URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

29. Juli 2024 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsame Agrarpolitik – Verordnung (EU) 2016/1012 – Reinrassige Zuchttiere – Verfahren zur Anerkennung von Zuchtverbänden – Verfahren zur Genehmigung von Zuchtprogrammen – Möglichkeit, die Genehmigung eines weiteren Zuchtprogramms bei derselben Rasse hinsichtlich derselben Region zu verweigern, wenn diese Genehmigung ein bereits bestehendes Zuchtprogramm gefährden würde – Recht der Züchter von reinrassigen Tieren, zwischen den verschiedenen bestehenden Zuchtprogrammen zu wählen“

In der Rechtssache C‑286/23

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Braşov (Berufungsgericht Brașov [Kronstadt], Rumänien) mit Entscheidung vom 10. April 2023, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Mai 2023, in dem Verfahren

Asociaţia Crescătorilor de Vaci „Bălţată Românească“ Tip Simmental

gegen

Genetica din Transilvania Cooperativă Agricolă,

Agenţia Naţională pentru Zootehnie „Prof. dr. G. K. Constantinescu“

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter P. G. Xuereb (Berichterstatter) und A. Kumin,

Generalanwalt: J. Richard de la Tour,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Asociaţia Crescătorilor de Vaci „Bălţată Românească“ Tip Simmental, vertreten durch N.‑G. Comşa-Fulga, Avocată,

der Genetica din Transilvania Cooperativă Agricolă, vertreten durch A.‑A. Arseni, D. Dobrev und L. Dobrinescu, Avocaţi,

der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Gane und L. Ghiţă als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Radu Bouyon, B. Rechena und F. Thiran als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 3 Buchst. b, der Art. 8, 10 und 13 sowie von Anhang I Teil 1 Abschnitt A Nr. 4 und von Anhang I Teil 1 Abschnitt B Nr. 2 Buchst. a der Verordnung (EU) 2016/1012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über die Tierzucht- und Abstammungsbestimmungen für die Zucht, den Handel und die Verbringung in die Union von reinrassigen Zuchttieren und Hybridzuchtschweinen sowie deren Zuchtmaterial und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 652/2014, der Richtlinien des Rates 89/608/EWG und 90/425/EWG sowie zur Aufhebung einiger Rechtsakte im Bereich der Tierzucht („Tierzuchtverordnung“) (ABl. 2016, L 171, S. 66) im Licht der Erwägungsgründe 21 und 24 dieser Verordnung.

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Asociaţia Crescătorilor de Vaci „Bălţată Românească“ Tip Simmental, einer Züchtervereinigung für „Bălțată Românească“-Rinder des Typs Simmental (im Folgenden: BR-Vereinigung) auf der einen Seite und der Agenția Națională pentru Zootehnie „Prof. dr. G. K. Constantinescu“ (Staatliche Agentur für Tierzucht „Prof. dr. G. K. Constantinescu“, Rumänien) (im Folgenden: Agentur für Tierzucht) sowie der Genetica din Transilvania Cooperativă Agricolă (Landwirtschaftliche Genossenschaft „Genetik von Transsilvanien“) (im Folgenden: GT) auf der anderen Seite über die Anerkennung von GT als Zuchtverband zur Durchführung eines Zuchtprogramms für die Rinderrasse „Bălțată Românească“.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

In den Erwägungsgründen 1, 20, 21, 24, 31, 32 und 34 der Verordnung 2016/1012 heißt es:

„(1)

Die Zucht von Tieren der Arten Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen und Equiden spielt in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht eine strategische Rolle in der Landwirtschaft der [Europäischen] Union und trägt zum Kulturerbe der Union bei. Diese landwirtschaftliche Tätigkeit, die zur Ernährungssicherheit der Union beiträgt, ist eine Einnahmequelle für die in der Landwirtschaft Tätigen. Die Zucht von Tieren dieser Arten lässt sich am besten dadurch fördern, indem die Verwendung von reinrassigen Zuchttieren und Hybridzuchtschweinen von nachweislich hoher genetischer Qualität unterstützt wird.

(20)

Zuchtprogramme für reinrassige Zuchttiere werden mit dem Gesamtziel ausgeführt, produktionsbezogene und nicht produktionsbezogene Merkmale von Tieren einer Rasse in nachhaltiger Weise zu verbessern bzw. eine Rasse zu erhalten. An diesen Zuchtprogrammen sollte eine ausreichend große Anzahl von reinrassigen Zuchttieren teilnehmen, die von Züchtern gehalten werden, die durch Zucht und Selektion wünschenswerte Merkmale dieser Tiere fördern und entwickeln bzw. die Erhaltung der Rasse gemäß den von den teilnehmenden Züchtern gemeinsam gutgeheißenen Zielen sicherstellen. … Reinrassige Zuchttiere sowie Hybridzuchttiere, die an einem Zuchtprogramm teilnehmen, werden mit Angaben zu ihrer Abstammung in ein Zuchtbuch eingetragen oder in ein Zuchtregister aufgenommen und werden im Hinblick auf die im Zuchtprogramm festgelegten Zuchtziele Leistungsprüfungen oder anderen Bewertungen unterzogen, die zur Erhebung von Daten zu den Merkmale[n] in Verbindung mit den Zielen des Zuchtprogramms führen. …

(21)

Das Recht auf Anerkennung als Zuchtverband oder Zuchtunternehmen, sofern die festgelegten Kriterien erfüllt werden, sollte ein grundlegendes Prinzip des Tierzuchtrechts der Union und des Binnenmarktes sein. Der Schutz der wirtschaftlichen Tätigkeit eines bestehenden anerkannten Zuchtverbands sollte nicht die Nichtanerkennung seitens der zuständigen Behörde eines weiteren Zuchtverbands für dieselbe Rasse oder eine Verletzung der Prinzipien des Binnenmarktes rechtfertigen. Das Gleiche gilt für die Genehmigung eines weiteren Zuchtprogramms oder der räumlichen Ausweitung eines bestehenden Zuchtprogramms, das betreffend dieselbe Rasse oder betreffend Zuchttiere derselben Rasse durchgeführt wird, die aus dem Zuchtbestand eines Zuchtverbands genommen werden können, der bereits ein Zuchtprogramm bei derselben Rasse durchführt. Wenn jedoch in einem Mitgliedstaat ein Zuchtverband oder mehrere Zuchtverbände bereits ein genehmigtes Zuchtprogramm bei einer bestimmten Rasse durchführt bzw. durchführen, sollte die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats in einigen bestimmten Fällen die Möglichkeit haben, die Genehmigung eines weiteren Zuchtprogramms bei derselben Rasse zu verweigern, auch wenn dieses Zuchtprogramm allen für die Anerkennung nötigen Anforderungen genügt. Ein Grund für eine Verweigerung der Genehmigung kann die Tatsache sein, dass die Genehmigung eines weiteren Zuchtprogramms bei derselben Rasse die Erhaltung dieser Rasse oder die genetische Vielfalt innerhalb dieser Rasse in diesem Mitgliedstaat gefährden würde. Die Erhaltung dieser Rasse kann insbesondere durch das Ergebnis einer Aufspaltung der Zuchtpopulation gefährdet werden, die möglicherweise zu einer Steigerung des Inzuchtgrades, dem häufigeren Auftreten von genetischen Defekten, einem Verlust an Selektionspotenzial oder einem verringerten Zugang zu reinrassigen Zuchttieren oder deren Zuchtmaterial für die Züchter führen würden. Außerdem kann eine Verweigerung der Genehmigung aufgrund von Unstimmigkeiten bei den definierten Eigenschaften der Rasse oder bei den Hauptzielen eines Zuchtprogramms erfolgen. In der Tat sollte die zuständige Behörde unabhängig von dem Ziel des Zuchtprogramms, nämlich der Erhaltung der Rasse oder ihrer Verbesserung, die Möglichkeit haben, die Genehmigung eines weiteren Zuchtprogramms bei derselben Rasse zu verweigern, wenn Unterschiede zwischen den Hauptzielen der zwei Zuchtprogramme oder zwischen den in diesen Zuchtprogrammen definierten Hauptmerkmalen der Rasse zu einem Effizienzverlust hinsichtlich des erwarteten Zuchtfortschritts für diese Ziele oder dieser Merkmale oder anderer, mit diesen einhergehenden Merkmalen, führen würden oder wenn ein Austausch von Tieren zwischen den beiden Zuchtpopulationen das Risiko der Ausselektion oder Auskreuzung in Bezug auf diese Hauptmerkmale in der ursprünglich vorhandenen Zuchtpopulation nach sich ziehen könnte. Schließlich sollte eine zuständige Behörde im Falle einer gefährdeten Rasse oder einer einheimischen Rasse, die in einer oder mehreren der Regionen der Union nicht weit verbreitet ist, ebenfalls die Möglichkeit haben, die Genehmigung eines weiteren Zuchtprogramms bei derselben Rasse zu verweigern, wenn dieses Zuchtprogramm die wirksame Durchführung des bestehenden Zuchtprogramms behindern würde, insbesondere aufgrund eines Mangels an Koordinierung oder an Austausch von Abstammungs- und Tierzuchtinformation, die zu einem Wegfall der Vorteile, die eine gemeinsame Bewertung der zu dieser Rasse erhobenen Daten nach sich ziehen könnte, führen würde. Wird die Genehmigung eines Zuchtprogramms verweigert, sollte die zuständige Behörde den Antragstellern stets eine begründete Erklärung übermitteln, und ihnen sollte das Recht gewährt werden, gegen diese Entscheidung Rechtsmittel einzulegen.

(24)

Züchtervereinigungen, Zuchtorganisationen, einschließlich Zuchtorganisationen bei denen es sich um private Unternehmen handelt, oder öffentliche Stellen sollten nur dann als Zuchtverbände anerkannt werden, wenn Züchter an ihren Zuchtprogrammen teilnehmen und wenn sie sicherstellen, dass diese Züchter die freie Auswahl bei der Selektion und der Zucht ihrer reinrassigen Zuchttiere haben, wenn sie das Recht auf Eintragung der Nachkommen dieser Tiere in ihre Zuchtbücher haben und wenn sie Eigentum an diesen Zuchttieren haben können.

(31)

Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Zuchtverbänden und zwischen Zuchtunternehmen, die eine derartige Zusammenarbeit eingehen möchten, sollte gefördert werden, wobei gleichzeitig die unternehmerische Freiheit gewährleistet werden muss und Hindernisse für die freie Verbringung von Zuchttieren und deren Zuchtmaterial beseitigt werden müssen.

(32)

Da eine zuständige Behörde möglicherweise mehrere von einem von ihr selbst anerkannten Zuchtverband oder Zuchtunternehmen durchgeführte Zuchtprogramme genehmigen muss und da eine zuständige Behörde möglicherweise die Ausdehnung von Zuchtprogrammen auf ihre Gebiete genehmigen muss, die ein in einem anderen Mitgliedstaat anerkannter Zuchtverband oder ein in einem anderen Mitgliedstaat anerkanntes Zuchtunternehmen durchführt, sollte die Anerkennung von Zuchtverbänden oder Zuchtunternehmen von der Genehmigung ihrer Zuchtprogramme getrennt werden. Wenn eine zuständige Behörde jedoch einen Antrag auf Anerkennung als Zuchtverband oder Zuchtunternehmen bewertet, sollte sie auch einen Antrag auf die Genehmigung von zumindest einem Zuchtprogramm erhalten.

(34)

Es ist erforderlich, das Verhältnis zwischen Züchtern und Zuchtverbänden klar zu regeln, um insbesondere das Recht auf Teilnahme an dem Zuchtprogramm in dem geografischen Gebiet sicherzustellen, für das es genehmigt ist, und, soweit die Mitgliedschaft von Züchtern vorgesehen ist, um das Recht auf Mitgliedschaft für diese Züchter sicherzustellen. Zuchtverbände sollten Regeln haben, um Streitigkeiten mit Züchtern, die an ihren Zuchtprogrammen teilnehmen, beizulegen und um eine Gleichbehandlung dieser Züchter sicherzustellen. Sie sollten zudem ihre eigenen Rechte und Pflichten sowie die Pflichten der an ihren Zuchtprogrammen teilnehmenden Züchter festlegen.“

4

Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) Abs. 1 Buchst. b der Verordnung lautet:

„Diese Verordnung enthält

b)

Bestimmungen für die Anerkennung von Zuchtverbänden und Zuchtunternehmen und für die Genehmigung ihrer Zuchtprogramme“.

5

Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Verordnung bestimmt in den Nrn. 5, 8, 9, 12 und 26:

„Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

5.

‚Zuchtverband‘ eine Züchtervereinigung, Zuchtorganisation oder öffentliche Einrichtung mit Ausnahme der zuständigen Behörden, die von der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats gemäß Artikel 4 Absatz 3 für die Durchführung eines Zuchtprogramms bei reinrassigen Zuchttieren, die in ein von ihr geführtes oder angelegtes Zuchtbuch eingetragen sind, anerkannt ist;

8.

‚zuständige Behörden‘ die Behörden eines Mitgliedstaats, die gemäß dieser Verordnung für folgende Aufgaben zuständig sind:

a)

Anerkennung von Zuchtverbänden und Zuchtunternehmen sowie Genehmigung der Zuchtprogramme, die sie bei Zuchttieren durchführen;

9.

‚reinrassiges Zuchttier‘ ein Tier, das in der Hauptabteilung eines Zuchtbuchs eingetragen ist oder aber vermerkt ist und für eine Eintragung dort infrage kommt;

12.

‚Zuchtbuch‘

a)

ein Herdbuch, ein Flockbuch, ein Stutbuch, eine Kartei oder ein Datenträger, das/die/der von einem Zuchtverband geführt wird und das/die/der aus einer Hauptabteilung sowie, falls der Zuchtverband dies beschließt, aus einer oder mehreren zusätzlichen Abteilungen für Tiere derselben Art, die nicht für eine Eintragung in die Hauptabteilung infrage kommen, besteht;

26.

‚Zuchtprogramm‘ systematisch durchgeführte Tätigkeiten wie die Erfassung, Selektion, Anpaarung und das Austauschen von Zuchttieren und deren Zuchtmaterial, die konzipiert und durchgeführt werden, um das Auftreten erwünschter phänotypischer und/oder genotypischer Eigenschaften in der angestrebten Zuchtpopulation zu bewahren oder zu fördern.“

6

Kapitel II („Anerkennung von Zuchtverbänden und Zuchtunternehmen in Mitgliedstaaten und Genehmigung von Zuchtprogrammen“) der Verordnung enthält die Art. 4 bis 12.

7

Art. 4 („Anerkennung von Zuchtverbänden und Zuchtunternehmen“) der Verordnung 2016/1012 sieht vor:

„(1)   Im Hinblick auf reinrassige Zuchttiere können Züchtervereinigungen, Zuchtorganisationen oder öffentliche Stellen bei den zuständigen Behörden Anträge auf Anerkennung als Zuchtverband stellen.

(3)   Die zuständigen Behörden bewerten die nach Absatz 1 gestellten Anträge. Sie erkennen jeden Antragsteller gemäß Absatz 1 Unterabsatz 1 als Zuchtverband und jeden Antragsteller gemäß Absatz 1 Unterabsatz 2 als Zuchtunternehmen an, wenn die folgenden Anforderungen erfüllt sind:

a)

[E]r hat seinen Hauptsitz im Gebiet des Mitgliedstaats, in dem sich die zuständige Behörde befindet;

b)

im Antrag wird nachgewiesen, dass die Anforderungen an seine Zuchtprogramme, für die er die Genehmigung gemäß Artikel 8 Absatz 3 … beantragen will, gemäß Anhang I Teil 1 erfüllt sind;

c)

sein Antrag enthält für jedes dieser geplanten Zuchtprogramme einen Entwurf des Zuchtprogramms, der die Informationen gemäß Anhang I Teil 2 … beinhaltet;

d)

bei Einreichung des in Absatz 1 genannten Antrags stellt er zudem gemäß Artikel 8 Absatz 2 einen Antrag auf Genehmigung von zumindest einem geplanten Zuchtprogramm.“

8

In Art. 8 („Genehmigung der Zuchtprogramme von Zuchtverbänden und Zuchtunternehmen“) der Verordnung heißt es:

„(1)   Anträge auf die Genehmigung von Zuchtprogrammen werden von Zuchtverbänden oder Zuchtunternehmen bei der zuständigen Behörde, die den Zuchtverband oder das Zuchtunternehmen gemäß Artikel 4 Absatz 3 anerkannt hat, eingereicht.

(3)   Die zuständige Behörde gemäß Absatz 1 bewertet diese Zuchtprogramme und genehmigt sie, sofern

a)

sie einem oder mehreren der folgenden Ziele dienen:

i)

bei reinrassigen Zuchttieren:

die Verbesserung der Rasse,

die Erhaltung der Rasse,

b)

sie die Selektions- und Zuchtziele detailliert beschreiben;

c)

sie den Anforderungen gemäß Anhang I Teil 2 … entsprechen.

(5)   Nehmen während eines Zeitraums von mindestens 24 Monaten keine Züchter, die ihre Betriebe, in denen sie ihre Zuchttiere halten, in einem bestimmten Bereich des geografischen Gebiets haben, an einem gemäß Absatz 3 genehmigten Zuchtprogramm teil, kann die gemäß Absatz 1 zuständige Behörde diesen Zuchtverband oder dieses Zuchtunternehmen auffordern, das geografische Gebiet ihres Zuchtprogramms so anzupassen, dass es diesen Bereich nicht mehr beinhaltet.“

9

Art. 10 („Ausnahmen von Artikel 8 Absatz 3 betreffend die Genehmigung von Zuchtprogrammen“) der Verordnung bestimmt:

„(1)   Abweichend von Artikel 8 Absatz 3 kann die zuständige Behörde, die einen Zuchtverband gemäß Artikel 4 Absatz 3 anerkannt hat, einem Zuchtprogramm dieses Zuchtverbands, welches den Anforderungen gemäß Anhang I Teil 2 … entspricht, die Genehmigung verweigern, wenn dieses Zuchtprogramm ein von einem anderen Zuchtverband durchgeführtes Zuchtprogramm bei derselben Rasse, das bereits in diesem Mitgliedstaat genehmigt ist, gefährden würde, und zwar im Hinblick auf:

a)

die Hauptmerkmale der Rasse oder die Hauptziele des Zuchtprogramms;

b)

den Erhalt der Rasse oder den Erhalt der genetischen Vielfalt innerhalb dieser Rasse; oder

c)

die wirksame Umsetzung des Zuchtprogramms, falls dieses den Erhalt der Rasse zum Ziel hat:

i)

im Falle einer gefährdeten Rasse; oder

ii)

im Falle einer einheimischen Rasse, die in einer oder mehreren Regionen der Union nicht weit verbreitet ist.

(2)   Für die Zwecke von Absatz 1 berücksichtigt die zuständige Behörde folgende Kriterien in angemessener Weise:

a)

die Anzahl der für die Rasse in dem betroffenen Mitgliedstaat bereits genehmigten Zuchtprogramme;

b)

die Größe der Zuchtpopulation, die von diesen Zuchtprogrammen betroffen ist;

c)

den möglichen genetischen Beitrag von Zuchtprogrammen, die von anderen Zuchtverbänden in anderen Mitgliedstaaten oder von Zuchtstellen in Drittländern bei derselben Rasse durchgeführt werden.“

10

Art. 13 („Rechte von Züchtern, die an gemäß Artikel 8 Absatz 3 … genehmigten Zuchtprogrammen teilnehmen“) der Verordnung sieht vor:

„(1)   Die Züchter sind berechtigt, an einem gemäß Artikel 8 Absatz 3 … genehmigten Zuchtprogramm teilzunehmen, sofern

a)

ihre Zuchttiere in Betrieben gehalten werden, die sich innerhalb des geografischen Gebiets dieses Zuchtprogramms befinden;

b)

ihre Zuchttiere – bei reinrassigen Zuchttieren – zur Rasse …, auf die sich dieses Zuchtprogramm erstreckt, gehören.

(2)   Züchter, die an einem gemäß Artikel 8 Absatz 3 … genehmigten Zuchtprogramm teilnehmen, haben ein Anrecht darauf, dass

a)

ihre reinrassigen Zuchttiere in der Hauptabteilung des von dem Zuchtverband gemäß den Artikeln 18 und 20 angelegten Zuchtbuchs für die Rasse eingetragen werden;

(3)   Sofern die Bestimmungen eines Zuchtverbands oder eines Zuchtunternehmens eine Mitgliedschaft vorsehen, haben die in Absatz 1 genannten Züchter zusätzlich zu den in den Absätzen 1 und 2 genannten Rechten auch das Recht,

a)

als Mitglied in dem Zuchtverband oder Zuchtunternehmen aufgenommen zu werden;

b)

gemäß der in Anhang I Teil 1 Abschnitt B Nummer 1 Buchstabe b genannten Satzung an der Festlegung und der Weiterentwicklung des Zuchtprogramms teilzunehmen.“

11

In Art. 18 Abs. 2 der Verordnung 2016/1012 heißt es:

„Zuchtverbände dürfen die Eintragung eines reinrassigen Zuchttiers in der Hauptabteilung ihrer Zuchtbücher nicht mit der Begründung ablehnen, dass es bereits in der Hauptabteilung eines Zuchtbuchs derselben Rasse … eingetragen ist …“

12

Anhang I („Anerkennung von Zuchtverbänden und Zuchtunternehmen und Genehmigung von Zuchtprogrammen gemäß Kapitel II“) der Verordnung enthält drei Teile.

13

Teil 1 („Anforderungen für die Anerkennung von Zuchtverbänden und Zuchtunternehmen gemäß Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b“) dieses Anhangs sieht vor:

„A.

Züchtervereinigungen, Zuchtorganisationen, in geschlossenen Produktionssystemen tätige private Unternehmen und öffentliche Stellen müssen

4.

bei jedem Zuchtprogramm in dem geografischen Gebiet, in dem die Zuchtprogramme durchgeführt werden, über einen ausreichend großen Zuchttierbestand verfügen;

B.

Über die Anforderungen des Abschnitts A hinaus müssen

1.

Züchtervereinigungen, Zuchtorganisationen, und öffentliche Stellen

a)

über genügend Züchter verfügen, die an den einzelnen Zuchtprogrammen teilnehmen;

b)

eine Satzung angenommen haben,

i)

die die Beilegung von Streitigkeiten mit Züchtern, die an ihren Zuchtprogrammen teilnehmen, regelt;

ii)

die die Gleichbehandlung der Züchter, die an dem Zuchtprogramm teilnehmen, sicherstellt;

iii)

in der die Rechte und Pflichten der Züchter, die an ihren Zuchtprogrammen teilnehmen, und des Zuchtverbands oder des Zuchtunternehmens festgelegt sind;

iv)

in der die Rechte und Pflichten der Züchter, die Mitglieder sind, festgelegt sind, soweit die Mitgliedschaft von Züchtern vorgesehen ist.

2.

Die gemäß Nummer 1 Buchstabe b angenommene Satzung darf am Zuchtprogramm teilnehmende Züchter nicht daran hindern

a)

in Bezug auf die Selektion und Anpaarung ihrer Zuchttiere frei zu entscheiden;

…“

14

In Teil 2 („Anforderungen für die Genehmigung von Zuchtprogrammen, die von Zuchtverbänden und Zuchtunternehmen nach Artikel 8 Absatz 3 … durchgeführt werden“) des Anhangs I heißt es:

„1.   Das Zuchtprogramm nach Artikel 8 Absatz 3 … muss Folgendes umfassen:

a)

Angaben zum Ziel des Programms, der in der Erhaltung der Rasse, der Verbesserung der Rasse, der Linie oder der Kreuzung, der Schaffung einer neuen Rasse, Linie oder Kreuzung, oder der Wiederherstellung einer Rasse oder einer Kombination daraus bestehen muss;

2.   Das Zuchtprogramm muss sich auf einen ausreichend großen Zuchttierbestand und auf genügend Züchter in dem geografischen Gebiet, in dem es durchgeführt wird oder werden soll, erstrecken.“

Rumänisches Recht

15

Art. 7 der Legea zootehniei nr. 32/2019 (Tierzuchtgesetz Nr. 32/2019) vom 16. Januar 2019 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 53 vom 21. Januar 2019) in der für den Ausgangssachverhalt maßgeblichen Fassung sieht vor:

„Die Zuchtverbände/Zuchtunternehmen und die Zuchtvereinigungen/Zuchtorganisationen werden vom Ministerium für Landwirtschaft und Entwicklung des ländlichen Raums über die zuständige staatliche Tierzuchtbehörde als Partner bei der Ausarbeitung der Politiken, Strategien, Zuchtprogramme und Produktpolitiken anerkannt.“

16

In Art. 21 dieses Gesetzes heißt es:

„Organisation und Durchführung der Tätigkeit der Zucht und Reproduktion der Tiere erfolgen im Einklang mit dem Unionsrecht und dem nationalen Recht.“

17

Art. 24 des Gesetzes bestimmt:

„(1)   Die Anerkennung von Zuchtverbänden und Zuchtunternehmen sowie die Genehmigung von Zuchtprogrammen erfolgen durch die zuständige staatliche Tierzuchtbehörde im Einklang mit den Rechtsvorschriften der Union.

(2)   Die zuständige staatliche Tierzuchtbehörde bewertet und genehmigt die von einem Zuchtverband/Zuchtunternehmen eingereichten Zuchtprogramme nur, sofern

a)

sie einem oder mehreren der folgenden Ziele dienen:

1.

der Verbesserung der Rasse, Linie oder Kreuzung;

2.

der Erhaltung der Rasse/Linie;

(3)   Die zuständige staatliche Tierzuchtbehörde, die einen Zuchtverband anerkannt hat, kann einem Zuchtprogramm die Genehmigung verweigern, wenn dieses Zuchtprogramm ein von einem anderen Zuchtverband durchgeführtes Zuchtprogramm bei derselben Rasse, das bereits genehmigt ist, gefährden würde, und zwar im Hinblick auf:

a)

die Hauptmerkmale der Rasse oder die Hauptziele des Zuchtprogramms;

b)

den Erhalt der Rasse oder den Erhalt der genetischen Vielfalt innerhalb dieser Rasse;

c)

im Fall einer gefährdeten Rasse oder im Fall einer einheimischen Rasse, die nicht weit verbreitet ist.

(4)   Für die Zwecke von Abs. 3 berücksichtigt die zuständige staatliche Tierzuchtbehörde folgende Kriterien in angemessener Weise:

a)

die Anzahl der für die betreffende Rasse bereits genehmigten Zuchtprogramme;

b)

die Größe der Zuchtpopulation, die von diesen Zuchtprogrammen betroffen ist.“

18

Die Hotărârea Guvernului nr. 1188/2014 privind organizarea și funcționarea Agenției Naționale pentru Zootehnie „Prof. dr. G. K. Constantinescu“ (Regierungsbeschluss Nr. 1188/2014 über die Organisation und die Arbeitsweise der Staatlichen Agentur für Tierzucht „Prof. dr. G. K. Constantinescu) vom 29. Dezember 2014 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 21 vom 12. Januar 2015) in der für den Ausgangssachverhalt maßgeblichen Fassung sah in Art. 1 Abs. 1 vor:

„Die gemäß Art. 8 der [Legea nr. 139/2014 privind unele măsuri pentru reorganizarea Ministerului Agriculturii și Dezvoltării Rurale, precum și a unor structuri aflate în subordinea acestuia (Gesetz Nr. 139/2014 über bestimmte Maßnahmen zur Umstrukturierung des Ministeriums für Landwirtschaft und Entwicklung des ländlichen Raums sowie bestimmter ihm untergeordneter Strukturen) vom 15. Oktober 2014 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 758 vom 20. Oktober 2014)] in der später geänderten Fassung geschaffene [Agentur für Tierzucht] ist eine spezialisierte Stelle der öffentlichen Zentralverwaltung mit Rechtspersönlichkeit, wird vollständig aus dem Staatshaushalt finanziert und untersteht dem Ministerium für Landwirtschaft und Entwicklung des ländlichen Raums.“

19

Art. 5 dieses Regierungsbeschlusses bestimmte in den Buchst. a und i:

„Die [Agentur für Tierzucht] ist entsprechend ihrem Tätigkeitsbereich und unter den gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen zuständig für

a)

die Anerkennung der Zuchtverbände und der Zuchtunternehmen für die Durchführung eines Zuchtprogramms bei reinrassigen Zuchttieren, die in ein Zuchtbuch oder Zuchtbücher eingetragen sind, oder eines Zuchtprogramms mit Hybridzuchtschweinen, die in einem von ihr geführten oder angelegten Zuchtregister eingetragen sind;

i)

die Genehmigung der Zuchtprogramme bei Zuchttieren, die von anerkannten Zuchtverbänden und Zuchtunternehmen durchgeführt werden“.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

20

Mit Entscheidung vom 24. November 2020 wurde GT von der Agentur für Tierzucht gemäß Art. 4 Abs. 3 der Verordnung 2016/1012 für die Durchführung eines Zuchtprogramms bei den reinrassigen Zuchtrindern „Bălțată Românească“ (im Folgenden: Zuchtprogramm von GT) als Zuchtverband anerkannt. Mit Entscheidung vom 2. Dezember 2020 (zusammen mit der Entscheidung vom 24. November 2020 im Folgenden: in Rede stehende Entscheidungen) genehmigte die Agentur dieses Programm.

21

In ihrer Eigenschaft als von der Agentur für Tierzucht anerkannter Zuchtverband erhob die BR-Vereinigung, deren im Jahr 2011 genehmigtes Zuchtprogramm für dieselbe Rinderrasse „Bălțată Românească“ noch lief, Klage gegen die in Rede stehenden Entscheidungen bei der Curtea de Apel Braşov (Berufungsgericht Braşov, Rumänien), dem vorlegenden Gericht.

22

Zur Begründung ihrer Klage machte die Vereinigung im Wesentlichen geltend, dass das Zuchtprogramm von GT, das sich auf dieselbe Rasse von Zuchttieren im selben geografischen Gebiet, nämlich dem Hoheitsgebiet Rumäniens, beziehe, und demselben Ziel wie ihr eigenes Zuchtprogramm – der Verbesserung der betreffenden Rasse – diene, ihr Programm gefährden würde, da seine Genehmigung zum Ausscheiden einer großen Zahl von Züchtern aus dem Zuchtprogramm dieser Vereinigung geführt und einen schweren finanziellen Schaden verursacht habe.

23

Das vorlegende Gericht weist zunächst darauf hin, dass im vorliegenden Fall nach der Schlussfolgerung eines vom internen Dienst der Agentur für Tierzucht erstellten Sachverständigengutachtens „das Zuchtprogramm [von GT] das Zuchtprogramm [der BR‑Vereinigung] wegen der Aufspaltung der Zuchtpopulation gefährden würde, die umso mehr zum Auftreten von Inzucht führe, je kleiner sie sei, was eine Verringerung des Zuchtfortschritts zur Folge habe, die beiden Programme nicht identisch seien und zum großen Teil in demselben geografischen Gebiet Rumäniens durchgeführt würden und es Überlappungen gebe, aber das Bestehen eines einzigen Zuchtprogramms für dieselbe Rasse effizienter sei als die Koexistenz mehrere Programme dieser Art“.

24

Es führt außerdem aus, dass die BR-Vereinigung vor der Abteilung für Verwaltungs- und Abgabensachen dieses Gerichts einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der in Rede stehenden Entscheidungen gestellt habe und dass dieser Antrag mit Entscheidung vom 4. Juni 2021 zurückgewiesen worden sei. Dies sei damit begründet worden, dass entgegen dem Vorbringen dieser Vereinigung zum einen die Verfahren für die Anerkennung eines Zuchtverbands und für die Genehmigung seines Zuchtprogramms bzw. seiner Zuchtprogramme nicht gleichzeitig abliefen – denn letzteres Verfahren müsse gemäß Art. 8 Abs. 1 der Verordnung 2016/1012 nach dem ersteren erfolgen. Zum anderen habe das Zuchtprogramm von GT die in Anhang I Teil 1 Abschnitt A Nr. 4 der Verordnung vorgesehene Anforderung – das Bestehen einer ausreichend großen Zahl von Zuchttieren in dem geografischen Gebiet, in dem dieses Programm durchgeführt werde – hinreichend erfüllt, was im vorliegenden Fall durch den Umstand belegt werde, dass GT der Agentur für Tierzucht eine Liste mit Tieren übermittelt habe, deren jeweilige Züchter die Teilnahme an ihrem Zuchtprogramm beantragt hätten. Aus der Vorlageentscheidung geht ferner hervor, dass das von der Vereinigung gegen diese Entscheidung bei der Înalta Curte de Casație şi Justiție (Oberster Kassations- und Gerichtshof, Rumänien) eingelegte Rechtsmittel von dieser mit Urteil vom 5. April 2022 zurückgewiesen wurde.

25

Das vorlegende Gericht weist jedoch darauf hin, dass die Abteilung für Verwaltungs- und Abgabensachen des Gerichts in einer ähnlichen Rechtssache wie der des Ausgangsverfahrens einen entgegengesetzten Ansatz verfolgt habe, indem sie den Anträgen stattgegeben habe, mit denen dieselbe Vereinigung zuvor die Anerkennung einer anderen Vereinigung von Rinderzüchtern als Zuchtverband sowie die Genehmigung des Zuchtprogramms dieser anderen Vereinigung angefochten habe. In dieser Rechtssache sei derzeit ein Rechtsmittel bei der Înalta Curte de Casație şi Justiție (Oberster Kassations- und Gerichtshof) anhängig.

26

In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen fragt sich das vorlegende Gericht zum einen, welche Bedingungen für die Anerkennung von Zuchtverbänden gelten. Es fragt sich insbesondere, ob Art. 4 Abs. 3 Buchst. b im Licht des 21. Erwägungsgrundes und von Anhang I Teil 1 Abschnitt A Nr. 4 der Verordnung 2016/1012 dahin auszulegen ist, dass eine Organisation als Zuchtverband anerkannt werden kann, wenn sie zum Zeitpunkt des Anerkennungsantrags nur das Vorhaben verfolgt – mittels Unterzeichnung entsprechender Anträge oder Verpflichtungen –, Züchter an ihrem Zuchtprogramm teilnehmen zu lassen, die bereits an einem anderen genehmigten, von einem anderen Zuchtverband durchgeführten Zuchtprogramm teilnehmen, oder ob er dahin auszulegen ist, dass die Anerkennung nur erreicht werden kann, wenn diese Züchter zum Zeitpunkt des Antrags auf Anerkennung tatsächlich zum „Portfolio“ der Organisation gehören, die die Anerkennung beantragt.

27

Zum anderen wirft das vorlegende Gericht die Frage auf, welche Bedingungen für die Genehmigung von Zuchtprogrammen gelten. Insoweit fragt es sich unter Berufung auf Art. 13 im Licht des 24. Erwägungsgrundes und Anhang I Teil 1 Abschnitt B Nr. 2 Buchst. a der Verordnung 2016/1012 als Erstes, ob es den Züchtern reinrassiger Tiere freisteht, ein bereits genehmigtes Zuchtprogramm zu verlassen, um an einem anderen, im Anerkennungsverfahren befindlichen Zuchtprogramm teilzunehmen. Sollte diese Freiheit bestehen, wäre dem Gericht nach zu bestimmen, inwieweit sie gegebenenfalls durch das in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung 2016/1012 – im Licht des 21. Erwägungsgrundes der Verordnung – vorgesehene Erfordernis eingeschränkt werden könnte, ein bereits laufendes Zuchtprogramm nicht zu gefährden.

28

Als Zweites fragt sich das vorlegende Gericht, wie der in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung verwendete Ausdruck „kann … verweigern“ auszulegen ist. Es wirft insbesondere die Frage auf, ob dieser Ausdruck darauf hindeutet, dass die zuständige staatliche Behörde bei der Genehmigung von Zuchtprogrammen über ein gewisses Ermessen verfügt, oder ob die Behörde verpflichtet ist, die Genehmigung eines neuen Zuchtprogramms zu verweigern, wenn dieses ein bereits bestehendes Zuchtprogramm gefährden würde.

29

Als Drittes und Letztes fragt sich das vorlegende Gericht, ob mehrere Zuchtprogramme für dieselbe Rasse von Zuchttieren, für dasselbe geografische Gebiet und mit ähnlichen Zielen – der Verbesserung der betreffenden Rasse – nebeneinander bestehen können.

30

Unter diesen Umständen hat die Curtea de Apel Brașov (Berufungsgericht Brașov) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist Art. 4 Abs. 3 Buchst. b in Verbindung mit Anhang I Teil 1 Abschnitt A Nr. 4 und dem 24. Erwägungsgrund der Verordnung 2016/1012 dahin auszulegen, dass ein Zuchtverband auch dann anerkannt werden kann, wenn er nur das Vorhaben verfolgt – mittels Unterzeichnung entsprechender Anträge oder Verpflichtungen –, Züchter anzuwerben, die bereits in das genehmigte Zuchtprogramm eines anderen Verbands eingeschrieben sind, oder ist es erforderlich, dass diese Züchter zum Zeitpunkt der Einreichung des Anerkennungsantrags tatsächlich zum Portfolio des Verbands gehören, der die Anerkennung beantragt?

2.

Sind Art. 13 und Anhang I Teil 1 Abschnitt B Nr. 2 Buchst. a in Verbindung mit dem 24. Erwägungsgrund der Verordnung 2016/1012 dahin auszulegen, dass den Züchtern die Freiheit zuerkannt wird, zwischen Zuchtprogrammen zur Verbesserung der Rasse, in die sie ihre reinrassigen Zuchttiere eintragen, zu wählen, und, falls dies zu bejahen ist, kann diese Freiheit durch das Erfordernis eingeschränkt werden, ein Zuchtprogramm, an dem diese Züchter bereits teilnehmen, nicht durch einen Wechsel oder die Zusage eines Wechsels dieser Züchter zu einem anderen noch zu genehmigenden Zuchtprogramm zu beeinträchtigen oder zu gefährden?

3.

Ist Art. 10 Abs. 1 in Verbindung mit dem 21. Erwägungsgrund der Verordnung 2016/1012 dahin auszulegen, dass die zuständige Behörde, die den Zuchtverband anerkannt hat, bei Vorliegen eines der in Art. 10 Abs. 1 Buchst. a bis c genannten Fälle verpflichtet ist, die Genehmigung des Zuchtprogramms zu verweigern, das ein anderes Programm im Hinblick auf die in diesem Artikel genannten Aspekte gefährden würde, oder impliziert die Verwendung des Ausdrucks „kann … verweigern“, dass die Behörde in dieser Hinsicht über ein Ermessen verfügt?

4.

Sind die Art. 8 und 10 in Verbindung mit dem 21. Erwägungsgrund der Verordnung 2016/1012 dahin auszulegen, dass, wenn in einem Mitgliedstaat bereits ein Zuchtprogramm mit dem Hauptziel der Verbesserung der Rasse durchgeführt wird, ein neues Zuchtprogramm für dieselbe Rasse in demselben Staat (für dasselbe geografische Gebiet) genehmigt werden kann, dessen Hauptziel ebenfalls die Verbesserung der Rasse ist und in dessen Rahmen Zuchttiere aus dem Zuchtprogramm genommen werden können, das bereits durchgeführt wird?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

31

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 4 Abs. 3 Buchst. b in Verbindung mit Anhang I Teil 1 der Verordnung 2016/1012 im Licht des 24. Erwägungsgrundes der Verordnung dahin auszulegen ist, dass er der Anerkennung eines Antragstellers – der sich für den Nachweis, dass er über einen ausreichend großen Zuchttierbestand und genügend Züchter verfügt, auf Teilnahmeverpflichtungen beruft, die von Züchtern unterzeichnet wurden, die bereits in ein Zuchtprogramm bei einem anderen anerkannten Zuchtverband eingeschrieben sind – als Zuchtverband entgegensteht.

Zur Zulässigkeit

32

Die rumänische Regierung macht in erster Linie geltend, die erste Frage sei im Wesentlichen deswegen unzulässig, weil eine Beantwortung dieser Frage für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht erforderlich sei. Das vorlegende Gericht habe nur Prüfungen tatsächlicher Art vorzunehmen und verfüge außerdem über die relevanten Informationen, um zu beurteilen, ob die in der Verordnung 2016/1012 festgelegten Anforderungen bezüglich der für die Anerkennung eines Zuchtverbands erforderlichen Zahl der Züchter und Tiere eingehalten würden. Im Übrigen sei diese Frage im Verhältnis zur dritten und zur vierten Vorlagefrage redundant.

33

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen ihm und den nationalen Gerichten allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, ist, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn sie die Auslegung oder die Gültigkeit einer unionsrechtlichen Regelung betreffen (Urteil vom 18. April 2024, Girelli Alcool, C‑509/22, EU:C:2024:341, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34

Folglich spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht. Der Gerichtshof kann es nur dann ablehnen, über eine Vorlagefrage eines nationalen Gerichts zu befinden, wenn die erbetene Auslegung oder Beurteilung der Gültigkeit einer unionsrechtlichen Regelung offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 18. April 2024, Girelli Alcool, C‑509/22, EU:C:2024:341, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35

Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die erste Frage die Auslegung der Verordnung 2016/1012 betrifft und auf eine Klärung der für die Anerkennung eines Zuchtverbands erforderlichen Beweisanforderungen abzielt.

36

Insoweit scheint die erbetene Auslegung des Unionsrechts mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits, der die Anerkennung von GT als Zuchtverband nach dieser Verordnung betrifft, im Zusammenhang zu stehen. Die vorgelegte Frage zielt gerade darauf ab, die in dieser Verordnung genannten Anforderungen zu klären. Außerdem geht aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten in keiner Weise hervor, dass das Problem hypothetischer Natur wäre. Im Übrigen enthält das Vorabentscheidungsersuchen die tatsächlichen und rechtlichen Angaben, die erforderlich sind, um dem Gerichtshof die Beantwortung der vorgelegten Frage zu ermöglichen. Schließlich ist der Umstand, dass diese Frage im Verhältnis zu anderen im selben Vorabentscheidungsersuchen gestellten Fragen redundant ist, für ihre Zulässigkeit unerheblich. Unter diesen Umständen kann die in Rn. 34 des vorliegenden Urteils erwähnte Vermutung der Entscheidungserheblichkeit nicht in Frage gestellt werden.

37

Folglich ist die erste Frage zulässig.

Zur Beantwortung der Vorlagefrage

38

Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer Bestimmung des Unionsrechts nicht nur deren Wortlaut, sondern auch der Zusammenhang, in den sie sich einfügt, und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden. Die Entstehungsgeschichte einer Bestimmung des Unionsrechts kann ebenfalls relevante Anhaltspunkte für ihre Auslegung liefern (Urteil vom 11. Januar 2024, Inditex, C‑361/22, EU:C:2024:17, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39

Nach Art. 4 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung 2016/1012 erkennen die zuständigen Behörden jeden Antragsteller als Zuchtverband an, wenn die in den Buchst. a bis d dieser Bestimmung vorgesehenen Anforderungen erfüllt sind.

40

Gemäß Art. 4 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung muss im Anerkennungsantrag nachgewiesen werden, dass die in Anhang I Teil 1 der Verordnung vorgesehenen Anforderungen an die Zuchtprogramme des Antragstellers, für die er die Genehmigung beantragen will, erfüllt sind.

41

Nach Anhang I Teil 1 Abschnitt A Nr. 4 der Verordnung muss der Antragsteller bei jedem Zuchtprogramm in dem geografischen Gebiet, in dem die Zuchtprogramme durchgeführt werden, über einen ausreichend großen Zuchttierbestand verfügen. Außerdem muss der Antragsteller nach Anhang I Teil 1 Abschnitt B Nr. 1 Buchst. a der Verordnung 2016/1012 über genügend Züchter verfügen, die an den einzelnen Zuchtprogrammen teilnehmen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, zu prüfen, ob diese Anforderungen in jedem Einzelfall erfüllt sind.

42

Der Wortlaut von Art. 4 Abs. 3 der Verordnung 2016/1012 lässt es daher zu, dass der Nachweis eines ausreichend großen Zuchttierbestands und des Vorhandenseins von genügend Züchtern auf Teilnahmeverpflichtungen beruht, die von Züchtern unterzeichnet wurden, die bereits in ein Zuchtprogramm bei einem anderen anerkannten Zuchtverband eingeschrieben und daher formal keine Mitglieder des antragstellenden Verbands sind.

43

Zum Zusammenhang, in den sich diese Bestimmung einfügt, ist festzustellen, dass nach dem 24. Erwägungsgrund der Verordnung 2016/1012 Antragsteller nur dann als Zuchtverbände anerkannt werden sollten, „wenn Züchter an ihren Zuchtprogrammen teilnehmen“. Aus Art. 8 Abs. 5 der Verordnung geht jedoch hervor, dass ein von der zuständigen nationalen Behörde genehmigtes Zuchtprogramm während eines Zeitraums von mindestens 24 Monaten ohne Teilnahme eines Tieres durchgeführt werden kann.

44

Außerdem ergibt sich aus dem 34. Erwägungsgrund, aus Art. 13 Abs. 3 und aus Anhang I Teil 1 Abschnitt B Nr. 1 Buchst. b Ziff. iv der Verordnung, dass die Teilnahme von Züchtern nicht notwendigerweise ihre Mitgliedschaft in einem Zuchtverband erfordert, so dass die formale Zugehörigkeit zu einem solchen Verband für die Beurteilung, ob dieser die in der Verordnung vorgesehenen Anforderungen erfüllt, nicht ausschlaggebend sein kann.

45

Schließlich ergibt sich aus dem 32. Erwägungsgrund der Verordnung 2016/1012, dass die Anerkennung eines Zuchtverbands von der Genehmigung seines Zuchtprogramms oder seiner Zuchtprogramme getrennt werden sollte.

46

Zu den mit der Verordnung 2016/1012 verfolgten Zielen ist festzustellen, dass die Verordnung im Licht ihres ersten Erwägungsgrundes darauf abzielt, die Zucht u. a. von Rindern zu fördern, indem zu diesem Zweck die Verwendung von reinrassigen Zuchttieren unterstützt wird. Außerdem sollte nach den Sätzen 1 und 2 des 21. Erwägungsgrundes der Verordnung das Recht auf Anerkennung als Zuchtverband oder Zuchtunternehmen, sofern die festgelegten Kriterien erfüllt werden, ein grundlegendes Prinzip des Tierzuchtrechts der Union und des Binnenmarkts sein. Der Schutz der wirtschaftlichen Tätigkeit eines bestehenden anerkannten Zuchtverbands sollte nicht die Nichtanerkennung seitens der zuständigen Behörde eines weiteren Zuchtverbands für dieselbe Rasse oder eine Verletzung der Prinzipien des Binnenmarkts rechtfertigen. Aus dem 31. Erwägungsgrund der Verordnung geht auch hervor, dass sie darauf abzielt, die unternehmerische Freiheit zu gewährleisten und Hindernisse für die freie Verbringung von Zuchttieren und deren Zuchtmaterial zu beseitigen.

47

Die Verfolgung der Ziele, die Zucht zu fördern und den innergemeinschaftlichen Handel mit Rindern zu entwickeln, setzt somit voraus, dass in den einzelnen Mitgliedstaaten eine ausreichende Zahl von Zuchtverbänden besteht. Insofern zeigt die Verordnung 2016/1012 eine wohlwollende Haltung gegenüber der Anerkennung neuer Zuchtverbände (vgl. entsprechend Urteil vom 11. November 2004, Zuchtverband für Ponys, C‑216/02, EU:C:2004:703, Rn. 32 und 33).

48

Könnte ein Antrag auf Anerkennung allein aus dem Grund abgelehnt werden, dass er auf Teilnahmeverpflichtungen beruht, die von Züchtern unterzeichnet wurden, die bereits in ein Zuchtprogramm für dieselbe Rasse bei einem anderen, bereits anerkannten Zuchtverband eingeschrieben sind, könnte somit die Verwirklichung der in den Erwägungsgründen 1, 21 und 31 der Verordnung 2016/1012 genannten Ziele gefährdet werden.

49

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 4 Abs. 3 Buchst. b in Verbindung mit Anhang I Teil 1 der Verordnung 2016/1012 im Licht des 24. Erwägungsgrundes der Verordnung dahin auszulegen ist, dass er der Anerkennung eines Antragstellers – der sich für den Nachweis, dass er über einen ausreichend großen Zuchttierbestand und genügend Züchter verfügt, auf Teilnahmeverpflichtungen beruft, die von Züchtern unterzeichnet wurden, die bereits in ein Zuchtprogramm bei einem anderen anerkannten Zuchtverband eingeschrieben sind – als Zuchtverband nicht entgegensteht.

Zu den Fragen 2 bis 4

50

Mit den Fragen 2 bis 4, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 10 in Verbindung mit Art. 13 und Anhang I Teil 1 Abschnitt B Nr. 2 Buchst. a der Verordnung 2016/1012 im Licht der Erwägungsgründe 21 und 24 der Verordnung dahin auszulegen ist, dass zum einen, wenn in einem Mitgliedstaat bereits ein Zuchtprogramm mit dem Hauptziel der Verbesserung einer bestimmten Tierrasse durchgeführt wird, die zuständige Behörde dieses Staates ein neues, von einem anderen Zuchtverband vorgelegtes Zuchtprogramm genehmigen kann, das dieselbe Tierrasse betrifft, sich auf dasselbe geografische Gebiet bezieht sowie dasselbe Ziel verfolgt und in dessen Rahmen Zuchttiere aus dem Zuchtbestand des bereits laufenden Zuchtprogramms genommen worden sind, und dass zum anderen, wenn diese Genehmigung einen oder mehrere der in Art. 10 Abs. 1 Buchst. a bis c der Verordnung 2016/1012 genannten Aspekte gefährden würde, die Behörde die Verpflichtung und nicht nur die Möglichkeit hat, die Genehmigung des neuen Zuchtprogramms zu verweigern.

Zur Zulässigkeit

51

Die rumänische Regierung macht geltend, die zweite Frage sei unzulässig, da sie für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht erforderlich und im Verhältnis zur dritten und zur vierten Frage redundant sei.

52

Aus denselben Gründen wie den in Rn. 36 des vorliegenden Urteils dargelegten ist festzustellen, dass die Vermutung der Entscheidungserheblichkeit der zweiten Frage nicht in Zweifel gezogen werden kann. Die zweite Frage ist daher zulässig.

Zur Beantwortung der Vorlagefragen

53

Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass zwar nach Art. 8 Abs. 3 der Verordnung 2016/1012 die zuständige Behörde die ihr vorgelegten Zuchtprogramme genehmigt, sofern die in den Buchst. a bis c dieses Absatzes aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind, Art. 10 dieser Verordnung jedoch insoweit eine Ausnahme vorsieht, indem er in Abs. 1 bestimmt, dass die zuständige Behörde, die einen Zuchtverband anerkannt hat, einem Zuchtprogramm dieses Zuchtverbands die Genehmigung verweigern kann, wenn dieses Programm ein von einem anderen Zuchtverband durchgeführtes Zuchtprogramm bei derselben Rasse, das bereits in diesem Mitgliedstaat genehmigt ist, gefährden würde, und zwar im Hinblick auf mindestens einen der in Art. 10 Abs. 1 Buchst. a bis c genannten Aspekte.

54

Art. 10 Abs. 2 der Verordnung 2016/1012 führt die Kriterien auf, die von der zuständigen Behörde bei der Beurteilung des Vorliegens eines solchen Risikos zu berücksichtigen sind. Dazu gehört zum einen die Anzahl der für dieselbe Rasse in dem betroffenen Mitgliedstaat bereits genehmigten Zuchtprogramme und zum anderen die Größe der Zuchtpopulation, die von diesen Zuchtprogrammen betroffen ist.

55

Als Zweites ist jedoch festzustellen, dass der 21. Erwägungsgrund der Verordnung 2016/1012 ausdrücklich die Möglichkeit der Genehmigung eines „weiteren Zuchtprogramms“ vorsieht, das dieselbe Tierrasse betrifft, sich auf dasselbe geografische Gebiet bezieht und dasselbe Ziel verfolgt wie ein bereits bestehendes Zuchtprogramm. Aus diesem Erwägungsgrund geht auch hervor, dass der Unionsgesetzgeber die Möglichkeit zulassen wollte, ein solches weiteres Programm mit Zuchttieren ins Auge zu fassen, „die aus dem Zuchtbestand eines Zuchtverbands genommen werden können, der bereits ein Zuchtprogramm bei derselben Rasse durchführt“.

56

In diesem Zusammenhang bestimmt Art. 18 Abs. 2 der Verordnung, dass „Zuchtverbände … die Eintragung eines reinrassigen Zuchttiers in der Hauptabteilung ihrer Zuchtbücher nicht mit der Begründung ablehnen [dürfen], dass es bereits in der Hauptabteilung eines Zuchtbuchs derselben Rasse … eingetragen ist“.

57

Im Übrigen geht aus Art. 13 Abs. 1 der Verordnung eindeutig hervor, dass die Züchter berechtigt sind, an einem genehmigten Zuchtprogramm teilzunehmen, sofern sie die in den Buchst. a und b dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllen.

58

Als Drittes ist darauf hinzuweisen, dass Art. 10 Abs. 1 der Verordnung 2016/1012 eine Ausnahme von der in Art. 8 Abs. 3 der Verordnung vorgesehenen allgemeinen Regelung darstellt, wonach die zuständige Behörde die ihr vorgelegten Zuchtprogramme zu genehmigen hat, sofern diese die in Art. 8 Abs. 3 Buchst. a bis c aufgeführten Voraussetzungen erfüllen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Ausnahmen aber eng auszulegen, damit die allgemeinen Regelungen nicht ausgehöhlt werden (Urteil vom 28. Oktober 2022, Generalstaatsanwaltschaft München [Auslieferung und ne bis in idem], C‑435/22 PPU, EU:C:2022:852, Rn. 120 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59

Außerdem wird in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung der Ausdruck „kann … verweigern“ verwendet. Ferner wird im 21. Erwägungsgrund der Verordnung die Verweigerung der Genehmigung eines neuen Zuchtprogramms eng gefasst, da nach seinem Wortlaut die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats „in einigen bestimmten Fällen die Möglichkeit haben [sollte], die Genehmigung eines weiteren Zuchtprogramms bei derselben Rasse zu verweigern“.

60

Daraus folgt, dass die Verordnung 2016/1012 den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ein Ermessen einräumt, das diesen erlaubt, die Genehmigung eines neuen Zuchtprogramms – selbst wenn es die in Anhang I der Verordnung vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt – zu verweigern, wenn ein solches Programm ein bereits bestehendes Zuchtprogramm im Hinblick auf einen oder mehrere der in Art. 10 Abs. 1 Buchst. a bis c abschließend aufgeführten Aspekte zu gefährden droht, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist. Abgesehen von diesem Fall sind die zuständigen Behörden nach Art. 8 Abs. 3 der Verordnung 2016/1012 verpflichtet, die ihnen vorgelegten Zuchtprogramme zu genehmigen, sofern diese die in Art. 8 Abs. 3 Buchst. a bis c aufgeführten Voraussetzungen erfüllen.

61

Nach alledem ist auf die Fragen 2 bis 4 zu antworten, dass Art. 10 in Verbindung mit Art. 13 und Anhang I Teil 1 Abschnitt B Nr. 2 Buchst. a der Verordnung 2016/1012 im Licht der Erwägungsgründe 21 und 24 der Verordnung dahin auszulegen ist, dass zum einen, wenn in einem Mitgliedstaat bereits ein Zuchtprogramm mit dem Hauptziel der Verbesserung einer bestimmten Tierrasse durchgeführt wird, die zuständige Behörde dieses Staates ein neues, von einem anderen Zuchtverband vorgelegtes Zuchtprogramm genehmigen kann, das dieselbe Tierrasse betrifft, sich auf dasselbe geografische Gebiet bezieht sowie dasselbe Ziel verfolgt und in dessen Rahmen Zuchttiere aus dem Zuchtbestand des bereits laufenden Zuchtprogramms genommen worden sind, und dass zum anderen, wenn diese Genehmigung einen oder mehrere der in Art. 10 Abs. 1 Buchst. a bis c der Verordnung 2016/1012 genannten Aspekte gefährden würde, die Behörde die Möglichkeit hat, die Genehmigung des neuen Zuchtprogramms zu verweigern.

Kosten

62

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 4 Abs. 3 Buchst. b in Verbindung mit Anhang I Teil 1 der Verordnung (EU) 2016/1012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über die Tierzucht- und Abstammungsbestimmungen für die Zucht, den Handel und die Verbringung in die Union von reinrassigen Zuchttieren und Hybridzuchtschweinen sowie deren Zuchtmaterial und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 652/2014, der Richtlinien des Rates 89/608/EWG und 90/425/EWG sowie zur Aufhebung einiger Rechtsakte im Bereich der Tierzucht („Tierzuchtverordnung“) ist im Licht des 24. Erwägungsgrundes der Verordnung

dahin auszulegen, dass

er der Anerkennung eines Antragstellers – der sich für den Nachweis, dass er über einen ausreichend großen Zuchttierbestand und genügend Züchter verfügt, auf Teilnahmeverpflichtungen beruft, die von Züchtern unterzeichnet wurden, die bereits in ein Zuchtprogramm bei einem anderen anerkannten Zuchtverband eingeschrieben sind – als Zuchtverband nicht entgegensteht.

 

2.

Art. 10 in Verbindung mit Art. 13 und Anhang I Teil 1 Abschnitt B Nr. 2 Buchst. a der Verordnung 2016/1012 ist im Licht der Erwägungsgründe 21 und 24 der Verordnung

dahin auszulegen, dass

zum einen, wenn in einem Mitgliedstaat bereits ein Zuchtprogramm mit dem Hauptziel der Verbesserung einer bestimmten Tierrasse durchgeführt wird, die zuständige Behörde dieses Staates ein neues, von einem anderen Zuchtverband vorgelegtes Zuchtprogramm genehmigen kann, das dieselbe Tierrasse betrifft, sich auf dasselbe geografische Gebiet bezieht sowie dasselbe Ziel verfolgt und in dessen Rahmen Zuchttiere aus dem Zuchtbestand des bereits laufenden Zuchtprogramms genommen worden sind, und dass zum anderen, wenn diese Genehmigung einen oder mehrere der in Art. 10 Abs. 1 Buchst. a bis c der Verordnung 2016/1012 genannten Aspekte gefährden würde, die Behörde die Möglichkeit hat, die Genehmigung des neuen Zuchtprogramms zu verweigern.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Rumänisch.