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SCHRIFTLICHE ANFRAGE Nr. 3385/98 von John IVERSEN an die Kommission. EU-Brandschutzklassifizierung für Baustoffe

Amtsblatt Nr. C 182 vom 28/06/1999 S. 0073


SCHRIFTLICHE ANFRAGE E-3385/98

von John Iversen (PSE) an die Kommission

(17. November 1998)

Betrifft: EU-Brandschutzklassifizierung für Baustoffe

Die Kommission steht vor dem Abschluß gemeinschaftlicher Brandschutzklassifikationsmethoden für Baustoffe. Wenn die Baustofftests realistisch sein sollen, müssen sie in Form von Großversuchen erfolgen, beispielsweise in dem von der ISO anerkannten "Room Corner"-Test und nicht lediglich etwa mit der "Single Burning Item"-Methode (SBI-Methode), einem mittelgrossen Test ohne Decke, mit kleinen Gasbrennern und unter Einsatz von Absaugvorrichtungen.

1. Welche konkreten Verbesserungen der SBI-Methode gedenkt die Kommission durchzuführen, damit die Zuverlässigkeit erhöht und vermieden wird, daß der gleiche Stoff als unbrennbar eingestuft wird, wenn der Hersteller sich für ein bestimmtes Brandtestlabor entscheidet, jedoch als brennbar, wenn der Erzeuger für ein anderes Testlabor wählt?

2. Wird der "Room Corner"-Test auch künftig als Berufungsinstanz/Qualitätstest bei umstrittenen Ergebnissen des SBI-Tests bzw. bei der Genehmigung neuer oder unbekannter Produkte fungieren?

Wer kann die Überprüfung eines SBI-Testergebnisses im Rahmen eines "Room Corner"-Tests oder eines entsprechenden realistischen Großversuchs fordern?

Wer entscheidet in Zweifelsfällen?

3. Kann garantiert werden, daß Produkte der drei EUROKLASSEN A, B und C im "Room Corner"-Test nicht zu Feuerüberschlag (flashover) führen?

Kann garantiert werden, daß bei Stoffen der EUROKLASSE D der Überschlag erst bei 300 kW (innerhalb von 10-20 Minuten) erfolgen kann, während dies bei Baustoffen der EUROKLASSE E schon bei 100 kW (innerhalb von 0-10 Minuten) möglich ist?

4. Ist die Kommission bereit, die irreführenden Bezeichnungen der EUROKLASSEN zu korrigieren, so daß die brennbaren Stoffe der Klassen D und E nicht als "Acceptable contribution/reaction to fire", sondern beispielsweise als "Medium contribution to fire" bzw. "High contribution to fire" bezeichnet werden?

5. Kann die Kommission ausschließen, daß Menschenleben zu retten gewesen wären, wenn giftiger Rauch nicht aus der Hauptbrandklassifizierung ausgeklammert worden wäre und die einzelnen Mitgliedstaaten nicht die Möglichkeit gehabt hätten, diesen Sicherheitsparameter ausser acht zu lassen?

Antwort von Herrn Bangemann im Namen der Kommission

(18. Dezember 1998)

Die Kommission ist derzeit mit der Ausarbeitung eines europäischen Klassifizierungssystems für das Brandverhalten von Bauprodukten befasst. Dies ist eine Maßnahme zur Umsetzung der Richtlinie 89/106/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte(1). Im Dezember 1998 wird dem Ständigen Ausschuß für das Bauwesen der Entwurf einer Entscheidung über das neue System zur Stellungnahme vorgelegt.

Die Fragen des Herrn Abgeordneten können im einzelnen wie folgt beantwortet werden:

1. Der SBI-Test (single burning item - einzelner brennender Gegenstand), eines der vier Prüfverfahren für Bauprodukte mit Ausnahme von Bodenbelägen, wurde von einer Gruppe offizieller, von den Mitgliedstaaten benannten europäischen Laboratorien unter der Leitung der Kommission und der in der Arbeitsgruppe der für Brandschutzvorschriften zuständigen Stellen vertretenen Mitgliedstaaten sowie vom Ständigen Ausschuß für das Bauwesen entwickelt. Letzterer gab im Dezember 1997 eine befürwortende Stellungnahme zur Konfiguration des SBI-Tests ab, forderte jedoch technische Verbesserungen des Tests, um dessen Wiederholbarkeit und Reproduzierbarkeit zu verbessern. Die Arbeiten zur Verbesserung des Tests wurden wieder der offiziell benannten Gruppe von Laboratorien übertragen und von der Kommission mitfinanziert. Diese Arbeiten sind jetzt im grossen und ganzen abgeschlossen, und ein Abschlußbericht über die Arbeiten dürfte im Februar 1999 zusammen mit einem europäischen Normentwurf zu diesem Test vorliegen. Die Kommission ist zuversichtlich, daß die Verbesserungen des SBI-Tests und des Testverfahrens eine europaweit einheitliche Klassifizierung von Bauprodukten ermöglichen wird.

2. Der Entwurf der Kommissionsentscheidung über das europäische Klassifizierungssystem sieht auch weiterhin den "room-corner"-Test vor sowie möglicherweise andere Referenztests, sofern Zweifel an der Angemessenheit der Klassifizierung bestehen, die aufgrund von Tests in kleinerem Maßstab vorgenommen wurde. Die genaue Bedeutung des "room-corner"-Tests und die Bedingungen für die Einlegung von Rechtsmitteln werden entweder in einer europäischen Norm oder in einer Kommissionsentscheidung auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten umfassend festgelegt. Die diesbezueglichen Gespräche werden im ersten Halbjahr 1999 fortgesetzt.

3. Die Kommission kann bestätigen, daß das Verhalten von Produkten im "room-corner"-Test, insbesondere die Zeit bis zum Feuerüberschlag, ein wesentliches Element bei der Festlegung der Klassengrenzwerte für das neue Klassifizierungssystem war und daß es eine durchaus gute Korrelation zwischen dem Verhalten der Produkte im SBI-Test und im "room-corner"-Test gab. Im"room-corner"-Test zeigten die Produkte folgendes Verhalten: Überhaupt kein Feuerüberschlag (entsprechend den vorgeschlagenen neuen Klassen A1, A2 und B), kein Feuerüberschlag bei 100 kW (entsprechend der neuen Klasse C) und kein Feuerüberschlag unter zwei Minuten bei 100 kW (entsprechend der neuen Klasse D). Die Produkte der Klasse E zeigen einen Feuerüberschlag bei 100 kW, unter zwei Minuten.

4. Die Beschreibungen der verschiedenen Klassen des neuen Systems entfallen, gerade weil die Kommission und die Mitgliedstaaten der Auffassung waren, daß deren Wortlaut am Markt irreführend sein könnte.

5. Die Kommission ist der Auffassung, daß die Rauchentwicklung ein wichtiges Element bei der Bewertung des Brandverhaltens von Bauprodukten ist und hat dies deshalb in den Vorschlag für ein neues, europäisches Klassifizierungssystem aufgenommen. Im Rahmen der Richtlinie 89/106/EWG sind die Mitgliedstaaten allerdings auch weiterhin dafür verantwortlich, bei Hoch- und Tiefbauarbeiten auf ihrem Hoheitsgebiet sicherzustellen, daß bei deren Planung und Durchführung keine Gefahr für die Sicherheit von Menschen, Haustieren und Eigentum entsteht. Da solchen Gebäudevorschriften kein einheitliches Konzept zugrunde liegt, gehen die Mitgliedstaaten auch unterschiedlich mit der Gefahr der Rauchentwicklung bei einem Brand um. Das vorgeschlagene Klassifizierungssystem, bei dem die Rauchklasse getrennt angegeben wird, trägt diesen traditionellen Unterschieden zwischen den Mitgliedstaaten Rechnung, ohne jedoch die Bedeutung der Rauchentwicklung beim Brandschutz zu verringern. Mit diesem Ansatz greift die Kommission einzelstaatlichen Vorschriften nicht vor, sondern schlägt vielmehr ein flexibles und transparentes System vor, das es den Behörden ermöglicht, alle Aspekte des Brandschutzes effizient zu regeln.

(1) ABl. L 40 vom 11.2.1989.