91998E0410

SCHRIFTLICHE ANFRAGE Nr. 410/98 von den Abgeordneten Giacomo LEOPARDI , Guido VICECONTE , Elena MARINUCCI an die Kommission. Verkauf von Arzneimitteln über Internet

Amtsblatt Nr. C 323 vom 21/10/1998 S. 0034


SCHRIFTLICHE ANFRAGE E-0410/98 von Giacomo Leopardi (PPE), Guido Viceconte (PPE) und Elena Marinucci (PSE) an die Kommission (24. Februar 1998)

Betrifft: Verkauf von Arzneimitteln über Internet

In den Vereinigten Staaten und in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, darunter den Niederlanden, Portugal und dem Vereinigten Königreich, sind Lieferanten aufgetaucht, die den Verkauf von Arzneimitteln über Internet anbieten.

Auf der 50. Generalversammlung der WHO wurde eine Entschließung verabschiedet, in der darauf hingewiesen wird, daß der unkontrollierte Verkauf von Arzneimitteln über Internet eine Gefahr für die Volksgesundheit und ein wirkliches Risiko für Patienten darstellt. Die dazu eingesetzte Ad-hoc-Arbeitsgruppe behandelt diese Frage mit grosser Aufmerksamkeit.

Beim Kauf von Arzneimitteln über Internet wurden folgende Feststellungen gemacht:

1. Zusendung von rezeptpflichtigen Medikamenten ohne vorherige ärztliche Verordnung;

2. Lieferung von Erzeugnissen, die im Ursprungsland nicht verschreibungspflichtig sind, im Empfängerland dagegen wohl;

3. fehlende Beipackzettel;

4. unvollständige Beipackzettel, in denen nicht auf Gegenanzeigen oder Nebenwirkungen hingewiesen wird oder die diesbezuegliche unzureichende Hinweise enthalten;

5. Beipackzettel mit einer fälschlichen Darstellung der Indikation;

6. Zusendung von Erzeugnissen mit abgelaufenem Fälligkeitsdatum.

Verfügt die Europäische Union über Rechtsvorschriften, die derartige Praktiken untersagen?

Auf welche Weise kann die Kommission diesbezueglich tätig werden?

Antwort von Herrn Bangemann im Namen der Kommission (27. März 1998)

Das Internet ist ein Kommunikationsmedium, das in Europa und weltweit immer mehr in Anspruch genommen wird, und auch in der Gemeinschaft ist das Interessee am elektronischen Geschäftsverkehr sehr groß.

Da jedoch Arzneimittel aufgrund ihrer Art und angesichts der Risiken, die mit ihnen verbunden sein können, im Hinblick auf das Inverkehrbringen und die Werbung, einer sehr strengen gemeinschaftlichen Regelung unterliegen, muß auch das Problem des Arzneimittelverkaufs über das Internet, der einen Fernverkauf darstellt, im Lichte der geltenden Gemeinschaftsregelung betrachtet werden.

Nach den Bestimmungen der Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 ((ABl. 22 vom 9.2.1965. )) zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Arzneimittel darf ein in der Gemeinschaft hergestelltes oder eingeführtes Arzneimittel in einem Mitgliedstaat erst nach einem sehr strengen Zulassungsverfahren in Verkehr gebracht werden, das die Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit des Mittels gewährleistet. Der Verkauf eines Arzneimittels auf dem Gebiet der Gemeinschaft ohne innerstaatliche oder gemeinschaftliche Zulassung würde folglich einen Verstoß gegen die Rechtsvorschriften bedeuten.

Nach den Artikeln 2 und 3 der Richtlinie 92/28/EWG des Rates vom 31. März 1992 über die Werbung für Humanarzneimittel verbieten die Mitgliedstaaten die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel ((ABl. L 113 vom 30.4.1992. )), die nur auf ärztliche Verschreibung abgegeben werden dürfen oder für Arzneimittel, für die keine Zulassung gemäß dem Gemeinschaftsrecht erteilt worden ist. Da der Verkauf von Arzneimitteln über das Internet per Definition ohne Öffentlichkeitswerbung im Sinne des Artikels 1 dieser Richtlinie nicht möglich ist, stellen der Verkauf von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, der Verkauf von Arzneimitteln, für die keine Zulassung gemäß dem Gemeinschaftsrecht erteilt wurde oder der Verkauf von Arzneimitteln, die psychotrope Substanzen oder Suchtstoffe enthalten, über das Internet einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht dar.

Die Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 ((ABl. L 144 vom 4.6.1997. )) über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz verstärkt diese beiden Texte dadurch, daß in Artikel 14 den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt wird, den Vertrieb von Arzneimitteln im Fernabsatz in ihrem Hoheitsgebiet im Interesse der Allgemeinheit zu verbieten.

Ferner ist daran zu erinnern, daß das Monopol der Medikamentenabgabe, das den Apothekern in bestimmten Mitgliedstaaten gewährt wird, und das vom Gerichtshof als im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht beurteilt wurde ((Rechtssache C-369/88, Delattre, Urteil vom 21. 3. 1991, Sammlung 1991, S. I-1487. )), zu respektieren ist.

Daher ist es Aufgabe der Mitgliedstaaten, die den Verkauf von Arzneimitteln über das Internet in ihrem Hoheitsgebiet verbieten wollen, geeignete Maßnahmen zu treffen, um der geltenden gemeinschaftlichen Arzneimittelregelung zu entsprechen. Angesichts des weltweiten Charakters des Internets ist sich die Kommission darüber im klaren, daß dieses Problem weit über die gemeinschaftlichen Grenzen hinausgeht, und daß es nur im internationalen Rahmen wirksam geregelt werden kann. In diesem Zusammenhang hat die Kommission insbesondere an Sitzungen teilgenommen, auf denen die Mitgliedstaaten Beiträge zum Entwurf einer Entschließung erarbeitet haben, die von der 50. Vollversmmlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor kurzem angenommen wurde.