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SCHRIFTLICHE ANFRAGE Nr. 2910/97 von Johanna MAIJ-WEGGEN an die Kommission. Transport von Kälbern zwischen Deutschland und Frankreich und Schlachtpraktiken in den französischen Schlachthäusern

Amtsblatt Nr. C 158 vom 25/05/1998 S. 0019


SCHRIFTLICHE ANFRAGE E-2910/97 von Johanna Maij-Weggen (PPE) an die Kommission (17. September 1997)

Betrifft: Transport von Kälbern zwischen Deutschland und Frankreich und Schlachtpraktiken in den französischen Schlachthäusern

Hat die Kommission einen Filmbericht vom 18. Juli dieses Jahres im ZDF zur Kenntnis genommen, in dem über den Transport "überschüssiger" männlicher Kälber von Deutschland nach Frankreich und die Schlachtung dieser Kälber in französischen Schlachthäusern berichtet wurde? ((Dieser Film ist unter dem Titel "Kopfgeld für Kälber" bei der ZDF-Redaktion in Mainz erhältlich (Tel. 0049-6131-704535). ))

Ist der Kommission bekannt, daß diese Transporte durchgeführt werden, weil in Frankreich eine höhere Schlachtprämie gezahlt wird als in Deutschland, wodurch überdies in betrügerischer Absicht gehandelt würde?

Kann die Kommission mitteilen, wie hoch die betreffenden Schlachtprämien in Deutschland und Frankreich sind und wie es möglich ist, daß diese Kälber unnötigerweise transportiert werden? Inwiefern werden solche Praktiken durch Regelungen der Kommission begünstigt?

Aus diesem Filmbericht im deutschen Fernsehen ging auch hervor, daß die Kälber erst an einem Lauf aufgehängt wurden und daß anschließend ihre Kehlen durchschnitten wurden. Hält die Kommission dies für eine zulässige Methode der Tötung von Schlachtvieh? Gibt es diesbezuegliche europäische Rechtsvorschriften oder Regelungen, und falls ja, wer kontrolliert ihre Ausführung?

Antwort von Herrn Fischler im Namen der Kommission (1. Dezember 1997)

Die Kommission setzt sich nachdrücklich für die Verbesserung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften über den Tierschutz ein. Vor kurzem sind neue Vorschriften für den Transport von Tieren sowie das Wohlergehen von Kälbern in Kraft getreten. Einige Probleme in diesem Bereich sind auf die unzureichende Durchführung von Vorschriften oder Kontrollen durch die Mitgliedstaaten zurückzuführen. Die Kommission beobachtet die Situation aufmerksam und unternimmt entsprechende Schritte gegen Mitgliedstaaten, die die Verpflichtungen nicht eingehalten haben.

Die Frage der Schlachtprämie für Kälber muß differenziert behandelt werden:

Um nach der BSE-Krise das Gleichgewicht auf dem Rindfleischmarkt wiederherzustellen, hat die Kommission Ende 1996 alle Mitgliedstaaten verpflichtet, für einen Übergangszeitraum von zwei Jahren mindestens eine der folgenden zwei Kälberprämien anzuwenden: die Frühvermarktungsprämie oder die Verarbeitunsprämie. Beide Prämien zielen darauf ab, die Erzeugung dadurch zu verringern, daß die Tiere in einem früheren Stadium aus der Produktionskette herausgenommen werden. Die Mitgliedstaaten mussten wahlweise eine dieser Regelungen oder beide anwenden. Frankreich, Irland, Portugal und das Vereinigte Königreich wählten die Verarbeitungsprämie (für männliche Kälber von weniger als 20 Tagen mit Ursprung in der Gemeinschaft), während Deutschland sich für die Anwendung der Frühvermarktungsprämie entschied. Die Durchführungsvorschriften und der Betrag der Verarbeitungsprämie (zur Zeit 115 Ecu für Kälber von Milchrassen bzw. 145 Ecu für Kälber von Fleischrassen) sind in allen Mitgliedstaaten, die diese Prämie anwenden, gleich.

Der innergemeinschaftliche Handel mit Tieren ist übliche Praxis, wenn die Preise in den verschiedenen Mitgliedstaaten erheblich differieren. Im allgemeinen sind die Preise für Jungkälber in Deutschland niedriger als in Frankreich. Ausserdem hat sich im Juni und Juli dieses Jahres bei diesen Tieren der Unterschied zwischen Frankreich und Deutschland noch deutlich vergrössert. Dieser Unterschied könnte mit ein Grund dafür sein, daß der französische Markt für deutsche Kälber noch attraktiver geworden ist. Dennoch war die Zahl der Tiere, die im Rahmen der französischen Verarbeitungsprämienregelung geschlachtet wurden, geringer als in den vorangegangenen Monaten.

Wegen der politischen Bedeutung dieser Prämien und ihrer Auswirkung auf den Haushalt überwacht die Kommission sie sehr sorgfältig; bislang konnte noch kein Betrug festgestellt werden. Die Kommission hat dem Rat bereits im April 1997 einen Zwischenbericht ((Dok. KOM(97) 165 endg. )) vorgelegt, und gerade jetzt wird ihm ein zweiter Bericht über die Anwendung der beiden Prämien zur Prüfung übermittelt.

Bei der Schlachtung der Kälber im Rahmen dieser Regelungen muß die Richtlinie 93/119/EG über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Schlachtung oder Tötung ((ABl. L 340 vom 31.12.1993. )) eingehalten werden. Sie enthält ausführliche Bestimmungen über Unterbringung, Ruhigstellung, Betäubung und Entbluten der Tiere. Wenn die Kälber nach dieser Richtlinie geschlachtet werden, ohne daß ihnen unnötiges Leid zugefügt wird, dürfte es aus der Sicht des Tierschutzes keine Probleme geben.

Die Verantwortung für die Durchsetzung dieser Vorschriften liegt in erster Linie bei den Mitgliedstaaten. Die Kommission ist jedoch für die einheitliche Anwendung der Vorschriften in der Gemeinschaft zuständig. Stellt sie fest, daß die Richtlinie von den Behörden der Mitgliedstaaten nicht ordnungsgemäß umgesetzt wird, so wendet sie sich in der Regel an diese Behörden und kann, wenn die Angelegenheit nicht zufriedenstellend geklärt wird, das Vertragsverletzungsverfahren gemäß Artikel 169 EG-Vertrag einleiten. Die Kommission hat eine Kopie des Filmberichts angefordert und wird ihn prüfen. Sollte sich herausstellen, daß gegen die Richtlinie 93/119/EG verstossen worden ist, wird die Kommission geeignete Maßnahmen ergreifen.