11.7.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 190/93


BESCHLUSS DER EFTA-ÜBERWACHUNGSBEHÖRDE

Nr. 442/12/COL

vom 29. November 2012

über Funktion und Mandat des Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren

DIE EFTA-ÜBERWACHUNGSBEHÖRDE —

GESTÜTZT AUF das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (im Folgenden „EWR-Abkommen“), insbesondere auf Artikel 55,

GESTÜTZT AUF das Abkommen zwischen den EFTA-Staaten zur Errichtung einer Überwachungsbehörde und eines Gerichtshofs („Überwachungsbehörde- und Gerichtshof-Abkommen“ – im Folgenden „ÜGA“), insbesondere auf Artikel 13 und 14 des Protokolls 4,

GESTÜTZT AUF Artikel 15 der Geschäftsordnung der EFTA-Überwachungsbehörde (im Folgenden „Überwachungsbehörde“),

In erwägung nachstehender gründe:

(1)

Im Rahmen des auf der Grundlage des EWR-Abkommens geschaffenen Systems zur Durchsetzung des Wettbewerbsrechts führt die Überwachungsbehörde Untersuchungen durch und entscheidet über Wettbewerbssachen in Form von administrativen Beschlüssen, die der gerichtlichen Kontrolle des EFTA-Gerichtshofs unterliegen.

(2)

Die Überwachungsbehörde muss ihre Wettbewerbsverfahren fair, unparteiisch und objektiv durchführen und dafür sorgen, dass die Verfahrensrechte der Parteien nach Kapitel II des Protokolls 4 zum ÜGA (Durchführung der in den Artikeln 53 und 54 des EWR-Abkommens niedergelegten Wettbewerbsregeln), Kapitel III des Protokolls 4 zum ÜGA (Vorschriften über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel 53 und 54 des EWR-Abkommens durch die Überwachungsbehörde), Kapitel IV des Protokolls 4 zum ÜGA (Vorschriften über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen), und Kapitel V des Protokolls 4 zum ÜGA (Durchführung von Kapitel IV über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen) sowie im Einklang mit der einschlägigen Rechtsprechung des EFTA-Gerichtshofs und des Gerichtshofs der Europäischen Union gewahrt werden. Das Recht der Parteien, gehört zu werden, stellt ein Grundrecht dar, das in der Europäischen Menschenrechtskonvention (1) verankert ist.

(3)

Um zu gewährleisten, dass die Verfahrensrechte der Parteien, der anderen Beteiligten im Sinne von Kapitel V Artikel 11 Buchstabe b des Protokolls 4 zum ÜGA (im Folgenden „andere Beteiligte“), der Beschwerdeführer im Sinne von Kapitel II Artikel 7 Absatz 2 des Protokolls 4 zum ÜGA (im Folgenden „Beschwerdeführer“) und der anderen Personen als die in Kapitel III Artikeln 5 und 11 des Protokolls 4 zum ÜGA genannten Personen sowie von Dritten im Sinne von Kapitel V Artikel 11 des Protokolls 4 zum ÜGA (im Folgenden „Dritte“) in Wettbewerbsverfahren effektiv gewahrt werden, sollte eine in Wettbewerbsfragen erfahrene unabhängige Person, die aufgrund ihrer Integrität geeignet ist, die Objektivität, Transparenz und Effizienz solcher Verfahren zu fördern, damit betraut werden, die Wahrung dieser Rechte sicherzustellen.

(4)

Mit dem Beschluss der Überwachungsbehörde Nr. 177/02/COL vom 30. Oktober 2002 wurde das Mandat von Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren festgelegt. Beschluss Nr. 177/02/COL wurde geändert durch Beschluss Nr. 792/08/COL vom 17. Dezember 2008, mit dem den Anhörungsbeauftragten im Bereich Wettbewerb bestimmte Befugnisse übertragen werden. Nunmehr ist es notwendig, die Rolle des Anhörungsbeauftragten zu präzisieren und weiter zu stärken und sein Mandat in Anbetracht der Entwicklungen des EWR-Wettbewerbsrechts anzupassen.

(5)

Es ist allgemein anerkannt, dass der Anhörungsbeauftragte aufgrund seiner Unabhängigkeit und der Sachkenntnis, die er in die Verfahren einbringt, einen wichtigen Beitrag zu den Wettbewerbsverfahren der Überwachungsbehörde leistet. Um die Unabhängigkeit des Anhörungsbeauftragten von der Direktion für Wettbewerb und Staatliche Beihilfen weiterhin sicherzustellen, sollte er verwaltungstechnisch dem für Wettbewerb zuständigen Mitglied des Kollegiums unterstellt werden.

(6)

Die Überwachungsbehörde kann, wenn nötig, einen oder mehrere Anhörungsbeauftragte ernennen. Stellt ein Anhörungsbeauftragter fest, dass er sich bei der Erfüllung seiner Aufgaben in einem Interessenkonflikt befindet, so sollte er die Arbeit in der betreffenden Sache einstellen. Ist ein Anhörungsbeauftragter verhindert, so sollte ein anderer Anhörungsbeauftragter dessen Aufgaben übernehmen.

(7)

Der Anhörungsbeauftragte sollte ein unabhängiger Schiedsmann sein, der Fragen und Probleme in Bezug auf die effektive Wahrung der Verfahrensrechte der Parteien, anderen Beteiligten, Beschwerdeführer oder betroffenen Dritten zu lösen versucht, wenn die Fragen bzw. Probleme nicht vorab im Kontakt mit der für das Wettbewerbsverfahren zuständigen Direktion der Überwachungsbehörde, die diese Verfahrensrechte wahren muss, gelöst werden konnten.

(8)

Das Mandat des Anhörungsbeauftragten in Wettbewerbsverfahren sollte so ausgestaltet sein, dass die effektive Wahrung der Verfahrensrechte in Verfahren vor der Überwachungsbehörde nach den Artikeln 53, 54 und 57 des EWR-Abkommen insbesondere bezüglich des Anspruchs auf rechtliches Gehör gewährleistet ist.

(9)

Um diese Rolle zu stärken, sollte dem Anhörungsbeauftragten die Aufgabe erteilt werden, zu gewährleisten, dass die Verfahrensrechte von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen im Zusammenhang mit den Ermittlungsbefugnissen der Überwachungsbehörde nach Kapitel II des Protokolls 4 zum ÜGA sowie nach Kapitel IV Artikel 14 des Protokolls 4 zum ÜGA, das vorsieht, dass die Überwachungsbehörde Geldbußen gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen verhängen kann, effektiv gewahrt werden. Im Rahmen der Untersuchungsphase sollte der Anhörungsbeauftragte auch spezielle Aufgaben erhalten in Bezug auf den Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant, das Auskunftsverweigerungsrecht zur Vermeidung der Selbstbelastung, Fristen zur Antwort auf Auskunftsverlangen nach Kapitel II Artikel 18 Absatz 3 des Protokolls 4 zum ÜGA sowie das Recht von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen, gegen die die Überwachungsbehörde Ermittlungsmaßnahmen nach Kapitel II des Protokolls 4 zum ÜGA durchführt, über ihre Stellung in dem betreffenden Verfahren und insbesondere dahingehend unterrichtet zu werden, ob gegen sie ermittelt wird, und wenn ja, in welcher Sache und zu welchem Zweck. Bei der Prüfung der Berufung auf das Auskunftsverweigerungsrecht zur Vermeidung der Selbstbelastung kann der Anhörungsbeauftragte darüber befinden, ob das Schutzbegehren des Unternehmens offensichtlich unbegründet und lediglich als Teil einer Verzögerungstaktik anzusehen ist.

(10)

Der Anhörungsbeauftragte sollte bei der Prüfung der Berufung auf den Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant Unterstützung leisten können. Zu diesem Zweck wird dem Anhörungsbeauftragten erlaubt sein, wenn das jeweilige Unternehmen bzw. die jeweilige Unternehmensvereinigung dem zustimmt, die betreffenden Unterlagen zu prüfen und unter Verweis auf die einschlägige Rechtsprechung des EFTA-Gerichtshofs und des Gerichtshofs der Europäischen Union eine entsprechende Empfehlung auszusprechen.

(11)

Es sollte die Aufgabe des Anhörungsbeauftragten sein, darüber zu entscheiden, ob ein Dritter hinreichendes Interesse dargelegt hat, gehört zu werden. Bei Verbraucherverbänden, die beantragen, gehört zu werden, sollte allgemein ein hinreichendes Interesse unterstellt werden, wenn das Verfahren Produkte oder Dienstleistungen für Endverbraucher oder Produkte oder Dienstleistungen betrifft, die direkt in diese Produkte oder Dienstleistungen einfließen.

(12)

Der Anhörungsbeauftragte sollte Beschlüsse über die Zulassung von Beschwerdeführern und betroffenen Dritten zur mündlichen Anhörung erlassen und dabei berücksichtigen, welchen Beitrag sie zur Klärung des Sachverhalts leisten können.

(13)

Dem Recht der Parteien, vor dem Erlass eines für sie nachteiligen abschließenden Beschlusses gehört zu werden, wird dadurch Genüge getan, dass sie das Recht haben, zu dem mit der Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelten vorläufigen Standpunkt der Überwachungsbehörde schriftlich Stellung zu nehmen und auf Antrag in der mündlichen Anhörung ihre Sichtweise näher zu erläutern. Damit sie diese Rechte effektiv ausüben können, haben die Adressaten von Mitteilungen der Beschwerdepunkte das Recht, die Untersuchungsakte der Überwachungsbehörde einzusehen.

(14)

Um die effektive Wahrung der Verteidigungsrechte der Adressaten von Mitteilungen der Beschwerdepunkte zu gewährleisten, sollte der Anhörungsbeauftragte dafür sorgen, dass Meinungsverschiedenheiten zwischen diesen Beteiligten und der Direktion für Wettbewerb und Staatliche Beihilfen der Überwachungsbehörde über die Akteneinsicht oder den Schutz von Geschäftsgeheimnissen und anderen vertraulichen Informationen beigelegt werden. In außergewöhnlichen Fällen kann der Anhörungsbeauftragte den Lauf der Antwortfrist des Adressaten einer Mitteilung der Beschwerdepunkte aussetzen, bis eine Meinungsverschiedenheit über die Akteneinsicht beigelegt ist, wenn der Adressat nicht in der Lage wäre, fristgerecht zu antworten, und eine Fristverlängerung zu diesem Zeitpunkt keine angemessene Lösung darstellen würde.

(15)

Um die effektive Wahrung der Verfahrensrechte zu gewährleisten und gleichzeitig den berechtigten Interessen an einer vertraulichen Behandlung Rechnung zu tragen, sollte der Anhörungsbeauftragte gegebenenfalls spezifische Maßnahmen für die Einsicht in die Akte der Überwachungsbehörde anordnen können. So sollte der Anhörungsbeauftragte insbesondere befugt sein, dem Antragsteller Beschränkungen in Bezug auf die Einsicht in Teile der Akte aufzuerlegen, indem er beispielsweise die Zahl der einsichtnehmenden Personen, die Kategorie der zugelassenen Personen oder aber die Nutzung der eingesehenen Informationen beschränkt.

(16)

Der Anhörungsbeauftragte sollte dafür zuständig sein, über Anträge auf Verlängerung von Fristen zur Antwort auf Mitteilungen der Beschwerdepunkte, ergänzende Mitteilungen der Beschwerdepunkte oder Tatbestandsschreiben sowie auf Verlängerung von Fristen zu entscheiden, innerhalb deren andere Beteiligte, Beschwerdeführer oder betroffene Dritte Stellungnahmen abgeben können, sofern solche Personen und die Direktion für Wettbewerb und Staatliche Beihilfen darüber keine Einigung erzielen konnten.

(17)

Der Anhörungsbeauftragte sollte zur effizienten Gestaltung der mündlichen Anhörung beitragen, indem er beispielsweise alle geeigneten Vorbereitungsmaßnahmen trifft und etwa rechtzeitig vor der Anhörung eine vorläufige Teilnehmerliste und einen Tagesordnungsentwurf verbreitet.

(18)

In der mündlichen Anhörung können die Beteiligten, an die die Überwachungsbehörde eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet hat, sowie andere Beteiligte erneut von ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör Gebrauch machen, indem sie der Überwachungsbehörde, die durch die Direktion für Wettbewerb und Staatliche Beihilfen sowie andere Direktionen vertreten sein sollte, die an der Ausarbeitung des von der Überwachungsbehörde zu erlassenden Beschlusses beteiligt sind, ihre Standpunkte mündlich näher erläutern. Die mündliche Anhörung sollte eine zusätzliche Gelegenheit sein, um sicherzustellen, dass alle relevanten Sachverhalte – seien sie zum Vor- oder zum Nachteil der Parteien, einschließlich Anhaltspunkte in Bezug auf die Schwere und Dauer einer mutmaßlichen Zuwiderhandlung – so weit wie möglich geklärt werden. In der mündlichen Anhörung sollten die Beteiligten ferner die Möglichkeit haben, ihre Sichtweise in Bezug auf für die etwaige Verhängung von Geldbußen möglicherweise relevante Sachverhalte darzulegen.

(19)

Um einen effizienten Ablauf der mündlichen Anhörung sicherzustellen, kann der Anhörungsbeauftragte den Beteiligten, an die die Überwachungsbehörde eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet hat, anderen Beteiligten, Beschwerdeführern, anderen zur Anhörung geladenen Personen sowie Vertretern der Direktionen der Überwachungsbehörde, der Europäischen Kommission und der Behörden der EWR-Staaten gestatten, während der Anhörung Fragen zu stellen. Die mündliche Anhörung sollte nicht öffentlich sein, um zu gewährleisten, dass sich alle Teilnehmer frei äußern können. Deshalb sollten in einer mündlichen Anhörung offengelegte Informationen nicht für andere Zwecke als Gerichts- und/oder Verwaltungsverfahren zur Anwendung der Artikel 53 und/oder 54 des EWR-Abkommens verwendet werden. Sofern dies zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen und anderen vertraulichen Informationen erforderlich erscheint, kann der Anhörungsbeauftragte Personen gesondert hören.

(20)

Verfahrensbeteiligte, die Verpflichtungszusagen nach Kapitel II Artikel 9 des Protokolls 4 zum ÜGA anbieten, und solche, die sich nach Kapitel III Artikel 10a des Protokolls 4 zum ÜGA an Vergleichsverfahren in Kartellsachen beteiligen, sollten den Anhörungsbeauftragten in Bezug auf die effektive Wahrung ihrer Verfahrensrechte anrufen können.

(21)

Der Anhörungsbeauftragte sollte einen Bericht über die effektive Wahrung der Verfahrensrechte im gesamten Wettbewerbsverfahren erstellen. Zudem sollte der Anhörungsbeauftragte – unabhängig von seiner Berichtspflicht – auch die Möglichkeit haben, zum Fortgang und zur Objektivität des Verfahrens Stellung zu nehmen und so dazu beizutragen, dass die Wettbewerbsverfahren auf der Grundlage einer ordnungsgemäßen Würdigung aller einschlägigen Sachverhalte abgeschlossen werden.

(22)

Die Beschlüsse Nr. 177/02/COL vom 30. Oktober 2002 und Nr. 792/08/COL vom 17. Dezember 2008 sollten aufgehoben werden —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

KAPITEL 1

ROLLE, ERNENNUNG UND AUFGABEN DES ANHÖRUNGSBEAUFTRAGTEN

Artikel 1

Der Anhörungsbeauftragte

1.   Es gibt einen oder mehrere Anhörungsbeauftragte für Wettbewerbsverfahren, deren Befugnisse und Aufgaben in diesem Beschluss dargelegt sind.

2.   Der Anhörungsbeauftragte gewährleistet die effektive Wahrung der Verfahrensrechte über den gesamten Verlauf von Wettbewerbsverfahren der Überwachungsbehörde zur Umsetzung der Artikel 53, 54 und 57 des EWR-Abkommens (im Folgenden „Wettbewerbsverfahren“).

Artikel 2

Ernennung, Abberufung und Vertretung

1.   Der Anhörungsbeauftragte wird von der Überwachungsbehörde ernannt. Die Ernennung wird im Amtsblatt der Europäischen Union und in dessen EWR-Beilage veröffentlicht. Die Aussetzung des Mandats, die Abberufung oder Versetzung eines Anhörungsbeauftragten muss Gegenstand eines mit Gründen versehenen Beschlusses der Überwachungsbehörde sein. Dieser Beschluss wird im Amtsblatt der Europäischen Union und in dessen EWR-Beilage veröffentlicht.

2.   Der Anhörungsbeauftragte ist verwaltungstechnisch dem für Wettbewerb zuständigen Mitglied der Überwachungsbehörde (im Folgenden „zuständiges Mitglied des Kollegiums“) unterstellt.

3.   Ist ein Anhörungsbeauftragter verhindert, so übernimmt ein anderer Anhörungsbeauftragter dessen Aufgaben. Sind alle Anhörungsbeauftragten verhindert, so bestellt das zuständige Mitglied des Kollegiums, gegebenenfalls nach Rücksprache mit dem Anhörungsbeauftragten, einen anderen, nicht mit der betreffenden Sache befassten Beamten der Überwachungsbehörde, der die Aufgaben des Anhörungsbeauftragten wahrnehmen soll.

4.   Befindet sich ein Anhörungsbeauftragter tatsächlich oder mutmaßlich in einem Interessenkonflikt, so stellt er die Arbeit in der betreffenden Sache ein. Absatz 3 findet Anwendung.

Artikel 3

Arbeitsweise

1.   Der Anhörungsbeauftragte ist bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben unabhängig.

2.   Bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben achtet der Anhörungsbeauftragte darauf, dass die Wettbewerbsvorschriften in Übereinstimmung mit dem geltenden EWR-Recht und den vom EFTA-Gerichtshof und vom Gerichtshof der Europäischen Union entwickelten Grundsätzen konkret angewendet werden. (2)

3.   Der Anhörungsbeauftragte hat zur Wahrnehmung seiner Aufgaben in allen Verfahrensphasen Zugang zu allen Akten in Bezug auf Wettbewerbsverfahren der Überwachungsbehörde.

4.   Der Anhörungsbeauftragte wird vom Direktor der Direktion für Wettbewerb und Staatliche Beihilfen laufend über die Entwicklung des Verfahrens unterrichtet.

5.   Der Anhörungsbeauftragte kann Bemerkungen zu Fragen aller Art im Zusammenhang mit einem Wettbewerbsverfahren der Überwachungsbehörde an das zuständige Mitglied des Kollegiums richten.

6.   Richtet der Anhörungsbeauftragte mit Gründen versehene Empfehlungen an das zuständige Mitglied des Kollegiums oder fasst er Beschlüsse wie im vorliegenden Beschluss vorgesehen, so übermittelt er dem Direktor der Direktion für Wettbewerb und Staatliche Beihilfen und der Direktion für Rechts- und Exekutivfragen der Überwachungsbehörde eine Kopie davon.

7.   Im Fall von Fragen oder Problemen bezüglich der effektiven Wahrung der Verfahrensrechte der Parteien, anderen Beteiligten im Sinne von Kapitel V Artikel 11 Buchstabe b des Protokolls 4 zum ÜGA, Beschwerdeführer im Sinne von Kapitel II Artikel 7 Absatz 2 des Protokolls 4 zum ÜGA und der an solchen Verfahren teilnehmenden betroffenen Dritten im Sinne von Artikel 5 des vorliegenden Beschlusses haben sich diese Personen zunächst an die Direktion für Wettbewerb und Staatliche Beihilfen zu wenden. Können die Fragen bzw. Probleme nicht gelöst werden, so kann zu deren unabhängiger Prüfung der Anhörungsbeauftragte angerufen werden. Anträge in Bezug auf Maßnahmen, die mit einer Frist verbunden sind, müssen rechtzeitig innerhalb der ursprünglichen Frist gestellt werden.

KAPITEL 2

UNTERSUCHUNGSPHASE

Artikel 4

Verfahrensrechte in der Untersuchungsphase

1.   Der Anhörungsbeauftragte gewährleistet die effektive Wahrung der Verfahrensrechte, die sich aus der Wahrnehmung der Ermittlungsbefugnisse der Überwachungsbehörde nach Abschnitt V Kapitel II des Protokolls 4 zum ÜGA und in Verfahren ergeben, die zur Verhängung von Geldbußen auf der Grundlage von Kapitel IV Artikel 14 des Protokolls 4 zum ÜGA führen können.

2.   Der Anhörungsbeauftragte hat, vorbehaltlich des Artikels 3 Absatz 7, insbesondere folgende Aufgaben:

a)

Der Anhörungsbeauftragte kann von Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen ersucht werden, Vorbringen zu prüfen, wonach ein Schriftstück, dessen Vorlage die Überwachungsbehörde auf der Grundlage der ihr durch Kapitel II Artikel 18, 20 oder 21 des Protokolls 4 zum ÜGA gegebenen Zuständigkeiten oder bei Nachprüfungen nach Kapitel IV Artikel 13 des Protokolls 4 zum ÜGA oder im Rahmen von Ermittlungsmaßnahmen in einem Verfahren, das zur Verhängung von Geldbußen nach Kapitel IV Artikel 14 des Protokolls 4 zum ÜGA führen kann, verlangt hat und das der Überwachungsbehörde vorenthalten wurde, im Sinne der Rechtsprechung des EFTA-Gerichtshofs und des Gerichtshofs der Europäischen Union unter den Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant fällt. Der Anhörungsbeauftragte darf das Vorbringen nur prüfen, wenn das betreffende Unternehmen bzw. die betreffende Unternehmensvereinigung einwilligt, dass er die Informationen, die mutmaßlich unter den Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant fallen, sowie damit zusammenhängende Unterlagen, die er für die Prüfung für notwendig erachtet, einsehen darf. Der Anhörungsbeauftragte teilt dem Direktor der Direktion für Wettbewerb und Staatliche Beihilfen und dem betreffenden Unternehmen bzw. der betreffenden Unternehmensvereinigung seinen vorläufigen Standpunkt mit, ohne dabei die mutmaßlich schützenswerten Informationen offenzulegen, und kann geeignete Maßnahmen treffen, um zu einer für beide Seiten annehmbaren Lösung zu gelangen. Wird keine Lösung erzielt, so kann der Anhörungsbeauftragte eine mit Gründen versehene Empfehlung an das zuständige Mitglied des Kollegiums richten, ohne dabei die mutmaßlich schützenswerten Inhalte des Schriftstücks offenzulegen. Dem betreffenden Beteiligten wird eine Kopie dieser Empfehlung übermittelt.

b)

Weigert sich der Adressat eines Auskunftsverlangens nach Kapitel II Artikel 18 Absatz 2 des Protokolls 4 zum ÜGA unter Verweis auf das Auskunftsverweigerungsrecht zur Vermeidung der Selbstbelastung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des EFTA-Gerichtshofs, auf eine im Auskunftsverlangen enthaltene Frage zu antworten, so kann er in der Angelegenheit binnen einer angemessenen Frist nach Erhalt des Auskunftsverlangens den Anhörungsbeauftragten anrufen. Gegebenenfalls kann der Anhörungsbeauftragte, sofern dies keine übermäßigen Verfahrensverzögerungen mit sich bringt, eine mit Gründen versehene Empfehlung zu der Frage aussprechen, ob das Auskunftsverweigerungsrecht zur Vermeidung der Selbstbelastung anwendbar ist, und den Direktor der Direktion für Wettbewerb und Staatliche Beihilfen von den entsprechenden Schlussfolgerungen unterrichten, denen im Fall des späteren Erlasses eines Beschlusses nach Kapitel II Artikel 18 Absatz 3 des Protokolls 4 zum ÜGA Rechnung zu tragen ist. Dem Adressaten des Auskunftsverlangens wird eine Kopie der mit Gründen versehenen Empfehlung übermittelt.

c)

Ist der Adressat eines Auskunftsverlangens nach Kapitel II Artikel 18 Absatz 3 des Protokolls 4 zum ÜGA der Ansicht, dass die ihm gesetzte Antwortfrist zu kurz ist, so kann er in der Angelegenheit rechtzeitig vor Verstreichen der Frist den Anhörungsbeauftragten anrufen. Der Anhörungsbeauftragte entscheidet in Anbetracht der Länge und der Komplexität des Auskunftsverlangens sowie unter Berücksichtigung der Untersuchungserfordernisse, ob die Frist zu verlängern ist.

d)

Unternehmen bzw. Unternehmensvereinigungen, die Gegenstand einer Ermittlungsmaßnahme der Überwachungsbehörde nach Abschnitt V Kapitel II des Protokolls 4 zum ÜGA sind, haben das Recht, über ihre Stellung in dem betreffenden Verfahren und insbesondere darüber unterrichtet zu werden, ob gegen sie ermittelt wird, und wenn ja, in welcher Sache und zu welchem Zweck. Vertreten Unternehmen bzw. Unternehmensvereinigungen die Auffassung, dass sie von der Direktion für Wettbewerb und Staatliche Beihilfen nicht ordnungsgemäß über ihre Stellung in dem betreffenden Verfahren unterrichtet worden sind, so können sie in der Angelegenheit den Anhörungsbeauftragten anrufen. Der Anhörungsbeauftragte erlässt einen Beschluss, dass die Direktion für Wettbewerb und Staatliche Beihilfen die betreffenden Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen, die die Anfrage bezüglich der verfahrensrechtlichen Stellung gestellt haben, informieren muss. Der Beschluss wird dem Unternehmen bzw. der Unternehmensvereinigung mitgeteilt.

KAPITEL 3

ANTRAG AUF ANHÖRUNG

Artikel 5

Betroffene Dritte

1.   Andere Personen als die in Kapitel III Artikeln 5 und 11 des Protokolls 4 zum ÜGA genannten Personen sowie Dritte im Sinne von Kapitel V Artikel 11 des Protokolls 4 zum ÜGA können nach Kapitel III Artikel 13 Absatz 1 des Protokolls 4 zum ÜGA und nach Kapitel V Artikel 16 des Protokolls 4 zum ÜGA einen Antrag auf Anhörung stellen. Der Antrag ist schriftlich einzureichen und muss die Gründe für das Interesse des Antragstellers am Verfahrensausgang darlegen.

2.   Der Anhörungsbeauftragte entscheidet nach Rücksprache mit dem Direktor der Direktion für Wettbewerb und Staatliche Beihilfen über die Anhörung von Dritten. Bei der Prüfung, ob Dritte ein hinreichendes Interesse darlegen, berücksichtigt der Anhörungsbeauftragte, ob und inwiefern der Antragsteller von dem Verhalten, das Gegenstand des Wettbewerbsverfahrens ist, hinreichend betroffen ist oder ob er die Anforderungen nach Kapitel IV Artikel 18 Absatz 4 des Protokolls 4 zum ÜGA erfüllt.

3.   Hat ein Antragsteller nach Auffassung des Anhörungsbeauftragten kein hinreichendes Interesse an einer Anhörung dargelegt, teilt der Anhörungsbeauftragte ihm dies unter Angabe der Gründe schriftlich mit. Dem Antragsteller wird eine Frist gesetzt, bis zu deren Ablauf er schriftlich Stellung nehmen kann. Übermittelt der Antragsteller innerhalb der vom Anhörungsbeauftragten gesetzten Frist seine schriftliche Stellungnahme und lässt diese Stellungnahme die Beurteilung des Antrags unberührt, wird dies in einem mit Gründen versehenen Beschluss niedergelegt, der dem Antragsteller zugestellt wird.

4.   Der Anhörungsbeauftragte setzt die Parteien des Wettbewerbsverfahrens ab der Einleitung eines Verfahrens nach Kapitel II Artikel 11 Absatz 6 des Protokolls 4 zum ÜGA bzw. Kapitel IV Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c des Protokolls 4 zum ÜGA von der Identität anzuhörender Dritter in Kenntnis, sofern nicht durch die Offenlegung ein Unternehmen oder eine Person erheblich geschädigt würde.

Artikel 6

Recht auf mündliche Anhörung; Teilnahme von Beschwerdeführern und Dritten an der mündlichen Anhörung

1.   Auf Antrag von Beteiligten, an die die Überwachungsbehörde eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet hat, oder von anderen Beteiligten führt der Anhörungsbeauftragte eine mündliche Anhörung durch, damit diese Beteiligten ihre schriftlichen Äußerungen weiter ausführen können.

2.   Der Anhörungsbeauftragte kann nach Rücksprache mit dem Direktor der Direktion für Wettbewerb und Staatliche Beihilfen gegebenenfalls beschließen, Beschwerdeführern und betroffenen Dritten im Sinne von Artikel 5, die in ihren schriftlichen Äußerungen einen entsprechenden Antrag stellen, Gelegenheit zur Stellungnahme in der mündlichen Anhörung der Beteiligten zu geben, an die eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet worden ist. Ferner kann der Anhörungsbeauftragte Vertreter der Wettbewerbsbehörden von Drittländern zur Teilnahme an der mündlichen Anhörung als Beobachter einladen.

KAPITEL 4

AKTENEINSICHT, VERTRAULICHKEIT UND GESCHÄFTSGEHEIMNISSE

Artikel 7

Akteneinsicht und Zugang zu Unterlagen und Informationen

1.   Hat ein Beteiligter, der sein Recht auf Einsicht in die Akte ausgeübt hat, Grund zu der Annahme, dass die Überwachungsbehörde über Unterlagen verfügt, die ihm nicht offengelegt wurden, und dass diese Unterlagen für die ordentliche Wahrnehmung des Rechts auf Anhörung erforderlich sind, so kann er beim Anhörungsbeauftragten – vorbehaltlich des Artikels 3 Absatz 7 – einen begründeten Antrag auf Zugang zu diesen Unterlagen stellen.

2.   Vorbehaltlich des Artikels 3 Absatz 7 können die folgenden anderen Beteiligten, Beschwerdeführer und betroffenen Dritten im Sinne von Artikel 5 beim Anhörungsbeauftragten einen begründeten Antrag stellen:

a)

andere Beteiligte, die Anlass zu der Annahme haben, dass sie nicht nach Kapitel V Artikel 13 Absatz 2 des Protokolls 4 zum ÜGA über die den Anmeldern mitgeteilten Einwände unterrichtet wurden,

b)

Beschwerdeführer, die die Überwachungsbehörde von ihrer Absicht unterrichtet hat, die Beschwerde nach Kapitel III Artikel 7 Absatz 1 des Protokolls 4 zum ÜGA abzuweisen, wenn sie Anlass zu der Annahme haben, dass die Überwachungsbehörde über Unterlagen verfügt, die ihnen nicht offengelegt wurden, und dass diese Unterlagen für die ordentliche Ausübung ihrer Rechte nach Kapitel III Artikel 8 Absatz 1 des Protokolls 4 zum ÜGA erforderlich sind,

c)

Beschwerdeführer, die der Auffassung sind, dass ihnen nicht nach Kapitel III Artikel 6 Absatz 1 des Protokolls 4 zum ÜGA eine Kopie der nichtvertraulichen Fassung der Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelt wurde oder dass die nichtvertrauliche Fassung der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht in einer Weise erstellt wurde, die ihnen die wirksame Ausübung ihrer Rechte ermöglicht (mit Ausnahme von Wettbewerbssachen, die Gegenstand eines Vergleichsverfahrens sind),

d)

betroffene Dritte im Sinne von Artikel 5 des vorliegenden Beschlusses, die Anlass zu der Annahme haben, dass sie nicht nach Kapitel III Artikel 13 Absatz 1 des Protokolls 4 zum ÜGA bzw. Kapitel V Artikel 16 Absatz 1 des Protokolls 4 zum ÜGA über Art und Gegenstand eines Verfahrens unterrichtet wurden. Gleiches gilt für Beschwerdeführer in einer Wettbewerbssache, die Gegenstand eines Vergleichsverfahrens ist, wenn sie Anlass zu der Annahme haben, dass sie nicht nach Kapitel III Artikel 6 Absatz 1 des Protokolls 4 zum ÜGA über Art und Gegenstand eines Verfahrens unterrichtet wurden.

3.   Der Anhörungsbeauftragte entscheidet in einem mit Gründen versehenen Beschluss über Anträge, die nach Absatz 1 oder 2 an ihn gerichtet werden, und setzt den Antragsteller und alle anderen von dem Verfahren betroffenen Personen von dem Beschluss in Kenntnis.

Artikel 8

Geschäftsgeheimnisse und sonstige vertrauliche Informationen

1.   Beabsichtigt die Überwachungsbehörde, Informationen offenzulegen, die ein Geschäftsgeheimnis oder eine sonstige vertrauliche Information eines Unternehmens oder einer Person darstellen können, so setzt die Direktion für Wettbewerb und Staatliche Beihilfen das betreffende Unternehmen bzw. die betreffende Person davon unter Angabe der Gründe schriftlich in Kenntnis. Es wird eine Frist festgesetzt, innerhalb deren sich das Unternehmen bzw. die Person hierzu schriftlich äußern kann.

2.   Ist das betreffende Unternehmen bzw. die betreffende Person mit der Offenlegung der Informationen nicht einverstanden, so kann sie in der Angelegenheit den Anhörungsbeauftragten anrufen. Kommt der Anhörungsbeauftragte zu dem Ergebnis, dass die Informationen offengelegt werden dürfen, da es sich nicht um ein Geschäftsgeheimnis oder sonstige vertrauliche Informationen handelt oder da ein übergeordnetes Interesse an der Offenlegung besteht, so wird dies in einem mit Gründen versehenen Beschluss niedergelegt, der dem betreffenden Unternehmen bzw. der betreffenden Person zugestellt wird. Der Beschluss nennt den Tag, ab dem die Informationen offengelegt werden. Die Offenlegung darf frühestens eine Woche nach Zustellung des Beschlusses erfolgen.

3.   Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für die Offenlegung von Informationen durch Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union und in dessen EWR-Beilage.

4.   Sofern erforderlich, um ein Gleichgewicht zwischen der wirksamen Ausübung der Verteidigungsrechte eines Beteiligten und berechtigten Interessen an vertraulicher Behandlung herzustellen, kann der Anhörungsbeauftragte entscheiden, dass Teile der Akte, die für die Ausübung der Verteidigungsrechte des Beteiligten unerlässlich sind, dem Einsicht beantragenden Beteiligten in eingeschränkter Weise zugänglich gemacht werden, und nähere Einzelheiten dazu festlegen.

KAPITEL 5

FRISTVERLÄNGERUNG

Artikel 9

Antrag auf Fristverlängerung

1.   Ist ein Adressat einer Mitteilung der Beschwerdepunkte der Auffassung, die für seine Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte gesetzte Frist sei zu kurz, so kann er in einem an den Direktor der Direktion für Wettbewerb und Staatliche Beihilfen zu richtenden begründeten Antrag um Fristverlängerung ersuchen. Ein solcher Antrag ist in Verfahren nach den Artikeln 53 und 54 des EWR-Abkommens rechtzeitig vor Ablauf der ursprünglich gesetzten Frist und in Verfahren nach Artikel 57 des EWR-Abkommens mindestens fünf Arbeitstage vor Ablauf der ursprünglich gesetzten Frist zu stellen. Wird einem solchen Antrag nicht stattgegeben oder ist der antragstellende Adressat der Mitteilung der Beschwerdepunkte mit der gewährten Fristverlängerung nicht einverstanden, so kann er vor Ablauf der ursprünglich gesetzten Frist den Anhörungsbeauftragten zur Überprüfung anrufen. Der Anhörungsbeauftragte entscheidet nach Anhörung des Direktors der Direktion für Wettbewerb und Staatliche Beihilfen darüber, ob eine Fristverlängerung erforderlich ist, um dem Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte die wirksame Ausübung seines Rechts auf Anhörung zu ermöglichen, und trägt dabei auch dem Erfordernis Rechnung, das Verfahren ohne unverhältnismäßige Verzögerung fortzuführen. In Verfahren nach den Artikeln 53 und 54 des EWR-Abkommens berücksichtigt der Anhörungsbeauftragte u. a. folgende Kriterien:

a)

Umfang und Komplexität der Akte,

b)

die Frage, ob der antragstellende Adressat der Mitteilung der Beschwerdepunkte bereits zuvor Zugang zu Informationen hatte,

c)

alle anderen objektiven Hindernisse, denen sich der antragstellende Adressat der Mitteilung der Beschwerdepunkte bei der Übermittlung seiner Erwiderung gegenübersehen kann.

Zum Zwecke der Beurteilung von Unterabsatz 1 Buchstabe a können die Anzahl der Zuwiderhandlungen, die angebliche Dauer der Zuwiderhandlung(en), der Umfang und die Anzahl der Unterlagen und der Umfang und die Komplexität von Fachstudien berücksichtigt werden.

2.   Ist ein anderer Beteiligter, ein Beschwerdeführer oder ein betroffener Dritter im Sinne von Artikel 5 der Auffassung, dass die ihm zur Äußerung gesetzte Frist zu kurz ist, so kann er rechtzeitig vor Ablauf der ursprünglich gesetzten Frist in einem an den Direktor der Direktion für Wettbewerb und Staatliche Beihilfen zu richtenden begründeten Antrag um Fristverlängerung ersuchen. Wird einem solchen Antrag nicht stattgegeben oder ist der andere Beteiligte, Beschwerdeführer oder betroffene Dritte mit der Entscheidung nicht einverstanden, so kann er den Anhörungsbeauftragten zur Überprüfung anrufen. Der Anhörungsbeauftragte entscheidet nach Anhörung des Direktors der Direktion für Wettbewerb und Staatliche Beihilfen darüber, ob eine Fristverlängerung gewährt werden sollte.

KAPITEL 6

MÜNDLICHE ANHÖRUNG

Artikel 10

Organisation und Funktion

1.   Der Anhörungsbeauftragte organisiert die im Rahmen der Bestimmungen zur Durchführung der Artikel 53, 54 und 57 des EWR-Abkommens vorgesehenen Anhörungen und führt sie durch.

2.   Der Anhörungsbeauftragte führt die mündliche Anhörung in voller Unabhängigkeit durch.

3.   Der Anhörungsbeauftragte hat die Aufgabe, für eine ordnungsgemäße Durchführung der Anhörung zu sorgen und zur Objektivität sowohl der Anhörung als auch eines anschließend erlassenen Beschlusses beizutragen.

4.   Der Anhörungsbeauftragte gewährleistet, dass Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte, andere Beteiligte sowie zu der mündlichen Anhörung zugelassene Beschwerdeführer und betroffene Dritte im Sinne von Artikel 5 in der mündlichen Anhörung ausreichend Gelegenheit erhalten, sich zu den vorläufigen Feststellungen der Überwachungsbehörde zu äußern.

Artikel 11

Vorbereitung der mündlichen Anhörung

1.   Der Anhörungsbeauftragte ist für die Vorbereitung der mündlichen Anhörung zuständig und ergreift diesbezüglich alle geeigneten Maßnahmen. Um die ordnungsgemäße Vorbereitung der mündlichen Anhörung zu gewährleisten, kann der Anhörungsbeauftragte nach Rücksprache mit dem Direktor der Direktion für Wettbewerb und Staatliche Beihilfen den zu der Anhörung geladenen Personen vorab eine Liste von Fragen übermitteln, zu denen eine Stellungnahme gewünscht wird. Der Anhörungsbeauftragte kann den zu der Anhörung geladenen Personen ferner die zu besprechenden Kernpunkte mitteilen und berücksichtigt dabei insbesondere die Sachverhalte und Fragen, die die Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte, die eine mündliche Anhörung beantragt haben, zur Sprache bringen möchten.

2.   Der Anhörungsbeauftragte kann nach Rücksprache mit dem Direktor der Direktion für Wettbewerb und Staatliche Beihilfen eine Sitzung zwecks Vorbereitung der Anhörung einberufen, an der die zu der Anhörung geladenen Personen und gegebenenfalls auch die zuständigen Direktionen der Überwachungsbehörde teilnehmen.

3.   Der Anhörungsbeauftragte kann außerdem verlangen, dass ihm der wesentliche Inhalt der beabsichtigten Äußerungen von zu der Anhörung geladenen Personen zuvor schriftlich übermittelt wird.

4.   Der Anhörungsbeauftragte kann eine Frist festsetzen, innerhalb deren alle zu der mündlichen Anhörung geladenen Personen ein Verzeichnis der Teilnehmer vorzulegen haben, die in ihrem Namen anwesend sein werden. Der Anhörungsbeauftragte stellt dieses Verzeichnis allen zu der mündlichen Anhörung geladenen Personen rechtzeitig vor dem für die Anhörung festgesetzten Tag zur Verfügung.

Artikel 12

Zeitpunkt und Durchführung

1.   Der Anhörungsbeauftragte bestimmt nach Rücksprache mit dem Direktor der Direktion für Wettbewerb und Staatliche Beihilfen Tag, Dauer und Ort der Anhörung. Er entscheidet über Vertagungsanträge.

2.   Der Anhörungsbeauftragte entscheidet, ob während der Anhörung neue Unterlagen zugelassen und welche Personen im Namen eines Beteiligten gehört werden sollten.

3.   Der Anhörungsbeauftragte kann den Beteiligten, an die eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet worden ist, anderen Beteiligten, Beschwerdeführern, anderen zu der mündlichen Anhörung geladenen Personen sowie Vertretern der Direktionen der Überwachungsbehörde und der Behörden der EWR-Staaten gestatten, während der Anhörung Fragen zu stellen. Kann ausnahmsweise eine Frage in der mündlichen Anhörung nur teilweise oder gar nicht beantwortet werden, so kann der Anhörungsbeauftragte gestatten, dass die Antwort schriftlich innerhalb einer gesetzten Frist gegeben wird. Diese schriftliche Antwort wird allen Teilnehmern der mündlichen Anhörung übermittelt, sofern der Anhörungsbeauftragte zur Wahrung der Verteidigungsrechte eines Adressaten einer Mitteilung der Beschwerdepunkte oder zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen bzw. sonstigen vertraulichen Informationen einer Person nichts anderes entscheidet.

4.   Sofern zur Wahrung des Rechts auf Anhörung erforderlich, kann der Anhörungsbeauftragte nach Rücksprache mit dem Direktor der Direktion für Wettbewerb und Staatliche Beihilfen den Parteien, anderen Beteiligten, Beschwerdeführern oder betroffenen Dritten im Sinne von Artikel 5 die Gelegenheit zur Vorlage weiterer schriftlicher Äußerungen nach der mündlichen Anhörung geben. Der Anhörungsbeauftragte setzt hierfür eine Frist fest. Die Überwachungsbehörde ist nicht verpflichtet, nach Ablauf dieser Frist eingehende schriftliche Äußerungen zu berücksichtigen.

Artikel 13

Schutz von Geschäftsgeheimnissen und Vertraulichkeit in der mündlichen Anhörung

In der Regel werden alle Personen in Anwesenheit aller anderen zu der mündlichen Anhörung geladenen Personen gehört. Der Anhörungsbeauftragte kann auch entscheiden, Personen in einer nichtöffentlichen Anhörung gesondert anzuhören, um ihrem berechtigten Interesse am Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse und sonstiger vertraulicher Informationen Rechnung zu tragen.

KAPITEL 7

ZWISCHENBERICHT UND RECHT AUF STELLUNGNAHME

Artikel 14

Zwischenbericht und Stellungnahmen

1.   Der Anhörungsbeauftragte legt dem zuständigen Mitglied des Kollegiums einen Zwischenbericht über die Anhörung und über seine Schlussfolgerungen in der Frage vor, ob die Verfahrensrechte effektiv gewahrt worden sind. Dabei ist auf Verfahrensfragen einzugehen, darunter:

a)

die Offenlegung von Unterlagen und die Akteneinsicht,

b)

Fristen für die Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte,

c)

die Wahrung des Rechts auf Anhörung,

d)

die ordnungsgemäße Durchführung der Anhörung.

Der Direktor der Direktion für Wettbewerb und Staatliche Beihilfen und die Direktion für Rechts- und Exekutivfragen erhalten eine Kopie des Berichts.

2.   Neben dem in Absatz 1 genannten Bericht kann der Anhörungsbeauftragte auch gesondert zum weiteren Verlauf und zur Unparteilichkeit des Verfahrens Stellung nehmen. Dabei bemüht sich der Anhörungsbeauftragte insbesondere sicherzustellen, dass alle relevanten Sachverhalte, seien sie zum Vor- oder zum Nachteil der Parteien, einschließlich solcher, die über die Schwere und Dauer einer Zuwiderhandlung Aufschluss geben, bei der Ausarbeitung von Entwürfen für Beschlüsse der Überwachungsbehörde angemessen berücksichtigt werden. So kann er u. a. auf die Einholung weiterer Informationen, den Verzicht auf bestimmte Beschwerdepunkte, die Mitteilung weiterer Beschwerdepunkte oder auch weitere Ermittlungshandlungen nach Abschnitt V Kapitel II des Protokolls 4 zum ÜGA eingehen.

Die Stellungnahmen werden dem Direktor der Direktion für Wettbewerb und Staatliche Beihilfen und der Direktion für Rechts- und Exekutivfragen übermittelt.

KAPITEL 8

VERPFLICHTUNGSANGEBOTE UND VERGLEICHE

Artikel 15

Verpflichtungsangebote und Vergleiche

1.   Verfahrensbeteiligte, die nach Kapitel II Artikel 9 des Protokolls 4 zum ÜGA Verpflichtungsangebote unterbreiten, um die ihnen von der Überwachungsbehörde in ihrer vorläufigen Beurteilung mitgeteilten Bedenken auszuräumen, können sich während des Verfahrens nach Artikel 9 jederzeit an den Anhörungsbeauftragten wenden, um sicherzustellen, dass sie ihre Verfahrensrechte wirksam ausüben können.

2.   Parteien eines Kartellverfahrens, die nach Kapitel III Artikel 10a des Protokolls 4 zum ÜGA Vergleichsgespräche führen, können sich während des Vergleichsverfahrens jederzeit an den Anhörungsbeauftragten wenden, um sicherzustellen, dass sie ihre Verfahrensrechte wirksam ausüben können.

KAPITEL 9

ABSCHLUSSBERICHT

Artikel 16

Inhalt und Übermittlung vor Erlass eines Beschlusses

1.   Der Anhörungsbeauftragte erstellt anhand des Beschlussentwurfs, der dem Beratenden Ausschuss in der fraglichen Sache vorzulegen ist, nach Artikel 14 Absatz 1 einen schriftlichen Abschlussbericht zu der Frage, ob die Verfahrensrechte in jeder Phase des Verfahrens effektiv gewahrt worden sind. In diesem Bericht wird auch berücksichtigt, ob den Beteiligten Gelegenheit gegeben wurde, sich zu allen in dem Beschlussentwurf behandelten Beschwerdepunkten zu äußern.

2.   Der Abschlussbericht wird dem zuständigen Mitglied des Kollegiums, dem Direktor der Direktion für Wettbewerb und Staatliche Beihilfen sowie der Direktion für Rechts- und Exekutivfragen vorgelegt. Er wird den zuständigen EWR-Behörden der EFTA-Staaten und nach den Bestimmungen des Protokolls Nr. 23 des EWR-Abkommens über die Zusammenarbeit der Europäischen Kommission übermittelt.

Artikel 17

Vorlage bei der Überwachungsbehörde und Veröffentlichung

1.   Der Abschlussbericht des Anhörungsbeauftragten wird der Überwachungsbehörde zusammen mit dem Beschlussentwurf vorgelegt, um sicherzustellen, dass die Überwachungsbehörde ihren Beschluss in einer Wettbewerbssache in voller Kenntnis aller sachdienlichen Informationen über den Ablauf des Verfahrens treffen kann und dass die Verfahrensrechte über den gesamten Verfahrensverlauf hinweg effektiv gewahrt worden sind.

2.   Der Abschlussbericht kann vom Anhörungsbeauftragten nach Maßgabe etwaiger Änderungen des Beschlussentwurfs bis zum Erlass des endgültigen Beschlusses durch die Überwachungsbehörde geändert werden.

3.   Die Überwachungsbehörde übermittelt den Abschlussbericht des Anhörungsbeauftragten zusammen mit dem Beschluss an die Adressaten des Beschlusses. Sie veröffentlicht den Abschlussbericht des Anhörungsbeauftragten im Amtsblatt der Europäischen Union und in dessen EWR-Beilage zusammen mit dem Beschluss und trägt dabei dem berechtigten Interesse von Unternehmen am Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse Rechnung.

KAPITEL 10

SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 18

Aufhebung und Übergangsbestimmung

1.   Die Beschlüsse Nr. 177/02/COL vom 30. Oktober 2002 und Nr. 792/08/COL vom 17. Dezember 2008 werden aufgehoben.

2.   Verfahrensmaßnahmen, die bereits auf der Grundlage der Beschlüsse Nr. 177/02/COL und/oder Nr. 792/08/COL vom 17. Dezember 2008 getroffen worden sind, bleiben wirksam. In Bezug auf Ermittlungsmaßnahmen, die vor Inkrafttreten des vorliegenden Beschlusses ergriffen wurden, kann der Anhörungsbeauftragte die Ausübung seiner Befugnisse nach Artikel 4 ablehnen.

Ist die Einleitung des Verfahrens nach Kapitel II Artikel 11 Absatz 6 des Protokolls 4 zum ÜGA bzw. Kapitel IV Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c des Protokolls 4 zum ÜGA vor Inkrafttreten des vorliegenden Beschlusses erfolgt, so behandelt weder der Zwischenbericht nach Artikel 14 des vorliegenden Beschlusses noch der Abschlussbericht nach Artikel 16 die Untersuchungsphase, sofern der Anhörungsbeauftragte nichts anderes entscheidet.

Artikel 19

Inkrafttreten

Nur der englische Wortlaut dieses Beschlusses ist verbindlich. Dieser Beschluss tritt am Tag seine Annahme in Kraft. Er wird im Amtsblatt der Europäischen Union und in dessen EWR-Beilage veröffentlicht.

Artikel 20

Die EFTA-Staaten werden durch Übermittlung einer Kopie von dem Beschluss unterrichtet.

Artikel 21

Die Europäische Kommission wird durch Übermittlung einer Kopie von dem Beschluss unterrichtet.

Brüssel, den 29. November 2012

Für die EFTA-Überwachungsbehörde

Oda Helen SLETNES

Die Präsidentin

Sverrir Haukur GUNNLAUGSSON

Mitglied des Kollegiums


(1)  Siehe zum Beispiel das Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 18. April 2012, Posten Norge AS/EFTA-Überwachungsbehörde, E-15/10, noch nicht veröffentlicht, Randnrn. 85-92.

(2)  Nach Artikel 6 des EWR-Abkommens werden „unbeschadet der künftigen Entwicklungen der Rechtsprechung … die Bestimmungen dieses Abkommens, soweit sie mit den entsprechenden Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl sowie der aufgrund dieser beiden Verträge erlassenen Rechtsakte in ihrem wesentlichen Gehalt identisch sind, bei ihrer Durchführung und Anwendung im Einklang mit den einschlägigen Entscheidungen ausgelegt, die der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des EWR-Abkommens erlassen hat.“ Was die einschlägigen Entscheidungen angeht, die nach Unterzeichnung des EWR-Abkommens erlassen wurden, so folgt aus Artikel 3 Absatz 2 des ÜGA, dass die EFTA-Überwachungsbehörde und der EFTA-Gerichtshof die in den entsprechenden Entscheidungen dargelegten Grundsätze gebührend berücksichtigen werden.