92003E0624

SCHRIFTLICHE ANFRAGE P-0624/03 von Robert Evans (PSE) an die Kommission. Zusammenrechnung von Versicherungszeiten und Verordnung (EWG) 1408/71.

Amtsblatt Nr. 242 E vom 09/10/2003 S. 0157 - 0158


SCHRIFTLICHE ANFRAGE P-0624/03

von Robert Evans (PSE) an die Kommission

(25. Februar 2003)

Betrifft: Zusammenrechnung von Versicherungszeiten und Verordnung (EWG) 1408/71

Ist sich die Kommission bewusst, dass sich das in den 90er Jahren in Deutschland eingeführte System der freiwilligen Beitragsleistung für Versicherungszeiten (ab 1939), die häufig durch eine Versicherung in einem anderen Land abgedeckt sind, für viele EU-Bürger nachteilig auswirkt?

Ein Bewohner meines Wahlkreises hat sich in den 40er Jahren im Vereinigten Königreich niedergelassen und lebt dort nun seit sechzig Jahren. Er hatte zunächst keinen Anspruch auf eine deutsche Rente, obwohl er während seiner dreijährigen Lehre (1936-39) Rentenbeiträge geleistet hatte. Als das Gesetz in den 90er Jahren in Deutschland geändert wurde, hat er 1996 freiwillige Beiträge an den deutschen Versicherungsträger geleistet und damit einen Rentenanspruch erworben.

Da sich die Versicherungszeiten jedoch überschneiden und die Versicherung im Vereinigten Königreich Vorrang hat, erhält er vom deutschen Staat eine geringere Rente als er andernfalls hätte erwarten können.

Es hat den Anschein, dass sich beide Länder derzeit an die geltenden EU-Verordnungen halten (Verordnung (EWG) 1408/71(1), Durchführungsverordnung (EWG) 574/72(2) Artikel 15) und die Bürger, u.a. der Bewohner meines Wahlkreises, dadurch benachteiligt werden.

Ist sich die Kommission dieser bedauerlichen Situation bewusst und gibt es Pläne, hier Abhilfe zu schaffen?

(1) ABl. L 149 vom 5.7.1971, S. 2.

(2) ABl. L 74 vom 27.3.1972, S. 1.

Antwort von Frau Diamantopoulou im Namen der Kommission

(24. April 2003)

Mit den Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71(1) und (EWG) Nr. 574/72(2) werden die Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten koordiniert, jedoch nicht harmonisiert, so dass die Mitgliedstaaten weiterhin für die Festlegung der Einzelheiten im Rahmen ihrer Systeme zuständig sind. Zwar sieht die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vor, dass ein Bürger nicht gleichzeitig in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten Sozialversicherungsbeiträge leisten muss, doch legt sie auch fest, dass ein Bürger in einem Mitgliedstaat freiwillig eine Rentenversicherung abschließen kann, auch wenn er in einem anderen Mitgliedstaat bereits rentenpflichtversichert ist, sofern die Vorschriften des ersteren Mitgliedstaats eine derartige Überschneidung zulassen. Nach deutschem Recht kann ein Bürger solche freiwilligen Beitragsleistungen erbringen, wenn er bereits zu einem früheren Zeitpunkt freiwillige Beiträge oder Pflichtbeiträge zu diesem System gezahlt hat. Der Kommission sind keine Änderungen der deutschen Vorschriften in den 90er Jahren in dieser Hinsicht bekannt.

Wenn sich freiwillige Rentenbeiträge mit Rentenpflichtbeiträgen in einem anderen Mitgliedstaat überschneiden, sind die freiwilligen Beiträge nicht verloren. Natürlich sind die Sozialversicherungseinrichtungen jedes Landes, in dem ein Arbeitnehmer versichert war, verpflichtet, eine nationale Rente und eine anteilige Rente zu errechnen, die beiden Beträge zu vergleichen und dem Wanderarbeitnehmer den für ihn günstigeren Betrag zu bewilligen.

Bei der nationalen Rente handelt es sich um diejenige Rente, die ausschließlich gemäß den nationalen Vorschriften errechnet wird, wobei nur die in diesem Land abgedeckten Zeiträume berücksichtig werden. Daher sind Zeiträume freiwilliger Beitragszahlungen in dieser Berechnung enthalten und müssten grundsätzlich den Betrag der nationalen Rente erhöhen.

Zur Festlegung der anteiligen Rente ist es zunächst erforderlich, die theoretische Höhe der Rente zu errechnen, wobei das gesamte Erwerbsleben eines Bürger berücksichtigt wird, so, wie wenn die im Ausland verbrachten Zeiträume im fraglichen Land verbracht worden wären. Sich überschneidende Zeiträume werden nur ein Mal gezählt, und in diesem Zusammenhang legt Artikel 15 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 fest, dass Pflichtversicherungszeiträume in einem Mitgliedstaat Vorrang vor freiwilliger Versicherung in einem anderen Mitgliedstaat haben. Die anteilige Rente wird dann durch Multiplikation dieses theoretischen Betrags mit einem Bruch errechnet, dessen Zähler die Erwerbsdauer in dem Land und dessen Nenner alle Zeiträume umfasst, die bei der Festlegung des theoretischen Betrags berücksichtigt werden.

Da diese Bestimmungen somit sicherstellen, dass freiwillige Rentenbeiträge nicht verloren sind, fragt sich die Kommission, warum der Bewohner des Wahlkreises, auf den sich der Herr Abgeordnete bezieht, wegen der freiwilligen Beitragszahlung sogar eine niedrigere deutsche Rente bezieht. Falls der Herr Abgeordnete über diesen speziellen Fall ausführlichere Informationen hat, wird er gebeten, sie der Kommission zuzuleiten, damit sie durch die zuständigen Dienststellen geprüft werden können.

(1) Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern.

(2) Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern.