31991D0619

91/619/EWG: Entscheidung der Kommission vom 2. Oktober 1991 gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates (Fall IV/M.053 - Aerospatiale-Alenia/de Havilland) (Nur der englische, französische und italienische Text sind verbindlich)

Amtsblatt Nr. L 334 vom 05/12/1991 S. 0042 - 0061


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION vom 2. Oktober 1991 gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates (Fall IV/M.053 - Ärospatiale-Alenia/de Havilland) (Nur der englische, französische und italienische Text sind verbindlich) (91/619/EWG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft,

gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (1), insbesondere auf Artikel 8 Absatz 3,

im Hinblick auf die Entscheidung der Kommission vom 12. Juni 1991 zur Einleitung des Verfahrens in diesem Fall,

nachdem den beteiligten Unternehmen Gelegenheit gegeben wurde, sich zu den Einwänden der Kommission zu äussern,

nach Anhörung des Beratenden Ausschusses für Unternehmenszusammenschlüsse (2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

I. HINTERGRUND

Verfahren

(1) Dieses Verfahren betrifft einen am 13. Mai 1991 gemäß Artikel 4 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 ( "Fusionskontrollverordnung") angemeldeten Zusammenschluß, der aus dem gemeinsamen Erwerb der Vermögenswerte des Geschäftsbereichs de Havilland ( "de Havilland") der Böing Company ( "Böing") durch Ärospatiale SNI ( "Ärospatiale") und Alenia-Äritalia e Selenia SpA ( "Alenia") besteht.

(2) Am 4. Juni 1991 beschloß die Kommission gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Fusionskontrollverordnung die Aussetzung des Vollzugs des vorgesehenen Zusammenschlusses. Am 12. Juni 1991 leitete sie ein Verfahren nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c) der Verordnung ein.

Die Parteien

(3) Ärospatiale ist ein französisches Unternehmen der Luft- und Raumfahrtindustrie, dessen Produktion zivile und militärische Flugzeuge und Hubschrauber, Raketen, Satelliten, Weltraumfunksysteme und die Luftfahrtelektronik umfasst. Alenia ist ein italienisches Unternehmen, das ebenfalls vorrangig in der Luft- und Raumfahrtindustrie tätig ist. Das Unternehmen produziert Zivil- und Militärflugzeuge, Satelliten, Weltraumfunksysteme, Luftfahrtelektronik sowie Luft- und Seeverkehrsüberwachungssysteme. Ärospatiale und Alenia kontrollieren gemeinsam die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) Avions de Transport Régional (ATR), die 1982 mit dem Ziel gegründet wurde, Flugzeuge für den Regionalflugverkehr gemeinsam zu konzipieren, zu entwickeln, zu bauen und zu vertreiben. Zwei ATR-Turboprop-Maschinen für den Regionalflugverkehr sind bereits auf dem Markt.

(4) De Havilland - eine kanadische Niederlassung von Böing - produziert ausschließlich Regionalflugzeuge mit Turboprop-Triebwerken. Die frühere de Havilland Corporation ( "DHC") ist 1982 von der kanadischen Regierung verstaatlicht und 1986 an Böing verkauft worden. Derzeit sind zwei dieser Flugzeuge von de Havilland auf dem Markt.

II. ZUSAMMENSCHLUSS

(5) Das angemeldete Vorhaben ist ein Zusammenschluß in Form eines konzentrativen Gemeinschaftsunternehmens im Sinne von Artikel 3 der Fusionskontrollverordnung, insofern als

- de Havilland einem gemeinsam von Ärospatiale und Alenia kontrollierten Unternehmen unterstellt wird und

- der Geschhäftsbereich Regionalflugzeuge von Ärospatiale und Alenia bereits seit 1982 in der EWIV ATR zusammengefasst ist.

III. GEMEINSCHAFTSDIMENSION

(6) Der weltweite Gesamtumsatz von Ärospatiale, Alenia und de Havilland beläuft sich zusammen auf mehr als 5 Milliarden ECU (Ärospatiale: 4,7 Milliarden ECU; Finmeccanica-Gruppe, zu der Alenia gehört: 5,2 Milliarden ECU; de Havilland: 0,5 Milliarden ECU). Ärospatiale und Alenia erzielen in der Gemeinschaft jeweils einen Umsatz von mehr als 250 Millionen ECU. Ausserdem erzielen die beteiligten Unternehmen nicht mehr als zwei Drittel ihres gemeinschaftsweiten Gesamtumsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat.

Der Zusammenschluß ist demnach von gemeinschaftsweiter Bedeutung im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Fusionskontrollverordnung.

IV. ARTIKEL 2 DER VERORDNUNG

(7) Im Zuge des Zusammenschlusses werden Ärospatiale und Alenia, die den europa- und weltweit führenden Hersteller von Regionalflugzeugen ATR kontrollieren, de Havilland übernehmen, das europa- und weltweit zweitgrösste Unternehmen dieser Branche. Bei den Regionalflugzeugen handelt es sich um Flugzeuge mit 20 bis 70 Sitzen, die für eine Durchschnittsflugdauer von rund einer Stunde ausgelegt sind und von Regionalflugzeuggesellschaften eingesetzt werden. Im Regionalflugverkehr, der vor allem durch ein geringes Fluggastaufkommen gekennzeichnet ist, ist der Einsatz von Turboprop-Maschinen in der Regel kostengünstiger als der Betrieb von Düsenflugzeugen. Obwohl der Markt derzeit relativ hohe Zuwachsraten aufweist - eine Entwickung, die bis Mitte der 90er Jahre anhalten dürfte -, ist der Markt für Regionalflugzeuge im Vergleich zu den anderen Märkten der Luftfahrtindustrie bescheiden (Gesamtwert der Lieferungen neuer Regionalflugzeuge 1990 weltweit 2,3 Milliarden Dollar, d. h. weniger als 2 % des Gesamtwerts der Lieferungen der Luftfahrtindustrie).

1. Die sachlich relevanten Märkte

(8) Von dem geplanten Zusammenschluß sind die Märkte der Turboprop-Regionalflugzeuge betroffen.

Die Düsenflugzeuge, die derzeit für den Regionalflugverkehr entwickelt werden (z. B. die CL 601 RJ der Canadair mit 50 Sitzen), können diesen Märkten nicht zugerechnet werden. Nahezu alle hierzu befragten Hersteller von Regionalflugzeugen und Fluggesellschaften hielten es für unwahrscheinlich, daß Regional-Düsenflugzeuge mit herkömmlichen Turboprop-Maschinen vergleichbarer Kapazität konkurrieren können. Düsenflugzeuge sind in der Anschaffung und im Betrieb sehr viel teurer. Zudem ist die Zeitersparnis, die ein Düsenflugzeug gegenüber einer Turboprop-Maschine bietet, im Streckenbereich unterhalb von 400 bis 500 nautischen Meilen unerheblich. In der Regel werden Regionalflugzeuge auf weniger als halb so langen Strecken eingesetzt. Nach den Angaben der Parteien sind 85 % der Flugstrecken im regionalen Luftverkehr kürzer als 400 nautische Meilen. Zwischen den Märkten für Turboprop- und Düsen-Regionalflugzeugen sind daher keine nennenswerten Überschneidungen festzustellen.

Auch Düsenflugzeuge mit ca. 100 Sitzen, die für Kurz- und Mittelstreckenfluege bestimmt sind (vor allem die Böing 737, die Fokker 100 und die British Ärospace BÄ 146), stehen nicht im Wettbewerb mit Turboprop-Maschinen. Diese Düsenflugzeuge sind in der Anschaffung doppelt so teuer wie die grösste Turboprop-Maschine und werden auf längeren Strecken oder Strecken mit hohem Fluggastaufkommen eingesetzt. Die Kommission ist daher der Marktabgrenzung, wie sie von den Parteien und allen hierzu gehörten Wettbewerbern und Kunden vorgenommen wurde, gefolgt und hat die Düsenflugzeuge von den sachlich relevanten Märkten ausgeschlossen.

(9) Turboprop-Maschinen mit weniger als 20 Sitzen werden von den Parteien dem relevanten Markt nicht zugerechnet. Diese Sicht wird von der Industrie und den Abnehmern allgemein geteilt. Flugzeuge mit weniger als 20 Sitzen unterliegen anderen Zulassungsvoraussetzungen als Flugzeuge mit 20 bis 70 Sitzen. Für Flugzeuge mit 19 Sitzen und weniger sind die Sicherheitsanforderungen in bezug auf Bruchfestigkeit, Systemzuverlässigkeit, Widerstand gegen Materialermüdung, Schadenstoleranz, Feuersicherheit der Kabineneinrichtung usw. weniger hoch. Diese Flugzeuge sind kleiner und in bezug auf Komfort nicht mit den anderen Flugzeugen vergleichbar (sie haben z. B. in den meisten Fällen keine Toiletten, viele verfügen nicht über Druckkabinen und der normal grosse Passagier kann in der Kabine nicht aufrecht stehen. Die meisten dieser Flugzeuge sind nicht für die kommerzielle Beförderung von Passagieren entwickelt worden, sondern jeweils von Allzweck-Flugzeugen abgeleitet. Alle von der Kommission geprüften Unterlagen betreffend die voraussichtliche Entwicklung des gesamten Regionalflugzeugmarkts, Marktvergleiche der Hersteller und marktstrategische Analysen berücksichtigen lediglich Regionalflugzeuge mit 20 bis 70 Sitzen.

(10) Innerhalb des Marktes für Regionalflugzeuge wurde sowohl von den Parteien als auch von den im Rahmen der Untersuchung befragten Kunden und Wettbewerbern der Gesamtmarkt der Flugzeuge mit 20 bis 70 Sitzplätzen in Einzelmärkte untergliedert. Die Untergliederung des Gesamtmarkts in die einzelnen Teilmärkte wird von der Kommission als zutreffend angesehen.

Der sachlich relevante Markt umfasst alle Erzeugnisse, die vom Verbraucher hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Preise und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als austauschbar angesehen werden.

So können z. B. ein Regionalflugzeug mit 60 Sitzplätzen und ein 30sitziges Flugzeug nicht als austauschbar oder substituierbar gelten, da sie auf Strecken mit unterschiedlichem Passagieraufkommen eingesetzt werden. Zudem bestehen beträchtliche Preisunterschiede [ . . .] (3).

(11) Die Kommission hat bei ihrer Prüfung drei sachlich relevante Märkte ermittelt. Die an den unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen auf dem Gesamtmarkt ausgerichtete Abgrenzung unterscheidet zwischen Regionalflugzeugen mit 20 bis 39 Sitzen, 40 bis 59 Sitzen und 60 Sitzen und darüber.

(12) In direktem Wettbewerb miteinander stehen folgende Flugzeugtypen, die derzeit entwickelt oder produziert werden:

20 bis 39 Sitze 40 bis 59 Sitze 60 Sitze und darüber British Ärospace J 41 (27 Sitze)

Embrär 120 (30 Sitze)

Dornier Do 328 (30 Sitze)

Saab 340 (33 Sitze)

de Havilland

Dash 8-100 (36 Sitze) Casa CN 235 (44 Sitze)

ATR 42 (48 Sitze)

de Havilland

Dash 8-100 (50 Sitze)

Fokker 50 (50 Sitze)

Saab 2000 (50 Sitze) British Ärospace ATP (64 Sitze)

ATR 72 (66 Sitze)

(13) Dieser Analyse liegen folgende Überlegungen zugrunde:

- Die Marktaufteilung entspricht der Auffassung der überwiegenden Mehrheit der von der Kommission befragten Abnehmer und Wettbewerber. Nach Auffassung von 86 % der Kunden bilden die Flugzeuge mit 20 bis 39 Sitzplätzen einen gesonderten Produktionsmarkt. 68 % der Kunden nahmen eine weitere Unterteilung oberhalb dieses Marktsegments vor. Die übrigen 14 % schlugen vor, den gesamten Markt der Flugzeuge mit 20 bis 70 Sitzen in mindestens zwei Produktmärkte aufzuteilen, nahmen die Abgrenzung jedoch an anderer Stelle vor als die Mehrzahl der Kunden.

Die Wettbewerber von ATR und de Havilland - Saab, Embrär, Fokker, British Ärospace und Dornier - grenzten die Gruppe der 20- bis 39sitzigen Regionalflugzeuge ebenfalls als gesonderten Produktmarkt ab. Saab, Fokker und Embrär ordneten ferner Flugzeuge, die in der mittleren Gruppe der 40- bis 59sitzigen Maschinen miteinander konkurrieren, und Flugzeuge mit 60 und mehr Sitzplätzen gesonderten Produktmärkten zu. Nur Casa unterschied drei Teilmärkte der Flugzeuge mit 15 bis 30 Sitzplätzen, mit 31 bis 49 Sitzplätzen und mit 50 bis 70 Sitzplätzen und nahm eine deutlich andere Marktabgrenzung vor.

- Die Tabelle in Randnummer 12 weist eindeutige Ballungen bei Flugzeugen mit rund 30 Sitzplätzen, mit 50 und mit 65 Sitzplätzen auf. In der Luftfahrtindustrie und bei den Kunden wird im allgemeinen davon ausgegangen, daß die verschiedenen Flugzeugtypen dieser Gruppen in direktem Wettbewerb miteinander stehen. Für die ATR 42 z. B. ist der stärkste Konkurrent die Dash 8-300 von de Havilland und die Fokker 50. Hauptkonkurrenten der Dash 8-100 sind die Saab 340 und die Embrär 120. Die Marktsegmente entsprechen somit den Gruppen von Flugzeugen, die gewöhnlich von den Fluggesellschaften gegeneinander abgewogen werden.

- Diese Abgrenzung ist insofern einleuchtend, als ATR, de Havilland, Saab und British Ärospace Flugzeugtypen entwickelt haben, die in einem anderen Marktsegment als das Ausgangsmodell im Wettbewerb stehen. Es ist nicht zu erwarten, daß ein Flugzeughersteller einen neuen Typ entwickelt, der unter normalen Voraussetzungen mit einem anderen Typ seines Produktionsprogramms in direktem Wettbewerb stuende. Andere Marktaufteilungen, wonach z. B. die beiden Flugzeugtypen von de Havilland unmittelbar im Wettbewerb miteinander stuenden, sind als nicht realistisch anzusehen.

(14) Zu einer möglichen Substituierbarkeit der Teilmärkte aus der Sicht der Hersteller ist festzustellen, daß es mittelfristig für die Hersteller von Regionalflugzeugen durchaus möglich wäre, vorhandene Typen z. B. durch Erhöhung der Zahl der Sitzplätze zu modifizieren, um etwa ein neues Flugzeug in einer höheren Klasse zu entwickeln (z. B. von der ATR 42 zur ATR 72). Dies ändert jedoch nichts an der Feststellung, daß ein Flugzeugtyp in einer Gruppe nicht einen Typ einer anderen Gruppe ersetzen kann. Zudem wäre einer von den Parteien in Auftrag gegebenen Studie zufolge die Umstellung der Produktion von 30sitzigen Flugzeugen auf 50sitzige Flugzeuge mit einem erheblichem Zeitaufwand verbunden - über drei oder vier Jahre -, soweit die technischen Voraussetzungen hierfür überhaupt gegeben wären.

(15) Die Parteien lehnen die von der Kommission vorgenommene Abgrenzung der sachlich relevanten Märkte ab. In ihrer Anmeldung schlagen sie vor, den Gesamtmarkt in zwei gesonderte Marktsegmente - Flugzeuge mit 20 bis 50 Sitzplätzen und Flugzeuge mit 51 bis 70 Sitzplätzen - zu unterteilen. Diese Marktaufteilung wird in erster Linie damit begründet, daß nach den Rechtsvorschriften der meisten Länder für Flugzeuge mit mehr als 50 Sitzplätzen eine zweite Flugbegleiterin vorgeschrieben ist, wodurch sich die Betriebskosten der Fluggesellschaft beträchtlich erhöhen.

Diese vorgeschlagene Marktaufteilung ist jedoch in sich nicht schlüssig. Unterschieden wird zwischen Flugzeugen mit 20 bis 50 Sitzplätzen und Flugzeugen mit 51 Sitzplätzen und mehr. In der Gruppe der grösseren Flugzeugtypen werden von den Parteien die 50sitzige Dash 8-300, die Fokker 50 und die Saab 2000 aufgeführt. Dieser Unterteilung zufolge wird die ATR 42 mit 48 Sitzplätzen einem anderen Produktmarkt zugeordnet. Dies entspricht jedoch nicht den Marktgegebenheiten, da die ATR 42 von Wettbewerbern und Kunden als grösster unmittelbarer Wettbewerber der 50-Sitzer-Maschinen angesehen wird.

(16) Nach der Eröffnung des Verfahrens durch die Kommission änderten die Parteien ihre ursprünglich vorgeschlagene Marktaufteilung dahin gehend, daß sie den gesamten Markt (Flugzeuge mit 20 bis 70 Sitzplätzen) nunmehr als den relevanten Produktmarkt bezeichneten. Jegliche Marktaufteilung wird von ihnen zumindest bis zu einem gewissen Grad als willkürlich angesehen. Die Ermittlungen der Kommission haben jedoch ergeben, daß die überwiegende Mehrheit der Wettbewerber und Kunden der oben beschriebenen Aufteilung der relevanten Produktmärkte zustimmt. Dadurch wird die Behauptung der Parteien widerlegt, die Marktaufteilung sei willkürlich, und deren Forderung zurückgewiesen, die Teilmärkte als einen Markt anzusehen.

(17) Die Parteien machen geltend, daß die Anzahl der Sitzplätze nicht der einzige Faktor sei, den die Fluggesellschaften in ihrer Entscheidung über den Flugzeugtyp berücksichtigten. Andere Faktoren wie technische Eigenschaften und direkte Betriebskosten seien ebenfalls von Bedeutung. Daher stuenden auch Flugzeugtypen unterschiedlicher Grösse unmittelbar miteinander im Wettbewerb.

Nach Auffassung der Kommission ziehen die Parteien aus der Tatsache, daß die Kunden bei ihrer Entscheidung zum Erwerb eines Flugzeugs mehrere Faktoren berücksichtigen, einen falschen Schluß:

- Denn Fluggesellschaften, die ein neues Flugzeug erwerben wollen, stellen zunächst fest, welche Merkmale die Strecken aufweisen, auf denen das Flugzeug eingesetzt werden soll. Hierzu zählen vor allem das voraussichtliche Passagieraufkommen und die Flugfrequenz. Ferner sind der Umfang der Geschäftsreisen und die Anzahl der Zeitnischen zu berücksichtigen. Passagieraufkommen und Frequenz bestimmen die geeignetste Anzahl der Sitzplätze für die fraglichen Strecken. Der Flugzeugbedarf einer Gesellschaft wird daher in erster Linie durch die ungefähre Anzahl der Sitzplätze bestimmt, die für das Streckennetz erforderlich sind.

- Ist der geschätzte Grundkapazitätsbedarf ermittelt, so wird die Fluggesellschaft eine Auswahl unter den Flugzeugen treffen, die die benötigte Kapazität aufweisen. In der Regel werden Flugzeuge ausgewählt, die in den erwähnten relevanten Produktmärkten zusammengefasst sind. Dies geht auch aus der Befragung der Kunden und der Ballung der Flugzeugtypen hervor. Nach Bestimmung der erforderlichen Grundkapazität werden andere Faktoren wie Preis, direkte Betriebskosten, technische Merkmale und Komfort herangezogen. Diese Faktoren bestimmen, für welchen Flugzeugtyp aus der in Frage kommenden Gruppe der Auftrag erteilt wird.

- Diese allgemeine Beurteilung wird von den von der Kommission befragten Kunden bestätigt. Andere Faktoren als die Anzahl der Sitzplätze bestimmen daher nicht die sachlich relevanten Märkte, sondern nur das innerhalb eines bestimmten Produktmarkts am besten geeignete Flugzeug.

(18) Die Parteien haben angeführt, daß zwei Flugzeuge, die verschiedenen, allerdings benachbarten Teilmärkten im Sinne der beschriebenen Abgrenzung angehörten, in acht Fällen (in einem nicht näher angegebenen Zeitraum) miteinander im Wettbewerb standen. Die allgemeine Beurteilung wird aus den nachstehenden Gründen durch diese sehr begrenzten Ausnahmen nicht wiederlegt.

Unter aussergewöhnlichen Umständen ist es denkbar, daß ein Kunde seine Wahl unter Flugzeugen trifft, die sich in ihrer Kapazität beträchtlich unterscheiden. Anhand von Angaben der Parteien soll im folgenden ein solcher gedachter Fall erörtert werden. Auf Strecken mit geringem Fluggastaufkommen (z. B. 30 Passagiere im Durchschnitt), aber höherer Auslastung in Spitzenzeiten, könnte eine Fluggesellschaft den Erwerb einer ATR 42 mit einer Kapazität von 48 Sitzplätzen gegen den Kauf einer Embrär 120 mit 30 Sitzplätzen abwägen. Die Rentabilitätsschwelle ist, was die Anzahl der Passagiere für einen Durchschnittsflug (150 nautische Meilen) anbelangt. [. . .] (4).

Hier wäre allerdings einzuwenden, daß die Fluggesellschaft mit dem Erwerb der ATR 42 in der Lage wäre, die zu Spitzenzeiten gegebenenfalls höhere Nachfrage zu befriedigen. Es mag daher Strecken mit geringem Fluggastaufkommen geben, bei denen die Fluggesellschaft ein grösseres Flugzeug als wettbewerbsfähig gegenüber einem kleineren Flugzeug ansieht. Auf Strecken mit höherem Fluggastaufkommen allerdings können grössere Flugzeuge nicht durch kleine ersetzt werden.

Zwischen den Teilmärkten mag es daher eine gewisse Substituierbarkeit kleinerer Flugzeuge durch grössere geben, doch gilt dies umgekehrt nicht in gleichem Masse.

Die Parteien haben auf drei Fälle verwiesen, die sie als Beispiel für die Substitution eines grösseren Flugzeugs durch ein kleineres anführen. In zwei Fällen handelt es sich um amerikanische Fluggesellschaften, im dritten Fall um eine skandinavische Gesellschaft. Diese Beispiele zeigen jedoch nur, daß diese Fluggesellschaften sich nicht für Flugzeuge derselben Kapazität beim Ersatz sehr alter Maschinen einer früheren Generation entschieden haben. Dies ist nicht weiter erstaunlich, da nicht zu erwarten ist, daß die Streckenmerkmale über einen langen Zeitraum hinweg unverändert bleiben. Eine Untersuchung des Marktpotentials (5) durch ATR kommt allerdings zu dem Ergebnis, daß als Ersatz für ein bestimmtes Flugzeug entweder ein Flugzeug vergleichbarer Kapazität oder ein Flugzeug einer höheren Sitzplatzkategorie gewählt wird.

(19) Die Parteien behaupten, daß kleine Flugzeuge grössere Flugzeuge insofern ersetzen könnten, als die Fluggesellschaften die Anzahl der Flüge erhöhen könnten. Dies wird jedoch, wie das nachstehende Beispiel zeigt, nicht als realistisch angesehen.

Würde man eine 66sitzige ATR 72 beispielsweise durch eine 33sitzige Saab 340 ersetzen, so müsste die Fluggesellschaft mit der Saab 340 doppelt so viele Flüge durchführen, um die gleiche Anzahl von Passagieren auf einer bestimmten Strecke zu befördern.

Dies wäre nur durchführbar, wenn die direkten Betriebskosten der Saab 340 weniger als 50 % oder 50 % der Betriebskosten der ATR 72 betrügen (6). Den Angaben der Parteien zufolge machen die direkten Betriebskosten der Saab 340 [. . .] der Betriebskosten der ATR 340 aus. Dies bedeutet, daß einer Fluggesellschaft, die einen Flug mit einer ATR 72 durch zwei Flüge mit einer Saab 340 ersetzen wollte, um [. . .] höhere Kosten entstuenden (7). Dies wäre wirtschaftlich nicht tragbar, vor allem, da Fluggesellschaften mit sehr geringen Gewinnspannen arbeiten. Beträchtliche Verluste wären die Folge.

Voraussetzung für die Verdoppelung der Flugfrequenz ist zudem, daß der Fluggesellschaft doppelt so viele Zeitnischen zugeteilt werden. Dies ist angesichts der allgemeinen Slot-Knappheit - vor allem in der EG und besonders auf den Hauptflughäfen - keine realistische Ausnahme. Auch wenn doppelt so viele Slots zur Verfügung stuenden, wäre es fraglich, ob die zusätzlichen Zeitnischen zu geeigneten Zeiten verfügbar wären. Dies ist für Strecken mit Geschäftsreiseverkehr von besonderer Bedeutung.

2. Der räumliche relevante Markt

(20) Die Regionalflugzeugmärkte sind wirtschaftlich gesehen Weltmärkte. Für die Einfuhr dieser Flugzeuge in die EG bestehen keine spürbaren Schranken. Die Transportkosten fallen nicht ins Gewicht.

Die wechselseitige Durchdringung der Märkte ist in Europa und Nordamerika besonders ausgeprägt. Europäische Hersteller konkurrieren erfolgreich auf den nordamerikanischen Märkten, während der kanadische Wettbewerber de Havilland über eine starke Marktposition in der EG verfügt. ATR beispielsweise verkauft 39 % ihrer ATR 42 in Nordamerika, während de Havilland 50 % ihrer Dash 8-300 in Europa absetzt. Der wichtigste Markt der übrigen Welt ist die asiatische Pazifikregion. Die meisten Hersteller von Regionalflugzeugen - vor allem Casa, Fokker, ATR und de Havilland - sind hier vertreten.

China und die osteuropäischen Länder werden in den Analysen der Parteien dem Weltmarkt nicht zugerechnet. Dies erscheint insofern zutreffend, als zwischen den Märkten Chinas und Osteuropas einerseits und dem übrigen Weltmarkt andererseits keine gegenseitige Durchdringung besteht und dies auch in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist. Einige dieser Länder - insbesondere die UdSSR und China - verfügen über eine eigene Luftfahrtindustrie, die die Inlandsnachfrage deckt. Die dort produzierten Flugzeuge genügen nicht den Zulassungsanforderungen für Fluggesellschaften in anderen Teilen der Welt. Umgekehrt sind die von westlichen Herstellern produzierten Flugzeuge zu spezialisiert und für die Fluggesellschaften in China und Osteuropa in der Regel zu teuer. Langfristig ist zwar nicht auszuschließen, daß solche Flugzeuge in Osteuropa in grösserem Umfang nachgefragt werden, doch dies wird von der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung dieser Länder abhängen.

Als räumlicher relevanter Markt wird daher der Weltmarkt mit Ausnahme Chinas und Osteuropas angesehen.

3. Marktstruktur

(21) In der Anmeldung wird vorgeschlagen, die Marktanteile anhand der festen Kaufaufträge (alle bisherigen Lieferungen und die eingegangenen, aber noch nicht ausgeführten Bestellungen) für jeden derzeit hergestellten oder entwickelten Regionalflugzeugtyp zu berechnen. Dies ist im wesentlichen das in der Luftfahrtindustrie zur Berechnung der Marktanteile herangezogene Verfahren, das die Marktstellung und Wettbewerbskraft der Hersteller eines bestimmten Flugzeugs widergibt. Diese kumulative Berechnungsart gleicht Schwankungen in den für das Geschäftsjahr ermittelten Zahlen aus, die sich aus einem ungleichmässigen Rhythmus von Aufträgen und Lieferungen in einem Markt mit niedrigen Absatzzahlen ergeben können (8).

Bei der Analyse des gesamten Marktes der Regionalflugzeuge mit 20 bis 70 Sitzen sowie der sachlich relevanten Märkte im Sinne der oben vorgenommenen Abgrenzung ist die unterschiedliche Grösse der einzelnen Flugzeugtypen zu berücksichtigen. Die Anzahl der Festaufträge wurde deshalb für jeden Flugzeugtyp mit der serienmässigen Anzahl der Sitzplätze multipliziert. Dies soll einen umfassenden Überblick über den gesamten Markt für Regionalflugzeuge mit 20 bis 70 Sitzen ermöglichen, da ein Flugzeugtyp mit 30 Sitzen nicht in gleicher Weise beurteilt werden kann wie ein Flugzeug mit 60 Sitzen.

(22) Die Zahl der vorhandenen Turboprop-Maschinen, die noch im Einsatz sind (auf ATR und de Havilland entfallen hiervon rund 25 %), wurde bei der Berechnung der Marktanteile nicht berücksichtigt. Zu diesen Beständen zählen auch Flugzeuge, die nicht mehr hergestellt und verkauft werden, sowie Flugzeuge von Wettbewerbern wie Shorts, die auf dem Markt nicht mehr vertreten sind. Diesen Flugzeugen liegt eine grundlegend andere Technik zugrunde. Zwischen den modernen Regionalflugzeugen und den alten Maschinen, die nicht mehr hergestellt werden, besteht eine deutliche Zäsur. Die alten Flugzeuge wie die Fokker F 27 und die British Ärospace HS 748 wurden Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre entwickelt. Technisch und wirtschaftlich waren sie bereits zu Beginn der achtziger Jahre überholt. Die Anfang der achtziger Jahre entwickelten Flugzeuge wurden mit einer neuen Generation von Triebwerken und Rümpfen ausgestattet, um die damaligen Anforderungen der Fluggesellschaften zu erfuellen. Diese neue Generation der Regionalflugzeuge sollte nach dem Anstieg der Ölpreise in den siebziger Jahren vor allen Dingen sehr viel treibstoffsparender sein und mehr Leistung und Komfort bieten. Alle Regionalflugzeugtypen, die derzeit hergestellt oder entwickelt werden, gehören dieser modernen Generation an.

Hersteller, die mit Regionalflugzeugen der neuen Generation auf den Markt getreten sind, mögen aufgrund ihrer Verbindung zu Fluggesellschaften, die noch ihre alten Maschinen einsetzen, in bezug auf den Absatz ihrer neuen Flugzeuge geringfügig besser gestellt sein (siehe hierzu Randnummern 36 und 39). Dies ist für die Berechnung der Marktanteile jedoch unerheblich.

Für die Beurteilung der gegenwärtigen und zukünftigen Marktmacht der Hersteller ist die Feststellung der Marktanteile bei Produkten einer älteren Generation ohne Bedeutung. Die Ermittlung der Marktanteile ist daher allein auf die Anzahl der Bestellungen und Lieferungen moderner Flugzeuge, die derzeit auf dem Markt sind, abzustellen. Dies wird auch von den Parteien nicht bestritten.

(23) Für die Marktanteile der einzelnen Produktgruppen auf den Welt- und EG-Märkten ergeben sich, berechnet auf der Basis von festen Bestellungen und nach Einheiten, folgende Werte (1):

(in %)

20 bis 39 Sitze 40 bis 59 Sitze 60 Sitze und mehr Welt EG Welt EG Welt EG Saab 34

Embrär 31 Embrär 41

Saab 31 ATR 45

+

DHC 19 64 ATR 51

+

DHC 21 72 ATR 76

BÄ 24 ATR 74

BÄ 26 DHC (1) 25 DHC 21 Fokker 22 Fokker 22 Dornier 8 BÄ 6 Saab 7 Casa 6 BÄ (2) 2 Dornier 1 Casa 7 Saab 0

(1) De Havilland.

(2) British Ärospace.

(24) Nach der Einleitung des Verfahrens durch die Kommission machten die Parteien geltend, daß bei der Berechnung der Marktanteile auch Kaufoptionen berücksichtigt werden sollten. Dies wird jedoch nicht als ausreichend zuverlässiges Kriterium für die Marktmacht eines Herstellers angesehen, da solche Optionen üblicherweise ohne weiteres zurückgezogen werden können. Nach den Erfahrungen von ATR werden [ . . .] der Optionen für ein Flugzeug, das bereits auf dem Markt ist und seine Zuverlässigkeit unter Beweis gestellt hat, in Festaufträge umgewandelt. Bei noch nicht in Dienst gestellten Flugzeugen hingegen besteht die Wahrscheinlichkeit, daß nur rund [ . . .] der Aufträge auf Abruf umgewandelt werden. Optionen für ein noch nicht in Dienst gestelltes Flugzeug werden von den Fluggesellschaften erteilt, um sich die Möglichkeit offenzuhalten, das Flugzeug zu einem späteren Zeitpunkt zu bestellen, nachdem es sich bewährt hat. Im Rückblick lässt sich zwar die Anzahl der in Aufträge umgewandelten Optionen feststellen; für noch nicht in Dienst gestellte Flugzeuge ist eine Vorhersage schwierig, da hier auch Faktoren- wie die technische Leistung eine Rolle spielen. Dies gilt insbesondere für die zur Zeit vereinbarten Optionen für den Saab 2000. Dieses noch im Entwicklungsstadium befindliche Flugzeug soll auf die Bedürfnisse von Kunden zugeschnitten werden, die ein Flugzeug für längere Strecken benötigen, als sie gewöhnlich von Regionalflugzeugen beflogen werden. Nach Aussage der Parteien und von Wettbewerbern ist es völlig unklar, ob ein solches Bedürfnis überhaupt besteht. Es ist daher in der Industrie umstritten, ob die Saab 2000 bei ihrer Fertigstellung nennenswerte Auftragszahlen erreichen wird. Würden Optionen dennoch bei der Berechnung der Marktanteile berücksichtigt, und zwar auf der Grundlage einer Umwandlungsrate, die den Erfahrungen mit dem erfolgreichen ATR-Programm entspricht, sähen die Marktanteile für Aufträge plus Option folgendermassen aus:

(1) Bei Flugzeugen mit mehr als 40 Sitzplätzen, die von einer Minderheit der Befragten als ein einziger Markt angesehen werden, verteilen sich die Marktanteile wie folgt:

(in %)

40 Sitze und mehr Welt EG ATR 51 + DHC (1) 15 66 ATR 57 + DHC 15 72 Fokker 17 Fokker 16 Saab 6 BÄ 7 Casa 6 Casa 5 BÄ (2) 5 Saab 0

(1) De Havilland.

(2) British Ärospace.

(in %)

20 bis 39 Sitze 40 bis 59 Sitze 60 Sitze und mehr Welt EG Welt EG Welt EG Embrär 36

Saab 31 Embrär 44

Saab 29 ATR 42

+

DHC 17 59 ATR 50

+

DHC 21 71 ATR 82

BÄ 18 ATR 79

BÄ 21 DHC (1) 20 DHC 21 Fokker 19 Fokker 22 Dornier 9 BÄ 5 Saab 16 Casa 6 BÄ (2) 4 Dornier 1 Casa 6 Saab 1

(1) De Havilland.

(2) British Ärospace.

(25) Um einen Gesamtüberblick über die Auswirkungen auf die Industrie der Regionalflugzeuge zu bekommen, sollen die drei oben beschriebenen sachlich relevanten Märkte zusammengefasst werden. Dazu ist es erforderlich, die verschiedenen Grössen der unterschiedlichen Typen zu berücksichtigen. Die Zahl der Bestellungen ist daher mit der Standardanzahl der Sitze der einzelnen Typen multipliziert worden. Ohne eine Gewichtung der unterschiedlichen Grössenordnungen eines 30- oder 60sitzigen Types wäre ein Überblick über den Gesamtmarkt der 20- bis 70sitzigen Regionalflugzeuge nicht möglich. Die Marktanteile sehen dann folgendermassen aus (9):

(in %)

20 bis 70 Sitze Welt EG ATR 29

+

DHC (1) 21 50 ATR 49

+

DHC 16 65 Saab 18 Fokker 12 Embrär 13 BÄ 8 Fokker 9 Embrär 6 BÄ (2) 4 Saab 5 Casa 3 Casa 3 Dornier 3 Dornier 1

(1) De Havilland.

(2) British Ärospace.

(26) Hieraus folgt, daß

- auf das neue Unternehmen auf dem relevanten Produktmarkt der 40- bis 59sitzigen Flugzeuge weltweit ein Marktanteil von 64 % und in der EG einen Marktanteil von rund 72 % entfiele;

- auf das neue Unternehmen im relevanten Produktmarkt der Flugzeuge mit 60 und mehr Sitzen weltweit ein Marktanteil von 76 % und in der EG von 74 % entfiele;

- ATR und DHC nach dem Zusammenschluß am gesamten Regionalflugzeugmarkt weltweit über einen Anteil von rund 50 % und in der EG über einen Anteil von rund 65 % verfügen würden.

4. Auswirkungen des Zusammenschlusses

A. Auswirkung auf die Marktstellung von ATR

(27) Durch den geplanten Zusammenschluß würde die Stellung von ATR auf den Regionalflugzeugmärkten vor allem aus folgenden Gründen erheblich gestärkt:

- einen hohen gemeinsamen Marktanteil bei den 40- bis 59sitzigen Flugzeugen und auf dem gesamten Regionalflugzeugmarkt;

- die Ausschaltung de Havillands als Wettbewerber;

- das Angebot der gesamten Produktpalette an Regionalflugzeugen;

- eine beträchtliche Erweiterung des Kundenstamms.

a) Erhöhung der Marktanteile

(28) Der vorliegende Zusammenschluß würde den Anteil von ATR am Weltmarkt für Regionalflugzeuge mit 40 bis 59 Sitzplätzen von 46 % auf 63 % erhöhen. Auf den nächstfolgenden Wettbewerber Fokker entfielen 22 %. Zusammen mit dem grösseren Markt der Flugzeuge mit 60 Sitzplätzen und darüber, auf dem ATR weltweit über einen Marktanteil von 76 % verfügt, ist dieser Markt von besonderer Bedeutung für den Regionalflugzeugbau, da sich die Entwicklung auf grössere Flugzeuge zubewegt. Dieser Trend ist vor allem in Europa festzustellen, wo die Flughafengebühren angesichts des überfuellten Luftraums und der begrenzten Flughafenkapazitäten den Einsatz grösserer Flugzeuge begünstigen. Bereits Ende 1990 entfielen 84 % der in der EG bestellten Regionalflugzeuge auf Maschinen mit 40 Sitzplätzen und mehr gegenüber 57 % weltweit. Der Trend zu grösseren Flugzeugen in Europa wird aus der räumlichen Zuordnung der Verkäufe der verschiedenen Flugzeugtypen deutlich. Die ATR 42 mit 48 Sitzplätzen wurde zu 44 % in Europa und zu 39 % in Nordamerika verkauft, während 67 % der Verkäufe der ATR 72 mit 66 Sitzplätzen auf Europa und 19 % auf Nordamerika entfielen.

De Havilland tätigte 14 % seiner Verkäufe der 36sitzigen Dash 8-100 in Europa und 78 % in Nordamerika, während die 50sitzige Dash 8-300 zu 58 % in Europa und zu 35 % in Nordamerika abgesetzt wurde. Als Gegengewicht zu dieser Entwickung ist der Markt der 30sitzigen Regionalflugzeuge in Nordamerika von grösserer Bedeutung als in Europa. Embrär hat beispielsweise von seinen 33sitzigen Flugzeugen 71 % in Nordamerika verkauft und nur 18 % in Europa.

(29) Der Anteil von ATR am gesamten Weltmarkt für Regionalflugzeuge von 20 bis 70 Sitzplätzen würde sich von etwa 30 % auf rund 50 % erhöhen. Der nächstfolgende Wettbewerber Saab würde lediglich über einen Marktanteil von 19 % verfügen. Auf das neue Unternehmen entfiele demnach die Hälfte des gesamten Weltmarkts und mehr als das Zweieinhalbfache der Anteile seines nächstfolgenden Wettbewerbers.

Es besteht die Möglichkeit, daß sich der gemeinsame Marktanteil nach dem Zusammenschluß weiter erhöht.

(30) Aufgrund des höheren Marktanteils wäre ATR im Preiswettbewerb (einschließlich Finanzierung) flexibler als ihre kleineren Konkurrenten. ATR hätte mehr Möglichkeiten, auf Initiativen der Wettbewerber am Markt zu reagieren.

Ein Zusammenschluß zwischen ATR und de Havilland würde die Wettbewerber vor die geballte Marktmacht zweier Grossunternehmen stellen. Dies würde bedeuten, daß die Wettbewerber um den Auftrag einer Fluggesellschaft mit der gesamten Produktpalette von ATR und de Havilland konkurrieren müssten. Hinzu käme die gemeinsame Absatzstrategie der früher getrennten Unternehmen. Aufgrund des kombinierten Produktprogramms wäre das neue Unternehmen ATR/de Havilland bei unsicheren Verkäufen aufgrund seiner Grössenvorteile, in bezug auf den Absatz, in seiner Preisgestaltung flexibler als seine Wettbewerber. Im Unterschied zu seinen Wettbewerbern hätte das Gemeinschaftsunternehmen alle Vorteile einer Palette von Regionalflugzeugen anzubieten. Dies könnte es dem Unternehmen u. a. ermöglichen, für einen bestimmten Flugzeugtyp bei einer kombinierten Bestellung günstige Konditionen zu bieten. Denkbar wäre beispielsweise, daß ATR/de Havilland, wenn eine Fluggesellschaft ein kleines Regionalflugzeug mit ca. 30 Sitzplätzen und ein Flugzeug mit etwa 60 Sitzplätzen erwerben will, Sonderkonditionen für die ATR 72 anbieten könnte, wenn sie zusammen mit einer Dash 8-100 bestellt würde, bei der ein härterer Wettbewerb zu erwarten ist. Den Parteien zufolge besteht in der Praxis keine Aussicht, daß sich bei kombinierten Bestellungen aufgrund der Marktmacht in einem Teilmarkt Absatzvorteile in einem anderen Markt ergeben. In Stellungnahmen von Wirtschaftsberatern der Parteien wird jedoch auf die Möglichkeit hingewiesen, daß Gemeinschaftsunternehmen Regionalflugzeuge in einer Kombination anbieten.

Die Parteien gehen davon aus, daß der Zusammenschluß der Geschäftsbereiche Marketing und Flugzeugbau von ATR und de Havilland "mit Sicherheit ihre Stellung in Nordamerika und Europa unter den Regionalflugzeugherstellern verbessern wird", so daß die Position der kombinierten Einheiten stärker ist als die von ATR und de Havilland jeweils allein.

b) Ausschaltung de Havillands als Wettbewerber

(31) Was die Zahl der verkauften Flugzeuge anbelangt, so ist de Havilland der erfolgreichste Wettbewerber von ATR. Auf dem relevanten Produktmarkt der 40- bis 59sitzigen Flugzeuge verfügt Fokker zwar über einen höheren Marktanteil als de Havilland, doch Fokker hatte im Jahr 1990 für die Fokker 50 lediglich einen Bestand von 27 Bestellungen, während de Havilland für die Dash 8-300 72 Bestellungen aufweisen konnte (an zweiter Stelle hinter ATR mit 103 Bestellungen für die ATR 42).

De Havilland beabsichtigt die Entwicklung eines neuen Flugzeugs - die Dash 8-400 - für das obere Marktsegment mit 60 Sitzen und mehr (10). Wird der Zusammenschluß vollzogen, so würde de Havilland als Wettbewerber aus diesem Marktsegment ausscheiden, in dem ATR über einen Anteil von 76 % verfügt.

Die Parteien haben angeführt, daß de Havilland mittel- bis langfristig ohnehin als Wettbewerber ausscheiden würde. Es würde zwar nicht sofort aufgelöst, doch würde Böing die Produktion auslaufen lassen, wenn der geplante Zusammenschluß nicht zustandekäme. Unabhängig von der Frage, ob eine solche Überlegung im Rahmen der Anwendung des Artikels 2 der Fusionskontrollverordnung überhaupt relevant ist, hält die Kommission solch ein Ausscheiden als Wettbewerber nicht für wahrscheinlich.

In einer im Auftrag von Ärospatiale-Alenia Ende 1990 vor dem Beteiligungserwerb vorgenommenen Überprüfung de Havillands wurden u. a. folgende Faktoren als für die Investitionsentscheidung kritische unternehmerische und finanzielle Aspekte herausgestellt:

De Havilland stellt hochwertige, gut eingeführte und anerkannte Erzeugnisse her, deren Nettoverkaufspreise gestiegen sind; beim Abbau überschüssiger Arbeitsplätze wurden Fortschritte erzielt; in der Produktion ist jedoch noch Spielraum für eine weitere Optimierung, da die Produktivität von de Havilland relativ niedrig ist [ . . . ] (11).

Nach den der Kommission vorliegenden Angaben ist daher nicht davon auszugehen, daß de Havilland auf jeden Fall seinen Betrieb einstellen müsste, falls der Zusammenschluß nicht zustandekommt. Böing hat allerdings erklärt, daß es de Havilland lieber verkaufen als weiterbetreiben möchte. Diese Absicht erscheint erfuellbar, da die Parteien nicht die einzigen Kaufinteressenten sind. British Ärospace z. B. hat ebenfalls Interesse am Erwerb von de Havilland bekundet.

c) Erfassung der gesamten Produktpalette an Regionalflugzeugen

(32) Das neue Unternehmen ATR/de Havilland wäre als einziger Hersteller von Regionalflugzeugen auf allen Teilmärkten des Regionalflugzeugmarkts vertreten.

Embrär vertreibt lediglich einen Flugzeugtyp auf dem Markt der 20- bis 39sitzigen Maschinen. Fokker und Casa sind allein auf dem Markt der Regionalflugzeuge mit 40 bis 59 Sitzen und British Ärospace nur auf dem Markt der 40- bis 59sitzigen Regionalflugzeuge vertreten. Saab ist vorwiegend auf dem Markt der 20- bis 39sitzigen Regionalflugzeuge tätig. Bei der neuen Saab 2000 mit 50 Sitzplätzen, die ab 1992/93 lieferbar ist, handelt es sich um eine schnelle Turboprop-Maschine, die für Kunden bestimmt ist, die Regionalverbindungen über relativ grosse Entfernungen bedienen.

ATR/de Havilland hätten allein aufgrund der Möglichkeit, in dem betreffenden Sektor die gesamte Produktreihe anbieten zu können, einen bedeutenden Wettbewerbsvorteil. Von der Nachfrageseite aus gesehen ergeben sich für die Fluggesellschaften Kostenvorteile, wenn sie unterschiedliche Flugzeugtypen von einem Hersteller beziehen. So erklärte British Ärospace in der Anhörung, daß bei der Schätzung des künftigen Absatzes der 64sitzigen ATP davon ausgegangen wird, daß derzeitige Abnehmer der 48sitzigen ATR 42 die ATR 72 mit 66 Sitzplätzen erwerben werden, wenn sie ein grösseres Flugzeug benötigen. ATR und British Ärospace stehen gegenwärtig im Wettbewerb um die nichtgebundenen Aufträge einschließlich der Aufträge der Kunden von de Havilland. Würde der geplante Zusammenschluß vollzogen, so wären die Abnehmer der Dash 8 aus der Sicht von British Ärospace auch hinsichtlich ihres Bedarfs an grösseren Flugzeugen auf das neue Unternehmen festgelegt.

In einer von den Parteien vorgelegten Studie wird eingeräumt, daß das Unvermögen eines Herstellers, das komplette Programm sämtlicher Sitzplatzkapazitäten anbieten zu können, die Nachfrage nach seinen anderen Flugzeugen beeinträchtigen könnte. So könnte eine grosse Regionalfluggesellschaft, in deren Flotte alle Kapazitäten vertreten sein müssen, um den Streckenanforderungen zu genügen, vom Kauf eines kleineren Flugzeugs Abstand nehmen, wenn der betreffende Hersteller nicht in der Lage ist, auch den Bedarf der Fluggesellschaft an grösseren Flugzeugen zu decken. Dies erklärt sich aus den Festkosten, die der Fluggesellschaft beim Erwerb eines Flugzeugs entstehen. Zu diesen Kosten zählen sowohl die Festkosten für die Piloten- und Mechanikerschulung als auch die Kosten für die Unterhaltung verschiedener betriebseigener Ersatzteillager sowie die Fixkosten für die Bestellung von Teilen, die nur von dem betreffenden Hersteller bezogen werden können.

Erklärtes Ziel der Strategie der Parteien ist es u. a., durch die Übernahme von de Havilland das vollständige Regionalflugzeugprogramm anbieten zu können. Die hieraus entstehenden Wettbewerbsvorteile dürften sich im Laufe der Zeit herausbilden.

Nach Aussage der Wirtschaftsberater der Parteien wird das Nachfragerisiko durch das Angebot von Produkten, die das gesamte Spektrum des Marktes abdecken, deutlich gesenkt.

ATR und de Havilland würden kurzfristig eine gemeinsame Vertriebs- und Produktförderung aufbauen, was sich in Kosteneinsparungen für das Gemeinschaftsunternehmen niederschlagen würde. Zu einem späteren Zeitpunkt wäre es gegebenenfalls möglich, die Produktförderung durch die Erhöhung des Anteils der gemeinsamen Ersatzteile von ATR und de Havilland, der sich derzeit auf 30 % beläuft, weiter zu rationalisieren. Eine derartige Rationalisierung würde sich auch auf die Kunden kostensparend auswirken, die Flugzeuge sowohl von ATR als auch von de Havilland beziehen.

Die Vorteile eines kompletten Marktangebots kommen in der Praxis nur zum Tragen, wenn Fluggesellschaften über Flotten verfügen oder Flotten aufbauen wollen, die aus Flugzeugen verschiedener Produktmärkte bestehen. Nach den von Fokker vorgelegten Zahlen wird über die Hälfte der Flugzeuge, die auf den Märkten der Maschinen mit 40 Sitzplätzen und darüber verkauft werden, in Flotten eingesetzt, zu denen auch Maschinen mit rund 30 Sitzplätzen gehören. Wichtig erscheint demnach, zumindest über ein vollständigeres Marktangebot verfügen zu können.

d) Erweiterung des Kundenstamms

(33) Der Kundenstamm von ATR würde sich nach dem Zusammenschluß beträchtlich erweitern. Nach dem jetzigen Stand der Lieferungen haben ATR weltweit 44 Kunden und de Havilland 36 Kunden mit Regionalflugzeugen beliefert. Diesem Stamm von zusammen 80 Kunden stehen bei Saab 27 Fluggesellschaften als Kunden und bei Fokker 20 Fluggesellschaften, die die Fokker 50 einsetzen, gegenüber. Nicht berücksichtigt wurde bei den 80 Kunden die beträchtliche Anzahl der von beiden Unternehmen noch nicht ausgeführten Bestellungen, die von weiteren Kunden erteilt worden sind. Der Kundenkreis dürfte daher in naher Zukunft noch zunehmen. In den Marktanteilen kommt dies bereits zum Ausdruck.

Der Kundenstamm ist ein wichtiger Faktor für die Marktmacht der Flugzeughersteller, da der Kauf des ersten Flugzeugs eine gewisse Bindung des Kunden bewirkt.

Hat sich ein Kunde erst einmal an einen bestimmten Hersteller gebunden, so wäre es für ihn gewöhnlich eine Kostenfrage, Bestellungen bei einem anderen Hersteller aufzugeben. Nach Aussage der Kunden entstehen aufgrund der unterschiedlichen technischen Merkmale verhältnismässig hohe Kosten u. a. für die Schulung des Wartungspersonals und der Piloten sowie für die Beschaffung der Ersatzteile.

Die Analyse der Flotten der Luftfahrtgesellschaften zeigt, daß die Gesellschaften sich auf einen bestimmten Flugzeugtyp der neueren Generation innerhalb eines relevanten Marktes beschränken. Wo die Gesellschaften über Flugzeuge in verschiedenen Marktbereichen verfügen, zeigt die Analyse, daß sie immer mit Flugzeugen des gleichen Herstellers arbeiten, soweit der Hersteller die benötigten Typen in seinem Produktionsprogramm hat; z. B. besitzt Brymon Air eine Flotte von Dash-8-100- und Dash-8-300-Flugzeugen und NDF von ATR-42- und ATR-72-Flugzeugen. Dies gilt auch für Fluggesellschaften mit sehr grossen Flotten wie American Airlines. Die einzigen Beispiele von Flotten mit Flugzeugen, die von unterschiedlichen Herstellern kommen, gibt es dort, wo Fluggesellschaften 50sitzige ATR- oder Fokker-Flugzeuge zusammen mit Flugzeugen anderer Hersteller aus dem kleineren 30-Sitzer-Bereich verwenden. Dies ist unvermeidlich, weil weder ATR noch Fokker Flugzeuge dieser Kategorie herstellen.

Die Analyse führt zu gleichen Ergebnissen, wenn man die ausstehenden Aufträge der Fluggesellschaften untersucht. Die einzige Fluggesellschaft, die andere Flugzeugtypen bestellt hat als die, die sie bereits verwendet, tauscht ihre gegenwärtige Fokker-50-Flotte gegen Saab 2000 aus. Sie benützt bereits eine grössere Anzahl von Saab-340-Flugzeugen.

Die eingeführten Fluggesellschaften, die bereits Regionalflugzeuge von ATR oder de Havilland erworben haben, dürften daher auch in Zukunft ihre Maschinen von diesen Herstellern beziehen.

Es ist demnach davon auszugehen, daß ATR/de Havilland zumindest den jetzigen Kundenstamm behalten würden.

B. Beurteilung der Marktstärke der übrigen Wettbewerber

(34) Um feststellen zu können, ob das neue Gemeinschaftsunternehmen aufgrund seiner gestärkten Position in der Lage wäre, unabhängig von seinen Wettbewerbern vorzugehen, ist zunächst die jetzige und die in Zukunft zu erwartende Marktstärke der übrigen Wettbewerber zu ermitteln.

(35) Unter den Wettbewerbern ist zwischen den auf Regionalflugzeuge spezialisierten Unternehmen mittlerer Grösse und den Unternehmen zu unterscheiden, die zu Großkonzernen gehören, bei denen Regionalflugzeuge einen relativ geringen Teil des gesamten Luftfahrtprogramms ausmachen.

Die Wettbewerber mittlerer Grösse

(36) Fokker war in der Vergangenheit ein erfolgreicher Wettbewerber auf dem Markt der Flugzeuge mit 40 bis 59 Sitzen. Gegenwärtig stellt es mit der Fokker 50 lediglich ein Regionalflugzeug her und kann keine Produktfamilie anbieten. Wegen seiner beschränkten Ressourcen hat es nur ein einziges anderes Erzeugnis von Bedeutung, das Düsenflugzeug Fokker 100. Das Militärgeschäft von Fokker ist unbedeutend.

Der Anteil der Fokker 50 von 9 % am weltweiten Markt der Flugzeuge mit 20 bis 70 Sitzen und von 22 % am Markt der 40- bis 59-Sitzer, wo der gemeinsame Anteil von ATR/de Havilland 63 % betragen würde, ist vergleichsweise gering. Auf Fokker entfallen lediglich 5 % der weltweit noch auszuführenden Aufträge für Regionalflugzeuge jeder Grösse, was einem Umfang von weniger als einem Jahr seiner Produktionskapazität Ende 1990 entspricht. Fokker kann wohl noch mit einer gewissen auf den Absatz seines Typs 27 in den sechziger und siebziger Jahren zurückgehenden Kundentreue rechnen. Der niedrige Marktanteil der Fokker 50 lässt jedoch darauf schließen, daß dieser Gesichtspunkt nicht von Bedeutung sein kann. Auch ergab sich aus dem alten Modell zumindest für die Kunden kein Anbindeeffekt, da es sich bei der Fokker 50 um ein Flugzeug mit neuer Technik handelt. Es wird nicht damit gerechnet, daß sich die zufriedenstellenden Verkaufszahlen des Düsenflugzeugs 100 auf den Absatz der Fokker 50 auswirken werden. Bei der Herstellung der Typen 50 und 100 sind zwar Synergiewirkungen vorhanden, in bezug auf den Markterfolg sind die beiden Flugzeugtypen jedoch nicht aneinander gebunden. Die Erfahrung hat gezeigt, daß der Erwerb des Düsenmodells 100 die Kunden nicht in ihrer Kaufentscheidung bei der 50-Sitze-Turbomaschine beeinflusst. In der Anmeldung wird auch darauf hingewiesen, daß durch das Zusammengehen von Böing und de Havilland keine spürbaren Absatzsynergien zwischen Düsen- und Turboprop-Flugzeugen entstanden sind.

Die geballte Marktstärke von ATR/de Havilland könnte sich auf Fokker, das für seinen Typ 50 noch keinen breiten Kundenstamm aufgebaut hat und über geringere Ressourcen als ATR verfügt, in besonderem Masse auswirken. Nach dem Zusammenschluß zwischen ATR und de Havilland wäre es für Fokker angesichts der bereits dargestellten Wettbewerbsvorteile der neuen Einheit noch schwieriger, bei Regionalflugzeugen seine Angebotspalette durch eine verlängerte Version der Fokker 50 zu erweitern. Der Zusammenschluß könnte unter diesem Gesichtspunkt eine ausschlaggebende Wirkung auf die Wettbewerbsstellung von Fokker im Flugzeugmarkt ausüben.

(37) Casa ist bisher nur am Rande des Marktes der 40- bis 59-Sitzer mit einem aus einer Militärmaschine abgeleiteten Modell vertreten. Es verfolgt jedoch die Absicht, auf den zivilen Flugzeugmärkten seine Tätigkeiten auszuweiten und ein neues Regionalflugzeug zu entwickeln, um seine Abhängigkeit von den Militärmärkten zu verringern.

Für Casa wäre es nicht einfach, seine Pläne zur Entwicklung eines neuen Regionalflugzeugs nach dem Vollzug des vorgesehenen Zusammenschlusses weiterzuverfolgen, da es einen schwierigen Wettbewerb mit der marktmächtigen neuen Einheit ATR/de Havilland zu bestehen hätte. Der Zusammenschluß würde es Casa erschweren, sich als ernstzunehmenden Wettbewerber auf dem Markt der Zivilflugzeuge durchzusetzen.

(38) Embrär wird nach seinen eigenen Aussagen im Marktsegment der kleinen Flugzeuge mit 20 bis 39 Sitzen mit seinem gegenwärtig hergestellten Typ verbleiben. Dieser brasilianische Hersteller hatte seine Ressourcen für die Entwicklung eines neuen Düsen-Regionalflugzeugs gebündelt eingesetzt, jedoch im Juli 1991 angekündigt, daß er das Projekt EMB 145 nicht weiter verfolgen würde, nachdem er zu dem Ergebnis gekommen war, daß dieses günstig beurteilte Modell zu spät auf den Markt gelangen würde.

Es ist fraglich, ob Embrär nunmehr in der Lage sein wird, ein Regionalflugzeug in den Marktsegmenten für grössere Flugzeuge zu entwickeln, da seine Wettbewerber in diesen Märkten bereits seit einiger Zeit vertreten sind. Auch würde nach vollzogenem Zusammenschluß die Wahrscheinlichkeit abnehmen, daß Embrär in diesen Marktsegmenten den Wettbewerb gegen ATR/de Havilland würde bestehen können.

Die grossen Luftfahrtunternehmen

(39) British Ärospace verfügt über die Mittel, um seine Angebotspalette auf dem Markt der Regionalflugzeuge auszuweiten. Sein Marktanteil bei Regionalflugzeugen beträgt weltweit lediglich 4 % und nur 2 % bei den noch auszuführenden Aufträgen für Regionalflugzeuge; dies entspricht einem Umfang von weniger als einem Jahr seiner Produktionskapazität Ende 1990. British Ärospace wird seine Investitionsentscheidungen für den Regionalflugzeugmarkt davon abhängig machen, ob in anderen Bereichen seiner Gruppe gewinnträchtigere Geschäftsaussichten vorhanden sind und ob ein grösseres Engagement im Bereich der Regionalflugzeuge zu rechtfertigen wäre. Zusätzlich zu seinen umfassenden Luftfahrttätigkeiten verfolgt British Ärospace umfangreiche Interessen in luftfahrtfremden Bereichen wie Kraftfahrzeuge, Telekommunikation und Geldanlagen.

In benachbarten Märkten stellt British Ärospace das 19-Sitze-Turboprop-Flugzeug J 31 und das 95-Sitze-Düsenflugzeug BÄ 146 her. Produktionssynergien zwischen dem J 31 und dem 27-Sitzer J 41 sowie zwischen dem 64-Sitzer ATP und dem Düsenflugzeug BÄ 146 ergeben sich aus der Herstellung in denselben Produktionsanlagen und der Teilung der Gemeinkosten. British Ärospace mag aus dem bestehenden kleinen Modell J 31 einen geringfügigen Wettbewerbsvorteil für sein Modell J 41 ziehen, doch dieser geringe Vorteil wird in Zukunft vor allem in der Gemeinschaft noch weiter zurückgehen. Der Markt der Kleinflugzeuge mit weniger als 20 Sitzen ist seit Beginn der achtziger Jahre allgemein zurückgegangen; er war in der Gemeinschaft nie von grosser Bedeutung. British Ärospace kann aus dem Verkauf seines Düsenflugzeugs BÄ 146 für seinen ATP-Turboprop keine Wettbewerbsvorteile gegenüber der Fokker 100 bzw. der Fokker 50 gewinnen. In bezug auf das alte Fokker-Modell F 27 könnte British Ärospace noch mit einer geringen Kundentreue zu dem in den sechziger und siebziger Jahren verkauften 46-Sitzer HS 748 rechnen, obwohl dieses Flugzeug einem anderen Marktsegment als der gegenwärtige 64-Sitzer ATP angehörte. Die geringe Anzahl der für den ATP hereingeholten Bestellungen zeigt jedoch, daß dieser Gesichtspunkt unbedeutend ist.

Angesichts seines geringen Kundenstamms auf dem Markt der Regionalflugzeuge ist es fraglich, ob sich British Ärospace nach dem Zusammenschluß zwischen ATR und de Havilland diesen Märkten zuwenden würde. Es besteht bereits eine spürbare Lücke zwischen den beiden Modellen von British Ärospace auf dem ausschlaggebenden Markt der Flugzeuge mit 40 bis 59 Sitzen. Ferner würde sich nach dem Zusammenschluß die bereits schwierige Wettbewerbslage des 64-Sitze-Modells ATP gegenüber dem 66-Sitzer ATR 72 noch verschlechtern.

Der vorgesehene Zusammenschluß würde somit bewirken, daß British Ärospace als Wettbewerber auf den Märkten der Regionalflugzeuge noch weiter an den Rand gedrängt würde.

(40) Saab wird angesichts seiner günstigen Marktstellung den Markt der 20- bis 39-Sitzer wohl kaum aufgeben. Gegenwärtig entwickelt es ein schnelles 50-Sitze-Turboprop-Flugzeug, das innerhalb von zwei Jahren auf den Markt kommen soll. Dieser für den Einsatz auf relativ langen Strecken im regionalen Flugverkehr bestimmte Sondertyp stuende wohl nur in sehr beschränktem Masse im Wettbewerb zu dem Flugzeugprogramm von ATR/de Havilland.

Turboprop-Flugzeuge werden in der Regel im Kurzstreckenverkehr eingesetzt, auf dem die durchschnittliche Flugzeit eine Stunde beträgt. Indem auf den Kurzstrecken ein vergleichsweise hoher Anteil der Gesamtflugzeit auf die Start- und Landezeiten entfällt, ist die Geschwindigkeit auf diesem Markt weniger ausschlaggebend, da selbst mit der für den Saab 2000 vorgesehenen Erhöhung der Geschwindigkeit um 25 % lediglich 5 Minuten Gesamtflugzeit eingespart werden können. Man kann deshalb davon ausgehen, daß die meisten Kunden nicht bereit wären, einen höheren Preis für dieses Flugzeug zu bezahlen. Aufgrund seines Preises und seiner technischen Merkmale wird es eine Marktnische besetzen und nicht als unmittelbarer Wettbewerber auf dem Markt der Regionalflugzeuge mit 40 bis 59 Sitzen antreten.

(41) Dornier, das als Teil der Deutschen Ärospace ( "DASA") der Daimler-Benz-Gruppe angehört, wird im Jahr 1993 mit einem 30-Sitzer auf den Markt der kleinen Regionalflugzeuge treten. Bei der Bewertung des Wettbewerbsverhältnisses zwischen DASA und ATR ist zu bedenken, daß DASA, Ärospatiale und Alenia die zukünftige Entwicklung eines Regional-Düsenflugzeugs in einem "Memorandum of Understanding" vereinbart haben. Sollte der Beschluß zur Entwicklung dieses Flugzeugs gefasst werden, so beabsichtigen die drei Unternehmen die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens "International Commuter" für die Vermarktung aller von ihnen hergestellten Typen von Regionalflugzeugen. Sollte die Gründung dieses Gemeinschaftsunternehmens zustande kommen, würde kein uneingeschränkter Wettbewerb zwischen Dornier und ATR/de Havilland mehr bestehen. Der endgültige Beschluß zur Gründung von International Commuter wurde jedoch noch nicht gefasst und müsste ohnehin auf seine Vereinbarkeit mit den gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln hin geprüft werden. Falls DASA diesem Gemeinschaftsunternehmen nicht beitritt, könnte es sich zu einem ernstzunehmenden Wettbewerber auf dem Markt der Maschinen mit 20 bis 39 Sitzen entwickeln.

Bewertung der übrigen Wettbewerber

(42) Hieraus ergibt sich, daß die neue Einheit einem wirksamen Wettbewerb auf dem Markt der Regionalflugzeuge mit 20 bis 39 Sitzen ausgesetzt wäre, obwohl auch in diesem Segment die Wettbewerbsfähigkeit oder anderen Anbieter angesichts der sich für ATB/de Havilland aus einem umfangreichen Absatzvolumen und der Präsenz auf allen Märkten ergebenden Gesamtvorteile geschwächt wäre. Auf den Märkten der Flugzeuge mit 40 Sitzen und darüber ist es fraglich, ob die übrigen Wettbewerber neben dem Saab 2000 einen wirksamen Wettbewerb auf mittlere bis lange Sicht würden ausüben können.

C. Bewertung der Nachfrage

(43) Zur Ermittlung der Frage, ob die neue Einheit angesichts ihrer starken Marktstellung und der Schwächen ihrer Wettbewerber in der Lage sein könnte, unabhängig von ihren Kunden zu handeln, ist die Stellung der Kunden auf den Märkten für Regionalflugzeuge einer Prüfung zu unterziehen.

(44) Der Regionalverkehr hat in den zurückliegenden Jahren im Zuge der Deregulierung und Liberalisierung in Nordamerika und später auch in Europa einen Aufschwung erlebt. In der Anmeldung wurde die Annahme geäussert, daß ein Bedarf an zusätzlichen Regionalflugzeugen bestehen wird, der über den einfachen Ersatz bestehender Flugzeuge hinausgeht.

Der vorgesehene Zusammenschluß würde sich unter diesem Gesichtspunkt auf die neu auf den Markt tretenden Fluggesellschaften auf andere Weise als auf die bestehenden Luftfahrtunternehmen auswirken.

(45) Die bestehenden Gesellschaften, die bereits Flugzeuge von ATR oder von de Havilland erworben haben, werden sich aus den in Randnummer 33 dargestellten Gründen auch bei zukünftigen Kaufaufträgen - bedingt durch den Anbindeeffekt - wiederum an diese beiden Hersteller wenden. Dadurch wird ihr Verhandlungsspielraum bei zukünftigen Aufträgen eingeschränkt, selbst wenn es sich um Tochtergesellschaften grosser Luftfahrtunternehmen handeln sollte.

(46) Neu auf den Markt tretende Gesellschaften oder angestammte Unternehmen, die ihre Flotte ersetzen, haben bei dem Erwerb der neuen Flugzeuge freie Wahl, da in dieser Stufe noch kein Anbindeeffekt wirksam wird.

Die neue Marktteilnehmer, bei denen es sich um kleine Unternehmen handelt, die neue Strecken erschließen wollen, verfügen in der Regel über eine vergleichsweise geringe Nachfragemacht, da sie nur eine begrenzte Anzahl von Flugzeugen erwerben. Es ist nicht unüblich, daß sie anfänglich keine Flugzeuge kaufen, sondern diese mieten. Marktzugänger - oder angestammte Unternehmen, die ihre Flotte ersetzen - sind in einer besseren Verhandlungsposition, wenn es sich um Tochtergesellschaften grosser Luftfahrtunternehmen handelt, die Großbestellungen vornehmen. Einige amerikanische Unternehmen befinden sich in einer solchen Lage. Bisher gibt es in Europa noch keine regionalen Fluggesellschaften einer vergleichbaren Grösse. Sollte bei einigen dieser Luftfahrtunternehmen eine Nachfragemacht vorhanden sein, so würde sie mit der Verdrängung eines wichtigen Wettbewerbers vom Markt ihrerseits zurückgehen.

(47) Den Newcomern werden von Leasingunternehmen Überbrückungsmöglichkeiten angeboten, damit sie zumindest in der Anfangszeit die langfristigen Eigentümerlasten umgehen können. Angesichts der hohen Kapitalkosten für die Beschaffung von Luftfahrzeugen und des Konkursrisikos ist davon auszugehen, daß auf das Leasen als Instrument des Marktzutritts in hohem Masse zurückgegriffen werden wird.

Ende 1990 lagen 170 Bestellungen von Leasingfirmen für Regionalflugzeuge vor, wovon [ . . . ] (12) Bestellungen auf ATR und [ . . . ] Kaufaufträge auf de Havilland entfielen. Dies entspricht einem Anteil von rund 10 % am gesamten Weltmarkt. Leasingunternehmen sind die Mittler zwischen den Herstellern und den Luftfahrtunternehmen, die eine anpassungsfähige Grundlage für den Erwerb neuer Maschinen durch die Fluggesellschaften schaffen.

Da die Leasingunternehmen bei der Bestellung neuer Flugzeuge die einzelnen Mieter noch nicht kennen, müssen sie den Bedarf ihrer potentiellen Kunden vorhersehen. Deshalb erwerben sie in der Regel nur gut auf dem Markt eingeführte Flugzeuge, die sie auch ohne weiteres vermieten können. Das Beschaffungsverhalten der Leasingfirmen spiegelt somit die bestehenden Kundenwünsche wider. Da ihr Erfolg von der Beliebtheit der erworbenen Flugzeuge abhängt, schließen sie sich der Marktströmung an und verstärken diese, weshalb sie keinen bestimmenden Einfluß auf die Marktentwicklung ausüben können. Aus diesen Gründen wird die Nachfragemacht der Verleihfirmen bei unzureichendem Wettbewerb auf den Märkten noch erheblich eingeschränkt.

Diese Auffassung wurde durch die Ausführungen der irischen Gruppe GPA, dem weltweit grössten Flugzeug-Verleihunternehmen, erhärtet. GPA hat Regionalflugzeuge ausschließlich von ATR und de Havilland zum Teil über ein Gemeinschaftsunternehmen erworben, an dem ATR zu 25 % beteiligt ist. Ausschlaggebend für den Kauf dieser Flugzeuge war die Einschätzung, daß diese zu den beliebtesten der auf dem Markt verfügbaren Flugzeuge zählten.

Da es sich um Erzeugnisse von Unternehmen handelt, deren technische Fähigkeiten, Innovationsstärke und Marktverankerung erwiesen sind, war GPA zu dem Ergebnis gekommen, daß es diese Flugzeuge an einen weiten Kundenkreis vorteilhaft würde verleihen können.

Das mit der Beschaffung nicht verleihbarer Flugzeuge verbundene Risiko schränkt die Möglichkeiten der Verleihunternehmen ein, zu anderen Herstellern und deren möglicherweise weniger beliebten Flugzeugen überzuwechseln. Diese Einschränkung würde durch den Zusammenschluß noch weiter verstärkt, so daß eine Abhängigkeit der Verleihfirmen von ATR/de Havilland entstehen könnte.

(48) Aus den Antworten der Abnehmer im Verlauf des Verfahrens war zu entnehmen, daß die meisten eingeführten Luftfahrtgesellschaften Schwierigkeiten hatten, auf der Basis der vorliegenden Informationen, die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die allgemeinen Wettbewerbsbedingungen zu beurteilen. Die Hälfte der Antworten sah keine direkten Auswirkungen des Zusammenschlusses auf ihre Fluggesellschaften. Da die meisten Gesellschaften bereits an einen bestimmten Hersteller gebunden sind, bestehen ihrerseits keine Pläne und nicht einmal realistische Möglichkeiten, zu einem anderen Hersteller überzuwechseln. Einige Luftfahrtgesellschaften haben bereits die zur Deckung ihrer mittelfristigen Nachfrage erforderlichen Flugzeuge bestellt. Es scheint daher, daß für die meisten etablierten Luftfahrtgesellschaften direkte negative Wirkungen dieses Zusammenschlusses nur langfristig auftreten. Für Luftfahrtgesellschaften, die künftig neu in den Markt kommen, insbesondere als Folge einer Deregulierung in der EG, wird der Zusammenschluß allerdings sofortige Wirkungen haben. Einige Abnehmer (auch grosse) äusserten, obwohl sie nicht über die Ergebnisse der Untersuchung der Kommission verfügten, ernsthafte Bedenken angesichts der Verringerung der Wahlmöglichkeiten und der Beseitigung des Wettbewerbs, die sie als ein unmittelbares Ergebnis des Zusammenschlusses erwarten.

(49) Doch selbst wenn die Abnehmer gewillt wären, in grösserem Umfang zu den Wettbewerbern von ATR/de Havilland überzuwechseln, bestuenden hierfür nur geringe Aussichten, da angesichts der bestehenden Kapazitäten der einzelnen Wettbewerber nur Produktionssteigerungen eines Umfangs von 15 bis 20 % in einem Zweijahreszeitraum möglich wären. Dies entspräche einem Anteil von weniger als 10 % der weltweit vorhandenen Produktionskapazität für Regionalflugzeuge.

(50) Die Parteien haben geltend gemacht, daß die Abnehmer in Zukunft die Möglichkeit haben werden, gebrauchte Flugzeuge zu erwerben, wodurch ein bestimmtes Maß an Wettbewerb mit neuen Flugzeugen entstuende.

Es ist nicht davon auszugehen, daß selbst langfristig ein Wettbewerbsverhältnis zwischen gebrauchten und neuen Flugzeugen entstehen würde. Bisher besteht auch nach den Aussagen der Parteien kein nennenswerter Markt für Gebrauchtflugzeuge. Durch neue Flugzeuge ersetzte Maschinen werden in der Regel für andere Zwecke wie z. B. die Beförderung von Fracht und Post eingesetzt, wobei es sich jedoch um eine grundsätzlich andere Art von Nachfrage als bei der Fluggastbeförderung handelt. Der Gebrauchtflugzeugmarkt und der Markt für neue Flugzeuge werden somit als zwei getrennte Märkte einzustufen sein.

D. Die Auswirkungen des vorgesehenen Zusammenschlusses auf den Markt für Regionalflugzeuge

(51) Der vorgesehene Zusammenschluß würde der neuen Einheit ATR/de Havilland eine bedeutende Stellung auf dem Welt- und Gemeinschaftsmarkt von Regionalflugzeugen mit 40 Sitzen und darüber und auf dem gesamten Regionalflugzeugmarkt in der Welt und der Gemeinschaft verschaffen. Diese Märkte sind durch eine vergleichsweise schwache Stellung der Wettbewerber und der Abnehmer gekennzeichnet. Angesichts dieser Gegebenheiten ist davon auszugehen, daß die neue Einheit in spürbarem Masse unabhängig von ihren Wettbewerbern und Kunden würde vorgehen und damit eine beherrschende Stellung auf den Märkten für Regionalflugzeuge einnehmen können.

(52) Der vorgesehene Zusammenschluß würde auch dann zu einer beherrschenden Stellung führen, wenn die Auffassung der Parteien zutreffen sollte, daß es sich bei dem sachlich relevanten Markt um den gesamten Markt der Flugzeuge mit 20 bis 70 Sitzen handele.

Der Marktanteil von ATR würde von 29 % auf 50 % weltweit und bis von 49 % auf 65 % innerhalb der Gemeinschaft steigen. Die gestärkte Stellung von ATR hinsichtlich höherer Absatzzahlen, der Erfassung des gesamten Spektrums von Regionalflugzeugen und der Erweiterung des Kundenstamms würde auf diesem grösseren Markt die gleichen Wirkungen ausüben, wie sie für die Märkte der 40- bis 59-Sitzer und der 60-Sitzer und darüber bereits geschildert worden sind.

Die Marktposition von ATR/de Havilland im Gesamtmarkt für Regionalflugzeuge ist sogar stärker, als es die Marktanteile widerspiegeln. In diesem Markt gibt es eine spürbare Entwicklung hin zu grösseren Flugzeugen, vor allem - wie unter Randnummer 28 ausgeführt - in der EG. Die höheren Segmente des Gesamtmarkts haben daher jetzt und in Zukunft eine strategische Bedeutung. Bei der Einschätzung der Marktmacht müssen dieser dynamische Aspekt sowie die Tatsache mitberücksichtigt werden, daß der strategisch wichtige Teil des Gesamtmarkts von einem sehr starken Unternehmen besetzt würde. Die äusserst starke Stellung, die sich ATR/de Havilland in den oberen Marktsegmenten verschaffen, gemeinsam mit den übrigen vorstehend dargelegten strukturellen Gegebenheiten, legen die Schlußfolgerung nahe, daß auch auf dem Gesamtmarkt der Regionalflugzeuge von 20 bis 70 Sitzen eine beherrschende Stellung entstehen würde.

E. Möglichkeiten für den Marktzutritt

(53) Gemäß Artikel 2 Absatz 2 der Fusionskontrollverordnung kann ein zur Begründung einer beherrschenden Stellung führender Zusammenschluß dennoch als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden, sofern eindeutig nachgewiesen werden kann, daß es sich nur um eine vorübergehende Marktbeherrschung handelt, die mit dem zu erwartenden Marktzutritt starker Wettbewerber in kurzer Zeit ausgehöhlt würde. Aufgrund des Marktzutritts starker Wettbewerber wäre nicht zu erwarten, daß mit der beherrschenden Stellung ein wirksamer Wettbewerb im Sinne von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung erheblich behindert würde. Um zu ermitteln, ob ATR/de Havilland aufgrund ihrer beherrschenden Stellung einen wirksamen Wettbewerb behindern könnten, ist deshalb die Wahrscheinlichkeit des Marktzutritts neuer Wettbewerber zu prüfen.

(54) Ein potentieller Teilnehmer am Markt der Regionalflugzeuge muß vor seinem Marktzutritt verschiedene Faktoren wie die zu erwartende Nachfrage, den anzusetzenden Zeit- und Kostenaufwand usw. in Betracht ziehen.

Nach den Angaben der Parteien ist auf dem Markt der Regionalflugzeuge mit 20 bis 70 Sitzen in den nächsten 20 Jahren mit einem Bedarf von rund [. . .] Einheiten einschließlich der noch auszuführenden Aufträge für 700 Flugzeuge zu rechnen. Es wird davon ausgegangen, daß sich die Nachfrage in ihrem derzeitigen Umfang nur bis in die Mitte der neunziger Jahre fortsetzen, daraufhin abflachen und anschließend gleichbleiben wird. Ab Mitte der neunziger Jahre wird mit einer jährlichen Nachfrage von rund [. . .] (13) Flugzeugen, verglichen mit dem derzeitigen Umfang von rund [. . .] Einheiten, gerechnet.

Demnach hat der Markt beim Zuwachs der Jahresproduktion offenbar bereits gegenwärtig sein Reifestadium erreicht.

(55) Selbst für einen auf dem Regionalflugzeugmarkt noch nicht vertretenen grossen Luftfahrzeughersteller wäre die vollständige Neuentwicklung eines Regionalflugzeugs ein sehr aufwendiges Unterfangen.

Aus der von den Parteien vorgelegten Untersuchung geht hervor, daß beim Zutritt zum Markt der Regionalflugzeuge ein hoher Anteil verlorener Anlaufkosten anfällt und lange Fristen für den Entwurf, die Erprobung und die Typenzulassung für den Verkauf der Flugzeuge anzusetzen sind. Dies sind aus zweierlei Gründen wichtige Gesichtspunkte: zum einen wird angesichts der beim Marktzutritt anfallenden umfangreichen Festkosten und verlorenen Kosten nur eine begrenzte Anzahl von Herstellern auf diesen Märkten bestehen können. Zum anderen ist es für einen Hersteller ausserordentlich kosten- und zeitaufwendig, bereits festgelegte Entwurfs- und Produktionsmerkmale unerwarteten Nachfrageänderungen anzupassen. Zu den ausschlaggebenden Merkmalen eines Flugzeugs zählen seine Grösse, sein Gewicht, die Motorenleistung, die Nutzlast, der Treibstoffverbrauch und die Streckenleistung. Ein erhebliches Risiko bei der Festlegung der Merkmale eines Flugzeugs ist somit in den verlorenen Anlaufkosten für seine Entwicklung zu sehen. Bei der Festlegung der Merkmale begangene Fehler sind verlorene Kosten, die nicht mehr hereingeholt werden können.

Aus der Studie geht ferner hervor, daß bis zu drei Jahre Markterkundung erforderlich sind, um den Flugzeugtyp herauszufinden, der den angenommenen Marktbedürfnissen entspricht. Hierbei sind nicht nur die technischen Änderungen im Flugzeugbau, sondern auch die sich wandelnden Marktstrukturen in Betracht zu ziehen. Von den ersten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten bis zur Herstellung und Auslieferung des Flugzeugs ist ein zusätzlicher Zeitraum von vier Jahren anzusetzen. Die gesamte Vorlaufzeit beträgt somit sechs bis sieben Jahre. Hierin nicht einbezogen ist die für den Bau und den Erwerb von Produktionsstätten erforderliche Zeit.

Abschließend wird in der Untersuchung festgestellt, daß diese umfangreichen festen Zutrittskosten die Bereitschaft erheblich schmälern, den Erfolg eines anderen Herstellers durch einen eigenen Marktzutritt zu wiederholen.

(56) Aus diesen Zusammenhängen wird deutlich, daß ein neuer Marktteilnehmer mit erheblichen Risiken zu rechnen hätte. Auch liefe er Gefahr, angesichts der langen Vorlaufzeiten und der vorhersehbaren Entwicklung des Marktes mit seinem späten Marktzutritt den für die Nachfragespitze angenommenen Zeitpunkt zu verpassen. Ein neu zu entwickelndes Flugzeug würde erst ausgeliefert werden können, nachdem das derzeitige Produktionsvolumen bereits zurückgegangen ist und sich der Markt stabilisiert haben wird. Es ist deshalb fraglich, ob ein neuer Marktteilnehmer mit seinem Absatz überhaupt die Gewinnschwelle erreichen würde, da selbst die bestehenden Wettbewerber an diesem Punkt in ihrem Produktkreislauf noch nicht angelangt sind.

(57) Aus diesen Gründen wäre die Entscheidung, sich zum jetzigen Zeitpunkt dem Regionalflugzeugmarkt zuzuwenden, rational nicht zu rechtfertigen. Diese Auffassung wird von den Parteien geteilt. Sie machen jedoch geltend, daß einige der jungen Industrieländer dennoch bereit sein könnten, den Aufbau einer einheimischen Fertigung von Regionalflugzeugen zu fördern. Selbst wenn sich diese Annahme der Parteien bewahrheiten sollte, wären die Erfolgsaussichten solcher neuen Hersteller auf den internationalen Märkten nicht als günstig anzusetzen. Es handelt sich dabei auch um eine zu ungewisse Möglichkeit, um daraus auf eine nur vorübergehende beherrschende Stellung von ATR/de Havilland schließen zu können.

Im übrigen ist der Kommission kein Entwicklungsprogramm eines noch nicht auf dem Markt vertretenen und nicht nachstehend bewerteten Unternehmens bekannt, das einen Marktzutritt in absehbarer Zukunft erwarten ließe.

Alle angesprochenen Marktteilnehmer halten einen weiteren Marktzutritt für unwahrscheinlich, da die Entwicklungskosten bei der gegenwärtigen Marktstruktur in keinem angemessenen Verhältnis zu möglichen Gewinnen stuenden.

(58) Die Parteien haben die Äro Czechoslovak Äronautical Works ( "ACAW") als einen Hersteller angeführt, der innerhalb der nächsten fünf Jahre mit seinem 40-Sitze-Turboprop-Flugzeug LET 610 auf den Markt der Regionalflugzeuge treten könnte. Dieses Flugzeug wurde für die Bedürfnisse der Märkte der UdSSR und der übrigen COMECON-Länder seit 1977 entwickelt; gegenwärtig werden die Prototypen erprobt. Im Jahr 1989 wurde die Grundsatzentscheidung zur Entwicklung einer mit General-Electric-Motoren auszurüstenden Version getroffen, die den Zulassungsvorschriften in den westlichen Ländern entsprechen würde. Angesichts der mit dem Aufbau der erforderlichen Wartungs- und Begleiteinrichtungen verbundenen Schwierigkeiten könnte ACAW für seinen Marktzutritt auf einen in diesen Märkten bereits erfahrenen Partner angewiesen sein. Auch ist die Zuverlässigkeit der bisher noch nicht im Flugverkehr eingesetzten LET 610 nicht erwiesen. Ferner verfügt ACAW über keinerlei Erfahrungen in den von dem vorgesehenen Zusammenschluß betroffenen Märkten. Das Unternehmen könnte sich nur unter grossen Schwierigkeiten die nötige Glaubwürdigkeit bei den westlichen Flugzeuggesellschaften erwerben, damit diese eine Prüfung der LET 610 ernsthaft in Erwägung ziehen.

Der Marktzutritt dieses tschechoslowakischen Herstellers ist somit nicht als wahrscheinlich einzustufen; sollte er dies dennoch unternehmen, so könnte er sich in absehbarer Zeit nicht zu einem bedeutenden Marktteilnehmer entwickeln.

(59) Die Parteien haben auch das indonesische Unternehmen Industri Pesawat Terbang Nusantara ( "IPTN") angeführt, das mit seiner 50-Sitze-Turboprop-Maschine N250 auf den Markt der Regionalflugzeuge kommen könnte. Die IPTN hat mit Casa bei der Entwicklung des CN 235 zusammengearbeitet, bisher jedoch noch kein eigenes Regionalflugzeug entwickelt. Die ersten Pläne zur Entwicklung des N250 gehen auf das Jahr 1987 zurück, und IPTN rechnet damit, seine erste Typenzulassung im Jahr 1996 zu erhalten. Dem Flugzeug werden in Indonesien gute Erfolgsaussichten eingeräumt, wo ein Bedarf von 400 Flugzeugen für die nächsten 20 Jahre ermittelt wurde. IPTN könnte in der Lage sein, auch ausserhalb Indonesiens Flugzeuge abzusetzen. Dies setzt allerdings voraus, daß IPTN die Zuverlässigkeit des neuen Flugzeuges nachweist, was einige Jahre nach Zulassung ausserhalb Indonesiens dauern würde.

Insofern sind die Absatzmöglichkeiten ausserhalb von Indonesien reine Spekulation; jedenfalls liegen sie ausserhalb eines Zeitrahmens, der es im Rahmen der Wertung nach der Fusionskontrollverordnung erlauben würde, IPTN als potentiellen Wettbewerber anzusehen.

Auch bei diesem Hersteller ist deshalb nicht davon auszugehen, daß er sich in absehbarer Zukunft zu einem bedeutenden Wettbewerber von ATR/de Havilland entwickeln könnte.

(60) Von den Parteien wurde auch auf die Iljuschin 114 hingewiesen, die für die UdSSR und die vormaligen COMECON-Länder entwickelt worden ist. Die ersten Auslieferungen dieses Typs an die Aeroflot sind für das Jahr 1992 vorgesehen. Nach den Angaben der Parteien wird dieses Flugzeug weder in Europa noch in Nordamerika auf den Markt kommen. Diese Aussage ist als zutreffend einzustufen. Die wesentliche Funktion der Iljuschin wird darin gesehen, sich - vielleicht neben der LET 610 - auf den östlichen Märkten zum wichtigsten Flugzeugtyp zu entwickeln.

(61) Böing (das Flugzeuge von de Havilland verkauft) hat der Kommission gegenüber ausdrücklich erklärt, daß es seine Tätigkeiten auf die Märkte der Düsenflugzeuge und Hubschrauber beschränken werde und deshalb den Markt der Turboprop-Maschinen endgültig aufgegeben habe. Seine Erfahrungen mit de Havilland hätten gezeigt, daß sich aus der Herstellung von Düsenflugzeugen keine bedeutenden Synergien für die Turboprop-Maschinen ergeben.

Nach Ansicht der Parteien liegt diesem Entschluß von Böing die Erkenntnis zugrunde, daß die Abhängigkeiten zwischen Regionalflugzeugen und Großflugzeugen weniger ausgeprägt sind als ursprünglich angenommen.

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß McDonnell Douglas oder Lockheed, die beiden anderen grossen nordamerikanischen Hersteller von Düsenflugzeugen, die Absicht verfolgen, sich den Turboprop-Märkten zuzuwenden. Diese beiden Hersteller sind nicht einmal in den frühen achtziger Jahren auf den Markt getreten, als die nordamerikanischen Märkte durch hohe Wachstumsraten gekennzeichnet waren.

(62) Regionalflugzeuge werden in Japan gegenwärtig nicht hergestellt. Bis 1995 wären japanische Hersteller ohnehin noch an Nachkriegsverträge gebunden, die ihnen die Herstellung und die Ausfuhr von Luftfahrzeugen untersagen. Dennoch könnten sie ein Interesse daran haben, in der Luftfahrtindustrie zukünftig mitzuwirken. Es wäre jedoch fraglich, ob der Markt der Regionalflugzeuge mit seiner fehlenden strategischen und technischen Bedeutung in der Luftfahrtindustrie und den bereits erwähnten ungünstigen Ertragsaussichten hierbei ein Schwerpunkt wäre. Es ist somit nicht mit dem Zutritt eines japanischen Herstellers zu rechnen.

Schlußfolgerung

(63) Hieraus ergibt sich, daß in absehbarer Zukunft auf den Märkten der Regionalflugzeuge nicht von einer erheblichen Steigerung des Wettbewerbspotentials ausgegangen werden kann.

Von den Parteien wurde auf die Unbeständigkeit des Regionalflugzeugmarkts angesichts der Tatsache hingewiesen, daß Fokker und British Ärospace zu Beginn der achtziger Jahre zwar hohe Marktanteile aufwiesen, ATR jedoch an einem erfolgreichen Marktzutritt dadurch nicht gehindert werden konnte.

Die Unbeständigkeit der Märkte lässt sich nicht mit den im vergangenen Jahrzehnt vollzogenen Änderungen der Marktstruktur begründen, da sich die Marktlage zu Beginn der achtziger Jahre grundlegend von den zehn Jahre später vorherrschenden Bedingungen unterschied.

Die Märkte zeichneten sich zu Beginn der achtziger Jahre durch folgende Merkmale aus:

- Es gab nur eine geringe Anzahl von Wettbewerbern; auf dem Markt der kleinen Regionalflugzeuge mit 20 bis 39 Sitzen war lediglich Shorts vertreten, während Flugzeuge mit 40 bis 59 Sitzen nur von Fokker, British Ärospace und, in begrenztem Masse, von de Havilland angeboten wurden.

- Bei den angebotenen Flugzeugen handelte es sich insbesondere im Fall von Fokker und British Ärospace um überwiegend veraltete Maschinen; die Märkte waren reif für die Einführung neuer und leistungsfähigerer Flugzeuge.

- Im Zuge der Deregulierung in Nordamerika wurden hohe Wachstumsraten für diese Märkte vorhergesagt; diese Vorhersagen haben sich bestätigt.

- Angesichts der aussichtsreichen Marktbedingungen war der Marktzutritt für neue Teilnehmer eine rationale Entscheidung.

Zu Beginn der neunziger Jahre ist die Marktlage demgegenüber durch folgendes gekennzeichnet:

- Es sind bereits acht Wettbewerber auf den Märkten vertreten; die angebotenen Flugzeuge entsprechen der Modem-Technologie, die strengen Kundenanforderungen für die vorhersehbare Zukunft gerecht wird.

- Es wird eine bevorstehende Marktsättigung mit einem sich anschließenden Rückgang und einer Stabilisierung ab Mitte der neunziger Jahre vorhergesagt.

- Für Neuzugänger bestehen nur geringe Erfolgsaussichten, so daß ein Marktzutritt rational nicht zu begründen wäre; es wird ferner damit gerechnet, daß sich einige Wettbewerber vom Markt zurückziehen werden.

(64) Unter diesen Voraussetzungen ist nicht davon auszugehen, daß sich in naher Zukunft die Marktstruktur ähnlich wie zu Beginn der achtziger Jahre verändern wird. Auch würden nach Vollzug des vorgesehenen Zusammenschlusses die Aussichten für einen Marktzutritt noch ungünstiger werden.

F. Allgemeine Erwägungen

(65) Die Parteien haben den Kostenabbau als eines ihrer Ziele beim Erwerb von de Havilland angegeben. Es wurde für den Zusammenschluß jedoch lediglich ein Einsparungspotential von jährlich rund 5 Millionen ECU ermittelt. Die von den Parteien herangezogene Beraterfirma hat Kosteneinsparungen im Zusammenhang mit der Rationalisierung in den Bereichen Teilebeschaffung, Vermarktung und Produktpflege ausgemacht.

Ohne der Frage nachgehen zu wollen, ob solche Erwägungen für die Bewertung nach Artikel 2 der Fusionskontrollverordnung maßgeblich sein können, ist festzustellen, daß diese Einsparungen mit 0,5 % des gemeinsamen Umsatzes der neuen Einheit nur geringfügige Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit von ATR/de Havilland haben könnten. Die Parteien haben auf (nicht bezifferte) Kosteneinsparungen hingewiesen, die durch ein verbessertes Management im internationalen Geschäft von de Havilland erzielt werden könnten. Solche Einsparungen wären jedoch nicht an einen Zusammenschluß gebunden, sondern könnten auch von dem derzeitigen Eigentümer von de Havilland oder jedem anderen zukünftigen Käufer verwirklicht werden.

(66) Die Parteien haben nicht geltend gemacht, daß sich aufgrund der Zusammenlegung der Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten von ATR und de Havilland Kosteneinsparungen ergeben würden. Dies ist im Zusammenhang mit den gegenüber den kanadischen Behörden abgegebenen Zusicherungen zu sehen, de Havilland in seiner Gesamtfunktion als Flugzeughersteller zu erhalten.

(67) Die gegenwärtige Marktstellung von ATR ist als robust einzustufen. Angesichts der hohen Anlaufkosten für die Entwicklung eines neuen Flugzeugs ist es in diesem Wirtschaftszweig normal, daß ein Hersteller in den Anfangsjahren seines Produktionsprogramms Verluste verzeichnet. Das zur Abschreibung der Entwicklungskosten erforderliche Absatzvolumen kann erst nach einer bestimmten Frist erreicht werden [. . .] (14).

Da sich ATR auch eine ausgezeichnete Marktstellung und ein effizientes Produktionsmanagement geschaffen hat, ist es nicht darauf angewiesen, zusätzliche Kapazitäten oder Marktanteile zu erwerben, um seinen langfristigen Erfolg als weltweit bedeutender Anbieter von Regionalflugzeugen abzusichern.

(68) Die Parteien haben angeführt, daß (von ihnen nicht bezifferte) Wettbewerbsvorteile mit dem Erwerb von de Havilland entstehen würden, wenn durch die Herstellung im Dollarraum die mit Währungsschwankungen verbundenen Risiken eingedämmt werden könnten. Für die Erzeugnisse von ATR wäre dies jedoch nur gegeben, wenn eine Produktionsverlagerung zwischen Europa und Nordamerika stattfinden könnte.

Hinsichtlich der mit einer Fertigung im Dollarraum verbundenen Vorteile ist zu bemerken, daß hiervon nur de Havilland betroffen wäre. Im Falle von ATR ließen sich keine praktischen Gründe für eine umfangreiche Produktionsverlagerung nach Kanada heranziehen.

(69) Aus den obengenannten Gründen geht die Kommission nicht davon aus, daß der vorgesehene Zusammenschluß einen Beitrag zur Förderung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b) der Fusionskontrollverordnung leisten würde. Selbst wenn eine solche Aussicht bestuende, würde dies nicht den Verbrauchern zugute kommen.

Die Verbraucher stuenden einem marktbeherrschenden Zusammenschluß von Unternehmen gegenüber, in dem die marktgängigsten Flugzeuge zusammengefasst wären. Daduch würden die Wahlmöglichkeiten spürbar eingeschränkt. Es bestuende ferner die Gefahr, daß sich diese marktbeherrschende Stellung von ATR/de Havilland in absehbarer Zukunft in ein Monopol verwandeln würde.

British Ärospace und Fokker, die beiden wichtigsten Wettbewerber auf den Märkten der Flugzeuge mit 40 Sitzen und darüber, haben zu Bedenken gegeben, daß der Zusammenschluß die Überlebensfähigkeit der Flugzeuge ATP und Fokker 50 ernsthaft gefährden würde. Beide Unternehmen gehen davon aus, daß ATR/de Havilland nach dem Zusammenschluß anfänglich ihre Preise in der strategischen Absicht senken würden, die Wettbewerber zumindest aus den Schlüsselmärkten der 40-Sitzer und darüber zu verdrängen.

Weder Fokker noch British Ärospace sehen sich in der Lage, einen solchen Preiskampf zu bestreiten, so daß beide Anbieter sich dann vom Markt zurückziehen würden.

Eine solche Reaktion ist als von Fokker und British Ärospace rational zu werten, da ATR/de Havilland mit dem Zusammenschluß die Schwelle der Marktanteile überschreiten würden, mit der eine solche Preispolitik als bestmögliche Gewinnmaximierungsstrategie der neuen Gruppe wahrscheinlich wird.

Nach der Begründung einer Monopolstellung könnten ATR/de Havilland ihre Preise unkontrolliert von Wettbewerbern wieder erhöhen.

(70) Angesichts dieser möglichen Umwandlung einer beherrschenden Stellung in ein Monopol hätte der Zusammenschluß für die Verbraucher umso schwerwiegendere Folgen. Höhere Flugzeugpreise wirken sich auf regionale Fluggesellschaften verhältnismässig stärker aus, da rund 30 bis 40 % der Betriebskosten dieser Unternehmen auf den Anschaffungspreis eines Flugzeugs entfallen.

(71) Der Zusammenschluß hätte auch nachteilige Auswirkungen auf den benachbarten Markt der Düsenflugzeuge mit 100 Sitzen. Die BÄ 146 von British Ärospace wird in den gleichen Produktionsanlagen wie das Regionalflugzeug ATP hergestellt, so daß die Festkosten auf beide Flugzeuge verteilt werden können. Eine ähnliche Wechselwirkung besteht zwischen dem Düsenflugzeug Fokker F 100 und dem Regionalflugzeug Fokker 50. Bei einem Wegfall dieser Regionalflugzeuge wäre auch die Wettbewerbsfähigkeit beider Unternehmen auf dem Markt der Düsenflugzeuge mit 100 Sitzen geschwächt, auf dem sie seitens der Böing 737 bereits einem ausgeprägten Wettbewerb ausgesetzt sind.

V. SCHLUSSFOLGERUNG

(72) Aus den vorstehend dargelegten Gründen ist davon auszugehen, daß der vorgesehene Zusammenschluß die neu zu schaffende Einheit ATR/de Havilland in die Lage versetzen würde, in spürbarem Masse unabhängig von Wettbewerbern und Kunden auf den Weltmärkten der Regionalflugzeuge einer Kapazität von 40 bis 59 Sitzen bzw. 60 Sitzen und darüber handeln zu können. Mit dem Zusammenschluß würde somit eine beherrschende Stellung auf den betreffenden Weltmärkten begründet. Ferner würde es sich hierbei um eine zeitlich unbegrenzte Marktbeherrschung handeln, mit der ein wirksamer Wettbewerb erheblich behindert werden würde. Es ist davon auszugehen, daß eine beherrschende Stellung auch dann begründet würde, wenn es sich bei dem sachlich relevanten Markt um den Gesamtmarkt der Regionalflugzeuge einer Kapazität von 20 bis 70 Sitzen handelte.

Die Wettbewerbsbedingungen auf dem Gemeinschaftsmarkt für Regionalflugzeuge unterscheiden sich nicht spürbar von den Bedingungen auf den Weltmärkten. Die Anteile der neu entstehenden Einheit am Weltmarkt und den Märkten der Gemeinschaft wären bei Regionalflugzeugen mit 60 Sitzen und darüber ähnlich hoch und bei Flugzeugen einer Kapazität von 40 bis 59 Sitzen auf dem Gemeinschaftsmarkt sogar höher als auf dem Weltmarkt; diese Märkte sind in der Gemeinschaft vergleichsweise bedeutender als in der übrigen Welt. In bezug auf den Gesamtmarkt der Regionalflugzeuge mit 20 bis 70 Sitzen wären die Anteile der neuen Einheit in der Gemeinschaft höher als auf dem übrigen Weltmarkt. Es ist auch aus diesen Gründen davon auszugehen, daß mit dem vorgesehenen Zusammenschluß eine beherrschende Stellung begründet würde, die im Sinne von Artikel 2 Absatz 3 der Fusionskontrollverordnung den wirksamen Wettbewerb im Gemeinsamen Markt erheblich behindern würde -

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Der vorgesehene Zusammenschluß zwischen Ärospatiale und Alenia mit de Havilland wird als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt.

Artikel 2

Diese Entscheidung ist an folgende Unternehmen gerichtet:

Ärospatiale SNI,

37, Boulevard de Montmorency,

F-75781 Paris Cedex 76,

und

Alenia-Äritalia & Selenia SpA,

P. le V. Tecchio 51/a,

I-80125 Napoli. Brüssel, den 2. Oktober 1991 Für die Kommission

Leon BRITTAN

Vizepräsident

(1) ABl. Nr. L 395 vom 30. 12. 1989, S. 1 (berichtigte Fassung: ABl. Nr. L 257 vom 21. 9. 1990, S. 13). (2) ABl. Nr. C 314 vom 5. 12. 1991, S. 7. (3) Innerhalb einer Grössenordnung der Preise zwischen 6 und 13 Millionen US-Dollar. In der veröffentlichten Fassung dieser Entscheidung wurden gemäß Artikel 17 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 bezueglich der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen nachfolgend einige Angaben ausgelassen. (4) Vergleich der Rentabilitätsschwellen. (5) Ärospatiale, Strategic Planning Division, 1990-2009, Regional Transport Market Forecast. (6) Die direkten Betriebskosten eines Durchschnittsflugs umfassen Abschreibung, Versicherung, Treibstoff, Besatzung, Wartung und Landegebühren. (7) Werden die Kosten eines ATR-72-Flugs mit 100 veranschlagt, so liegen die Kosten zweier Saab-340-Flüge bei [ . . .]. (8) In der Untersuchung wurde der Auftragsgesamtbestand zum 31. August 1991 geprüft. Die Kommission erhielt von allen Herstellern umfassende Angaben zur Anzahl der Bestellungen, Lieferungen und Optionen. Diese Zahlen wurden der Berechnung der Marktanteile zugrunde gelegt. Sie weichen geringfügig von den Schätzungen der Parteien in der Anmeldung ab. (9) Die Marktanteilszahlen ändern sich nicht wesentlich, wenn die Optionen mit berücksichtigt werden, und zwar in der Weise, daß für alle Flugzeuge die hohen Umwandlungsraten gelten, wie sie in der Vergangenheit von dem erfolgreichen ATR-Programm erzielt wurden. Die Zahlen auf dieser Grundlage sind: - Welt: ATR + DHC = 47 % (nächster Wettbewerber: Saab mit 21 %), - EG: ATR + DHC = 66 % (nächster Wettbewerber: Fokker mit 12 %). Wenn die Zahlen alternativ auf der Basis von Listenpreisen für jedes Flugzeug statt mit Hilfe der Gewichtung nach der Anzahl der Sitzplätze berechnet werden, ergeben sich folgende Marktanteile nach Bestellungen: - Welt: ATR + DHC = 47 % (nächster Wettbewerber: Saab mit 20 %), - EG: ATR + DHC = 64 % (nächster Wettbewerber: Fokker mit 13 %). Die Zahlen auf der Basis von Listenpreisen und unter Einbeziehung der Optionen sind: - Welt: ATR + DHC = 44 % (nächster Wettbewerber: Saab mit 23 %), - EG: ATR + DHC = 64 % (nächster Wettbewerber: Fokker mit 13 %). [ . . . ] (10) Böing hat dieses Programm vorübergehend eingestellt, um dem Käufer von de Havilland die Gelegenheit zu geben, eine eigene Produktionsanalyse durchzuführen, um zu entscheiden, welche Maßnahmen nach dem Verkauf zu treffen sind. (11) Analyse der wirtschaftlichen Situation de Havillands. (12) Nahezu alle Bestellungen entfielen auf ATR oder de Havilland. (13) Erheblich geringer: rund zwei Drittel des gegenwärtigen Standes. (14) Finanzprojektionen für ATR.