URTEIL DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)

4. Juli 2024 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Mehrwertsteuer – Richtlinie 2006/112/EG – Steuerbare Umsätze – Dienstleistung, die gegen Entgelt erbracht wird – Verwaltungsgebühr, die von einer Organisation für die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten für die Einziehung, Verteilung und Ausschüttung der den Rechtsinhabern zustehenden Vergütungen erhoben wird – Vergütungen, die kein Teil eines steuerbaren Umsatzes sind“

In der Rechtssache C‑179/23

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Înalta Curte de Casaţie şi Justiţie (Oberster Kassations- und Gerichtshof, Rumänien) mit Entscheidung vom 15. November 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 21. März 2023, in dem Verfahren

Centrul Român pentru Administrarea Drepturilor Artiștilor Interpreți (Credidam)

gegen

Guvernul României,

Ministerul Finanțelor

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten F. Biltgen, der Präsidentin der Zweiten Kammer A. Prechal (Berichterstatterin) in Wahrnehmung der Aufgaben einer Richterin der Siebten Kammer und der Richterin M. L. Arastey Sahún,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

des Centrul Român pentru Administrarea Drepturilor Artiștilor Interpreți (Credidam), vertreten durch S. Brăileanu, A.‑M. Gheorghişan und M. Niculeasa, Avocaţi,

der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Gane, R. I. Haţieganu und A. Rotăreanu als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Armenia und M. Herold als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 24 Abs. 1 und Art. 25 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem sich der Centrul Român pentru Administrarea Drepturilor Artiștilor Interpreți (Credidam) auf der einen und das Guvernul României (rumänische Regierung) sowie das Ministerul Finanțelor (Finanzministerium, Rumänien) auf der anderen Seite gegenüberstehen. Der Rechtsstreit betrifft eine Änderung von Rechtsvorschriften, kraft derer die Tätigkeit der Organisationen für die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten, die sich auf die Einziehung, Verteilung und Ausschüttung der den Inhabern dieser Rechte zustehenden Vergütungen bezieht, bei nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuerrichtlinie fallenden Vergütungen der Mehrwertsteuer unterworfen wird.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Mehrwertsteuerrichtlinie

3

Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:

c)

Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt“.

4

Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:

„Als ‚Steuerpflichtiger‘ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt.

Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit‘ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.“

5

Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Als ‚Dienstleistung‘ gilt jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist.“

6

In Art. 25 der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:

„Eine Dienstleistung kann unter anderem in einem der folgenden Umsätze bestehen:

c)

Erbringung einer Dienstleistung auf Grund einer behördlichen Anordnung oder kraft Gesetzes.“

7

Art. 28 dieser Richtlinie lautet:

„Steuerpflichtige, die bei der Erbringung von Dienstleistungen im eigenen Namen, aber für Rechnung Dritter tätig werden, werden behandelt, als ob sie diese Dienstleistungen selbst erhalten und erbracht hätten.“

8

In Art. 73 der Richtlinie heißt es:

„Bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 fallen, umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.“

Richtlinie 2014/26/EU

9

Art. 3 der Richtlinie 2014/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt (ABl. 2014, L 84, S. 72) sieht vor:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

a)

‚Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung‘ jede Organisation, die gesetzlich oder auf der Grundlage einer Abtretungs‑, Lizenz- oder sonstigen vertraglichen Vereinbarung berechtigt ist und deren ausschließlicher oder hauptsächlicher Zweck es ist, Urheber- oder verwandte Schutzrechte im Namen mehrerer Rechtsinhaber zu deren kollektivem Nutzen wahrzunehmen und eine oder beide der folgenden Voraussetzungen erfüllt:

i)

sie steht im Eigentum ihrer Mitglieder oder wird von ihren Mitgliedern beherrscht;

ii)

sie ist nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet;

h)

‚Einnahmen aus den Rechten‘ die von einer Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung für die Rechtsinhaber eingezogenen Beträge aus einem ausschließlichen Recht oder einem Vergütungs- oder Ausgleichsanspruch;

i)

‚Verwaltungskosten‘ den von einer Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung zur Deckung ihrer Kosten für die Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten von den Einnahmen aus den Rechten oder den Erträgen aus der Anlage dieser Einnahmen erhobenen, abgezogenen oder verrechneten Betrag;

…“

Rumänisches Recht

Steuergesetzbuch

10

Art. 268 („Steuerbare Umsätze“) der Legea nr. 227/2015 privind Codul fiscal (Gesetz Nr. 227/2015 über das Steuergesetzbuch, im Folgenden: Steuergesetzbuch) bestimmt:

„(1)   Für Mehrwertsteuerzwecke sind in Rumänien Umsätze steuerbar, die folgende kumulative Voraussetzungen erfüllen:

a)

Umsätze, die im Sinne der Art. 270 bis 272 eine mehrwertsteuerpflichtige Lieferung von Gegenständen oder eine mehrwertsteuerpflichtige Dienstleistung darstellen bzw. einer solchen Lieferung oder Dienstleistung gleichgestellt sind und gegen Entgelt getätigt werden;

…“

11

In Art. 271 („Dienstleistung“) des Steuergesetzbuchs heißt es:

„(1)   Als Dienstleistung gilt jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen im Sinne von Art. 270 ist.

(2)   Steuerpflichtige, die bei der Erbringung von Dienstleistungen im eigenen Namen, aber für Rechnung Dritter tätig werden, werden behandelt, als ob sie diese Dienstleistungen selbst erhalten und erbracht hätten.

(3)   Zu den Dienstleistungen zählen Umsätze wie

a)

die Vermietung von Gegenständen oder die Überlassung der Nutzung von Gegenständen im Rahmen eines Leasingvertrags;

b)

die Abtretung eines nicht körperlichen Gegenstands, gleichgültig, ob in einer Urkunde verbrieft oder nicht, insbesondere die Übertragung und/oder die Abtretung von Urheberrechten, Patenten, Lizenzen, Warenzeichen und ähnlichen Rechten;

c)

die Verpflichtung, keine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, nicht mit einer anderen Person in Wettbewerb zu treten oder eine Handlung oder einen Zustand zu dulden;

d)

die Erbringung einer Dienstleistung auf Grund einer behördlichen Anordnung oder kraft Gesetzes;

e)

Mittlerdienste von Personen, die im Namen und für Rechnung anderer Personen tätig werden, wenn sie im Rahmen einer Lieferung von Gegenständen oder einer Dienstleistung erbracht werden.“

Gesetz Nr. 8/1996

12

Art. 144 der Legea nr. 8/1996 privind dreptul de autor și drepturile conexe (Gesetz Nr. 8/1996 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 489 vom 14. Juni 2018, im Folgenden: Gesetz Nr. 8/1996) bestimmt:

„(1)   Der Urheber oder der Inhaber eines Urheber- oder verwandten Schutzrechts übt die ihm durch dieses Gesetz zuerkannten Rechte nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes individuell oder kollektiv aus.

…“

13

Art. 145 des Gesetzes Nr. 8/1996 lautet:

„(1)   Die kollektive Rechtewahrnehmung ist für die Ausübung folgender Rechte obligatorisch:

a)

das Recht auf eine Ausgleichsvergütung für Privatkopien;

b)

das Recht auf eine angemessene Vergütung für den öffentlichen Verleih gemäß Art. 18 Abs. 2;

c)

das Senderecht an Musikwerken;

d)

das Recht auf eine einzige angemessene Vergütung, das ausübenden Künstlern und Herstellern von Tonträgern für die öffentliche Wiedergabe und Sendung von zu gewerblichen Zwecken veröffentlichten Tonträgern oder Vervielfältigungen dieser Tonträger zusteht;

e)

das Recht zur Kabelweiterverbreitung;

f)

das Recht zur Weiterverbreitung;

g)

Das Recht auf einen gerechten Ausgleich für verwaiste Werke.

(2)   Hinsichtlich der in Abs. 1 genannten Kategorien von Rechten vertreten die Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung auch diejenigen Rechtsinhaber, die ihnen keine Vollmacht erteilt haben.“

14

Art. 150 dieses Gesetzes bestimmt:

„(1)   Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung im Sinne dieses Gesetzes sind durch freiwilligen Zusammenschluss entstandene juristische Personen, deren einziger oder hauptsächlicher Zweck die Wahrnehmung von Urheber- oder verwandten Schutzrechten, Kategorien von Rechten, Arten von Werken oder sonstigen Schutzgegenständen ist, mit der sie von mehreren Urhebern oder Inhabern von Urheberrechten zu deren kollektivem Nutzen betraut worden sind.

(2)   … Urheber- und verwandte Schutzrechte oder die Ausübung solcher Rechte dürfen an Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung weder übertragen oder abgetreten werden.

(3)   Für die Zwecke des Abs. 1 umfasst die kollektive Wahrnehmung von Rechten, Kategorien von Rechten, Arten von Werken oder sonstigen Schutzgegenständen die Erteilung von Lizenzen, die Kontrolle der Nutzung der Rechte oder der Arten der verwalteten Werke, die Gewährleistung der Wahrung dieser Rechte sowie die Einziehung, Verteilung und Ausschüttung der den Urhebern oder Inhabern von Urheber- oder verwandten Schutzrechten aus den Vergütungen zustehenden Beträge, die für die Verwertung der wahrgenommenen Rechte oder die Anlage der Einnahmen aus diesen Rechten gezahlt wurden.“

15

Art. 169 des Gesetzes sieht vor:

„(1)   Für die kollektive Rechtewahrnehmung gelten die folgenden Regeln:

b)

Vergütungen, die an die Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung gezahlt werden, gelten nicht als Einnahmen dieser Gesellschaften und können solchen Einnahmen nicht gleichgestellt werden.

d)

Die von einer Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung eingezogenen Beträge werden verteilt und an ihre Mitglieder ausgeschüttet …;

h)

Die Verwaltungsgebühr entspricht dem Prozentsatz, der zulasten der Urheber oder Rechtsinhaber in Bezug auf Einnahmen aus den Rechten oder Erträge aus der Anlage der Einnahmen aus den Rechten einbehalten wird, um sämtliche Kosten zu decken, die durch die Tätigkeit der Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung, die Einziehung, Verteilung und Ausschüttung der Vergütungen entstehen. Die von den Mitgliedern und den mit der Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung in direkter Verbindung stehenden Rechtsinhabern geschuldete Gebühr wird im Zeitpunkt der Verteilung einbehalten und darf 15 % der individuell zugeteilten Beträge nicht übersteigen …“

Durch Regierungserlass Nr. 1/2016 genehmigte Durchführungsbestimmungen des Gesetzes Nr. 227/2015 über das Steuergesetzbuch

16

Nr. 8 Abs. 12 und 13 des Titels VII der Normele metodologice de aplicare a Legii nr. 227/2015 privind Codul fiscal, aprobate prin Hotărârea Guvernului nr. 1/2016 pentru aprobarea normelor metodologice de aplicare a Legii nr. 227/2015 privind Codul fiscal (durch Regierungserlass Nr. 1/2016 genehmigte Durchführungsbestimmungen des Gesetzes Nr. 227/2015 über das Steuergesetzbuch) vom 6. Januar 2016 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 22 vom13. Januar 2016) in ihrer durch die Hotărârea Guvernului nr. 354/2018 pentru modificarea și completarea Normelor metodologice de aplicare a Legii nr. 227/2015 privind Codul fiscal, aprobate prin Hotărârea Guvernului nr. 1/2016 (Regierungserlass Nr. 354/2018 zur Änderung und Ergänzung der durch Regierungserlass Nr. 1/2016 genehmigten Durchführungsbestimmungen zum Gesetz Nr. 227/2015 über das Steuergesetzbuch) vom 16. Mai 2018 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 442 vom 25. Mai 2018) geänderten Fassung bestimmt:

„(12) Nach Art. 271 des Steuergesetzbuchs erbringen die Inhaber von Vervielfältigungsrechten keine Dienstleistung im mehrwertsteuerrechtlichen Sinne zugunsten der Hersteller und Importeure von unbespielten Datenträgern und Geräten zur Aufzeichnung und Vervielfältigung, von denen die Organisationen für die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten für Rechnung dieser Rechtsinhaber, aber im eigenen Namen Ausgleichsvergütungen für den Verkauf dieser Geräte und Datenträger einziehen. Art. 271 Abs. 2 des Steuergesetzbuchs ist auf die Einziehung der Ausgleichsvergütung für Privatkopien nicht anwendbar, da diese Ausgleichsvergütung keine Gegenleistung für eine in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallende Dienstleistung darstellt. Die Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung erbringen zugunsten der Inhaber von Vervielfältigungsrechten eine in den Anwendungsbereich der Steuer fallende Dienstleistung, deren Gegenleistung die von den eingezogenen Beträgen einbehaltene Verwaltungsgebühr ist.

(13) Auf andere als die in Abs. 12 genannten Beträge, die von den Organisationen für die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten eingezogen werden und aus den wahrgenommenen Rechten stammen, findet Art. 271 Abs. 2 des Steuergesetzbuchs Anwendung.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

17

Credidam ist eine Organisation für die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten, die ihrer Tätigkeit in Form einer Vereinigung ausübender Künstler nachgeht. Ihr Zweck besteht namentlich darin, die den ausübenden Künstlern seitens der Nutzer ihrer künstlerischen Darbietungen zustehenden Vergütungen einzuziehen und zu verteilen. Sie erhält hierfür eine Verwaltungsgebühr zur Deckung ihrer Betriebskosten, die von diesen Vergütungen einbehalten wird.

18

Am 20. Juli 2018 befasste Credidam die Curtea de Apel București (Berufungsgericht Bukarest, Rumänien) mit einem Rechtsbehelf gegen die rumänische Regierung. Mit diesem Rechtsbehelf begehrte Credidam die Aufhebung des Regierungserlasses Nr. 354/2018 zur Änderung und Ergänzung der das Steuergesetzbuch betreffenden Durchführungsbestimmungen, soweit mit diesem Erlass die Abs. 12 und 13 in Nr. 8 des Titels VII der durch Regierungserlass Nr. 1/2016 genehmigten Durchführungsbestimmungen zum Gesetz Nr. 227/2015 über das Steuergesetzbuch, die in Rn. 16 des vorliegenden Urteils genannten Bestimmungen, aufgenommen wurden (im Folgenden: angefochtene Bestimmungen). Diese Vorschriften sehen u. a. vor, dass die Vergütungen für Privatkopien, die von den Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung für Rechnung der Rechtsinhaber eingezogen werden, nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen, die seitens dieser Organisationen von den Vergütungen einbehaltenen Verwaltungsgebühren indessen dieser Steuer unterliegen.

19

Zur Stützung ihrer Anträge machte Credidam geltend, dass die angefochtenen Bestimmungen gegen die Mehrwertsteuerrichtlinie in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof im Urteil vom 18. Januar 2017, SAWP (C‑37/16, EU:C:2017:22), und durch die nationalen Gerichte verstießen, was die Einordnung von Umsätzen der Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung als mehrwertsteuerpflichtig anbelange, und zwar insbesondere dadurch, dass hierunter auch Verwaltungsgebühren fielen, die diese Organisationen von Vergütungen einbehielten, die den Rechtsinhabern zustünden.

20

Mit Urteil vom 21. Mai 2019 gab die Curtea de Apel București (Berufungsgericht Bukarest) dem Rechtsbehelf von Credidam statt und hob die angefochtenen Bestimmungen auf. Nach Ansicht dieses Gerichts sind die Verwaltungsgebühren der Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung akzessorisch zu den Vergütungen der Rechtsinhaber, von denen sie einbehalten würden. Infolgedessen müsse, wenn die Vergütungen – wie die Vergütung für Privatkopien – nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuerrichtlinie fielen, für die entsprechenden Verwaltungsgebühren das Gleiche gelten.

21

Die rumänische Regierung und das Finanzministerium, das dem Rechtsstreit im ersten Rechtszug als Streithelfer zur Unterstützung der rumänischen Regierung beigetreten war, legten Rechtsmittel bei der Înalta Curte de Casa (Oberster Kassations- und Gerichtshof, Rumänien), dem vorlegenden Gericht, ein. Zur Stützung ihres Rechtsmittels machen sie geltend, dass mit den angefochtenen Bestimmungen die Umsätze der Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung, insbesondere in Bezug auf diese Verwaltungsgebühren, zutreffend als mehrwertsteuerpflichtig eingeordnet worden seien.

22

Vor dem vorlegenden Gericht bringen die rumänische Regierung und das Finanzministerium vor, dass diese Bestimmungen, soweit sie vorsähen, dass Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung mehrwertsteuerpflichtig seien und dass die von den Rechtsinhabern eingezogenen Verwaltungsgebühren die Gegenleistung für eine zugunsten dieser Rechtsinhaber erbrachte Leistung darstellten, mit dem Unionsrecht in Einklang stünden und im Übrigen auch den Leitlinien des Mehrwertsteuerausschusses entsprächen, die in seiner 111. Sitzung vom 30. November 2018 verabschiedet worden seien. Außerdem habe sich der Gerichtshof im Urteil vom 18. Januar 2017, SAWP (C‑37/16, EU:C:2017:22), nicht zu der Frage geäußert, ob solche Gebühren der Mehrwertsteuer unterlägen.

23

Credidam macht geltend, dass Verwaltungsgebühren, die für nicht mehrwertsteuerpflichtige Vergütungen – wobei diese Vergütungen im Übrigen nicht nur die Vergütung für Privatkopien, sondern auch die angemessene Vergütung für andere Kategorien von Urheber- und verwandten Schutzrechten umfassten – einbehalten würden, ebenso wenig in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuerrichtlinie fielen, da diese Gebühren im Verhältnis zu solchen Vergütungen akzessorisch seien und daher der steuerlichen Regelung für diese Vergütungen folgten.

24

Nach Ansicht von Credidam könnten die Gebühren selbst unter der Annahme, dass sie nicht akzessorisch seien, jedenfalls nicht als Gegenleistung für eine Leistung angesehen werden, weil zwischen den Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung und den Rechtsinhabern kein Rechtsverhältnis bestehe, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht würden: Die Verpflichtung zur Entrichtung dieser Gebühren sei nämlich gesetzlich vorgeschrieben, ebenso wie deren Betrag in Form eines Prozentsatzes der Vergütungen.

25

Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass es zwar auf der Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs über die steuerliche Regelung entscheiden könne, die auf die Vergütungen, die die Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung für Rechnung der Rechtsinhaber einzögen, anzuwenden sei; in Bezug auf die Regelung für Verwaltungsgebühren, die von diesen Vergütungen einbehalten würden, sei dies jedoch nicht der Fall.

26

Insoweit geht das vorlegende Gericht als Erstes von der Prämisse aus, dass Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung insofern Steuerpflichtige im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie seien, als sie eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübten, die hauptsächlich darin bestehe, die Interessen der Rechtsinhaber, deren Repertoire sie verwalten, zu vertreten und in den Rechtsbeziehungen zwischen Rechtsinhabern und Endnutzern als Mittler zu wirken.

27

Es fragt sich jedoch, ob derartige zugunsten der Rechtsinhaber getätigte Umsätze aus der Verwaltungstätigkeit Dienstleistungen gegen Entgelt im Sinne dieser Richtlinie darstellten, da die für diese Umsätze einbehaltenen Verwaltungsgebühren kraft Gesetzes geschuldet würden, unabhängig davon, ob die kollektive Rechtewahrnehmung obligatorisch oder fakultativ sei und ob die Rechtsinhaber Mitglieder der Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung seien oder nicht.

28

Als Zweites führt das vorlegende Gericht aus, dass bei einer Sachlage wie derjenigen, die der Rechtssache, in der das Urteil vom 21. Januar 2021, UCMR – ADA (C‑501/19, EU:C:2021:50), ergangen sei, zugrunde gelegen habe – in der eine Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung im Sinne von Art. 28 der Mehrwertsteuerrichtlinie bei der Erbringung einer Dienstleistung durch den Rechtsinhaber zugunsten eines Endnutzers tätig geworden sei –, die Organisation zur kollektiven Rechtewahrnehmung den Endnutzern eine Rechnung auszustellen habe: Diese Rechnung müsse die Mehrwertsteuer enthalten, die auf der Grundlage des Gesamtbetrags der von dieser Organisation eingezogenen Vergütung berechnet werde, einschließlich des Prozentsatzes dieser Vergütung, der der Verwaltungsgebühr entspreche. Bei einer solchen Sachlage unterliege die Verwaltungsgebühr – als Teil der Vergütung, die für Rechnung der Rechtsinhaber eingezogen werde – der Mehrwertsteuer.

29

Es sei jedoch fraglich, ob die Verwaltungsgebühr auch dann in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuerrichtlinie falle, wenn die Vergütung, auf die sie sich beziehe, wie etwa die Vergütung für Privatkopien, keine Gegenleistung für eine mehrwertsteuerpflichtige Dienstleistung sei. Entsprechend der im Urteil vom 14. Juli 2011, Henfling u. a. (C‑464/10, EU:C:2011:489, Rn. 36), gewählten Lösung, wonach das Rechtsverhältnis zwischen Kommittent und Kommissionär von der Mehrwertsteuer befreit sei, wenn die Dienstleistung, bei der der Kommissionär hinzutrete, selbst von der Mehrwertsteuer befreit sei, sei in diesem Fall nämlich nicht auszuschließen, dass die Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung für diese Gebühr dieselbe steuerliche Regelung in Anspruch nehmen könne, die auf die Vergütung selbst anwendbar sei.

30

Selbst wenn die von der Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung einbehaltene Gebühr die Gegenleistung für einen Umsatz darstelle, der sich von dem durch die Einziehung der dem Rechtsinhaber geschuldeten Vergütung bewirkten Umsatz unterscheide, sei somit zu klären, ob der erstgenannte Umsatz im Verhältnis zum zweitgenannten Umsatz eigenständig oder akzessorisch sei.

31

Unter diesen Umständen hat die Înalta Curte de Casație și Justiție (Oberster Kassations- und Gerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Stellt die Tätigkeit der Einziehung, Verteilung und Ausschüttung von Vergütungen durch Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung, für die diese Organisationen als Gegenleistung eine Verwaltungsgebühr erhalten, gegenüber den Inhabern von Urheber- oder verwandten Schutzrechten eine Dienstleistung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 und Art. 25 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie dar?

2.

Falls die erste Frage bejaht wird: Stellt die Tätigkeit der Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung gegenüber den Rechtsinhabern auch dann eine Dienstleistung im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie dar, wenn die Rechtsinhaber, für die die Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung die Vergütung einziehen, gegenüber den Nutzern, die zur Zahlung der Vergütung verpflichtet sind, keine Dienstleistung erbringen?

Zu den Vorlagefragen

32

Aus den in den Rn. 28 und 29 des vorliegenden Urteils zusammengefassten Erläuterungen des vorlegenden Gerichts geht hervor, dass seine Fragen sich darauf beziehen, wie die Verwaltungstätigkeit, die eine Organisation für die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten zugunsten der betreffenden Rechtsinhaber erbringt, steuerlich, was die Mehrwertsteuerrichtlinie betrifft, zu behandeln ist, und zwar für den Fall, dass diese Tätigkeit in keinem Zusammenhang mit etwaigen steuerbaren Umsätzen dieser Rechtsinhaber steht.

33

Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seinen beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 24 Abs. 1 und Art. 25 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass eine Organisation für die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten eine Dienstleistung im Sinne dieser Bestimmungen erbringt, wenn sie zum einen kraft Gesetzes für die Rechtsinhaber die ihnen von den gesetzlich bestimmten Nutzern zustehenden Vergütungen einzieht, verteilt und ausschüttet sowie zum anderen von diesen Vergütungen eine Verwaltungsgebühr einbehält, die ihr von diesen Rechtsinhabern geschuldet wird und zur Deckung der durch diese Tätigkeit verursachten Kosten bestimmt ist, falls die auf diese Weise für Rechnung der Rechtsinhaber eingezogenen Vergütungen keine Gegenleistung für Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie darstellen, die von den Rechtsinhabern zugunsten dieser Nutzer erbracht wurden.

34

Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie unterliegen Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer. Ferner ist gemäß Art. 24 Abs. 1 dieser Richtlinie jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist, als Dienstleistung anzusehen. In Art. 25 der Richtlinie sind beispielhaft drei Umsätze aufgeführt, die Dienstleistungen darstellen, darunter der in Art. 25 Buchst. c genannte Umsatz, der in der Erbringung einer Dienstleistung auf Grund einer behördlichen Anordnung oder kraft Gesetzes besteht.

35

Da das vorlegende Gericht davon ausgegangen ist, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Einziehungs‑, Verteilungs- und Ausschüttungsvorgänge Teil einer wirtschaftlichen Tätigkeit sind, die von der betreffenden Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung als Steuerpflichtiger im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie ausgeübt wird, beziehen sich seine Zweifel als Erstes darauf, ob die auf diese Weise erbrachten Dienstleistungen „gegen Entgelt“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie erbracht werden.

36

Die Möglichkeit, eine Dienstleistung als Umsatz gegen Entgelt einzustufen, setzt nach ständiger Rechtsprechung nur das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen dieser Leistung und einer tatsächlich vom Steuerpflichtigen empfangenen Gegenleistung voraus. Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang liegt vor, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet (Urteil vom 15. April 2021, Administration de l’Enregistrement, des Domaines et de la TVA, C‑846/19, EU:C:2021:277, Rn. 36).

37

Im vorliegenden Fall erbringt nach den Angaben des vorlegenden Gerichts zum einen die betreffende Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung, d. h. Credidam, zugunsten der von ihr vertretenen Rechtsinhaber u. a. Leistungen der Rechtewahrnehmung gemäß der in Art. 145 des Gesetzes Nr. 8/1996 vorgesehenen Regelung der obligatorischen kollektiven Rechtewahrnehmung, darunter diejenigen, die sich auf das „Recht auf eine Ausgleichsvergütung für Privatkopien“ im Sinne von Art. 145 Abs. 1 Buchst. a beziehen und mit den Leistungen vergleichbar sind, um die es in der Rechtssache ging, in der das Urteil vom 18. Januar 2017, SAWP (C‑37/16, EU:C:2017:22), ergangen ist. Diese Leistungen der kollektiven Rechtewahrnehmung umfassen nach Art. 150 Abs. 3 dieses Gesetzes u. a. „die Einziehung, Verteilung und Ausschüttung der den Urhebern oder Inhabern von Urheber- oder verwandten Schutzrechten zustehenden Beträge“, auf die sie einen Anspruch haben.

38

Zum anderen schulden nach Art. 169 Abs. 1 Buchst. h dieses Gesetzes die Rechtsinhaber der Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung eine Verwaltungsgebühr in Höhe von bis zu 15 % der eingezogenen Beträge, die dazu bestimmt ist, „sämtliche Kosten zu decken, die durch die Tätigkeit der Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung, die Einziehung, Verteilung und Ausschüttung der Vergütungen entstehen“, und die bei der Verteilung der geschuldeten Beträge einbehalten wird.

39

Vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfungen zeigt sich somit, dass nach den genannten Bestimmungen des nationalen Rechts zwischen der betreffenden Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung und den von ihr vertretenen Rechtsinhabern ein Rechtsverhältnis begründet wird, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden und das somit zwischen den von dieser Organisation erbrachten Leistungen der kollektiven Rechtewahrnehmung und der Geldleistung dieser Rechtsinhaber, die in der Entrichtung der Verwaltungsgebühr besteht, einen unmittelbaren Zusammenhang herstellt. Diese Gebühr wird nämlich nur insoweit geschuldet, als diese Leistungen der kollektiven Rechtewahrnehmung erbracht werden, und stellt dafür die tatsächliche Gegenleistung dar.

40

Diese Beurteilung kann nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass die Erbringung der betreffenden Leistungen der kollektiven Rechtewahrnehmung und die Entrichtung der dafür geschuldeten Verwaltungsgebühr gesetzlich geregelt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2021, UCMR – ADA, C‑501/19, EU:C:2021:50, Rn. 36 und 37). Zum einen ist es nämlich, wie in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils ausgeführt, gerade dieser gesetzliche Rahmen, der einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Erbringung dieser Leistungen und der Entrichtung der Verwaltungsgebühr herstellt. Zum anderen sieht Art. 25 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie ausdrücklich vor, dass eine Dienstleistung u. a. in der Erbringung einer Dienstleistung kraft Gesetzes bestehen kann.

41

In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass es sich bei der betreffenden Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung um eine Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht handelt, da die Verwaltungsgebühr nur dazu bestimmt ist, die Kosten dieser Vereinigung zu decken. Nach Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie gilt nämlich als Steuerpflichtiger, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Zweck und Ergebnis selbständig ausübt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Oktober 2015, Saudaçor, C‑174/14, EU:C:2015:733, Rn. 39 und 40).

42

Unter diesen Umständen sind Umsätze der kollektiven Rechtewahrnehmung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden als gegen Entgelt erbrachte Dienstleistungen im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 und Art. 25 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie einzustufen.

43

Als Zweites weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die Tätigkeiten der kollektiven Rechtewahrnehmung auch im Zusammenhang mit Dienstleistungen erfolgen könnten, die von den Rechtsinhabern selbst erbracht würden, und dann als Mittlertätigkeit der Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung bei der Erbringung dieser Dienstleistungen anzusehen seien: Auf eine solche Sachlage finde Art. 28 der Mehrwertsteuerrichtlinie Anwendung.

44

Die Anwendung von Art. 28 der Mehrwertsteuerrichtlinie, wie ihn der Gerichtshof in seinem Urteil vom 14. Juli 2011, Henfling u. a. (C‑464/10, EU:C:2011:489, Rn. 36), ausgelegt habe, hätte zur Folge, dass die Verwaltungsgebühr dann als Teil der Vergütungen, die für Rechnung der Rechtsinhaber vereinnahmt worden sind, der Mehrwertsteuer unterläge und der für diese Vergütungen geltenden steuerlichen Regelung folgen würde. Das vorlegende Gericht fragt sich in diesem Zusammenhang, ob eine solche Lösung nicht entsprechend gälte, wenn wie im vorliegenden Fall die Vergütungen, für die die Verwaltungsgebühr einbehalten werde, keine Gegenleistung für eine unter die Mehrwertsteuerrichtlinie fallende Dienstleistung seien und daher nicht besteuert würden.

45

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Berücksichtigung der wirtschaftlichen und geschäftlichen Realität ein grundlegendes Kriterium für die Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems darstellt (Urteil vom 12. November 2020, ITH Comercial Timişoara, C‑734/19, EU:C:2020:919, Rn. 48).

46

Zwar werden nach Art. 28 der Mehrwertsteuerrichtlinie Steuerpflichtige, die bei der Erbringung von Dienstleistungen im eigenen Namen, aber für Rechnung Dritter tätig werden, so behandelt, als ob sie die in Rede stehenden Dienstleistungen selbst erhalten und erbracht hätten.

47

Diese Bestimmung begründet somit die juristische Fiktion zweier gleichartiger Dienstleistungen, die nacheinander erbracht werden. Gemäß dieser Fiktion wird der Wirtschaftsteilnehmer, der bei der Erbringung von Dienstleistungen hinzutritt und Kommissionär ist, so behandelt, als ob er zunächst die fraglichen Dienstleistungen von dem Wirtschaftsteilnehmer, für dessen Rechnung er tätig wird und der Kommittent ist, erhalten hätte und anschließend diese Dienstleistungen dem Kunden selbst erbrächte (Urteil vom 4. Mai 2017, Kommission/Luxemburg, C‑274/15, EU:C:2017:333, Rn. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48

Wie das vorlegende Gericht ausgeführt hat und wie auch die rumänische Regierung und die Europäische Kommission hervorgehoben haben, ist Art. 28 der Mehrwertsteuerrichtlinie jedoch in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens nicht anwendbar, da die Rechtsinhaber keine Dienstleistungen erbringen, bei der die Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung hinzuträte.

49

Denn im vorliegenden Fall gibt es in Ansehung der wirtschaftlichen und geschäftlichen Realität der betreffenden Tätigkeit unter dem Blickwinkel der Mehrwertsteuerrichtlinie nur diejenigen Dienstleistungen, die unmittelbar den Rechtsinhabern von der betreffenden Organisation für die Rechteverwertung erbracht wurden, die in der Einziehung, Verteilung und Ausschüttung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vergütungen bestehen und für die die Verwaltungsgebühr die tatsächliche Gegenleistung darstellt.

50

Dass diese Dienstleistungen implizieren, dass von den Nutzern und für Rechnung dieser Rechtsinhaber Vergütungen erhoben werden, die von einem zwischen diesen Parteien bestehenden Rechtsverhältnis herrühren, das als solches nicht zu steuerbaren Umsätzen und insbesondere nicht zu Dienstleistungen im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie Anlass gibt – wie das Rechtsverhältnis, das den Rechtsinhabern gegenüber diesen Nutzern das Recht auf eine Vergütung für Privatkopien verleiht – und dass diese Leistungen somit „akzessorisch“ zu Umsätzen sind, die nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, kann nicht dazu führen, dass diese von der Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung erbrachten Dienstleistungen ihre Steuerbarkeit für Mehrwertsteuerzwecke einbüßen.

51

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Mehrwertsteuerrichtlinie der Mehrwertsteuer zwar einen sehr weiten Anwendungsbereich zuweist, diese Steuer jedoch ausschließlich Tätigkeiten wirtschaftlicher Art betrifft. Insoweit hat der Gerichtshof klargestellt, dass eine Tätigkeit nur dann als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie eingestuft werden kann, wenn sie einem der in Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Umsätze entspricht (Urteil vom 15. April 2021, Administration de l’Enregistrement, des Domaines et de la TVA, C‑846/19, EU:C:2021:277, Rn. 31 und 32 sowie die dort angeführte Rechtsprechung), wozu auch Dienstleistungen gehören, die gegen Entgelt erbracht werden.

52

Daraus folgt, dass nicht steuerbare Umsätze wie die in Rn. 50 des vorliegenden Urteils genannten nicht als „wirtschaftliche Tätigkeit“ im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie eingestuft werden können und daher nicht in deren Anwendungsbereich fallen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Januar 2017, SAWP, C‑37/16, EU:C:2017:22, Rn. 32).

53

Unter diesen Umständen können mangels einer entsprechenden Grundlage in der Mehrwertsteuerrichtlinie solche Umsätze, da sie von dieser Richtlinie nicht erfasst werden, weder entsprechend Art. 28 der Richtlinie noch in sonstiger Weise herangezogen werden, um die Steuerbarkeit eines anderen Umsatzes, von dem feststeht, dass er eine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne der Richtlinie darstellt, in Frage zu stellen.

54

Ebenso wenig sind diese Umsätze in Anbetracht der Ausführungen in Rn. 49 des vorliegenden Urteils im Licht der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu berücksichtigen, die sich u. a. aus den Rn. 40 bis 42 des Urteils vom 4. März 2021, Frenetikexito (C‑581/19, EU:C:2021:167), ergibt und die Möglichkeit betrifft, einen wirtschaftlichen Vorgang gegebenenfalls so aufzufassen, dass er sich aus einer Hauptleistung und einer oder mehreren Nebenleistungen zusammensetzt.

55

Nach alledem sind Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 24 Abs. 1 und Art. 25 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass eine Organisation für die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten eine Dienstleistung im Sinne dieser Bestimmungen erbringt, wenn sie zum einen kraft Gesetzes für die Rechtsinhaber die ihnen von den gesetzlich bestimmten Nutzern zustehenden Vergütungen einzieht, verteilt und ausschüttet sowie zum anderen von diesen Vergütungen eine Verwaltungsgebühr einbehält, die ihr von diesen Rechtsinhabern geschuldet wird und zur Deckung der durch diese Tätigkeit verursachten Kosten bestimmt ist, falls die auf diese Weise für Rechnung der Rechtsinhaber eingezogenen Vergütungen keine Gegenleistung für Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie darstellen, die von den Rechtsinhabern zugunsten dieser Nutzer erbracht wurden.

Kosten

56

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 24 Abs. 1 und Art. 25 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem

 

sind dahin auszulegen, dass

 

eine Organisation für die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten eine Dienstleistung im Sinne dieser Bestimmungen erbringt, wenn sie zum einen kraft Gesetzes für die Rechtsinhaber die ihnen von den gesetzlich bestimmten Nutzern zustehenden Vergütungen einzieht, verteilt und ausschüttet sowie zum anderen von diesen Vergütungen eine Verwaltungsgebühr einbehält, die ihr von diesen Rechtsinhabern geschuldet wird und zur Deckung der durch diese Tätigkeit verursachten Kosten bestimmt ist, falls die auf diese Weise für Rechnung der Rechtsinhaber eingezogenen Vergütungen keine Gegenleistung für Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie darstellen, die von den Rechtsinhabern zugunsten dieser Nutzer erbracht wurden.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Rumänisch.