zuschußfähigen Kosten geben würde.

Im Rahmen des Verfahrens gingen bei der Kommission auch Bemerkungen der britischen Regierung, der deutschen Regierung, des Verbindungsbüros der europäischen Keramikindustrie CERAM-UNIE und der British Ceramic Manufacturers Federation ein.

Diese Bemerkungen wurden der italienischen Regierung mit Schreiben vom 6. April 1993 zwecks Stellungnahme zugeleitet. Die Stellungnahme der italienischen Regierung wurde mit Schreiben vom 17. Mai 1993 übermittelt, in dem des weiteren ausgeführt wurde, daß insgesamt 30 Unternehmen für die Beihilferegelung in Betracht kommen.

IV Die Finanzierung einer Werbekampagne in Italien durch die Region Latium mit 1 000 Millionen Lit zwecks Förderung des Verkaufs von Keramikartikeln aus dem Raum Civita Castellana stellt eine Beihilfe an die Hersteller dieser Erzeugnisse in dem genannten Gebiet im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag dar. Die Tatsache, daß dieser Betrag den Unternehmen nicht unmittelbar zur Verfügung gestellt wird, sondern von den Regionalbehörden verausgabt wird, ändert insofern nichts an der Einschätzung, als die betreffenden Unternehmen die unmittelbaren Nutznießer der Werbekampagne, die sie im normalerweise selbst zu finanzieren hätten, sind.

Die im Regionalgesetz Nr. 90/90 und in der Regionalentscheidung Nr. 11944/91 vorgesehenen Zuschüsse bis zu 25 % der zuschußfähigen Kosten mit einem Gesamtbetrag von 5 000 Millionen Lit zugunsten der Keramikindustrie im Raum Civita Castellana stellen Beihilfen an die betreffenden Unternehmen dar, die Investitionen vornehmen und die Qualität ihrer Produkte auf verschiedene Weise verbessern können, ohne die Kosten hierfür in voller Höhe tragen zu müssen.

Die Kommission stellt somit fest, daß die Hersteller von Keramikartikeln im Raum Civita Castellana eine Beihilfe in Höhe von insgesamt 6 000 Millionen Lit (3,3 Millionen ECU zum Zeitpunkt dieser Entscheidung) erhalten.

V Nach Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag wird die Kommission von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen so rechtzeitig unterrichtet, daß sie sich dazu äussern kann. Diese Vorschrift ist dahin gehend auszulegen, daß die Notifizierung vor Abschluß des Normensetzungsprozesses zur Begründung eines Beihilfeanspruchs zu erfolgen hat. Im vorliegenden Fall wurden das Regionalgesetz Nr. 90/90 wie auch die darin vorgesehenen Regionalentscheidungen ohne vorherige Notifizierung bei der Kommission und ohne eine Klausel, mit der die Gewährung der Beihilfe von der Genehmigung seitens der Kommission abhängig gemacht wird, erlassen. Die Tatsache, daß bisher noch keine Beihilfen an einzelne Unternehmen ausgezahlt worden sind, ändert nichts an der Auffassung der Kommission, daß die italienische Regierung es versäumt hat, die von ihr beabsichtigte Beihilfengewährung nach Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag zu notifizieren.

VI Die Hersteller von Tafelgeschirr, Töpferwaren und Sanitärartikeln aus Keramik stehen miteinander im Wettbewerb, und die genannten Erzeugnisse werden zwischen den Mitgliedstaaten gehandelt. Laut Schreiben an die italienische Regierung vom 18. Januar 1993, mit dem diese zur Äusserung aufgefordert wurde, ist Italien ein Netto-Exporteur von Sanitärartikeln und Tafelgeschirr aus Keramik.

1990 lieferte Italien 21 533 Tonnen keramische Sanitärartikel (KN-Code 6910) nach anderen Mitgliedstaaten und bezog von dort 2 304 Tonnen. Im gleichen Jahr lieferte Italien 36 283 Tonnen Keramikgeschirr (KN-Codes 6911 und 6912) nach anderen Mitgliedstaaten und bezog von dort 26 377 Tonnen.

1991 lieferte Italien 20 569 Tonnen keramische Sanitärartikel nach anderen Mitgliedstaaten und bezog 2 288 Tonnen. Im gleichen Jahr lieferte Italien 37 976 Tonnen Keramikgeschirr nach anderen Mitgliedstaaten und bezog 29 286 Tonnen.

In den ersten elf Monaten von 1992 lieferte Italien 17 346 Tonnen Sanitärartikel aus Keramik nach anderen Mitgliedstaaten und bezog 2 988 Tonnen. Im gleichen Zeitraum lieferte Italien 33 617 Tonnen Keramikgeschirr nach anderen Mitgliedstaaten und bezog 24 554 Tonnen.

Wird die Stellung bestimmter Unternehmen gegenüber anderen mit ihnen in der Gemeinschaft im Wettbewerk stehenden Unternehmen durch Finanzbeihilfen gestärkt, so ist davon auszugehen, daß diese Beihilfen den Wettbewerb mit diesen anderen Unternehmen verfälschen.

In ihrer Äusserung im Rahmen des Verfahrens führte die italienische Regierung aus, daß Sanitärartikel das Hauptprodukt der Keramikindustrie im Raum Civita Castellana sind. Wegen der typischen Merkmale dieser Steingutprodukte seien die wichtigsten Bewerber ausserhalb der Gemeinschaft ansässig. Von den insgesamt 3 150 000 Stück, die 1992 in diesem Raum hergestellt wurden, seien nur 20 % ausgeführt worden, davon 62,5 % nach Drittländern.

Dies vermag nichts an der Schlußfolgerung zu ändern, daß die Beihilfe an die Keramikindustrie im Raum Civita Castellana im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag den Wettbewerb zu verfälschen und den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen droht. Sanitärartikel aus Steingut werden auch in verschiedenen anderen Mitgliedstaaten - so vor allem Frankreich und Spanien - hergestellt, und Qualitäts-Sanitärartikel aus Steingut können bis zu einem gewissen Grad mit vergleichbaren teureren Porzellanerzeugnissen konkurrieren.

In Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag wird der Grundsatz aufgestellt, daß Beihilfen, die bestimmte im gleichen Artikel genannte Merkmale aufweisen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind.

Die in Artikel 92 Absatz 2 EWG-Vertrag vorgesehenen Ausnahmen von diesem Grundsatz sind angesichts der Art und der Zielsetzung der Beihilfe im vorliegenden Fall nicht anwendbar und wurden auch von der italienischen Regierung nicht geltend gemacht.

VII Artikel 92 Absatz 3 EWG-Vertrag bestimmt, welche Beihilfen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden können. Die Vereinbarkeit mit dem Vertrag ist im Kontext der Gemeinschaft und nicht dem eines einzelnen Mitgliedstaats zu beurteilen. Damit der Gemeinsame Markt funktionieren kann und die in Artikel 3 Buchstabe f) EWG-Vertrag aufgestellten Grundsätze Berücksichtigung finden, müssen die in Artikel 92 Absatz 3 aufgeführten Ausnahmen von der Grundsatzbestimmung des Artikels 92 Absatz 1 bei der Prüfung aller Beihilferegelungen oder Einzelbeihilfen strikt ausgelegt werden.

Insbesondere können die Ausnahmebestimmungen nur angewendet werden, wenn die Kommission befindet, daß ohne Gewährung der Beihilfe die Marktkräfte allein nicht ausreichen würden, um die Empfänger der Beihilfe zu veranlassen, so zu handeln, daß eines der verfolgten Ziele erreicht wird.

Würden die Ausnahmen in Fällen angewendet werden, die zu einem solchen Ziel nicht beitragen oder in denen die Beihilfe für diesen Zweck nicht erforderlich ist, so hieße dies, die Unternehmen oder Produktionszweige bestimmter Mitgliedstaaten durch Stärkung ihrer finanziellen Position ungerechtfertigt zu begünstigen und die Handelsbedingungen zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verfälschen, ohne daß hierfür eine Rechtfertigung aufgrund des in Artikel 92 Absatz 3 angesprochenen gemeinsamen Interesses vorläge.

Zu der in Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a) vorgesehenen Ausnahme für Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung bestimmter Gebiete ist anzumerken, daß in der Region Latium weder von einer aussergewöhnlich niedrigen Lebenshaltung noch von einer erheblichen Unterbeschäftigung im Sinne dieser Ausnahmebestimmung die Rede sein kann.

Zu den in Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe b) vorgesehenen Ausnahmen ist anzumerken, daß die Beihilfen nicht dazu bestimmt sind, eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben Italiens zu beheben oder wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse zu fördern; auch hat die italienische Regierung kein Argument für die Anwendung dieser Ausnahmebestimmungen vorgebracht.

Bezueglich der in Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c) vorgesehenen Ausnahme für Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft, nimmt die Kommission zur Kenntnis, daß die italienische Regierung im Rahmen des Verfahrens eine Änderung der Modalitäten der Beihilferegelung in dem Sinne angekündigt hat, daß jegliche Kumulierung mit anderen Beihilfen ausgeschlossen ist. Ebenso hat die italienische Regierung erklärt, daß nur kleine und mittlere Unternehmen mit höchstens 250 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von weniger als 20 Millionen ECU für die Beihilfe in Betracht kommen würden.

Die Kommission kennt die spezifischen Probleme kleiner und mittlerer Unternehmen und hat deshalb in ihrer Mitteilung 92/C 213/02 ( "Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen") (3) beschlossen, Investitionsbeihilfen bis zu 7,5 % brutto an Unternehmen mit nicht mehr als 250 Beschäftigten und entweder einem Jahresumsatz von nicht mehr als 20 Millionen ECU oder einer Bilanzsumme von nicht mehr als 10 Millionen ECU, die sich zu höchstens 25 % im Besitz eines oder mehrerer diese Definition nicht erfuellenden Unternehmen befinden, zu bewilligen. Für kleine Unternehmen mit nicht mehr als 50 Beschäftigten und entweder einem Jahresumsatz von nicht mehr als 5 Millionen ECU oder einer Bilanzsumme von nicht mehr als 2 Millionen ECU, die sich zu höchstens 25 % im Besitz eines oder mehrerer diese Definition nicht erfuellenden Unternehmen befinden, akzeptiert die Kommission nach dem Gemeinschaftsrahmen eine Investitionsbeihilfe bis zu 15 % brutto. Nach dem Gemeinschaftsrahmen akzeptiert die Kommission in der Regel bei Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen für die Beratung, Ausbildung und Verbreitung der Kenntnisse eine Brutto-Beihilfeintensität bis zu 50 %.

Die von der Region Latium beschlossene Beihilfe überschreitet diese Hoechstwerte jedoch.

Die Beihilfe zur Finanzierung einer Werbekampagne ist weder eine "weiche" Beihilfe noch eine Investitionsbeihilfe; vielmehr stellt sie eine Betriebsbeihilfe dar, da Werbung zu den Marketing-Aufwendungen gehört, von denen normalerweise erwartet wird, daß sie die Unternehmen als notwendige Geschäftsausgaben selbst finanzieren. Da eine solche Beihilfe sehr marktnah ist, würde sie die Handelsbedingungen in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise beeinträchtigen. Das Argument der italienischen Regierung, die Werbung beschränke sich auf Italien, ändert nichts an dieser Einschätzung, da solche Werbung eine einschränkende Wirkung auf tatsächliche und potentielle Einfuhren von Keramikartikeln aus anderen Mitgliedstaaten haben würde.

Auch die Zuschüsse in Höhe von 25 % der zuschußfähigen Kosten entsprechen nicht den Leitlinien der Gemeinschaft für Beihilfen an KMU. Die zuschußfähigen Kosten umfassen Investitionen in Anlagevermögen, insbesondere in innovative Maschinen. In ihrer Äusserung im Rahmen des Verfahrens hat die italienische Regierung darauf hingewiesen, daß die Investitionsbeihilfe weniger als 25 % betragen wird, da nur die Abschreibung für höchstens drei Jahre bezuschusst werden soll; bei einer insgesamt fünfjährigen Abschreibungsdauer werde die Investitionsbeihilfe daher 15 % brutto der Investitionskosten nicht überschreiten. Dies liegt aber immer noch deutlich über dem in den Beihilfeleitlinien der Kommission genannten Hoechstsatz von 7,5 % brutto für mittlere Unternehmen.

Die zuschußfähigen Kosten umfassen auch die Kosten des Erwerbs oder der Einrichtung von unternehmenseigenen Qualitätssicherungssystemen, für die Beihilfen in Höhe von 25 % gewährt werden können. Eine solche Beihilfe kann nicht als eine "weiche" Beihilfe eingestuft werden, sondern stellt ebenfalls eine Investitionsbeihilfe dar, die die in den Leitlinien der Kommission für Beihilfen an KMU genannten Hoechstsätze bei weitem überschreitet.

Die zuschußfähigen Kosten umfassen weiterhin die Kosten für Rohstoffe und Verbrauchsgüter, die für die Durchführung der Qualitätssicherungsprogramme benötigt werden und von den begünstigten Unternehmen spezifiziert werden müssen. Beihilfen, mit denen Unternehmen Rohstoffe und Verbrauchsgüter erwerben können, stellen weder "weiche" Beihilfen noch Investitionsbeihilfen, sondern vielmehr Betriebsbeihilfen dar, auf die die Ausnahmebestimmung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c) EWG-Vertrag nicht angewendet werden kann.

Schließlich umfassen die zuschußfähigen Kosten auch die Kosten für Ausbildung und externe Beratung. Nach den obenerwähnten Leitlinien der Kommission für staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen akzeptiert die Kommission solche "weichen" Beihilfen bis zu einem Beihilfesatz von 50 %. Die für diese Zwecke beschlossene Beihilfe von 25 % zugunsten der Keramikindustrie im Raum Civita Castellana bleibt in diesem Rahmen.

Die Kommission sieht keine Rechtfertigung für die Beihilfen, die ihren Rahmen für staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen überschreiten. Es ist völlig natürlich, daß Industrieunternehmen die Qualität ihrer Produkte zu verbessern trachten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Gewährung von Investitionsbeihilfen an bestimmte Hersteller zu diesem Zweck würde den Wettbewerb mit anderen Unternehmen verfälschen und den Handel beeinträchtigen. Auch gilt es zu berücksichtigen, daß die fragliche Beihilfe nicht generell für kleine und mittlere Unternehmen in Latium, sondern nur für Unternehmen eines speziellen Sektors vorgesehen ist. Die sektorale Konzentration finanzieller Mittel für ein horizontales Ziel wie die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen würde eindeutige wettbewerbsverzerrende Wirkungen gegenüber Wettbewerbern des betreffenden Sektors haben, und diese wettbewerbsverzerrende Wirkung würde von diesen Wettbewerbern als solche empfunden werden. Am stärksten wäre diese wettbewerbsverzerrende Wirkung, wenn die meisten oder alle Unternehmen des betreffenden Sektors kleine und mittlere Unternehmen sind, wie dies in der Keramikindustrie im Raum Civita Castellana offensichtlich der Fall ist.

Angesichts des scharfen Wettbewerbs im Keramiksektor, insbesondere bei Sanitärartikeln, die das Haupterzeugnis der Keramikindustrie im Raum Civita Castellana sind, würde die im Regionalgesetz Nr. 90/90 vorgesehene Investitionsbeihilfe zur Förderung der Qualitätsverbesserung die Handelsbedingungen insofern in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise beeinträchtigen, als sie die im Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen genannten Grenzwerte bei weitem überschreitet. Ebenso würde die Betriebsbeihilfe für Werbung und für Rohstoffe und Verbrauchsgüter die Handelsbedingungen in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise beeinträchtigen.

Teile der Region Latium kommen für eine Regionalförderung im Sinne der Ausnahmebestimmung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c) in Betracht.

Von den Gemeinden im Raum Civita Castellana liegt nur Stimigliano in einem Fördergebiet im Sinne von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c). Die Gemeinden Castel Sant'Elia, Civita Castellana, Corchiano, Fabrica di Roma, Faleria, Gallese und Nepi kommen für eine Förderung im Sinne des Ziels 5 b) der Strukturfonds gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 (4) in Betracht, nicht aber die Gemeinden Cittaducale, Forano und Castel S. Angelo. Folglich beschränkt sich die Beihilferegelung zugunsten der Keramikindustrie im Raum Civita Castellana nicht auf Unternehmen in Fördergebieten im Sinne von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c). Des weiteren stellt die Kommission fest, daß weder die Beihilfe für Werbung noch die Beihilfen zu den zuschußfähigen Kosten an die Bedingung einer Erst- oder Erweiterungsinvestition oder der Schaffung von Arbeitsplätzen im Sinne ihrer Koordinierungsgrundsätze für die Anwendung von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c) auf Regionalbeihilfen geknüpft werden. Aus all diesen Gründen erfuellt die fragliche Beihilferegelung nicht die Kriterien, bei denen zu unterstellen ist, daß sie die Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete fördern, ohne im Sinne von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c) die Handelsbedingungen in einer Weise zu verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft.

Die italienische Regierung hat im Rahmen des Verfahrens geltend gemacht, daß die fragliche Beihilferegelung der Beihilfe ähnelt, die die Kommission im Rahmen des operativen Programms für das Ziel Nr. 5 b), Unterprogramm 2, Punkte 2 und 4, für die Region Latium genehmigt hat. Die Kommission teilt diese Auffassung nicht. Zum einen sieht Unterprogramm 2 für die Jahre 1991-1993 vor, daß staatliche Beihilfen für bestimmte Investitionen kleiner und mittlerer Industrieunternehmen mit einer maximalen Beihilfenintensität von 15 % für Unternehmen mit nicht mehr als 50 Beschäftigten und von 7,5 % für Unternehmen mit 50-150 Beschäftigten akzeptiert werden; diese Hoechstbeträge stehen im Einklang mit dem obenerwähnten Gemeinschaftsrahmen. Die durch Regionalgesetz Nr. 90/90 eingeführte Beihilfenregelung sieht demgegenüber vor, daß die Keramikhersteller Investitionsbeihilfen bis zu 15 % oder selbst 25 % erhalten können. Weiterhin gilt es zu bedenken, daß für die Beihilfen des Unterprogramms 2 nach 1992 nur Industrieunternehmen in Ziel-5 b)-Gebieten in Betracht kommen, während die mit dem Regionalgesetz Nr. 90/90 eingeführte Beihilfenregelung für Keramikhersteller in diesen Gebieten wie auch ausserhalb dieser Gebiete gilt. Ausserdem sieht Unterprogramm 2 anders als die durch das Regionalgesetz Nr. 90/90 eingeführte Beihilfenregelung nicht die Möglichkeit vor, Beihilfen zur Finanzierung einer Werbekampagne für Keramikartikel zu gewähren, die von förderungswürdigen Unternehmen hergestellt werden. Aus all diesen Gründen geht die Beihilfe an die Keramikindustrie weit über die von der Kommission im Rahmen des Ziels Nr. 5 b) genehmigten Beihilfen hinaus.

Die Kommission hat dessenungeachtet auch berücksichtigt, daß Punkt 4.1 des vorerwähnten Gemeinschaftsrahmens den Fall abdeckt, daß Gebiete unter Ziel 2 oder Ziel Nr. 5 b) als förderungswürdig für Beihilfen aus den Strukturfonds aufgeführt sind, jedoch keine nationalen Fördergebiete sind. In diesen Gebieten können KMU bis Ende 1993 Investitionsbeihilfen bis zu einer bestimmten Höhe erhalten, die je nach Regelung festgelegt wird. Bezueglich der Beihilferegelung zugunsten der Keramikindustrie im Raum Civita Castellana vertritt die Kommission die Auffassung, daß die Investitionsbeihilfen-Hoechstsätze von 7,5 % für mittlere und von 15 % für kleine Unternehmen im Fall von Unternehmen in Ziel- Nr. 2- und Ziel- Nr. 5 b)-Gebieten bis Ende 1993 auf 10 bzw. 20 % heraufgesetzt werden können.

Dies deckt sich mit dem Standpunkt, den die Kommission in ihrer Entscheidung vom 2. Juni 1993 betreffend die durch das Gesetz Nr. 317/91 eingeführte allgemeine Beihilferegelung für KMU in Italien eingenommen hat. Für die Zeit nach 1993 werden sich die Beihilfehöchstsätze für Unternehmen in Ziel Nr. 2- und Ziel- Nr. 5 b)-Gebieten danach richten, ob diese Gebiete weiterhin unter diese Ziele fallen.

Punkt 4.1 des Gemeinschaftsrahmens sieht weiterhin vor, daß KMU in Gebieten nach Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c) zusätzlich zu dem von der Kommission genehmigten regionalen Förderhöchstsatz Beihilfen von weiteren 10 Brutto-Prozentpunkten für Investitionskosten bei einer Gesamthöchstintensität von 30 % netto erhalten können. Die Kommission stellt fest, daß die Gemeinde Stimigliano in einem solchen Gebiet liegt. Die italienische Regierung hat die Kommission im Rahmen des Verfahrens davon in Kenntnis gesetzt, daß sie eine Kumulierung von Beihilfen aus dem Regionalgesetz Nr. 90/90 mit anderen Beihilfen ausschließen wird, so daß eine Kumulierung mit den im gleichen Rahmen vorgesehenen Regionalbeihilfen nicht möglich ist.

Die italienische Regierung hat im Rahmen des Verfahrens mitgeteilt, daß die Region Latium die Beschreibung der Begünstigten oder die Art der zuschußfähigen Kosten präzisieren wird. Wie dargelegt, reichen die von der italienischen Regierung vorgeschlagenen Änderungen in den Modalitäten der fraglichen Beihilferegelung wie Beschränkung der Beihilfegewährung auf kleine und mittlere Unternehmen nicht aus, damit die Beihilferegelung als Ganzes für eine Ausnahme nach Artikel 92 Absatz 3 EWG-Vertrag in Betracht kommt. Die vorliegende Entscheidung soll klarstellen, welche Teile der Beihilferegelung die Voraussetzungen erfuellen, um als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden zu können, und welche Teile diese Voraussetzungen nicht erfuellen -

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

(1) Die in Artikel 1 Absatz 1 des Regionalgesetzes Nr. 90/90 der Region Latium zugunsten einer Werbekampagne für die Keramikindustrie im Raum Civita Castellana vorgesehenen Beihilfen in Höhe von 1 000 Millionen Lire sind unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag und dürfen nicht gewährt werden.

(2) Die in Artikel 2 des Regionalgesetzes Nr. 90/90 vorgesehene Investitionsbeihilfe in Höhe von 5 000 Millionen Lire zugunsten der kleinen und mittleren Unternehmen nach der Definition des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen sind mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar,

- sofern sie folgende Hoechstsätze nicht überschreiten:

- 20 % brutto für kleine Unternehmen in Gebieten, die zum Zeitpunkt der Beihilfengewährung unter Ziel Nr. 2 oder Ziel Nr. 5 b) des Strukturfonds als förderungswürdig aufgeführt sind;

- 15 % brutto für die übrigen kleinen Unternehmen;

- 10 % brutto für die mittleren Unternehmen in Gebieten, die zum Zeitpunkt der Beihilfengewährung unter Nr. 2 oder Ziel Nr. 5 b) des Strukturfonds als förderungswürdig aufgeführt sind;

- 7,5 % brutto für die übrigen mittleren Unternehmen;

- sofern der Ankauf von Rohstoffen und Verbrauchsgütern aus den zuschußfähigen Kosten ausgenommen wird.

Artikel 2

Die italienische Regierung setzt die Kommission binnen zwei Monaten ab dem Datum der Notifizierung dieser Entscheidung von den Maßnahmen in Kenntnis, die sie getroffen hat, um dieser Entscheidung nachzukommen.

Artikel 3

Diese Entscheidung ist an die Italienische Republik gerichtet.

Brüssel, den 7. Juli 1993

Für die Kommission

Karel VAN MIERT

Vizepräsident

(1) Bollettino Ufficiale della Regione Lazio Nr. 36 vom 29. 12. 1990.

(2) ABl. Nr. C 46 vom 18. 2. 1993, S. 3.

(3) ABl. Nr. C 213 vom 19. 8. 1992, S. 2.

(4) ABl. Nr. L 185 vom 15. 7. 1988, S. 9.