SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ‑BORDONA

vom 23. Januar 2025 ( 1 )

Rechtssache C‑782/23

„Tauritus“ UAB

gegen

Muitinės departamentas prie Lietuvos Respublikos finansų ministerijos,

Beteiligter:

Kauno teritorinė muitinė

(Vorabentscheidungsersuchen des Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas [Oberstes Verwaltungsgericht Litauens])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Zollunion – Verordnung (EU) Nr. 952/2013 – Zollkodex der Union – Gemeinsamer Zolltarif – Zollwert – Transaktionswert – Ermittlung – Waren, die auf der Grundlage eines Vertrags eingeführt werden, in dem der vorläufige Kaufpreis angegeben ist – Endpreis, der am Tag der Annahme der Zollanmeldung nicht bekannt war“

1.

In dem Rechtsstreit, der Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens ist, geht es um den Betrag der für die verspätete Zahlung der Mehrwertsteuer auf eine Einfuhr geschuldeten Verzugszinsen.

2.

Zur Ermittlung dieser Zinsen ist der genaue Betrag der Einfuhrmehrwertsteuer festzusetzen. Der Betrag der Einfuhrmehrwertsteuer hängt wiederum davon ab, wie der Zollwert der eingeführten Waren gemäß der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 ( 2 ) berechnet wird.

I. Rechtlicher Rahmen

A.   Zollkodex

3.

Art. 15 („Übermittlung von Informationen an die Zollbehörden“) Abs. 2 bestimmt:

„Der Beteiligte ist mit Abgabe einer Zollanmeldung … für alle folgenden Umstände verantwortlich

a)

für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Informationen in der Anmeldung, der Mitteilung oder dem Antrag,

…“

4.

In Art. 48 („Nachträgliche Kontrolle“) heißt es:

„Zum Zwecke der Zollkontrollen können die Zollbehörden die Richtigkeit und Vollständigkeit der gemachten Angaben in einer Zollanmeldung … sowie das Vorhandensein und die Echtheit, Richtigkeit und Gültigkeit gegebenenfalls beigefügter Unterlagen überprüfen und die Buchhaltung des Anmelders und andere Aufzeichnungen über die die fraglichen Waren betreffenden Arbeitsvorgänge … nach Überlassung der Waren prüfen.“

5.

Art. 70 („Zollwertbestimmung auf der Grundlage des Transaktionswerts“) bestimmt:

„(1)   Die vorrangige Grundlage für den Zollwert von Waren ist der Transaktionswert, das heißt der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, der erforderlichenfalls anzupassen ist.

(2)   Der tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis ist die vollständige Zahlung, die der Käufer an den Verkäufer oder der Käufer an einen Dritten zugunsten des Verkäufers für die eingeführten Waren leistet oder zu leisten hat, und schließt alle Zahlungen ein, die als Voraussetzung für den Verkauf der eingeführten Waren tatsächlich geleistet werden oder zu leisten sind.

(3)   Der Transaktionswert ist anwendbar, wenn alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

b)

der Verkauf oder der Preis unterliegt keinen Bedingungen oder Leistungen, deren Wert im Hinblick auf die zu bewertenden Waren nicht bestimmt werden kann,

…“

6.

Art. 71 („Bestandteile des Transaktionswerts“) und Art. 72 („Nicht in den Zollwert einbezogene Bestandteile“) sehen die Anpassungen vor, die bei der Ermittlung des Zollwerts nach Art. 70 vorzunehmen sind ( 3 ).

7.

In Art. 73 („Vereinfachung“) heißt es:

„Die Zollbehörden können auf Antrag bewilligen, dass die folgenden Beträge auf der Grundlage besonderer Kriterien festgelegt [werden], wenn [sie] sich zu dem Zeitpunkt, zu dem die Zollanmeldung angenommen wird, nicht bestimmen [lassen]:

a)

Beträge, die gemäß Artikel 70 Absatz 2 in den Zollwert einzurechnen sind, und

b)

Beträge im Sinne der Artikel 71 und 72“ ( 4 ).

8.

Art. 74 („Nachrangige Methoden der Zollwertbestimmung“) bestimmt:

„(1)   Kann der Zollwert von Waren nicht nach Artikel 70 bestimmt werden, so werden die Voraussetzungen des Absatzes 2 Buchstaben a bis d nacheinander geprüft, bis der erste Buchstabe erreicht ist, nach dem der Zollwert der Waren bestimmt werden kann.

(2)   Der Zollwert nach Absatz 1 ist

a)

der Transaktionswert gleicher Waren …,

b)

der Transaktionswert ähnlicher Waren …,

c)

… der Wert auf der Grundlage des Preises je Einheit …, oder

d)

der errechnete Wert, bestehend aus der Summe folgender Elemente:

i)

Kosten oder Wert des Materials, der Herstellung sowie sonstiger Be- oder Verarbeitungen, die bei der Erzeugung der eingeführten Waren anfallen,

ii)

Betrag für Gewinn und Gemeinkosten …,

iii)

Kosten oder Wert aller anderen in Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe e genannten Elemente.

(3)   Kann der Zollwert nicht nach Absatz 1 bestimmt werden, so erfolgt die Bestimmung auf der Grundlage von im Zollgebiet der Union verfügbaren Daten und unter Einsatz sinnvoller Hilfsmittel entsprechend den Grundsätzen und allgemeinen Bestimmungen aller folgenden Rechtsinstrumente:

a)

des Übereinkommens zur Durchführung von Artikel VII des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens,

b)

des Artikels VII des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens,

c)

dieses Kapitels“ ( 5 ).

9.

Art. 101 („Festsetzung des Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbetrags“) sieht vor:

„(1)   Der zu entrichtende Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbetrag wird von den Zollbehörden … festgesetzt, sobald die erforderlichen Angaben vorliegen.

(2)   Unbeschadet des Artikels 48 können die Zollbehörden den vom Anmelder bestimmten Betrag der zu entrichtenden Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben anerkennen.

…“

10.

In Art. 166 („Vereinfachte Zollanmeldung“) Abs. 1 heißt es:

„Die Zollbehörden können zulassen, dass eine Person Waren aufgrund einer vereinfachten Zollanmeldung, in der auf bestimmte der in Artikel 162 genannten Angaben oder der in Artikel 163 genannten Unterlagen verzichtet werden kann, in ein Zollverfahren überführt.“

11.

Art. 167 („Ergänzende Zollanmeldung“) sieht vor:

„(1)   Im Falle einer vereinfachten Zollanmeldung nach Artikel 166 … gibt der Anmelder bei der zuständigen Zollstelle innerhalb einer bestimmten Frist eine ergänzende Anmeldung mit den Angaben ab, die für das betreffende Zollverfahren erforderlich sind ( 6 ).

Im Falle einer vereinfachten Zollanmeldung nach Artikel 166 müssen die erforderlichen Unterlagen innerhalb einer bestimmten Frist im Besitz des Anmelders sein und für die Zollbehörden bereitgehalten werden.

Die ergänzende Anmeldung kann globaler, periodischer oder zusammenfassender Art sein.

(4)   Die in Artikel 166 genannte vereinfachte Zollanmeldung oder die Anschreibung in der Buchführung des Anmelders gemäß Artikel 182 und die ergänzende Zollanmeldung gelten zusammen als eine untrennbare Willenserklärung, die zum Zeitpunkt der Annahme der vereinfachten Zollanmeldung nach Artikel 172 beziehungsweise zum Zeitpunkt der Anschreibung der Waren in der Buchführung des Anmelders wirksam wird.

…“

12.

Art. 172 („Annahme der Zollanmeldung“) Abs. 2 lautet:

„Sofern nichts anderes bestimmt ist, ist der Zeitpunkt der Annahme der Anmeldung durch die Zollbehörden maßgebend für die Anwendung der Vorschriften über das Zollverfahren, zu dem die Waren angemeldet werden, sowie für alle anderen Ein- oder Ausfuhrformalitäten“.

13.

Art. 173 („Änderung der Zollanmeldung“) bestimmt:

„(1)   Dem Anmelder wird auf Antrag nach Annahme der Zollanmeldung durch die Zollbehörden gestattet, eine oder mehrere in der Zollanmeldung enthaltene Angaben zu ändern. Die Änderung darf nicht zur Folge haben, dass sich die Zollanmeldung auf andere als die ursprünglich angemeldeten Waren bezieht.

(3)   Die Änderung der Zollanmeldung kann auf Antrag des Anmelders innerhalb von drei Jahren nach der Annahme der Zollanmeldung auch nach Überlassung der Waren gestattet werden, damit der Anmelder seine Pflichten aus der Überführung der Waren in das betreffende Zollverfahren erfüllen kann“.

B.   Richtlinie 2006/112/EG ( 7 )

14.

Art. 85 bestimmt:

„Bei der Einfuhr von Gegenständen ist die Steuerbemessungsgrundlage der Betrag, der durch die geltenden Gemeinschaftsvorschriften als Zollwert bestimmt ist“.

II. Sachverhalt, Rechtsstreit und Vorlagefragen

15.

Der in der Vorlageentscheidung enthaltene Sachverhalt stellt sich wie folgt dar:

Der Kauno teritorinė muitinė (Regionales Zollamt Kaunas, Litauen) ( 8 ) führte gemäß einer Entscheidung vom 26. Mai 2017 für den Zeitraum vom 1. Oktober 2015 bis zum 30. April 2017 eine Steuerprüfung der „Tauritus“ UAB durch.

Das Regionale Zollamt stellte fest, dass Tauritus in diesem Zeitraum verschiedene Mengen an Diesel und Kraftstoff von unterschiedlichen Lieferanten erworben und in das Hoheitsgebiet der Republik Litauen eingeführt hatte.

Die mit den Lieferanten geschlossenen Verträge und die durch diese ausgestellten Pro‑forma-Rechnungen wiesen den von Tauritus für den Kauf der Waren zu zahlenden vorläufigen Preis aus.

Bei der Anmeldung des auf diese Weise erworbenen und eingeführten Kraftstoffs zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr und zur Vermarktung gab Tauritus in den Einfuhranmeldungen den vorläufigen Preis als Zollwert der Waren an. Sie gab ferner in diesen Anmeldungen als Methode zur Ermittlung des Zollwerts der Waren die in Art. 74 Abs. 3 des Zollkodex vorgesehene Methode an.

Nach den Bestimmungen der Lieferantenverträge wurde der vorläufige Preis nachträglich angepasst, um den nach der Einfuhr der Waren aufgetretenen Umständen, wie den durchschnittlichen Kraftstoffpreisen auf dem Markt für den einschlägigen Zeitraum und dem durchschnittlichen Wechselkurs für den einschlägigen Zeitraum, Rechnung zu tragen.

Tauritus und ihre Lieferanten kamen über diesen angepassten Preis (im Folgenden: Endpreis) durch zusätzliche, dem Vertrag beigefügte Vereinbarungen überein, auf deren Grundlage die Lieferanten die geänderten Rechnungen ausstellten. In Abhängigkeit von den Marktpreis- und Wechselkursschwankungen lag der Endpreis in einigen Fällen höher als der vorläufige Preis und in anderen Fällen niedriger.

Nachdem Tauritus die geänderten Rechnungen der Lieferanten erhalten hatte, beantragte sie eigenständig eine Anpassung des in ihren Einfuhranmeldungen angegebenen Warenwerts.

Die genannte Prüfung ergab, dass Tauritus im Zeitraum vom 29. September 2016 bis zum 1. Februar 2017 13 Einfuhranmeldungen (im Folgenden: in Rede stehende Anmeldungen) beim Regionalen Zollamt eingereicht hatte, in denen sie den mit den Lieferanten vereinbarten vorläufigen Preis als Zollwert für den eingeführten Kraftstoff angegeben hatte.

Am 6. Februar 2017 und am 15. März 2017 stellten die Lieferanten der Gesellschaft geänderte Rechnungen aus, die Endpreise für die eingeführten Kraftstoffe auswiesen, die höher als der in den in Rede stehenden Anmeldungen angegebene Zollwert waren.

Anders als in früheren Fällen beantragte Tauritus bei den Zollbehörden keine Anpassung des in den in Rede stehenden Anmeldungen angegebenen Zollwerts und entrichtete die zusätzliche Einfuhrumsatzsteuer (Mehrwertsteuer) nicht vor dem Beginn der Prüfung (26. Mai 2017) an den Fiskus ( 9 ).

Das Regionale Zollamt erkannte auf der Grundlage der in Art. 70 Abs. 1 des Zollkodex genannten Wertbestimmungsmethode den in den geänderten Rechnungen genannten Endpreis als Zollwert der Waren an und erlegte Tauritus die Zahlung von Verzugszinsen für die Einfuhrumsatzsteuer für den Zeitraum von der Annahme der in Rede stehenden Anmeldungen durch die Zollbehörden bis zum Tag der Erstellung des Berichts des Regionalen Zollamts auf ( 10 ).

16.

Tauritus, die mit der Entscheidung des Regionalen Zollamts nicht einverstanden war, brachte die Streitigkeit nacheinander vor den Muitinės departamentas prie Lietuvos Respublikos finansų ministerijos (dem Finanzministerium der Republik Litauen eingegliederte Zollabteilung), die Mokestinių ginčų komisija prie Lietuvos Respublikos Vyriausybės (Kommission für Steuerstreitigkeiten bei der Regierung der Republik Litauen) und den Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionalverwaltungsgericht Vilnius, Litauen), die feststellten, dass die Berechnung der Verzugszinsen gerechtfertigt gewesen sei.

17.

Tauritus legte gegen das Urteil des erstinstanzlichen Gerichts ein Rechtsmittel beim Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht Litauens) ein, das die Streitigkeit mit Urteil vom 17. Juni 2020 zur erneuten Prüfung an die Zollverwaltung zurückverwies.

18.

Nach Ansicht des Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht Litauens) hatte die Zollbehörde den Zollwert der Waren zu Unrecht auf der Grundlage der Transaktionswertmethode bestimmt. Die Anwendbarkeit von Art. 70 Abs. 1 des Zollkodex könne nicht auf einen Endpreis gestützt werden, der im Zeitpunkt der Einfuhr der Waren und der Abgabe der ursprünglichen Anmeldungen nicht bekannt gewesen sei und auch nicht habe bekannt sein können.

19.

Die Streitigkeit wurde an die Zollverwaltung zurückverwiesen, die, mit Entscheidung der Zollabteilung vom 31. Dezember 2020, die die Entscheidung des Regionalen Zollamts bestätigte, erneut die Verpflichtung von Tauritus zur Zahlung von Verzugszinsen feststellte. Sie führt Folgendes aus:

Nachdem Tauritus von den Lieferanten die geänderten Rechnungen, die den Endpreis enthalten hätten, erhalten habe, sei sie verpflichtet gewesen, den Zollwert der Waren gemäß Art. 70 Abs. 1 des Zollkodex zu berechnen und dabei den in diesen geänderten Rechnungen angegebenen Endpreis als Transaktionswert zugrunde zu legen.

Die Zollbehörde sei, da Tauritus dieser Pflicht nicht vor dem Beginn der Prüfung durch die Zollbehörde nachgekommen sei, dazu berechtigt, die Verzugszinsen ab dem Zeitpunkt der Abgabe der ursprünglichen Anmeldungen zu berechnen.

20.

Nachdem diese Entscheidung vom Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionalverwaltungsgericht Vilnius) mit Urteil vom 19. Januar 2022 bestätigt worden war, legte Tauritus ein weiteres Rechtsmittel beim Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht Litauens) ein, das dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorlegt:

1.

Ist Art. 70 des Zollkodex dahin auszulegen, dass Abs. 1 dieser Bestimmung in einem Fall wie dem vorliegenden keine Anwendung findet, wenn im Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung und aufgrund des Verkaufs, der unmittelbar vor der Überführung der Waren in das Zollgebiet erfolgte, nur der vorläufig zu zahlende Preis bekannt ist, der nachträglich (d. h. nach Abgabe der Anmeldung und Überlassung der Waren zum zollrechtlich freien Verkehr) aufgrund außerhalb des Einflussbereichs der Geschäftsparteien liegender Umstände, die im Zeitpunkt der Anmeldung nicht bekannt waren, nach oben oder nach unten angepasst wird?

2.

Ist Art. 173 Abs. 3 des Zollkodex dahin auszulegen, dass der Anmelder nicht verpflichtet ist, bei den Zollbehörden eine Änderung des angemeldeten Zollwerts zu beantragen, der nach Art. 74 des Zollkodex bestimmt wurde, wenn in einem Fall wie dem vorliegenden der für die Waren tatsächlich zu zahlende Preis im Sinne von Art. 70 Abs. 1 des Zollkodex, der im Zeitpunkt der Abgabe der Anmeldung nicht bekannt war und nicht bekannt sein konnte, nach Überlassung der Waren zum zollrechtlich freien Verkehr bekannt wird?

III. Verfahren vor dem Gerichtshof

21.

Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 19. Dezember 2023 beim Gerichtshof eingegangen.

22.

Die spanische und die litauische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen abgegeben.

23.

Zur mündlichen Verhandlung am 6. November 2024 sind die spanische, die französische und die litauische Regierung sowie die Kommission erschienen.

IV. Würdigung

A.   Einleitende Erwägungen

24.

Wie ich bereits ausgeführt habe, geht es in dem Rechtsstreit um die Bestimmung des Betrags der Verzugszinsen, die von einer Gesellschaft nach Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer verlangt werden.

25.

Der Rechtsstreit betrifft die Methode, die zur Ermittlung des Zollwerts der eingeführten Waren verwendet wird ( 11 ). Von diesem Wert hängt die Höhe der Steuerschuld und folglich die Berechnung der zu zahlenden Verzugszinsen ab.

26.

Tauritus hat insbesondere den Zollwert nach der in Art. 74 Abs. 3 des Zollkodex genannten nachrangigen Methode ermittelt. Diese Methode ist für den Fall vorgesehen, dass es nicht möglich ist, die vorrangige Methode nach Art. 70 des Zollkodex anzuwenden ( 12 ). Die Zollbehörde spricht sich hingegen dafür aus, im vorliegenden Fall diese vorrangige Methode anzuwenden.

27.

Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass der Rechtsstreit „nur den Betrag der von der Rechtsmittelführerin verlangten Verzugszinsen betrifft“ und dieser Betrag seiner Ansicht nach „in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Betrag der Steuerrückstände und dem Zeitpunkt steht, in dem die Pflicht zur Erfüllung der Steuerschuld entsteht“ ( 13 ).

28.

Das vorlegende Gericht stellt dem Gerichtshof jedoch keine Frage nach der zeitlichen Reichweite von Verzugszinsen, d. h. nach dem Zeitpunkt, ab dem sie zu zahlen sind. Zu diesem Punkt schweigt das Vorabentscheidungsersuchen, was impliziert, dass die Frage nach dem Anfangs- und dem Enddatum für die Berechnung der Zinsen, die nicht Gegenstand der Vorlagefragen sind, offengelassen wird.

29.

Was den „Betrag der Steuerrückstände“, betrifft, bei dem es sich um den anderen vom vorlegenden Gericht angeführten Faktor handelt, so scheint alles darauf hinzudeuten, dass Tauritus den Betrag der letztlich verlangten Mehrwertsteuer als solchen nicht angefochten hat. Sollte dies so sein (was das vorlegende Gericht zu prüfen hat), muss dies so verstanden werden, dass sie den Zollwert – und damit die Steuerbemessungsgrundlage – der Waren für die Zwecke der Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer stillschweigend akzeptiert hat.

30.

In diesem Zusammenhang ist auf den hypothetischen Charakter der Feststellung des vorlegenden Gerichts hinzuweisen, auf der die Vorlageentscheidung beruht: „[Es] wäre … im vorliegenden Fall … nicht möglich, die in Rede stehenden Verzugszinsen für (teilweise) gerechtfertigt zu erklären, wenn festgestellt würde, dass der Zollwert, d. h. auch der Steuerwert, fehlerhaft bestimmt wurde“ ( 14 ).

31.

Wenn der Schuldner keine Einwände gegen den Betrag der „Steuerrückstände“ (für die Mehrwertsteuer) erhebt, der gerade auf der Grundlage des Transaktionswerts festgesetzt wurde, sehe ich keine Notwendigkeit, diesen Transaktionswert nun im Hinblick auf die Zahlung von Verzugszinsen zu erörtern ( 15 ).

32.

In der mündlichen Verhandlung wurden daher gewisse Zweifel am Nutzen der Antwort geäußert, die der Gerichtshof dem vorlegenden Gericht geben könnte. Bei Einstufung seiner Fragen als hypothetisch (d. h. für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht unbedingt erforderlich) ( 16 ) wäre das Vorabentscheidungsersuchen unzulässig.

33.

Jedenfalls werde ich mich für den Fall, dass der Gerichtshof beschließt, die Vorlagefragen auf der Grundlage einer Vermutung der Entscheidungserheblichkeit in der Sache zu prüfen, zu diesen äußern.

B.   Erste Vorlagefrage

34.

Das vorlegende Gericht ersucht um Auslegung von Art. 70 des Zollkodex. Es möchte wissen, ob dessen Abs. 1 in einem Fall Anwendung findet, in dem „im Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung und aufgrund des Verkaufs, der unmittelbar vor der Überführung der Waren in das Zollgebiet erfolgte, nur der vorläufig zu zahlende Preis bekannt ist, der nachträglich (d. h. nach Abgabe der Anmeldung und Überlassung der Waren zum zollrechtlich freien Verkehr) aufgrund außerhalb des Einflussbereichs der Geschäftsparteien liegender Umstände, die im Zeitpunkt der Anmeldung nicht bekannt waren, nach oben oder nach unten angepasst wird“.

35.

Der Gerichtshof hat bereits über die Ermittlung des Zollwerts von eingeführten Waren befunden. Seine Rechtsprechung enthält folgende Feststellungen:

„[M]it der unionsrechtlichen Zollwertregelung [soll] ein gerechtes, einheitliches und neutrales System errichtet werden …, das die Anwendung willkürlicher oder fiktiver Zollwerte ausschließt. Der Zollwert muss daher den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert einer eingeführten Ware widerspiegeln und folglich alle Elemente dieser Ware, die einen wirtschaftlichen Wert haben, berücksichtigen“ ( 17 ).

„Konkret wird der Zollwert eingeführter Waren nach Art. 29 [(jetzt Art. 70)] des Zollkodex durch ihren Transaktionswert gebildet, d. h. durch den für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis, vorbehaltlich jedoch der gemäß Art. 32 [(jetzt Art. 71)] des Zollkodex gegebenenfalls vorzunehmenden Berichtigungen“ ( 18 ).

„[D]er Zollwert eingeführter Waren [ist] vorrangig nach der sogenannten Transaktionswertmethode zu ermitteln … Diese Methode zur Ermittlung des Zollwerts dürfte die am besten geeignete und am häufigsten verwendete sein“ ( 19 ).

„Der für die Waren tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis bildet somit grundsätzlich die Grundlage der Zollwertermittlung, auch wenn er ein Faktor ist, der gegebenenfalls Berichtigungen unterliegt, sofern dies erforderlich ist, um die Ermittlung eines willkürlichen oder fiktiven Zollwerts zu verhindern“ ( 20 ).

36.

In Anbetracht dieser Kriterien sollte die vorrangige Wertbestimmungsmethode (Art. 70 des Zollkodex) grundsätzlich auf den Ausgangsrechtsstreit angewendet werden. Anders als einige Beteiligte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben, steht es dem Importeur nicht frei, die Methode der Wertbestimmung der Waren nach eigenem Ermessen zu wählen. Diese Ansicht scheint mir falsch zu sein und im Widerspruch zu der Annahme zu stehen, dass es eine Hierarchie unter den aufeinander folgenden Wertbestimmungsmethoden gibt, die der Zollkodex selbst ausdrücklich vorsieht.

37.

Ich gehe vielmehr davon aus, dass der Importeur die Methode anzuwenden hat, die den Bedingungen des jeweiligen Vorgangs angemessen ist. Er kann nur dann von der Anwendung der vorrangigen Methode (nach Art. 70 des Zollkodex) absehen, wenn die darin festgelegten Bedingungen nicht erfüllt sind. Nur in einem solchen Fall kann er die nachrangige Methode (nach Art. 74 Abs. 1 des Zollkodex), die den Umständen der Einfuhr am besten entspricht, und zuletzt die Auffangmethode nach Art. 74 Abs. 3 des Zollkodex anwenden.

38.

Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist die (verpflichtende) Anwendung der Methode nach Art. 70 des Gemeinschaftskodex im vorliegenden Fall aus mehreren Gründen abzulehnen:

Im Zeitpunkt der Abgabe der Zollanmeldung konnte der tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis nicht bekannt sein.

Nach Art. 70 Abs. 3 des Zollkodex ist die Anwendung des Transaktionswerts ausgeschlossen, wenn der Preis Bedingungen unterliegt, deren Wert im Hinblick auf die Waren nicht bestimmt werden kann.

Wenn der Endpreis im Zeitpunkt der Abgabe der Zollanmeldung nicht bekannt ist, kann vom Anmelder nicht verlangt werden, dass er die Transaktionswertmethode anwendet, da er nach Art. 15 Abs. 2 Buchst. a des Zollkodex für die Richtigkeit und Vollständigkeit der in der Anmeldung enthaltenen Informationen verantwortlich ist.

Nach dem Urteil in der Rechtssache Hamamatsu Photonics Deutschland kann nicht zugelassen werden, „als Zollwert einen vereinbarten Transaktionswert zugrunde zu legen, der sich teilweise aus einem zunächst in Rechnung gestellten und angemeldeten Betrag und teilweise aus einer pauschalen Berichtigung nach Ablauf des Abrechnungszeitraums zusammensetzt, [die] nach oben oder nach unten erfolgen wird“ ( 21 ).

39.

Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts würden die von ihm aufgezählten Umstände zur Anwendung einer der in Art. 74 des Zollkodex vorgesehenen nachrangigen (Auffang‑)Wertbestimmungsmethoden, im vorliegenden Fall konkret zur Anwendung der Methode nach Abs. 3 dieses Artikels, führen.

40.

In Anbetracht aller dem Gerichtshof zur Verfügung gestellten Informationen spricht meines Erachtens nichts gegen die Anwendung von Art. 70 Abs. 1 des Zollkodex in dieser Rechtssache, denn:

Die vorrangige Grundlage für die Ermittlung des Zollwerts ist der Transaktionswert, d. h. der für die Waren tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, der zum Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung ermittelt wird und alle Zahlungen einschließt, die als Voraussetzung für den Verkauf der Waren tatsächlich geleistet wurden oder zu leisten sind.

Der Transaktionswert kann (und muss) nachträglich angepasst werden, sofern Art. 70 Abs. 1 des Zollkodex eingehalten wird und Art. 70 Abs. 3 Buchst. b des Zollkodex beachtet wird. Hierzu ist erforderlich, dass „der Verkauf oder der Preis … keinen Bedingungen [unterliegt], deren Wert im Hinblick auf die … Waren nicht bestimmt werden kann“.

41.

Der von Tauritus angegebene Preis war jedoch, wie in den Kaufverträgen über die Waren vereinbart, vorläufig ( 22 ). In diesen Verträgen und ihren Anhängen wird darauf hingewiesen, dass der Endpreis von zwei Faktoren abhängt, die erst nach der Einfuhr bekannt sein können, nämlich: die durchschnittlichen Kraftstoffpreise auf dem Markt und der durchschnittliche Wechselkurs ( 23 ).

42.

Beide Faktoren stellen „Verkaufsbedingungen“ im Sinne von Art. 70 Abs. 1 und Abs. 3 Buchst. b des Zollkodex dar. Als solche führen sie zur Bezifferung von Zahlungen, die im Rahmen der vertraglichen Beziehungen zwischen dem Käufer und dem Verkäufer für diesen eine derartige Bedeutung aufweisen, dass der Verkauf ohne sie letztlich nicht vorgenommen würde ( 24 ).

43.

Es ist zutreffend, dass es sich um Zahlungen handelte, deren Betrag im Zeitpunkt der Zollanmeldung nicht vollständig bestimmt war. Aufgrund der Bedingungen für deren endgültige Berechnung waren diese jedoch bereits bei der Unterzeichnung der Verträge ohne Weiteres bestimmbar. Nur wenn dies nicht der Fall wäre, wäre die Transaktionswertmethode gemäß Art. 70 Abs. 3 Buchst. b auszuschließen.

44.

Wie die spanische Regierung – mit Zustimmung seitens der französischen Regierung – in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, hingen die beiden Verkaufsbedingungen (durchschnittliche Kraftstoffpreise und durchschnittlicher Wechselkurs) nicht vom ausschließlichen Willen einer der Vertragsparteien ab, sondern von objektiven, äußeren Umständen. Die Feststellung dieser Umstände war für die Zollbehörden, bei denen der Anmelder den letztlich gezahlten Preis nachweisen konnte, nachdem er die vereinbarten Anpassungen, die sich aus öffentlich bekannt gegebenen Faktoren ergaben, zum vorläufigen Preis hinzugerechnet oder von ihm abgezogen hatte, leicht nachprüfbar.

45.

Entgegen der anscheinend vom vorlegenden Gericht vertretenen Auffassung ( 25 ) bin ich der Ansicht, dass sich die Erwägungen, die den Gerichtshof zum Erlass des Urteils Hamamatsu Photonics Deutschland veranlasst haben, nicht auf den vorliegenden Fall übertragen lassen. In dieser Einschätzung stimme ich mit der einhelligen Ansicht überein, die die Regierungen, die an der mündlichen Verhandlung teilgenommen haben, und die Kommission in der mündlichen Verhandlung vertreten haben.

46.

Die von Tauritus abgeschlossenen Verträge sahen vor, dass der Endpreis, anders als in der Rechtssache Hamamatsu Photonics Deutschland, von leicht nachprüfbaren objektiven Bedingungen abhing. In der Rechtssache Hamamatsu Photonics Deutschland kaufte ein Unternehmen von seiner Muttergesellschaft Waren, die zu konzerninternen Preisen in Rechnung gestellt wurden, und die Summe der in Rechnung gestellten Produkte wurde auf der Grundlage der sogenannten Restgewinnaufteilungsmethode regelmäßig überprüft und gegebenenfalls korrigiert. Diese Methode bestand darin, die Zuteilung eines Mindestgewinns mit der proportionalen Aufteilung eines Restgewinns und der Festlegung einer Zielbandbreite zu kombinieren, die die Gutschriften oder Nachbelastungen bestimmte ( 26 ).

47.

Die Bedingungen für die Ermittlung des Wertes der Waren in der Rechtssache Hamamatsu Photonics Deutschland waren also wesentlich komplexer und insbesondere für die Zollbehörde schwieriger zu überprüfen als im vorliegenden Fall. Ich gehe daher davon aus, dass die aus diesem Urteil hervorgehende Rechtsauffassung nicht auf das vorliegende Verfahren übertragen werden kann.

48.

Im Ergebnis bin ich der Ansicht, dass die vorrangige Methode nach Art. 70 Abs. 1 des Zollkodex unter Umständen wie denen des Ausgangsrechtsstreits angezeigt war. Der für die eingeführten Waren tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis (der, wie ich bereits ausgeführt habe, in der Regel die Grundlage für die Berechnung des Zollwerts ist) konnte nachträglich auf der Grundlage von Faktoren, die bereits im Kaufvertrag vorgesehen waren und leicht objektivierbar sind, angepasst werden, um den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert dieser Waren widerzuspiegeln.

C.   Zweite Vorlagefrage

49.

Das vorlegende Gericht ersucht um Auslegung von Art. 173 Abs. 3 des Zollkodex. Es möchte insbesondere wissen, ob der Anmelder verpflichtet ist, bei den Zollbehörden eine Änderung des angemeldeten Zollwerts zu beantragen, der nach Art. 74 des Kodex bestimmt wurde, wenn „der für die Waren tatsächlich zu zahlende Preis im Sinne von Art. 70 Abs. 1 des [Zollkodex], der im Zeitpunkt der Abgabe der Anmeldung nicht bekannt war und nicht bekannt sein konnte, nach Überlassung der Waren zum zollrechtlich freien Verkehr bekannt wird“.

50.

Die Antwort auf die zweite Vorlagefrage könnte sich erübrigen, wenn bestätigt wird, dass der Transaktionswert im vorliegenden Fall nach der vorrangigen Methode nach Art. 70 des Zollkodex zu berechnen war.

51.

In Anbetracht des Wortlauts der zweiten Frage des vorlegenden Gerichts werde ich mich bei meiner Würdigung jedenfalls auf diese Methode konzentrieren; dies erfordert eine Klärung des Mechanismus zur Anpassung des Endpreises, wenn dessen Berechnung von bestimmten zukünftigen (aber leicht objektivierbaren) Faktoren abhängt.

52.

In diesem Fall wird die Anpassung des Endpreises in einem zweistufigen Verfahren vorgenommen: a) im Zeitpunkt der Zollanmeldung, wenn nur der vorläufige Preis bekannt ist, b) im Zeitpunkt der Festlegung des Endpreises der überlassenen Waren nach Erfüllung der noch ausstehenden Verkaufsbedingungen.

53.

Zu diesem Zweck sieht der Zollkodex zwei Mechanismen vor:

Erstens den in Art. 166 des Zollkodex geregelten Mechanismus: Es wird zugelassen, dass „eine Person Waren aufgrund einer vereinfachten Zollanmeldung, in der auf bestimmte der in Artikel 162 genannten Angaben oder der in Artikel 163 genannten Unterlagen verzichtet werden kann, in ein Zollverfahren überführt“ ( 27 ). Zur vereinfachten Zollanmeldung kommt eine ergänzende Zollanmeldung nach Art. 167 des Zollkodex hinzu.

Zweitens den in Art. 73 des Zollkodex geregelten Mechanismus: Die Zollbehörden können bewilligen, dass bestimmte Beträge „auf der Grundlage besonderer Kriterien festgelegt werden, wenn [sie] sich zu dem Zeitpunkt, zu dem die Zollanmeldung angenommen wird, nicht bestimmen [lassen]“.

54.

Entsprechend dem Mechanismus nach Art. 166 des Zollkodex meldet der Importeur zunächst den vorläufigen Preis der Waren und zu gegebener Zeit mit der ergänzenden Zollanmeldung (Art. 167 des Zollkodex) den Endpreis an.

55.

Der Mechanismus nach Art. 73 des Zollkodex bleibt dagegen Beträgen vorbehalten, die im Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung nur auf der Grundlage besonderer, von den Zollbehörden festgelegter Kriterien bestimmt werden können.

56.

Angesichts der tatsächlichen Umstände des Rechtsstreits bin ich der Ansicht, dass auf den Mechanismus nach Art. 166 – und nicht nach Art. 73 – des Zollkodex zurückgegriffen werden musste, da die beiden in den Kaufverträgen festgelegten Berechnungsfaktoren (durchschnittlicher Kraftstoffpreis und durchschnittlicher Wechselkurs) dazu führten, dass die Höhe des Endpreises im Zeitpunkt der Zollanmeldung bestimmbar war. Es reichte also aus, bis zur ergänzenden Anmeldung nach Art. 167 auf die vereinfachte Anmeldung nach Art. 166 des Zollkodex zurückzugreifen.

57.

Da es Faktoren gibt, die es an sich schon ermöglichen, die Beträge zur Ermittlung des Zollwerts zu bestimmen, ist der Rückgriff auf den Mechanismus nach Art. 73 des Zollkodex, d. h. mittels Festlegung anderer besonderer Kriterien, nicht erforderlich.

58.

Der Mechanismus der Art. 166 und 167 des Zollkodex erfüllt nicht nur die Anforderungen an die Richtigkeit (Art. 15 des Zollkodex), sondern stellt letztendlich auch sicher, dass der tatsächliche wirtschaftliche Wert der Waren ermittelt wird. Der Mechanismus nach Art. 73 des Zollkodex hingegen lässt eine derartige Richtigkeit nicht zu, da er auf der Grundlage von Kriterien angewandt wird, die zwar besonders sind, aber keinesfalls zu einem so genauen Ergebnis führen können wie das der Preisbestandteile, die den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der eingeführten Waren richtig bestimmen.

59.

Ich habe bereits erläutert, warum die von Tauritus angewandte nachrangige Wertbestimmungsmethode (nach Art. 74 Abs. 3 des Zollkodex) ungeeignet war. Es handelt sich dabei um eine reine Auffangmethode, die auf Fälle beschränkt ist, in denen es nicht einmal möglich ist, den Zollwert nach den in Art. 74 Abs. 1 vorgesehenen Methoden zu ermitteln. Diese Methoden wiederum sind nur anwendbar, wenn die vorrangige Methode nach Art. 70 des Zollkodex nicht angewendet werden kann, weil der Preis der Waren (Transaktionswert) Bedingungen unterliegt, deren Wert im Hinblick auf die Waren nicht bestimmt werden kann.

60.

Wenn, wie ich meine, die in den Verträgen zwischen Tauritus und ihren Lieferanten festgelegten Bedingungen es ermöglichten, den Endpreis leicht auf objektive Weise zu ermitteln, hätte die vorrangige Methode (Art. 70 des Zollkodex) angewandt werden müssen, um den tatsächlichen Wert der Transaktion zu bestimmen.

61.

Außerdem kann die Auffangmethode nach Art. 74 Abs. 3 des Zollkodex nicht durch das Änderungsverfahren gemäß Art. 173 des Zollkodex sozusagen auf natürliche Weise ergänzt werden. Mit anderen Worten, die beiden Bestimmungen können nicht so kombiniert werden, dass sie ein komplexes Verfahren bilden, so wie es bei den Art. 166 und 167 des Zollkodex der Fall ist.

62.

Die vereinfachte Zollanmeldung nach Art. 166 des Zollkodex findet nämlich in der ergänzenden Zollanmeldung nach Art. 167 des Zollkodex ihre notwendige Ergänzung, um eine vollständige Zollanmeldung zu bilden (beide „gelten zusammen als eine untrennbare Willenserklärung“ – gemäß Art. 167 Abs. 4 des Zollkodex).

63.

Unter diesen Umständen war, um beim Wortlaut der zweiten Vorlagefrage zu bleiben, Art. 173 des Zollkodex, der die „Änderung der Zollanmeldung“ vorsieht, nicht anwendbar.

64.

Die nach Art. 173 des Zollkodex zulässigen Änderungen zielen nicht darauf ab, eine vorläufige Vorabanmeldung zu ergänzen, sondern den Inhalt einer Anmeldung zu korrigieren, die zum betreffenden Zeitpunkt als abgeschlossene und vollständige Anmeldung abgegeben wurde. Es ist auch zu beachten, dass die Vornahme von Änderungen als Ausnahme vom Grundsatz der Unwiderruflichkeit der Zollanmeldung einer restriktiven Regelung unterliegt ( 28 ).

65.

Mit anderen Worten: Zollanmeldungen, die einen Endpreis widerspiegeln, der keiner nachträglichen Anpassung unterzogen wird, können gegebenenfalls unter Rückgriff auf Art. 173 des Zollkodex geändert (jedoch nicht ergänzt) werden. Dagegen unterliegen Anmeldungen, die einen vorläufigen Preis enthalten, der späteren leicht nachprüfbaren Anpassungen unterliegt, den Art. 166 und 167 des Zollkodex.

66.

Wenn von Anfang an (bereits im Zeitpunkt der Anmeldung) bekannt ist, dass der Preis der Waren nur vorläufig ist, darf dies nicht vor der Zollverwaltung verborgen und zugewartet werden, bis der Endpreis bekannt ist, um ihn ihr durch eine Änderung der ursprünglichen Anmeldung nach Art. 173 des Zollkodex zur Kenntnis zu bringen.

67.

Damit die in der ursprünglichen Anmeldung enthaltenen Angaben gemäß Art. 15 Abs. 2 Buchst. a des Zollkodex richtig und vollständig sind, sind sie im Zeitpunkt der ursprünglichen Anmeldung mitzuteilen.

68.

Ich bin daher der Ansicht, dass unter den gegebenen Umständen die ursprüngliche Zollanmeldung in Form einer vereinfachten Zollanmeldung (Art. 166 des Zollkodex) zu erfolgen hatte, die anschließend gemäß Art. 167 des Zollkodex ergänzt würde. Es war nicht angezeigt, auf Art. 173 des Zollkodex zurückzugreifen, um eine nach Art. 74 Abs. 3 des Zollkodex abgegebene Zollanmeldung zu ändern, zwecks Korrektur von Angaben, deren Unvollständigkeit von vornherein bekannt war.

69.

Dies schließt selbstverständlich nicht aus, dass die Zollbehörden die Richtigkeit und Vollständigkeit der in den Zollanmeldungen enthaltenen Angaben im Rahmen einer Steuerprüfung überprüfen. Insbesondere sind die Zollbehörden berechtigt, den wirtschaftlichen Wert der eingeführten Waren (den tatsächlich gezahlten Preis nach den vorzunehmenden Anpassungen des vorläufigen Preises) zu überprüfen und die entsprechenden Konsequenzen für die Berechnung der Einfuhrmehrwertsteuer und der Verzugszinsen zu ziehen.

70.

Die zweite Vorlagefrage betrifft jedoch nicht die Kontrollbefugnisse der Zollbehörden.

V. Ergebnis

71.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht Litauens) wie folgt zu antworten:

1.

Art. 70 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union

ist dahin auszulegen, dass

er in einem Fall Anwendung findet, in dem im Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung und aufgrund des Verkaufs, der unmittelbar vor dem Verbringen der Waren in das Zollgebiet erfolgt ist, neben dem vorläufigen Preis die Bedingungen bekannt sind, nach denen der Endpreis bestimmt wird, sofern diese Bedingungen objektiven Kriterien entsprechen, die von der Zollbehörde leicht überprüft werden können, was das vorlegende Gericht zu beurteilen hat.

2.

Art. 173 Abs. 3 der Verordnung Nr. 952/2013

ist dahin auszulegen, dass

er dem Anmelder die Möglichkeit einräumt, auf Antrag eine oder mehrere Angaben in der Zollanmeldung zu ändern, wobei eine solche Änderung nicht die geeignete Methode darstellt, wenn die Abgabe einer ergänzenden Zollanmeldung nach Art. 167 der Verordnung Nr. 952/2013 angezeigt ist.


( 1 ) Originalsprache: Spanisch.

( 2 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. 2013, L 269, S. 1, berichtigt in ABl. 2016, L 317, S. 39). Im Folgenden: Zollkodex.

( 3 ) Die Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom 24. November 2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen des Zollkodex (ABl. 2015, L 343, S. 558) sieht in Art. 128 („Transaktionswert“) Abs. 1 vor:

„Der Transaktionswert der zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union verkauften Waren wird zum Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung aufgrund des unmittelbar vor dem Verbringen der Waren in das Zollgebiet erfolgten Verkaufs bestimmt“.

Art. 133 („Bewertung von Bedingungen und Leistungen“) dieser Durchführungsverordnung bestimmt:

„Unterliegt der Verkauf oder der Preis eingeführter Waren einer Bedingung oder der Erbringung einer Leistung, deren Wert im Hinblick auf die zu bewertenden Waren bestimmt werden kann, so gilt dieser Wert als Teil des tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preises …“

( 4 ) Art. 71 („Vereinfachung“) der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom 28. Juli 2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union (ABl. 2015, L 343, S. 1) in seiner auf den Sachverhalt anwendbaren Fassung bestimmt in Abs. 1:

„(1) Die Bewilligung nach Artikel 73 des Zollkodex kann erteilt werden, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a) Die Anwendung des Verfahrens nach Artikel 166 des Zollkodex würde einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand mit sich bringen.

b) Der festgelegte Zollwert würde sich nicht erheblich vom Zollwert unterscheiden, der festzulegen wäre, wenn keine Bewilligung vorläge“.

( 5 ) Art. 144 („Schlussmethode“) Abs. 1 der Durchführungsverordnung 2015/2447 bestimmt: „Zur Ermittlung des Zollwerts gemäß Artikel 74 Absatz 3 des Zollkodex ist eine angemessene Flexibilität bei der Anwendung des Artikels 70 und des Artikels 74 Absatz 2 des Zollkodex geboten. Der so ermittelte Zollwert soll möglichst auf schon früher ermittelten Zollwerten beruhen“.

( 6 ) In Art. 146 („Ergänzende Zollanmeldung“) der Delegierten Verordnung 2015/2446 in seiner auf den Sachverhalt anwendbaren Fassung heißt es:

„(1) Bei der buchmäßigen Erfassung des Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbetrags durch die Zollbehörden nach Artikel 105 Absatz 1 Unterabsatz 1 des Zollkodex muss die in Artikel 167 Absatz 1 des Zollkodex genannte ergänzende Zollanmeldung innerhalb von 10 Tagen nach der Überlassung der Waren abgegeben werden.

(2) Bei einer buchmäßigen Erfassung nach Artikel 105 Absatz 1 Unterabsatz 2 des Zollkodex und einer ergänzenden Zollanmeldung globaler, periodischer oder zusammenfassender Art beträgt der Zeitraum, auf den sich die ergänzende Zollanmeldung bezieht, höchstens einen Kalendermonat.

(3) Die Zollbehörden legen fest, innerhalb welcher Frist die ergänzende Zollanmeldung nach Absatz 2 abzugeben ist. Diese Frist beträgt höchstens 10 Tage ab dem Ende des Zeitraums, auf den sich die ergänzende Zollanmeldung bezieht.

…“

( 7 ) Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1).

( 8 ) Im Folgenden: Regionales Zollamt.

( 9 ) Nach den Ausführungen der litauischen Regierung in der mündlichen Verhandlung hat Tauritus nur dann (für sie günstige) Anpassungsanträge gestellt, wenn der endgültige Wert der Waren unter dem ursprünglich angegebenen vorläufigen Wert lag.

( 10 ) Bericht Nr. 7KM320048M vom 14. September 2017. Die Zinsen belaufen sich auf 4853 Euro.

( 11 ) Der Umfang der nach Art. 48 des Zollkodex zulässigen Kontrollbefugnisse, auf die sich die Kommission bezieht, ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits.

( 12 ) Nach Art. 70 des Zollkodex wird der „Transaktionswert“, der definiert wird als „der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, der erforderlichenfalls anzupassen ist“, als vorrangige Grundlage für die Berechnung herangezogen.

( 13 ) Vorlageentscheidung (Rn. 22).

( 14 ) Vorlageentscheidung (Rn. 22, a. E).

( 15 ) Das vorlegende Gericht schließt aus, dass die in der Rechtssache in Rede stehenden Transaktionen einen Betrug, einen Rechtsmissbrauch oder eine andere Form von Steuerhinterziehung implizieren.

( 16 ) Die litauische Regierung hat in der mündlichen Verhandlung auf diese Möglichkeit hingewiesen.

( 17 ) Urteil vom 20. Dezember 2017, Hamamatsu Photonics Deutschland (C‑529/16, EU:C:2017:984, im Folgenden: Urteil Hamamatsu Photonics Deutschland, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 18 ) Urteil vom 19. November 2020, 5th AVENUE Products Trading (C‑775/19, EU:C:2020:948, im Folgenden: Urteil 5th AVENUE Products Trading, Rn. 23).

( 19 ) Urteil 5th AVENUE Products Trading (Rn. 24).

( 20 ) Urteil 5th AVENUE Products Trading (Rn. 25).

( 21 ) Urteil Hamamatsu Photonics Deutschland (Rn. 35).

( 22 ) Dabei ist es unerheblich, dass für die Zollanmeldung zunächst Pro‑forma‑Rechnungen vorgelegt wurden. Art. 145 der Durchführungsverordnung 2015/2447 schließt diese Art von Rechnung nicht von den Belegen für den angemeldeten Transaktionswert aus, wenn es sich um einen vorläufigen Preis handelt, der später vervollständigt werden muss.

( 23 ) Ein solches Vorgehen ist in den Kaufverträgen, die die wichtigsten Teilnehmer auf dem Kraftstoffmarkt mit ihren Kunden abschließen, üblich. Wie die Kommission in den Rn. 29 und 30 ihrer schriftlichen Erklärungen dargelegt hat, ist im Rahmen des Übereinkommens zur Durchführung des Artikels VII des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens 1994 (ABl. 1994, L 336, S. 119) die Ermittlung des Zollwerts von Waren Teil eines Prozesses, in dem eine etwaige Preisanpassung nicht automatisch zum Ausschluss der Transaktionswertmethode führt.

( 24 ) In diesem Sinne Urteil 5th AVENUE Products Trading (Rn. 41).

( 25 ) Rn. 29 der Vorlageentscheidung unter Bezugnahme auf Rn. 35 des Urteils Hamamatsu Photonics Deutschland.

( 26 ) Urteil Hamamatsu Photonics Deutschland (Rn. 14 und 15).

( 27 ) Insbesondere bezieht sich Art. 162 des Zollkodex auf „alle Angaben …, die zur Anwendung der Vorschriften über das Zollverfahren, zu dem die Waren angemeldet werden, erforderlich sind“.

( 28 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juni 2023, Zes Zollner Electronic (C‑640/21, EU:C:2023:457, Rn. 41 bis 48).