22008A0814(01)

Abkommen zwischen der Europäischen Weltraumorganisation und der Europäischen Union über die Sicherheit und den Austausch von Verschlusssachen

Amtsblatt Nr. L 219 vom 14/08/2008 S. 0059 - 0062


ÜBERSETZUNG

Abkommen

zwischen der Europäischen Weltraumorganisation und der Europäischen Union über die Sicherheit und den Austausch von Verschlusssachen

DIE EUROPÄISCHE WELTRAUMORGANISATION,

nachstehend "ESA" genannt, vertreten durch ihren Generaldirektor,

und

DIE EUROPÄISCHE UNION,

nachstehend "EU" genannt, vertreten durch den Vorsitz des Rates der Europäischen Union,

nachstehend "die Vertragsparteien" genannt —

GESTÜTZT auf den Vertrag über die Europäische Union,

GESTÜTZT auf das am 30. Mai 1975 in Paris unterzeichnete und am 30. Oktober 1980 in Kraft getretene Übereinkommen zur Gründung einer Europäischen Weltraumorganisation,

GESTÜTZT auf das am 19. August 2002 in Paris unterzeichnete und am 20. Juni 2003 in Kraft getretene Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Übereinkommens zur Gründung einer Europäischen Weltraumorganisation und der Europäischen Weltraumorganisation über den Schutz und den Austausch geheimhaltungsbedürftiger Informationen,

IN DER ERWÄGUNG, dass die ESA und die EU das gleiche Ziel verfolgen, ihre eigene Sicherheit in jeder Weise zu stärken,

IN DER ERWÄGUNG, dass die ESA und die EU darin übereinstimmen, dass sie eine Zusammenarbeit in Fragen von allgemeinem Interesse im Bereich der Sicherheit entwickeln sollten, und dass der Rat der Europäischen Union und der ESA-Rat am 22. Mai 2007 eine Entschließung zur Europäischen Raumfahrtpolitik angenommen haben, in der unter anderem die Notwendigkeit der Verbesserung der Synergien auf dem Gebiet der Sicherheit hervorgehoben wird,

IN DER ERWÄGUNG, dass in diesem Zusammenhang daher ständig der Bedarf besteht, Verschlusssachen zwischen der ESA und der EU auszutauschen,

IN ANERKENNUNG DESSEN, dass eine umfassende und wirksame Konsultation und Zusammenarbeit den Zugang zu als Verschlusssachen eingestuften Informationen der ESA und der EU sowie den Austausch solcher Informationen zwischen der ESA und der EU erfordern kann,

IN DEM BEWUSSTSEIN, dass ein solcher Zugang zu als Verschlusssachen eingestuften Informationen und der Austausch solcher Informationen geeignete Geheimschutzmaßnahmen notwendig machen —

SIND WIE FOLGT ÜBEREINGEKOMMEN:

Artikel 1

Im Hinblick auf das Ziel der Vertragsparteien, ihre Sicherheit in allen ihren Formen zu stärken, findet das Abkommen zwischen der Europäischen Weltraumorganisation und der Europäischen Union über die Sicherheit und den Austausch von Verschlusssachen (nachstehend "Abkommen" genannt) Anwendung auf die gemäß der Begriffsbestimmung des Artikels 2 als Verschlusssachen eingestuften Informationen, die von den Vertragsparteien bereitgestellt oder zwischen den Vertragsparteien ausgetauscht werden.

Artikel 2

Im Sinne dieses Abkommens bezeichnet der Ausdruck "Verschlusssachen" Informationen (d. h. Kenntnisse, die in irgendeiner Form übermittelt werden können) oder Material einschließlich Dokumenten, in Bezug auf die (das) von einer der Vertragsparteien bestimmt wurde, dass sie (es) vor einer unbefugten Weitergabe geschützt werden müssen (muss) und die (das) als solche (solches) gekennzeichnet wurden (wurde) (nachstehend "Verschlusssachen" genannt).

Artikel 3

Im Sinne dieses Abkommens

a) bedeutet der Ausdruck "ESA" die Europäische Weltraumorganisation;

b) bedeutet der Ausdruck "EU" den Rat der Europäischen Union (nachstehend "Rat" genannt), den Generalsekretär/Hohen Vertreter und das Generalsekretariat des Rates sowie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend "Europäische Kommission" genannt).

Artikel 4

Jede Vertragspartei verfährt wie folgt:

a) Sie schützt und sichert Verschlusssachen im Sinne dieses Abkommens, die der einen Vertragspartei von der jeweils anderen Vertragspartei bereitgestellt oder zwischen den Vertragsparteien ausgetauscht werden.

b) Sie stellt sicher, dass Verschlusssachen, die gemäß diesem Abkommen bereitgestellt oder ausgetauscht werden, den von der bereitstellenden Vertragspartei zugewiesenen Geheimhaltungsgrad beibehalten. Die empfangende Vertragspartei schützt und sichert solche Verschlusssachen gemäß den Vorschriften, die in ihren eigenen Geheimschutzvorschriften für Verschlusssachen mit einem entsprechenden Geheimhaltungsgrad vorgesehen sind, wie in den nach Artikel 11 zu treffenden Sicherheitsvorkehrungen ausgeführt.

c) Sie verwendet solche Verschlusssachen im Sinne dieses Abkommens nur für die von der bereitstellenden Vertragspartei bestimmten Zwecke.

d) Sie gibt solche Verschlusssachen im Sinne dieses Abkommens nicht ohne vorherige Zustimmung der bereitstellenden Vertragspartei an Dritte oder an nicht in Artikel 3 genannte EU-Organe und -Einrichtungen weiter.

e) Sie gewährt den Zugang zu solchen Verschlusssachen nur den Personen, die Kenntnis von diesen Informationen haben müssen und die, wenn nötig, der für den entsprechenden Geheimhaltungsgrad erforderlichen Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden sind.

Artikel 5

(1) Verschlusssachen können gemäß dem Grundsatz der Kontrolle durch den Urheber von einer Vertragspartei, ("bereitstellende Vertragspartei"), an die andere Vertragspartei, "(empfangende Vertragspartei"), weitergegeben bzw. ihr gegenüber freigegeben werden.

(2) Die Frei- oder Weitergabe von Verschlusssachen gegenüber anderen als den in Artikel 3 genannten Empfängern bedarf eines Beschlusses der empfangenden Vertragspartei nach schriftlicher Zustimmung der bereitstellenden Vertragspartei gemäß dem Grundsatz der Kontrolle durch den Urheber, wie er in den Geheimschutzvorschriften der bereitstellenden Vertragspartei festgelegt ist.

(3) In Anwendung der Bestimmungen der Absätze 1 und 2 ist eine grundsätzliche Freigabe nicht zulässig, es sei denn, zwischen den Vertragsparteien wurden für bestimmte Kategorien von Informationen, die für ihre operativen Erfordernisse relevant sind, Verfahren festgelegt und vereinbart.

Artikel 6

Jede der Vertragsparteien und jede ihrer in Artikel 3 bestimmten Einrichtungen stellt sicher, dass sie über ein Sicherheitssystem und Sicherheitsmaßnahmen verfügt, die auf den Sicherheitsgrundsätzen und -mindeststandards basieren, welche in ihren jeweiligen Vorschriften und Regelungen festgelegt sind und in den nach Artikel 11 zu treffenden Sicherheitsvorkehrungen ihren Niederschlag finden, so dass die Anwendung eines gleichwertigen Geheimschutzstandards auf Verschlusssachen im Sinne dieses Abkommens gewährleistet ist.

Artikel 7

(1) Die Vertragsparteien stellen sicher, dass alle Personen, die in Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit Zugang zu Verschlusssachen haben müssen, die im Rahmen dieses Abkommens bereitgestellt bzw. ausgetauscht werden, oder deren Tätigkeit oder Aufgaben Zugang zu solchen Verschlusssachen bieten kann, erforderlichenfalls einer angemessenen Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden, bevor ihnen Zugang zu solchen Verschlusssachen gewährt wird.

(2) Die Verfahren der Sicherheitsüberprüfung dienen der Feststellung, ob einer Person in Anbetracht ihrer Loyalität, ihrer Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit Zugang zu Verschlusssachen gewährt werden kann.

Artikel 8

Die Vertragsparteien leisten sich gegenseitig Hilfe in Fragen des Schutzes von Verschlusssachen im Sinne dieses Abkommens sowie bei Fragen von gemeinsamem Sicherheitsinteresse. Die in Artikel 11 genannten Stellen führen gegenseitige Sicherheitskonsultationen und Besichtigungen durch, um die Wirksamkeit der gemäß Artikel 11 im Rahmen ihrer Zuständigkeit zu treffenden Sicherheitsvorkehrungen zu beurteilen.

Artikel 9

(1) Für die Zwecke dieses Abkommens gilt Folgendes:

a) Für die EU:

Die gesamte Korrespondenz ist an den Rat zu richten, und zwar an folgende Adresse:

Rat der Europäischen Union

Chief Registry Officer

Rue de la Loi/Wetstraat 175

B-1048 Brüssel.

Der Chief Registry Officer des Rates leitet die gesamte Korrespondenz vorbehaltlich des Absatzes 2 an die Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission weiter.

b) Für die ESA:

Die gesamte Korrespondenz ist an folgende Adresse zu richten:

ESA Security Office

Via Galileo Galilei

I-00044 Frascati.

(2) In Ausnahmefällen kann die Korrespondenz einer Vertragspartei, die lediglich speziell zuständigen Beamten, Einrichtungen oder Dienststellen dieser Vertragspartei zugänglich ist, aus operativen Gründen an einzelne zuständige Beamte, Einrichtungen oder Dienststellen der anderen Vertragspartei gerichtet werden, die speziell als Empfänger benannt sind, und lediglich diesen zugänglich sein, wobei deren Zuständigkeiten Rechnung zu tragen und nach dem Grundsatz "Kenntnis nur, wenn nötig" zu verfahren ist. Für die EU werden diese Informationen über den Chief Registry Officer des Rates oder — wenn diese Informationen an die Europäische Kommission gerichtet sind — über den Chief Registry Officer der Sicherheitsdirektion der Europäischen Kommission übermittelt. Für die ESA werden diese Informationen über das ESA Security Office übermittelt.

Artikel 10

Der Generaldirektor der ESA und der Generalsekretär des Rates sowie das für Sicherheitsfragen zuständige Mitglied der Europäischen Kommission überwachen die Anwendung dieses Abkommens.

Artikel 11

(1) Zur Anwendung dieses Abkommens werden zwischen den drei in den Absätzen 2, 3 und 4 bezeichneten Stellen Sicherheitsvorkehrungen getroffen, um die Standards für die gegenseitige Gewährleistung des Geheimschutzes und die Sicherung der im Rahmen dieses Abkommens bereitgestellten oder ausgetauschten Verschlusssachen festzulegen.

(2) Das Sicherheitsbüro der ESA erstellt unter der Leitung des Generaldirektors der ESA die Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz und zur Sicherung von Verschlusssachen, die im Rahmen dieses Abkommens der ESA bereitgestellt oder mit ihr ausgetauscht werden.

(3) Das Sicherheitsbüro des Generalsekretariats des Rates, das — unter der Leitung und im Auftrag des Generalsekretärs des Rates — im Namen des Rates und unter dessen Aufsicht handelt, erstellt die Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz und zur Sicherung von Verschlusssachen, die im Rahmen dieses Abkommens der Europäischen Union bereitgestellt oder mit ihr ausgetauscht werden.

(4) Die Sicherheitsdirektion der Europäischen Kommission, die unter Aufsicht des für Sicherheitsfragen zuständigen Mitglieds der Kommission handelt, erstellt die Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz und zur Sicherung von Verschlusssachen, die im Rahmen dieses Abkommens innerhalb der Europäischen Kommission und ihrer Räumlichkeiten bereitgestellt oder ausgetauscht werden.

(5) Der ESA-Rat billigt die Sicherheitsvorkehrungen nach Absatz 1 im Namen der ESA.

(6) Der Sicherheitsausschuss des Rates billigt die Sicherheitsvorkehrungen nach Absatz 1 im Namen der EU.

Artikel 12

Die in Artikel 11 genannten Stellen legen Verfahren fest, nach denen im Falle einer erwiesenen oder mutmaßlichen Kompromittierung von Verschlusssachen im Sinne dieses Abkommens vorzugehen ist, einschließlich der Unterrichtung der anderen Vertragspartei über die Umstände des Falles und die getroffenen Maßnahmen.

Artikel 13

Jede Vertragspartei trägt die Kosten, die bei der Anwendung dieses Abkommens für sie anfallen.

Artikel 14

Vor der Bereitstellung oder dem Austausch von Verschlusssachen im Sinne dieses Abkommens zwischen den Vertragsparteien müssen die in Artikel 11 genannten für Sicherheit zuständigen Stellen übereinstimmend feststellen, dass die empfangende Vertragspartei in der Lage ist, Verschlusssachen im Sinne dieses Abkommens so zu schützen und zu sichern, dass damit den nach Artikel 11 zu treffenden Sicherheitsvorkehrungen entsprochen wird.

Artikel 15

Dieses Abkommen hindert die Vertragsparteien nicht, andere Übereinkünfte im Zusammenhang mit der Bereitstellung oder dem Austausch von Verschlusssachen im Sinne dieses Abkommens zu schließen, sofern diese nicht im Widerspruch zu den Bestimmungen dieses Abkommens stehen.

Artikel 16

Alle Streitfragen zwischen der EU und der ESA, die sich aus der Auslegung oder Anwendung dieses Abkommens ergeben, werden durch Verhandlungen zwischen den Vertragsparteien geregelt.

Artikel 17

(1) Dieses Abkommen tritt am ersten Tag des ersten Monats in Kraft, der auf den Monat folgt, in dem die Vertragsparteien einander den Abschluss der hierfür erforderlichen internen Verfahren notifiziert haben.

(2) Jede Vertragspartei setzt die andere Vertragspartei über etwaige Änderungen ihrer Vorschriften und Regelungen, die Auswirkungen auf den Schutz von Verschlusssachen nach diesem Abkommen haben könnten, in Kenntnis.

(3) Dieses Abkommen kann auf Antrag einer der beiden Vertragsparteien im Hinblick auf etwaige Änderungen überprüft werden.

(4) Änderungen dieses Abkommens bedürfen stets der Schriftform und sind im Einvernehmen zwischen den Vertragsparteien vorzunehmen. Sie treten nach der gegenseitigen Notifizierung gemäß Absatz 1 in Kraft.

Artikel 18

Dieses Abkommen kann von jeder Vertragspartei durch eine an die andere Vertragspartei gerichtete schriftliche Kündigung gekündigt werden. Die Kündigung wird sechs Monate nach ihrem Eingang bei der anderen Vertragspartei wirksam, berührt jedoch nicht die aufgrund dieses Abkommens bereits eingegangenen Verpflichtungen. Insbesondere sind sämtliche nach Maßgabe dieses Abkommens bereitgestellten oder ausgetauschten Verschlusssachen auch weiterhin nach den Bestimmungen dieses Abkommens zu schützen.

Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Abkommen unterzeichnet.

Geschehen zu Brüssel am 18. Juli 2008 in zwei Urschriften, jede in englischer Sprache.

Für die Europäische Union

Generalsekretär

J. Solana Madariaga

Für die Europäische Weltraumorganisation

Generaldirektor

J.-J. Dordain

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