31990R1588

Verordnung (Euratom, EWG) Nr. 1588/90 des Rates vom 11. Juni 1990 über die Übermittlung von unter die Geheimhaltungspflicht fallenden Informationen an das Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaften

Amtsblatt Nr. L 151 vom 15/06/1990 S. 0001 - 0004
Finnische Sonderausgabe: Kapitel 16 Band 2 S. 0008
Schwedische Sonderausgabe: Kapitel 16 Band 2 S. 0008


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VERORDNUNG (EURATOM, EWG) Nr. 1588/90 DES RATES

vom 11. Juni 1990

über die Übermittlung von unter die Geheimhaltungspflicht fallenden Informationen an das Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaften

DER RAT DER EUROPÄISCHEN

GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 213,

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft, inbesondere auf Artikel 187,

nach Kenntnisnahme des Verordnungsentwurfs der Kommission (1),

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments (2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

Die Kommission bedarf zur Erfuellung der ihr durch die Verträge übertragenen Aufgaben, insbesondere im Hinblick auf die Verwirklichung des Binnenmarktes, wie er in Artikel 8a des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vorgesehen ist, umfassender und zuverlässiger Informationen. Im Interesse einer effizienten Verwaltung sollte das Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaften über alle einzelstaatlichen statistischen Informationen verfügen können, die es zur Erstellung von Statistiken auf Gemeinschaftsebene und zur Durchführung geeigneter Analysen benötigt.

Nach Artikel 5 EWG-Vertrag und Artikel 192 EAG-Vertrag sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, der Gemeinschaft die Erfuellung ihrer Aufgaben zu erleichtern. Dies schließt die Übermittlung aller dafür erforderlichen Informationen ein. Die Nicht-Übermittlung vertraulicher statistischer Daten an das Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaften führt zu einem beträchtlichen Informationsverlust auf Gemeinschaftsebene und zu Schwierigkeiten bei der Erstellung von Statistiken und der Durchführung von Analysen über die Gemeinschaft.

Die Mitgliedstaaten haben keinen Anlaß mehr, sich auf Vorschriften zur Wahrung des Statistikgeheimnisses zu berufen, wenn sichergestellt ist, daß das Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaften dieselben Garantien für eine vertrauliche Behandlung der Daten bietet wie die einzelstaatlichen Statistischen Ämter. Diese Garantien sind zum Teil bereits in den Gemeinschaftsverträgen - insbesondere in Artikel 214 EWG-Vertrag und in Artikel 194 Absatz 1 EAG-Vertrag - sowie im Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften enthalten und können durch geeignete Maßnahmen aufgrund der vorliegenden Verordnung noch verstärkt werden.

Nach Artikel 214 EWG-Vertrag und Artikel 194 Absatz 1 EAG-Vertrag sind die Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaft verpflichtet, auch nach Beendigung ihrer Amtstätigkeit Auskünfte, die ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis fallen, nicht preiszugeben.

Artikel 17 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften verpflichtet die Beamten zur vertraulichen Behandlung der Fakten und Informationen, von denen sie in Ausübung oder anläßlich der Ausübung ihres Amtes Kenntnis erhalten; diese Verpflichtung besteht für sie nach ihrem Ausscheiden aus dem Dienst weiter.

Jede Verletzung des durch diese Verordnung geschützten Statistikgeheimnisses ist unabhängig davon, von wem sie begangen wurde, wirksam zu ahnden.

Jede vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung der Pflichten, denen ein Beamter oder Bediensteter des Statistischen Amtes der Europäischen Gemeinschaften unterliegt, kann die Anwendung von Disziplinarstrafen sowie gegebenenfalls die Anwendung strafrechtlicher Maßnahmen wegen Verletzung des Berufsgeheimnisses unter Beachtung des Artikels 12 in Verbindung mit Artikel 18 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften zur Folge haben.

Artikel 215 EWG-Vertrag und Artikel 188 EAG-Vertrag sehen die Haftung der Gemeinschaft für durch ihre Organe oder Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachte Schäden vor.

Die vorliegende Verordnung betrifft nur die Übermittlung statistischer Daten an das Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaften, die im Bereich der nationalen Statistischen Ämter unter das Statistikgeheimnis fallen. Sie berührt nicht die einschlägigen nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen betreffend die Übermittlung aller anderen Arten von Informationen an die Kommission.

Diese Verordnung ergeht unbeschadet des Artikels 223 EWG-Vertrag, nach dem die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe ihres Erachtens ihren wesentlichen Sicherheitsinteressen widerspricht.

Auf der Grundlage des Artikels 47 des EGKS-Vertrags hat die Kommission insbesondere die Entscheidung Nr. 1566/86/EGKS (1) erlassen. Die entsprechenden Entscheidungen werden gemäß Artikel 232 EWG-Vertrag von dieser Verordnung nicht berührt.

Der mit dieser Verordnung eingesetzte Ausschuß für die statistische Geheimhaltung entspricht dem Grundsatzbeschluß 87/373/EWG des Rates vom 13. Juli 1987 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (2).

Um die Vorschriften der vorliegenden Verordnung, insbesondere diejenigen, welche den Schutz der dem Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften übermittelten vertraulichen statistischen Daten sicherstellen sollen, in die Praxis umzusetzen, müssen menschliche, technische und finanzielle Mittel verfügbar sein -

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

(1) Diese Verordnung bezweckt,

- die zuständigen nationalen Stellen zu ermächtigen, dem Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden »SAEG" genannt) vertrauliche statistische Daten zu übermitteln;

- sicherzustellen, daß die Kommission der Europäischen Gemeinschaften alle erforderlichen Maßnahmen trifft, um die Vertraulichkeit der übermittelten Daten zu gewährleisten.

(2) Diese Verordnung findet nur auf das Statistikgeheimnis Anwendung. Sie lässt die besonderen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts oder des nationalen Rechts unberührt, die den Schutz anderer Geheimnisse als des Statistikgeheimnisses betreffen.

Artikel 2

Für die Zwecke dieser Verordnung geltende folgende Begriffsbestimmungen:

1. Vertrauliche statistische Daten: Daten, die von den Mitgliedstaaten gemäß den nationalen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten auf dem Gebiet der statistischen Geheimhaltung für vertraulich erklärt werden.

2. Einzelstaatliche Stellen: einzelstaatliche Statistische Ämter und sonstige mit der Sammlung und Verarbeitung statistischer Daten für die Gemeinschaften beauftragte staatliche Einrichtungen.

3. Informationen über die Privatsphäre natürlicher Personen: Informationen über das Privat- und Familienleben natürlicher Personen, entsprechend der Definition gemäß den Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten der einzelnen Mitgliedstaaten.

4. Verwendung für statistische Zwecke: ausschließliche Verwendung zur Erstellung statistischer Tabellen oder zur Durchführung statistisch-wirtschaftlicher Analysen; dies schließt die Verwendung für administrative, juristische, steuerliche oder Kontrollzwecke gegen die befragten Einheiten aus.

5. Statistische Einheit: kleinste Einheit, auf die sich die dem SAEG übermittelten statistischen Daten beziehen.

6. Direkte Identifizierung: Identifizierung einer statistischen Einheit anhand von Name, Anschrift oder einer amtlich zugeteilten und veröffentlichten Identifizierungsnummer.

7. Indirekte Identifizierung: Möglichkeit, die Identität einer statistischen Einheit aus anderen Daten als den Daten gemäß Nummer 6 abzuleiten.

8. Beamte des SAEG: Beamte der Gemeinschaften im Sinne von Artikel 1 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften, die im Rahmen ihrer dienstlichen Verwendung im SAEG tätig sind.

9. Sonstige Bedienstete des SAEG: Bedienstete der Gemeinschaften im Sinne der Artikel 2 bis 5 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften, die im Rahmen ihrer dienstlichen Verwendung im SAEG tätig sind.

10. Verbreitung: Lieferung von Daten in jedweder Form: Veröffentlichung, Zugang zu Datenbanken, Mikrofiche, telefonische Übermittlung usw.

Artikel 3

(1) Die einzelstaatlichen Stellen sind befugt, dem SAEG vertrauliche statistische Daten zu übermitteln.

(2) Die einzelstaatlichen Vorschriften über das Statistikgeheimnis können nicht gegen die Übermittlung vertraulicher statistischer Daten an das SAEG geltend gemacht werden, soweit diese Übermittlung in einem eine Gemeinschaftsstatistik regelnden Rechtsakt der Gemeinschaft vorgesehen ist.

(3) Die Übermittlung der vertraulichen statistischen Daten über die Struktur und die Tätigkeit der Unternehmen, die vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung erfasst worden sind, an das SAEG muß in Übereinstimmung mit den in den Mitgliedstaaten für die Geheimhaltung statistischer Daten geltenden Vorschriften und Praktiken erfolgen.

Die Übermittlung vertraulicher statistischer Daten im Sinne von Absatz 2 an das SAEG erfolgt in einer Weise, die eine direkte Identifizierung der statistischen Einheiten ausschließt. Dies schließt die Zulässigkeit weitergehender Übermittlungsregelungen nach Maßgabe des Rechts der Mitgliedstaaten nicht aus.

(4) Die zuständigen einzelstaatlichen Stellen sind nicht verpflichtet, dem SAEG Informationen zu übermitteln, die die Privatsphäre natürlicher Personen berühren, soweit diese Informationen die direkte oder indirekte Identifizierung dieser natürlichen Personen ermöglichen.

Artikel 4

(1) Die Kommission trifft alle erforderlichen rechtlichen, administrativen, technischen und organisatorischen Maßnahmen, um die vertrauliche Behandlung der statistischen Daten zu gewährleisten, die dem SAEG von den zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten gemäß Artikel 3 übermittelt werden.

(2) Die in Artikel 5 vorgesehenen Schutzmaßnahmen gelten

a) für alle vertraulichen statistischen Daten, deren Übermittlung an das SAEG in einem eine Gemeinschaftsstatistik regelnden Rechtsakt der Gemeinschaft vorgesehen ist,

b) für alle vertraulichen statistischen Daten, die dem SAEG von den Mitgliedstaaten auf freiwilliger Grundlage übermittelt werden.

(3) Die Kommission legt die Modalitäten für die Übermittlung der vertraulichen statistischen Daten an das SAEG und die Grundsätze zum Schutz dieser Daten gemäß dem in Artikel 7 vorgesehenen Verfahren fest.

Artikel 5

(1) Die Kommission beauftragt den Generaldirektor des SAEG, den Schutz der dem SAEG von den staatlichen Stellen der Mitgliedstaaten übermittelten Daten zu gewährleisten. Sie regelt nach Anhörung des in Artikel 7 genannten Ausschusses die Einzelheiten der internen Organisation des SAEG, um diesen Schutz zu gewährleisten.

(2) Die dem SAEG übermittelten vertraulichen statistischen Daten sind nur den Beamten des SAEG zugänglich und dürfen von ihnen ausschließlich für statistische Zwecke verwendet werden.

(3) Die Kommission kann jedoch sonstigen Bediensteten des SAEG und anderen in seinen Räumlichkeiten auf Vertragsbasis tätigen natürlichen Personen in Ausnahmefällen für rein statistische Zwecke Zugang zu den vertraulichen statistischen Daten gewähren. Die Einzelheiten regelt die Kommission gemäß dem in Artikel 7 vorgesehenen Verfahren.

(4) Die vom SAEG gespeicherten vertraulichen statistischen Daten dürfen nur verbreitet werden, wenn sie mit anderen Daten auf eine Weise verbunden sind, die keinerlei direkte oder indirekte Identifizierung der statistischen Einheiten zulässt.

(5) Den Beamten und sonstigen Bediensteten des SAEG sowie anderen in seinen Räumlichkeiten auf Vertragsbasis tätigen natürlichen Personen ist es untersagt, diese Daten für andere als die in dieser Verordnung vorgesehenen Zwecke zu verwenden oder zu verbreiten. Dieses Verbot gilt auch bei Versetzung, Ausscheiden aus dem Dienst oder Eintritt in den Ruhestand.

Artikel 6

Die Mitgliedstaaten treffen vor dem 1. Januar 1992 geeignete Maßnahmen, um jede Verletzung der Verpflichtung zur Geheimhaltung der gemäß Artikel 3 übermittelten vertraulichen statistischen Daten zu ahnden. Diese Maßnahmen gelten zumindest für die Verletzungen, die im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaates von Beamten und sonstigen Bediensteten des SAEG sowie von anderen in den Räumlichkeiten des SAEG auf Vertragsbasis tätigen natürlichen Personen begangen wurden.

Sie teilen der Kommission die erlassenen Maßnahmen unverzueglich mit. Die Kommission informiert darüber die anderen Mitgliedstaaten.

Artikel 7

Es wird ein Ausschuß für die statistische Geheimhaltung (im folgenden »Ausschuß" genannt) eingesetzt, der sich aus Vertretern aller Mitgliedstaaten zusammensetzt und in dem ein Vertreter der Kommission (der Generaldirektor des SAEG oder eine von ihm benannte Person) den Vorsitz führt.

Der Vertreter der Kommission unterbreitet dem Ausschuß einen Entwurf der im Rahmen von Artikel 4 Absatz 3 und Artikel 5 Absatz 3 zu treffenden Maßnahmen. Der Ausschuß gibt seine Stellungnahme zu diesem Entwurf innerhalb einer Frist ab, die der Vorsitzende unter Berücksichtigung der Dringlichkeit der betreffenden Frage festsetzen kann. Die Stellungnahme wird mit der Mehrheit abgegeben, die in Artikel 148 Absatz 2 EWG-Vertrag für die Annahme der vom Rat auf Vorschlag der Kommission zu fassenden Beschlüsse vorgesehen ist. Bei der Abstimmung im Ausschuß werden die Stimmen der Vertreter der Mitgliedstaaten gemäß dem vorgenannten Artikel gewogen. Der Vorsitzende nimmt an der Abstimmung nicht teil.

Die Kommission erlässt Maßnahmen, die unmittelbar gelten. Stimmen sie jedoch mit der Stellungnahme des Ausschusses nicht überein, so werden sie sofort von der Kommission dem Rat mitgeteilt. In diesem Fall gilt folgendes:

- Die Kommission verschiebt die Durchführung der von ihr beschlossenen Maßnahmen um drei Monate, vom Zeitpunkt der Mitteilung an gerechnet;

- der Rat kann innerhalb des im ersten Gedankenstrich genannten Zeitraums mit qualifizierter Mehrheit einen anderslautenden Beschluß fassen.

Der Ausschuß gibt sich eine Geschäftsordnung.

Artikel 8

Der Ausschuß prüft die Fragen, die ihm von seinem Vorsitzenden entweder auf dessen Initiative oder auf Ersuchen des Vertreters eines Mitgliedstaates vorgelegt werden und die Anwendung dieser Verordnung betreffen.

Artikel 9

Diese Verordnung tritt am dritten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Geschehen zu Luxemburg am 11. Juni 1990.

Im Namen des Rates

Der Präsident

A. REYNOLDS

(1) ABl. Nr. C 86 vom 7. 4. 1989, S. 12.

(2) ABl. Nr. C 291 vom 20. 11. 1989, S. 27.

(1) ABl. Nr. L 141 vom 28. 5. 1986, S. 1.

(2) ABl. Nr. L 197 vom 18. 7. 1987, S. 33.