17.7.2023   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 252/28


Vorabentscheidungsersuchen des Ustavno sodišče Republike Slovenije (Slowenien, eingereicht am 20. April 2023 — INTERZERO Trajnostne rešitve za svet brez odpadkov d.o.o., Interzero Circular Solutions Europe GmbH u. a./Državni zbor Republike Slovenije

(Rechtssache C-254/23; INTERZERO u. a.)

(2023/C 252/32)

Verfahrenssprache: Slowenisch

Vorlegendes Gericht

Ustavno sodišče Republike Slovenije

Parteien des Ausgangsverfahrens

Personen, die einen Antrag auf Prüfung der Verfassungsmäßigkeit gestellt haben: INTERZERO Trajnostne rešitve za svet brez odpadkov d.o.o., Interzero Circular Solutions Europe GmbH u. a.

Anderer Beteiligter des Verfahrens: Državni zbor Republike Slovenije

Vorlagefragen

1.

Kann als ein mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betrautes Unternehmen im Sinne von Art. 106 Abs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (unter Berücksichtigung von Art. 14 AEUV, des Protokolls [Nr. 26] über Dienste von allgemeinem Interesse sowie der Art. 8 und 8a der Richtlinie 2008/98/EG (1) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien) eine juristische Person angesehen werden, die das ausschließliche Recht hat, im Hoheitsgebiet der Republik Slowenien die Tätigkeit der gemeinsamen Erfüllung der Pflichten der erweiterten Herstellerverantwortung für gleichartige Produkte auszuüben, die Folgendes umfasst:

den Abschluss von Verträgen mit den Herstellern bestimmter Produkte, mit denen sie diese juristische Person ermächtigen, in ihrem Namen für die ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Abfälle von diesen Produkten zu sorgen;

die Organisation des Systems der Abfallsammlung und -behandlung (Abschluss von Verträgen mit Handelsgesellschaften, damit diese im Namen der Organisation alle Abfälle, die von Produkten stammen, die der erweiterten Herstellerverantwortung unterliegen, sammeln und ordnungsgemäß behandeln); sowie

die Führung von Registern über die in der Republik Slowenien in Verkehr gebrachten Produkte, die der erweiterten Herstellerverantwortung unterliegen, sowie über die gesammelten und behandelten Abfälle von Produkten, die der erweiterten Herstellerverantwortung unterliegen, und Übermittlung dieser Daten an das Ministerium,

und ist diese juristische Person verpflichtet, im Zusammenhang mit der Ausübung dieser Tätigkeit Verträge sowohl mit den Herstellern, die der erweiterten Herstellerverantwortung unterliegen, als auch mit den Handelsgesellschaften zu schließen, die die Sammlung und Behandlung der Abfälle ausführen werden?

2.

Sind die Art. 16 und 17 der Charta der Europäischen Union über die Grundrechte, die Art. 49, 56 und 106 AEUV, die Richtlinie 2006/123/EG (2) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt sowie die Art. 8 und 8a der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien dahin auszulegen, dass sie einer Regelung entgegenstehen, wonach die Tätigkeit der gemeinsamen Erfüllung der Pflichten der erweiterten Herstellerverantwortung für gleichartige Produkte nur von einer einzigen juristischen Person im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ohne Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt werden darf, was bedeutet, dass die Einnahmen die tatsächlichen Kosten der gemeinsamen Erfüllung der Pflichten der erweiterten Herstellerverantwortung nicht übersteigen und dass diese juristische Person die Gewinne nur für die Durchführung der Tätigkeiten und Maßnahmen der gemeinsamen Erfüllung der Pflichten der erweiterten Herstellerverantwortung verwenden darf?

3.

Falls Frage 2 verneint wird: Sind Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die Art. 49, 56 und 106 AEUV, die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sowie die Art. 8 und 8a der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien dahin auszulegen, dass sie einer Regelung entgegenstehen, nach der ein Mitgliedstaat die Tätigkeit der gemeinsamen Erfüllung der Pflichten der erweiterten Herstellerverantwortung für gleichartige Produkte von einer geregelten, von mehreren Wirtschaftssubjekten mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübten marktorientierten Tätigkeit in eine Tätigkeit umwandelt, die nur von einer einzigen Organisation ausgeübt werden darf, die diese Tätigkeit ohne Gewinnerzielungsabsicht im Sinne der Frage 2 ausüben muss?

4.

Sind die in Frage 3 genannten unionsrechtlichen Bestimmungen dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die aufgrund des Inkrafttretens einer neuen gesetzlichen Regelung für die gemeinsame Erfüllung der Pflichten der erweiterten Herstellerverantwortung kraft Gesetzes (ex lege) in die individuellen Verhältnisse in der Weise eingreift, dass alle Verträge ihre Gültigkeit verlieren, die geschlossen worden waren zwischen den Wirtschaftssubjekten, die die Tätigkeit der gemeinsamen Erfüllung der Pflichten der erweiterten Herstellerverantwortung nach der bisherigen Regelung ausübten, und den Herstellern, die der erweiterten Herstellerverantwortung unterliegen, sowie den Wirtschaftssubjekten, die die Tätigkeit der gemeinsamen Erfüllung der Pflichten der erweiterten Herstellerverantwortung nach der bisherigen Regelung ausübten, und den Wirtschaftssubjekten, die die Tätigkeit der Sammlung und Behandlung von Abfällen von Produkten ausüben, die der gemeinsamen Erfüllung der Pflichten der erweiterten Herstellerverantwortung unterliegen?

5.

Sind die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vor dem Hintergrund des Erlasses einer neuen gesetzlichen Regelung wie der in den Fragen 3 und 4 beschriebenen so auszulegen, dass der Gesetzgeber eine Übergangsfrist und/oder ein Entschädigungssystem festlegen muss? Wenn ja, welche Kriterien bestimmen die Angemessenheit der Übergangsfrist bzw. die Angemessenheit des Entschädigungssystems?

6.

Sind Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die Art. 49, 56 und 106 AEUV, die Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt sowie die Art. 8 und 8a der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien so auszulegen, dass sie einer Regelung entgegenstehen, wonach die Hersteller, die Pflichten der erweiterten Herstellerverantwortung haben und 51 % der gleichartigen Produkte, die den Pflichten der erweiterten Herstellerverantwortung unterliegen, in Verkehr bringen, verpflichtet sind, eine juristische Person zu gründen, die die Tätigkeit der gemeinsamen Erfüllung der Pflichten der erweiterten Herstellerverantwortung ausüben wird, und wonach die Hersteller der gleichartigen Produkte eine solche juristische Person im Fall der etwaigen Entziehung der Genehmigung neu gründen müssen bzw. sind die oben genannten Vorschriften des Unionsrechts dahin auszulegen, dass sie einer Regelung entgegenstehen, wonach nur die Hersteller eine Beteiligung an dieser juristischen Person halten dürfen?

7.

Sind Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die Art. 49, 56 und 106 AEUV, die Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt und die Art. 8 und 8a der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien dahin auszulegen, dass sie einer Regelung entgegenstehen, wonach die Hersteller, die eine Beteiligung an einer juristischen Person halten, welche die gemeinsame Erfüllung der Pflichten der erweiterten Herstellerverantwortung übernimmt, nicht die Person sein dürfen, die die Sammlung oder Behandlung von Abfällen von Produkten durchführt, die der gemeinsamen Erfüllung der Pflichten der erweiterten Herstellerverantwortung in dieser juristischen Person unterliegen?

8.

Sind Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die Art. 49, 56 und 106 AEUV, die Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt und die Art. 8 und 8a der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien dahin auszulegen, dass sie einer Regelung entgegenstehen, wonach ein Hersteller, der eine Beteiligung an einer juristischen Person hält, welche die gemeinsame Erfüllung der Pflichten der erweiterten Herstellerverantwortung übernimmt, und eine juristische Person, welche die Tätigkeit der gemeinsamen Erfüllung der Pflichten der erweiterten Herstellerverantwortung ausübt, Folgendes nicht dürfen:

direkt oder indirekt Kapitalverflechtungen mit der Person haben, die Abfälle aus Produkten sammelt oder behandelt, die der gemeinsamen Erfüllung der Verpflichtung der juristischen Person unterliegen, welche die gemeinsame Erfüllung der Pflichten der erweiterten Herstellerverantwortung übernimmt, und über keine Verwaltungs- oder Kontrollrechte in dieser Person verfügen;

Kapital- oder Verwandtschaftsverflechtungen mit einer Person aufweisen, die Stimmrechte in einem Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan besitzt oder kontrolliert oder die unter dem vorstehenden Gedankenstrich genannten Personen vertritt.

9.

Sind Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die Art. 49, 56 und 106 AEUV, die Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt und die Art. 8 und 8a der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien dahin auszulegen, dass sie einer Regelung entgegenstehen, wonach die in den Fragen 7 und 8 genannten Beschränkungen auch für ein Mitglied des geschäftsführenden Organs der juristischen Person, welche die Tätigkeit der gemeinsamen Erfüllung der Pflichten der erweiterten Herstellerverantwortung ausübt, für ein Mitglied ihres Aufsichtsorgans oder ihren Vertreter gelten?

10.

Sind Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und die Art. 49 und 56 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer Regelung entgegenstehen, wonach die Hersteller, die den Pflichten der erweiterten Herstellerverantwortung unterliegen und bestimmte Produkte für den Haushaltsgebrauch in Verkehr bringen, zwingend einen Vertrag schließen müssen, mit dem sie eine juristische Person, welche die Genehmigung zur Ausübung der Tätigkeit der gemeinsamen Erfüllung der Pflichten der erweiterten Herstellerverantwortung hat, ermächtigen, ihre Pflichten der erweiterten Herstellerverantwortung zu erfüllen?


(1)  ABl. 2008, L 312, S. 3.

(2)  ABl. 2006, L 376, S. 36.