SCHRIFTLICHE ANFRAGE E-1420/02 von Erik Meijer (GUE/NGL) an die Kommission. Abschaffung des auf mehrere Jahre festgeschriebenen Zinssatzes bei Darlehen für Wohnungseigentümer als unbeabsichtigtes Nebenprodukt neuer Rechnungslegungsgrundsätze.
Amtsblatt Nr. 092 E vom 17/04/2003 S. 0054 - 0055
SCHRIFTLICHE ANFRAGE E-1420/02 von Erik Meijer (GUE/NGL) an die Kommission (23. Mai 2002) Betrifft: Abschaffung des auf mehrere Jahre festgeschriebenen Zinssatzes bei Darlehen für Wohnungseigentümer als unbeabsichtigtes Nebenprodukt neuer Rechnungslegungsgrundsätze 1. Ist der Kommission bekannt, dass ein sehr großer Teil derjenigen, die Wohneigentum besitzen, dazu nur aufgrund des Bestehens von Hypotheken in der Lage sind, bei denen für einen Darlehensbetrag im Wert des Wohneigentums oder eines Teils davon in regelmäßigen Abständen Zinsen gezahlt werden? 2. Kann die Kommission bestätigen, dass infolge der Vorschläge für internationale Rechnungslegungsgrundsätze europäische Unternehmen und Banken ab 2005 ihr Vermögen jährlich unter Zugrundelegung des zu diesem Zeitpunkt geltenden Marktwerts (Fair Value) bilanzieren und dazu auch ihre Hypothekenbestände immer wieder aufs neue bewerten müssen, wobei der Wert der Hypothekenforderungen mit einem festen Zinssatz zurückgeht, wenn das Zinsniveau steigt? 3. Besteht aufgrund dieser jährlichen Neubewertung die Möglichkeit, dass in der Zukunft keine Hypotheken mit einem Zinssatz, der über eine Reihe von Jahren gleich bleibt, mehr angeboten werden, da Wertschwankungen zu Gewinnschwankungen führen und Banken in diesem Falle kein Interesse an Hypotheken mit festen Zinssätzen haben? 4. Welche Folgen erwartet die Kommission, wenn es bei allen oder den meisten Hypotheken einen variablen Zinssatz gibt und sich die Belastungen von Hausbesitzern jedes Jahr stark verändern können? Wird dies nach Ansicht der Kommission dazu führen, dass die Bürger vom Erwerb einer Eigentumswohnung absehen, dass weniger Kaufkraft für die Anschaffung anderer Güter vorhanden ist oder dass die Zahl der Konkurse zunimmt, weil viele Menschen das Risiko jährlicher Schwankungen nicht tragen können? 5. Entsteht nach Auffassung der Kommission als Folge der neuen Regeln eine Situation, in der gewerbliche Unternehmen zwar weiterhin Hypotheken mit festen Zinssätzen anbieten, weil eine Nachfrage danach besteht, aber der Wert dieser Hypotheken durch einen Termin-/Optionsmarkt bestimmt wird, wodurch die Gemeinkosten für die Portefeuille-Verwaltung von Hypotheken zunehmen werden? 6. Hält es die Kommission für wünschenswert, diejenigen, die Zinsen bezahlen müssen, vor den negativen Folgen jährlicher Schwankungen zu schützen und auch andere Formen von Kostensteigerungen für den Verbraucher zu vermeiden? Auf welche Weise gedenkt die Kommission dies zu bewerkstelligen? Quelle: Niederländische Tageszeitung De Volkskrant vom 15. und 16. April 2002 Antwort von Herrn Bolkestein im Namen der Kommission (25. Juli 2002) Die Kommission ist sich durchaus der Tatsache bewußt, dass viele Bürger, die Wohneigentum besitzen, dazu nur aufgrund des Bestehens von Hypotheken in der Lage sind, für die regelmäßige Zinszahlungen getätigt werden. Die Kommission kann hingegen nicht bestätigen, dass ab dem Jahr 2005, ab dem die börsennotierten EU-Unternehmen gehalten sind, die angenommenen internationalen Rechungslegungsgrundsätze (IAS) für die Erstellung ihrer konsolidierten Abschlüsse zugrunde zu legen, die Banken und Unternehmen verpflichtet sind, ihre Hypothekenportfolios zum fair value zu bewerten. Der entsprechende Rechnungslegungsgrundsatz IAS 39, der den Ansatz und die Bewertung von Finanzinstrumenten zum fair value zum Inhalt hat, schließt die Anwendung des fair value auf Darlehen und Forderungen aus, die von dem berichtenden Unternehmen ausgehen. Deshalb ist die Zugrundelegung von IAS 39 nicht die Ursache für die genannten Auswirkungen auf Hypothekendarlehen mit festem Zinssatz. Die Grenzen des Anwendungsbereichs von IAS 39 wurden in den Erwägungsgründen der Richtlinie 2001/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. September 2001 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG und 86/635/EWG des Rates im Hinblick auf die im Jahresabschluss bzw. im konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen und von Banken und anderen Finanzinstituten zulässigen Wertansätze(1) festgelegt, denn IAS 39 führt u. a. die Anwendung des fair value (beizulegender Zeitwert) in der Europäischen Union ein. Einer der Erwägungsgründe macht deutlich, dass die Vorlage von Abschlüssen auf der Grundlage des fair value nur für jene Posten erfolgen sollte, bei denen international weitgehend Einvernehmen darüber besteht, dass dieser Wertansatz angemessen ist. Bislang besteht keine Einigung darüber, dass der fair value auf alle Finanzaktiva und -passiva angewandt werden sollte. Schließlich enthält das Protokoll des Rates, das anläßlich der Annahme der obengenannten Richtlinie (31. Mai 2001) verfaßt wurde, eine Erklärung, der zufolge die Zugrundelegung von IAS 39 nicht dazu dient, die Bereitstellung von Hypothekendarlehen mit festem Zinssatz zu verändern. Die Kommission hat auch Kenntnis davon, dass der International Accounting Standards Board (IASB) an einer Verbesserung des derzeitigen IAS 39 arbeitet. Die Verbesserungsvorschläge werden jedoch ihres Wissens nach den Anwendungsbereich des fair value-Begriffs nicht dergestalt ändern, dass dadurch die Bereitstellung von Hypothekendarlehen mit festem Zinssatz beeinflußt würde. (1) ABl. L 283 vom 27.10.2001.