SCHRIFTLICHE ANFRAGE Nr. 2820/97 von Nuala AHERN an die Kommission. Vorgesehene Vollendung von Block 4 des Kernkraftwerks Rovno und von Block 2 des Kernkraftwerks Khmelnitski (R4 bzw. K2) im Rahmen der Vereinbarung zwischen der G7 und der Ukraine
Amtsblatt Nr. C 102 vom 03/04/1998 S. 0129
SCHRIFTLICHE ANFRAGE P-2820/97 von Nuala Ahern (V) an die Kommission (1. September 1997) Betrifft: Vorgesehene Vollendung von Block 4 des Kernkraftwerks Rovno und von Block 2 des Kernkraftwerks Khmelnitski (R4 bzw. K2) im Rahmen der Vereinbarung zwischen der G7 und der Ukraine Kann die Kommission im Zusammenhang mit der vorgesehenen Vollendung der R4- und K2-Kernreaktoren in der Ukraine mitteilen, ob die Sicherheitsvorschläge jeweils auf der Kosten-, Mindestkosten-, Bewertungs- und Bauphase des Projekts, wie bei den vergleichbaren Reaktoren in Temelin der Fall, ein vollkommen neues Instrumenten- und Steuerungssystem, eine vollständige probalistische Sicherheitsbewertung und die Trennung der gesamten Versorgungs- und Steuerungsverkabelung enthalten (was sich durch die Erfahrungen mit dem Brand in der Kabelinstallation in Browns Ferry im Jahr 1975 als notwendig erwiesen hat)? Falls nein, weshalb nicht? Werden alle notwendigen Maßnahmen ergriffen, um die Konsequenzen aus den Unfällen von Three Mile Island und Tschernobyl Rechnung zu tragen, und falls nein, weshalb nicht? Welche Vorkehrungen sind für den Fall der Versprödung des Druckgefässes und eines Flugzeugabsturzes vorgesehen? Kann die Kommission erläutern, wie die Risikobewertung von RiskAudit (Bericht Nr. 52) als Grundlage für eine endgültige Entscheidung in dieser Angelegenheit genutzt werden könnte, da offenbar keine vollständige Analyse der bislang durchgeführten Arbeiten an diesen Reaktoren vorlag und bestimmte Probleme zu einem späteren Zeitpunkt oder nach Anlaufen der Reaktoren gelöst werden sollen? Wie war es überhaupt möglich, daß die PHARE/TACIS-Sachverständigengruppe für die nukleare Sicherheit im vergangenen Jahr die Sicherheitsgenehmigung für das Projekt gegeben hat, und weshalb dauerte es mehr als 6 Monate, bevor der RiskAudit-Bericht öffentlich verfügbar war? Antwort von Herrn Van den Brök im Namen der Kommission (1. Oktober 1997) Nach Aufffassung der Kommission ist es wichtig, daß das erforderliche Sicherheitsniveau mit der Fertigstellung der Kernkraftwerke Rovno 4 (R4) und Khmelnitsky 2 (K2) erreicht wird. Im Rahmen des Tacis-Programms wurde ein Modernisierungsprogramm für beide Reaktoren ausgearbeitet. Riskaudit, eine Organisation unabhängiger auf die technische Sicherheit spezialisierter Einrichtungen aus Frankreich und Deutschland, hat dieses Modernisierungsprogramm nach den Richtlinien der Internationalen Atomenergie-Organisation (IÄO) und anhand von Verfahren evaluiert, die für ähnliche in der Gemeinschaft betriebene Reaktoren anerkannt sind, und hat in ihrer Bewertung festgestellt, daß das vorgeschlagene Modernisierungsprogramm dem Stand der Technik entspricht und ein in sich geschlossenes Konzept darstellt. In diesem Zusammenhang kommt es eindeutig auf den derzeitigen Bauzustand an. Da der Kraftwerkbau für einige Jahre unterbrochen war, wurde eine sorgfältige Bewertung des derzeitigen Zustands des Kernkraftwerkes eingeleitet. Sollten bei dieser Qualitätsüberprüfung Schwachstellen zutage treten, so werden Abhilfemaßnahmen ergriffen. Die Prüfberichte und die Abhilfemaßnahmen werden ebenfalls unabhängig von Riskaudit evaluiert. Mit der Durchführung dieses Modernisierungsprogramms, in dem die Empfehlungen von Riskaudit berücksichtigt werden, und das durch spezifische Zusatzmaßnahmen der ukrainischen Betreiberorganisationen vervollständigt wird, sowie durch die Umsetzung der spezifischen Empfehlungen, die sich aus der Qualitätsüberprüfung ergeben, kann ein Sicherheitsniveau gewährleistet werden, das dem westlicher Kraftwerke vergleichbarer Bauart, deren Sicherheitsstandards nachgerüstet wurden, entspricht. Es wird daher das gleiche Sicherheitsniveau erreicht wie in vielen Reaktoren, die heute in westlichen Ländern betrieben werden. Was die speziellen Fragen zu den R4- und K2-Reaktoren anbelangt, so wurden die Ergebnisse der probalistischen Sicherheitsbewertungen (PSA) einbezogen, die bei ähnlichen Reaktoren vorgenommen wurden. Eine umfassende probalistische Sicherheitsbewertung ist für die modernisierte Anlage vorgesehen. Das im ursprünglichen Projekt vorgesehene Instrumenten- und Steuerungssystem (I& C) weist eine Reihe von Mängeln auf, die durch Untersuchungen und beim Betrieb festgestellt wurden. Sie werden durch spezifische Abhilfemaßnahmen beseitigt. Im Falle des Kraftwerks Temelin wurde entschieden, das Instrumenten- und Steuerungssystem komplett zu ersetzen. Es ist kein Sicherheitserfordernis, daß die Steuerungsverkabelung und die Versorgungsverkabelung voneinander getrennt sind. Jedoch müssen die redundanten Stränge der Sicherheitssysteme entweder räumlich oder körperlich getrennt sein. Um die Stränge unabhängig voneinander verlaufen zu lassen, werden bei den R4- und K2-Reaktoren beide Grundsätze gleichzeitig angewandt. Was die allgemeine Frage anbelangt, so wurden die Erfahrungen aus den Unfällen von Three Mile Island und Tschernobyl selbstverständlich berücksichtigt. Was die Versprödung des Druckgefässes anbetrifft, so ist die Mauer des Druckgefässes des WWER-1000-Reaktors einem gleich hohen Neutronenfluß ausgesetzt wie in den Druckgefässen westlicher Druckwasserreaktoren gleicher Bauart. Zusätzliche Maßnahmen werden im Rahmen des Modernisierungsprogrammes ergriffen, um den Neutronenfluß (Strahlung) und die Anzahl der thermischen Stösse zu verringern. Ein Überwachungsprogramm wird entwickelt, mit dem ermittelt werden soll, wie lange das Druckgefäß noch in Betrieb sein darf. Die Bewertung des Risikos, daß ein Flugzeug auf das Kernkraftwerk stürzen könnte, ist Teil des Modernisierungsprogramms. Sollte sich aus der Risikobewertung ergeben, daß der Wahrscheinlichkeitswert über den international geltenden Werten liegt, müssen im Rahmen von Verwaltungsmaßnahmen Flugkorridore eingerichtet werden.