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SCHRIFTLICHE ANFRAGE Nr. 3398/97 von Amedeo AMADEO an den Rat. Menschenrechte in Algerien

Amtsblatt Nr. C 174 vom 08/06/1998 S. 0052


SCHRIFTLICHE ANFRAGE E-3398/97 von Amedeo Amadeo (NI) an den Rat (28. Oktober 1997)

Betrifft: Menschenrechte in Algerien

Noch mehr Blut in Algerien. Über 60 Personen wurden in der Nacht von Sonntag, 28. September, auf Montag, 29. September 1997, in der Region Blida, die 50 km von Algier entfernt im Westen des Landes liegt, und in zwei Vororten westlich von Algier von bewaffneten Gruppen ermordet. Die Berichte der Lokalzeitungen sind grauenerregend; die Tageszeitung "Freiheit" z.B. schreibt unter anderem: "Der Kopf eines Kindes wurde auf dem Dach eines Hauses gefunden".

Eine der grössten Errungenschaften der internationalen Gemeinschaft ist nun das Bewusstsein, daß Menschenrechte keine Grenzen kennen. Wenn es also zu schweren Verletzungen der Bürgerrechte kommt und die Lage so schlimm ist wie in Algerien, kann man nicht von der "inneren Situation" sprechen.

In Anbetracht der klaren Verantwortung der internationalen Gemeinschaft wird der Rat gebeten mitzuteilen, ob er es nicht für seine Pflicht hält, in einen Dialog mit der algerischen Regierung einzutreten, um die Massaker an der Zivilbevölkerung in Algerien zu beenden.

Antwort (9. März 1998)

Der Rat hat auf seiner Tagung am 26. Januar 1998 den Besuch der Troika auf Ministerebene am 19. und 20. Januar 1998 in Algier gewürdigt. Dieser Besuch ist der wirksame Ausdruck der grossen Besorgnis der Europäischen Union über die Situation in Algerien, des tiefen Mitgefühls der Völker der Europäischen Union mit ihren algerischen Nachbarn sowie der Hoffnung, daß das Leiden der algerischen Bevölkerung ein rasches Ende nehmen wird. Der Rat betonte erneut, daß er alle Terroranschläge und alle Akte blinder Gewalt aufs schärfste verurteilt.

Der Rat bekräftigte erneut, daß die Union sich diesem Problem weiterhin verpflichtet fühlen wird. Der Besuch der Troika sollte als entscheidender Schritt zu einem umfassenden Dialog mit der algerischen Regierung, der mit dem Besuch von Aussenminister Attaf im November 1997 in Luxemburg begonnen hat, gewertet werden. Dieser Dialog habe eine neue Qualität und eine neue Dringlichkeitsstufe erhalten. Die Erzielung von Fortschritten bei den Gesprächen über das Assoziationsabkommen EU-Algerien sei eine wichtige Voraussetzung für die Fortführung des Dialogs.

Der Rat brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, daß die algerische Regierung durch diese verstärkte Bezeugung internationaler Betroffenheit und Unterstützung besser in der Lage sein wird, sich um eine Lösung für das Terroristenproblem zu bemühen.

Der Rat bedauerte es, daß die Angebote für humanitäre Unterstützung nicht angenommen worden sind, war sich aber darin einig, daß sie weiterhin Gültigkeit haben, sofern die algerischen Behörden eine Möglichkeit für eine sinnvolle Inanspruchnahme der nachbarlichen Hilfe sehen.

Der Rat sprach sich dafür aus, daß die algerische Regierung eine grössere Transparenz hinsichtlich der Lage an den Tag legt, einer Lage, die dadurch gekennzeichnet ist, daß terroristische Gruppen weiterhin in feiger und brutaler Weise unschuldige Zivilisten überfallen. Der Rat brachte sein Bedauern darüber zum Ausdruck, daß sich die algerischen Behörden ausserstande gesehen haben, internationalen Organisationen, NROs und den Medien ungehinderten Zugang zu gewähren. Der Rat äusserte seine Hoffnung, daß die algerischen Behörden in naher Zukunft einem Besuch von Vertretern der Vereinten Nationen zustimmen werden. Der Rat appelliert erneut dringend an die algerischen Behörden, über diese Frage noch einmal nachzudenken, und zwar im Lichte nicht nur des Konzepts der EU, sondern auch der Unterstützung, die dieses Konzept auf internationaler Ebene gefunden hat.

Die Stärkung umfassender demokratischer Organisationen und der Rolle der Justiz wird dazu beitragen, daß diejenigen, die den politischen Wandel durch die Anwendung von Gewalt erzwingen wollen, isoliert und geschwächt werden. In diesem Zusammenhang befürwortete der Rat häufigere Kontakte zwischen algerischen und europäischen Parlamentariern. Der bevorstehende Besuch von Vertretern des Europäischen Parlaments wird einen wichtigen Schritt in diese Richtung darstellen.

Der Rat erklärte, daß er einem weiteren Treffen zwischen dem algerischen Aussenminister und dem Vorsitz, bei dem ein umfassender Dialog fortgeführt werden könne, erwartungsvoll entgegensehe. Der Rat bekräftigte die Bereitschaft der Union und ihrer Mitgliedstaaten, im Rahmen dieses Dialogs alle Anliegen und Vorschläge, die die algerischen Behörden ihm zur Kenntnis bringen möchten, auch hinsichtlich der Bekämpfung des Terrorismus, zu erörtern.