BESCHLUSS DES GERICHTS (Große Kammer)

4. Juni 2024 ( *1 )

„Nichtigkeitsklage – Verordnung (EU) 2021/241 des Europäischen Parlaments und des Rates – Durchführungsbeschluss des Rates vom 17. Juni 2022 zur Billigung der Bewertung des Aufbau- und Resilienzplans Polens – Fehlende unmittelbare Betroffenheit – Unzulässigkeit“

In den verbundenen Rechtssachen T‑530/22 bis T‑533/22,

Magistrats européens pour la démocratie et les libertés (Medel) mit Sitz in Straßburg (Frankreich), vertreten durch C. Zatschler, E. Egan McGrath, SC, A. Bateman und M. Delargy, Solicitors,

Klägerinnen in der Rechtssache T‑530/22,

International Association of Judges, mit Sitz in Rom (Italien), vertreten durch C. Zatschler, E. Egan McGrath, SC, A. Bateman und M. Delargy, Solicitors,

Klägerin in der Rechtssache T‑531/22,

Association of European Administrative Judges mit Sitz in Trier (Deutschland), vertreten durch C. Zatschler, E. Egan McGrath, SC, A. Bateman und M. Delargy, Solicitors,

Klägerin in der Rechtssache T‑532/22,

Stichting Rechters voor Rechters mit Sitz in Den Haag (Niederlande), vertreten durch C. Zatschler, E. Egan McGrath, SC, A. Bateman und M. Delargy, Solicitors,

Klägerin in der Rechtssache T‑533/22,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Chavrier, J. Bauerschmidt, E. Rebasti und A. Sikora-Kalėda als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Ungarn, vertreten durch M. Fehér als Bevollmächtigter,

durch die

Republik Polen, vertreten durch B. Majczyna und S. Żyrek als Bevollmächtigte,

und durch die

Europäische Kommission, vertreten durch S. Delaude, K. Herrmann und T. Adamopoulos als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

erlässt

DAS GERICHT (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. van der Woude und der Richter S. Papasavvas, F. Schalin, R. da Silva Passos und J. Svenningsen, der Richterin M. Kancheva, des Richters E. Buttigieg, der Richterinnen V. Tomljenović und P. Škvařilová-Pelzl, des Richters I. Nõmm, der Richterin G. Steinfatt, der Richter D. Kukovec (Berichterstatter) und T. Tóth sowie der Richterinnen B. Ricziová und L. Spangsberg Grønfeldt,

Kanzler: V. Di Bucci,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens, insbesondere

der Entscheidung vom 11. November 2022, die Rechtssachen zu verbinden,

der vom Rat mit am 13. Dezember 2022 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Schriftsatz erhobenen Einrede der Unzulässigkeit und der Erklärungen der Klägerinnen,

des Beschlusses vom 19. Dezember 2022, im beschleunigten Verfahren zu entscheiden,

des Beschlusses vom 31. März 2023, die Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit dem Endurteil vorzubehalten,

der am 17. bzw. am 19. Juli 2023 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Streithilfeschriftsätze Ungarns, der Republik Polen und der Kommission sowie der Erklärungen der Hauptparteien,

des am 19. Februar 2024 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Schriftsatzes zur Anpassung der Klageschriften und der Erklärungen des Rates und der Kommission,

den vorliegenden

Beschluss

1

Mit ihren Klagen gemäß Art. 263 AEUV beantragen die Klägerinnen – die Magistrats européens pour la démocratie et les libertés (Medel) in der Rechtssache T‑530/22, die International Association of Judges (IAJ) in der Rechtssache T‑531/22, die Association of European Administrative Judges (AEAJ) in der Rechtssache T‑532/22 und die Stichting Rechters voor Rechters in der Rechtssache T‑533/22 – den Durchführungsbeschluss des Rates vom 17. Juni 2022 zur Billigung der Bewertung des Aufbau- und Resilienzplans der Republik Polen (im Folgenden: ursprünglicher Beschluss) in der Fassung des Durchführungsbeschlusses des Rates vom 8. Dezember 2023 (im Folgenden: angefochtener Beschluss) für nichtig zu erklären.

Vorgeschichte des Rechtsstreits und angefochtener Beschluss

2

Im Rahmen der durch die Verordnung (EU) 2021/241 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Februar 2021 zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität (ABl. 2021, L 57, S. 17) begründeten Aufbau- und Resilienzfazilität (im Folgenden: Fazilität) können den Mitgliedstaaten Mittel in Form eines finanziellen Beitrags, der gemäß Art. 2 Nr. 2 dieser Verordnung in einer nicht rückzahlbaren finanziellen Unterstützung besteht, oder in Form eines Darlehens zur Verfügung gestellt werden.

3

Am 17. Juni 2022 nahm der Rat den ursprünglichen Beschluss an. Die Annahme dieses Beschlusses wurde durch eine Pressemitteilung des Rates am selben Tag bekannt gegeben.

4

Am 31. August 2023 legte die Republik Polen der Kommission eine geänderte Fassung ihres Aufbau- und Resilienzplans vor.

5

Am 8. Dezember 2023 nahm der Rat einen Beschluss zur Änderung des ursprünglichen Beschlusses an. Dieser Beschluss ändert den ursprünglichen Beschluss u. a. durch die Aufnahme eines Kapitels „REPowerEU“ und durch die Anpassung des für den finanziellen Beitrag und das Darlehen verfügbaren Betrags. Die im Anhang des angefochtenen Beschlusses aufgeführten Etappenziele F1G, F2G und F3G, die sich auf die Reform des polnischen Justizsystems beziehen, blieben hingegen unverändert.

6

Der angefochtene Beschluss ist gemäß seinem Art. 4 an die Republik Polen gerichtet.

7

Mit dem angefochtenen Beschluss hat der Rat nach Art. 1 Satz 1 die Bewertung des Aufbau- und Resilienzplans der Republik Polen gebilligt.

8

Nach Art. 1 Satz 2 des angefochtenen Beschlusses werden die von der Republik Polen zu erreichenden Ziele und Zielwerte im Anhang dieses Beschlusses aufgeführt.

9

Nach Art. 2 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses wird der grundsätzlich zur Verfügung stehende Beitrag auf 25276853716 Euro beziffert.

10

Nach Art. 2 Abs. 2 des angefochtenen Beschlusses stellt die Kommission der Republik Polen den finanziellen Beitrag in mehreren Zahlungen gemäß dem Anhang dieses Beschlusses zur Verfügung. Die Zahlungen können von der Kommission in mehreren Teilzahlungen bereitgestellt werden.

11

Nach Art. 2 Abs. 3 des angefochtenen Beschlusses setzt die Freigabe der Zahlungen insbesondere voraus, dass die Kommission gemäß Art. 24 der Verordnung 2021/241 einen Beschluss erlassen hat, der anerkennt, dass die Republik Polen die im Anhang dieses Beschlusses aufgeführten Etappenziele und Zielwerte in zufriedenstellender Weise erreicht hat.

12

Schließlich wird gemäß Art. 3 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses der Betrag des grundsätzlich verfügbaren Darlehens auf 34541303518 Euro festgesetzt.

13

Der Anhang des angefochtenen Beschlusses besteht aus drei Abschnitten.

14

Abschnitt 1 enthält die Regelung über die Reformen und Investitionen im Rahmen des Aufbau- und Resilienzplans. Die geplanten Reformen und Investitionen sind von der Republik Polen im Zeitraum zwischen dem letzten Quartal 2021 und dem zweiten Quartal 2026 durchzuführen.

15

Die Maßnahmen zur Justizreform in Polen werden in den Etappenzielen F1G, F2G und F3G näher erläutert.

16

Nach dem Etappenziel F1G müssen mehrere Maßnahmen ergriffen werden, um die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der polnischen Gerichte zu stärken. Dem vorläufigen Zeitplan zufolge sollte dieser Teil der Reform durch den Erlass von Rechtsvorschriften im zweiten Quartal 2022 umgesetzt werden.

17

Nach dem Etappenziel F2G müssen Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass die Richter, die von Entscheidungen der Izba Dyscyplinarna (Disziplinarkammer) des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht, Polen) (im Folgenden: Disziplinarkammer) betroffen sind, Zugang zu einem Verfahren haben, das eine Überprüfung der sie betreffenden Entscheidungen der genannten Kammer ermöglicht. Nach dem vorläufigen Zeitplan sollte dieser Teil der Reform durch den Erlass von Rechtsvorschriften ebenfalls im zweiten Quartal 2022 umgesetzt werden.

18

Das Etappenziel F2G wird wie folgt formuliert:

„Inkrafttreten einer Reform, mit der sichergestellt wird, dass Richter, die von Entscheidungen der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts betroffen sind, Zugang zu Überprüfungsverfahren haben. Solche Fälle, die bereits von der Disziplinarkammer entschieden wurden, werden von einem Gericht, das die Anforderungen des Artikels 19 Absatz 1 EUV erfüllt, im Einklang mit den Regeln überprüft, die auf der Grundlage des oben genannten Etappenziels F1G zu erlassen sind. In dem Gesetzgebungsakt wird festgelegt, dass die erste Verhandlung des Gerichts zur Entscheidung über diese Rechtssachen innerhalb von drei Monaten nach Eingang des Antrags des Richters auf Überprüfung stattfindet und dass die Rechtssachen innerhalb von zwölf Monaten nach Eingang des Antrags entschieden werden. Die Rechtssachen, die derzeit noch bei der Disziplinarkammer anhängig sind, werden zur weiteren Prüfung an das Gericht gemäß den im Rahmen des oben genannten Verfahrens festgelegten Regeln verwiesen.“

19

Nach dem Etappenziel F3G sollten die in Etappenziel F2G genannten Überprüfungsverfahren nach dem vorläufigen Zeitplan grundsätzlich im vierten Quartal 2023 abgeschlossen werden.

20

Des Weiteren folgt aus dem 45. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass die Etappenziele F1G und F2G erreicht worden sein müssen, bevor die Republik Polen den ersten Antrag auf Zahlung stellen kann, und dass vor Erreichen dieser Etappenziele keine Zahlungen geleistet werden dürfen. So ist in Abschnitt 2 Nr. 2.1 des Anhangs des angefochtenen Beschlusses eine Zahlung im Rahmen der ersten Tranche des finanziellen Beitrags in Höhe von 2758738902 Euro u. a. an die Voraussetzung geknüpft, dass die Republik Polen die Etappenziele F1G und F2G erreicht hat.

21

Dagegen sieht das Etappenziel F3G, wonach grundsätzlich jedes im Sinne des Etappenziels F2G eingeleitete Verfahren (im Folgenden: Überprüfungsverfahren) im vierten Quartal 2023 abgeschlossen sein muss, keine Bedingung für die Auszahlung von Finanzmitteln im Rahmen der Fazilität vor.

22

Darüber hinaus ergibt sich außerdem aus dem 45. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass die Etappenziele F1G, F2G und F3G die Verpflichtung der Republik Polen unberührt lassen, jederzeit das Recht der Europäischen Union und insbesondere Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union zu beachten.

23

Schließlich folgt insbesondere aus dem 50. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass die Etappenziele für die Justizreform in Polen, d. h. die Etappenziele F1G, F2G und F3G, laufende oder künftige Vertragsverletzungsverfahren und ganz allgemein die Verpflichtung der Republik Polen, das Unionsrecht und insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuhalten, unberührt lassen.

Anträge der Parteien

24

Die Klägerinnen beantragen,

den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären,

dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

25

Der Rat beantragt,

die Klagen als unzulässig oder – hilfsweise – als unbegründet abzuweisen,

den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

26

Ungarn beantragt, die Klagen als unzulässig abzuweisen.

27

Die Republik Polen beantragt, die Klagen als unzulässig oder – hilfsweise – als unbegründet abzuweisen.

28

Die Kommission beantragt, die Klagen als unzulässig oder – hilfsweise – als unbegründet abzuweisen und den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

Zum Gegenstand des Rechtstreits

29

Die Klägerinnen beanstanden den angefochtenen Beschluss insofern, als die in dessen einzigem Anhang aufgeführten Etappenziele F1G, F2G und F3G nicht mit dem Unionsrecht vereinbar seien.

30

Der Rat macht geltend, die Klägerinnen zielten mit ihren Klagen in Wirklichkeit nur auf diese Etappenziele ab, indem diese Ziele künstlich vom verfügenden Teil des angefochtenen Beschlusses getrennt würden.

31

Insoweit kann der Gegenstand der Klagen entgegen dem Vorbringen des Rates nicht so verstanden werden, dass sie unabhängig vom verfügenden Teil des angefochtenen Beschlusses ausschließlich auf die Nichtigerklärung der Etappenziele F1G, F2G und F3G, die die Reform des Justizsystems in Polen betreffen, gerichtet wären.

32

Diese Etappenziele, insbesondere die Etappenziele F1G und F2G, sind nämlich ein integraler und wesentlicher Bestandteil des angefochtenen Beschlusses, da sie zum einen in Art. 1 dieses Beschlusses aufgenommen wurden und zum anderen keine Zahlungen nach den Art. 2 und 3 dieses Beschlusses geleistet werden dürfen, solange die Republik Polen diese Etappenziele nicht in zufriedenstellender Weise erreicht hat.

33

Daher sind die Klagen so zu verstehen, dass sie auf die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses insgesamt abzielen.

Über die Möglichkeit, im Beschlusswege zu entscheiden

34

Nach Art. 130 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts kann der Beklagte beantragen, dass das Gericht vorab über die Unzulässigkeit entscheidet. Gemäß Art. 130 Abs. 7 dieser Verfahrensordnung entscheidet das Gericht so bald wie möglich über den Antrag.

35

Das Gericht hat mit Beschluss vom 31. März 2023 die Entscheidung über die vom Rat erhobene Einrede der Unzulässigkeit dem Endurteil vorbehalten.

36

In Anbetracht der Schriftsätze der Parteien und der Antworten, die diese auf die verschiedenen Fragen des Gerichts gegeben haben, sieht sich das Gericht nunmehr jedoch in der Lage, durch einen auf der Grundlage von Art. 130 Abs. 1 und 7 der Verfahrensordnung gefassten Beschluss über die Einrede der Unzulässigkeit des Rates zu entscheiden, ohne dass es erforderlich wäre, das mündliche Verfahren zu eröffnen.

37

Unter diesen Umständen ist das Gericht der Auffassung, dass der Beschluss vom 31. März 2023, mit dem die Entscheidung über die vom Rat erhobene Einrede der Unzulässigkeit dem Endurteil vorbehalten wurde, im vorliegenden Fall nicht der Möglichkeit entgegensteht, über diese Einrede im Wege eines Beschlusses zu entscheiden.

Zur Einrede der Unzulässigkeit

38

Zur Stützung seiner Unzulässigkeitseinrede macht der Rat zum einen geltend, dass die Klägerinnen nicht befugt seien, in eigenem Namen Klage zu erheben. Zum anderen ist der Rat der Ansicht, dass die Klägerinnen sich ebenso wenig auf die Lage der Richter, deren Interessen sie verteidigten, berufen könnten, denn diese seien selbst weder klagebefugt, noch hätten sie selbst ein Rechtschutzinteresse.

39

Die Klägerinnen wenden sich gegen diese Vorbringen. Was die Zulässigkeit ihrer Klagen sowohl im eigenen Namen als auch im Namen der Richter, deren Interessen sie verteidigen, betrifft, tragen sie des Weiteren vor, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen, wie sie sich aus der derzeitigen Rechtsprechung ergäben, im Hinblick auf die Besonderheiten des vorliegenden Falles gelockert werden müssten.

40

Nach ständiger Rechtsprechung werden von Vereinigungen erhobene Nichtigkeitsklagen für dreierlei Fallgruppen als zulässig erachtet: erstens, wenn eine Rechtsvorschrift berufsständischen Vereinigungen ausdrücklich eine Reihe von Verfahrensrechten einräumt, zweitens, wenn die Vereinigung die Interessen ihrer Mitglieder wahrnimmt, die selbst klagebefugt wären, und drittens, wenn die Vereinigung individuell betroffen ist, da sich die angefochtene Handlung auf ihre eigenen Interessen als Vereinigung auswirkt, namentlich, weil ihre Position als Verhandlungsführerin durch die angefochtene Handlung berührt worden ist (vgl. Beschluss vom 8. Mai 2019, Carvalho u. a./Parlament und Rat, T‑330/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:324, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Zur Zulässigkeit der von den Klägerinnen in eigenem Namen erhobenen Klagen

41

Die Klägerinnen machen geltend, dass sie Einrichtungen seien, deren Aufgabe es sei, den Wert der Rechtsstaatlichkeit und die Unabhängigkeit der Justiz zu verteidigen. Sie träten regelmäßig als Gesprächspartner der Unionsorgane zu Fragen der Rechtsstaatlichkeit auf und hätten selbst ein institutionelles Interesse daran, für die Unabhängigkeit der Justiz und den Wert der Rechtsstaatlichkeit einzutreten. Sie hätten Schreiben an mehrere Organe der Union gerichtet und überdies, insbesondere im Interesse der Verteidigung der Rechte der polnischen Richter, verschiedene Erklärungen veröffentlicht. Es handele sich bei ihnen darüber hinaus um Einrichtungen, die die Richter und mithin eine der Staatsgewalten repräsentierten; deswegen könnten sie in Bezug auf die Zulässigkeit ihrer Nichtigkeitsklagen nicht mit anderen Vereinigungen verglichen werden.

42

Zur ersten Fallgruppe, die in der oben in Rn. 40 angeführten Rechtsprechung genannt wird, ist festzustellen, dass sich die Klägerinnen nicht auf das Bestehen von Rechtsvorschriften berufen, die ihnen ausdrücklich Befugnisse verfahrensrechtlicher Art einräumten, und dass auch die Akten keinen Hinweis darauf enthalten, dass es solche Vorschriften gäbe.

43

Soweit das oben in Rn. 41 wiedergegebene Vorbringen der Klägerinnen dahin auszulegen ist, dass ihnen zur Gewährleistung eines wirksamen gerichtlichen Schutzes der rechtsprechenden Gewalt insbesondere im Hinblick auf den in Art. 2 EUV verankerten Wert der Rechtsstaatlichkeit bestimmte Verfahrensvorrechte eingeräumt werden müssten, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass keine gesetzliche Bestimmung den Klägerinnen Vorrechte eingeräumt hat, um einen solchen Schutz im Zusammenhang mit der Fazilität zu gewährleisten.

44

Folglich können die Klägerinnen als Einrichtungen, die Richter repräsentieren, verfahrensrechtlich nicht anders behandelt werden als jede andere Vereinigung.

45

Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Zulässigkeit der Klagen nicht unter Verweis auf die erste, oben in Rn. 40 genannte Fallgruppe bejaht werden kann.

46

Zur dritten Fallgruppe, die in der oben in Rn. 40 angeführten Rechtsprechung genannt wird und die sich auf die Betroffenheit eigener Interessen von Vereinigungen, insbesondere in deren Rolle als Verhandlungsführer, bezieht, ist festzustellen, dass die Klägerinnen eine solche Betroffenheit in ihrem jeweiligen Fall nicht nachgewiesen haben.

47

Denn dass die Klägerinnen, wie sie geltend machen, im allgemeinen Kontext rechtsstaatlicher Fragen „Gesprächspartner“ von Unionsorganen gewesen seien, reicht nicht aus, um ihnen im besonderen Zusammenhang mit dem Erlass des angefochtenen Beschlusses die Eigenschaft als Verhandlungsführer im Sinne der oben in Rn. 40 angeführten Rechtsprechung zuzuerkennen.

48

Dies gilt auch für den von den Klägerinnen in den Rechtssachen T‑530/22, T‑531/22 und T‑532/22 geltend gemachten Umstand, dass sie einen Beobachterstatus bei verschiedenen Stellen des Europarats, wie etwa der Europäischen Kommission für die Wirksamkeit der Justiz (CEPEJ) beim Europarat und dem Beirat europäischer Richterinnen und Richter (CCJE), innehätten.

49

Aus dem gleichen Grund ist der von der Klägerin der Rechtssache T‑533/22 geltend gemachte Umstand, dass sie sich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in von polnischen Richtern wegen der Krise der Rechtsstaatlichkeit in Polen eingeleiteten Rechtssachen am Verfahren beteiligt hätten, nicht relevant.

50

Auch das Vorbringen der Klägerin in der Rechtssache T‑530/22 [vertraulich] ( 1 ) kann nicht belegen, dass ihre eigenen Interessen berührt wären. Allein unter Berufung auf dieses Argument [vertraulich] lässt sich nämlich nicht der Nachweis einer unmittelbaren Betroffenheit dieser [Klägerin] erbringen.

51

Auf der Grundlage dieser Erwägungen ist festzustellen, dass die Klägerinnen die oben in Rn. 40 genannten Voraussetzungen für die erste und die dritte Fallgruppe nicht erfüllen und daher im vorliegenden Fall nicht befugt sind, in eigenem Namen Klage zu erheben.

Zur Zulässigkeit der Klagen, die von den Klägerinnen im Namen ihrer Mitglieder, deren Interessen sie verteidigen, erhoben werden

52

Nach der zweiten Fallgruppe, die in der oben in Rn. 40 angeführten Rechtsprechung genannt wird, sind Vereinigungen klagebefugt, wenn sie die Interessen ihrer Mitglieder vertreten, die selbst klagebefugt sind.

53

Der Rat tritt insbesondere dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen, wonach sich deren Klagebefugnis daraus ergebe, dass sie die Interessen der Richter verträten, die selbst klagebefugt seien.

54

Vorab ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen in den Rechtssachen T‑530/22, T‑531/22 und T‑532/22 auf eine Frage des Gerichts klargestellt haben, dass sie als Vereinigungen Richter auf internationaler Ebene repräsentierten und dass ihre Mitglieder in der Regel nationale Berufsverbände einschließlich polnischer Richterverbände seien.

55

Insoweit machen die Klägerinnen in diesen drei Rechtssachen geltend, dass die oben in Rn. 40 angeführte Rechtsprechung zur Klagebefugnis von Vereinigungen, die im Namen ihrer Mitglieder handelten, auch auf diese Fallkonstellation übertragen werden müsse. In diesem Zusammenhang verweisen sie u. a. auf das Urteil vom 28. November 2008, Hôtel Cipriani u. a./Kommission (T‑254/00, T‑270/00 und T‑277/00, EU:T:2008:537), in dem die Zulässigkeit einer Klage einer Vereinigung bejaht worden sei, die die Interessen ihrer Mitglieder vertrete, die sich aus Vereinigungen – die natürliche oder juristische Personen verträten, die selbst klagebefugt gewesen seien – zusammensetze.

56

Zweitens ist ebenfalls darauf hinzuweisen, dass die Klägerin in der Rechtssache T‑533/22, weil sie als Stiftung keine Mitglieder hat, in ihrer Klage keine Klagebefugnis daraus hergeleitet hat, dass die Interessen der Richter berührt seien, deren Interessen sie verteidige. In ihrer Erwiderung auf die Einrede der Unzulässigkeit des Rates hat die Klägerin in dieser Rechtssache ausgeführt, dass es nicht darauf ankomme, ob eine Einrichtung im Namen ihrer Mitglieder handele, da eine Zugehörigkeitsbeziehung nicht unbedingt erforderlich sei, sondern dass es genüge, dass die Einrichtung im Namen derjenigen handele, deren Interessen sie verteidige.

57

Die in Rn. 40 angeführte Rechtsprechung kann für die oben in den Rn. 54 und 56 des vorliegenden Urteils genannten besonderen Fälle herangezogen werden, wenn die Mitglieder der selbst zu den Mitgliedern der Klägerinnen zählenden Vereinigungen klagebefugt wären. Im vorliegenden Fall ist die Klagebefugnis der Richter als Mitglieder der Mitgliedsverbände der Klägerinnen zu prüfen.

58

Nach Art. 263 Abs. 4 AEUV „[kann j]ede natürliche oder juristische Person … unter den Bedingungen nach den Absätzen 1 und 2 gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, Klage erheben“.

59

Da der angefochtene Beschluss an die Republik Polen gerichtet ist, ist die Zulässigkeit der Klagen am Maßstab der zweiten und der dritten Variante von Art. 263 Abs. 4 AEUV zu prüfen, in denen als Voraussetzung eine unmittelbare Betroffenheit gefordert wird.

60

Die Klägerinnen berufen sich insoweit auf die unmittelbare Betroffenheit der Richter, deren Interessen sie verteidigten, und unterscheiden dabei drei Gruppen von Richtern, nämlich erstens von Entscheidungen der Disziplinarkammer berührte polnische Richter, die von dem in den Etappenziele F2G und F3G vorgesehenen Überprüfungsverfahren unmittelbar betroffen seien, zweitens alle polnischen Richter, die von diesem Überprüfungsverfahren sowie vom Etappenziel F1G unmittelbar betroffen seien, und drittens alle anderen europäischen Richter, die ebenfalls von diesen Etappenzielen unmittelbar betroffen seien.

  Zur unmittelbaren Betroffenheit der von Entscheidungen der Disziplinarkammer berührten polnischen Richter

61

Es ist zu prüfen, ob sich die Klägerinnen zum Nachweis der Zulässigkeit ihrer Klagen zu Recht auf die Lage polnischer Richter stützen können, die von der Einführung eines Überprüfungsverfahrens, wie es in den Etappenzielen F2G und F3G vorgesehen ist, unmittelbar betroffen wären.

62

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Voraussetzung, dass eine natürliche oder juristische Person von der mit ihrer Klage angefochtenen Maßnahme unmittelbar betroffen sein muss, nur dann gegeben, wenn zwei Kriterien kumulativ erfüllt sind, nämlich, dass sich zum einen diese Maßnahme auf die Rechtsstellung dieser Person unmittelbar auswirkt, und zum anderen, dass sie den Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung anderer Durchführungsvorschriften ergibt (vgl. Urteil vom 12. Juli 2022, Nord Stream 2/Parlament und Rat, C‑348/20 P, EU:C:2022:548, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

63

Der Gerichtshof hat in Bezug auf die erste Voraussetzung darauf hingewiesen, dass jeder Rechtsakt, gleich ob mit Verordnungscharakter oder anderer Art, einen Einzelnen grundsätzlich unmittelbar betreffen und sich somit auf seine Rechtsstellung unmittelbar auswirken kann, unabhängig davon, ob er Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht (Urteil vom 12. Juli 2022, Nord Stream 2/Parlament und Rat, C‑348/20 P, EU:C:2022:548, Rn. 74).

64

Um ferner festzustellen, ob der angefochtene Beschluss unmittelbare Wirkungen für die Rechtstellung der von den Entscheidungen der Disziplinarkammer betroffenen Richter zu erzeugen vermag, ist auf dessen Wesen abzustellen und sind diese Wirkungen anhand objektiver Kriterien, wie z. B. des Inhalts dieser Handlung, zu beurteilen, wobei gegebenenfalls der Zusammenhang ihres Erlasses und die Befugnisse des die Handlung vornehmenden Organs zu berücksichtigen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2022, Nord Stream 2/Parlament und Rat, C‑348/20 P, EU:C:2022:548, Rn. 63 und 75).

65

Was zum Ersten das Wesen des angefochtenen Beschlusses anbelangt, bei dessen Beurteilung sein Inhalt und sein Kontext berücksichtigt werden, so ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung 2021/241 auf der Grundlage von Art. 175 Abs. 3 AEUV erlassen wurde, einem Artikel über die Koordinierung der Wirtschaftspolitik durch die Mitgliedstaaten zur Erreichung der Ziele der Verwirklichung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts im Sinne von Art. 174 AEUV.

66

Art. 1 der Verordnung 2021/241 betrifft ihren Gegenstand und sieht vor, dass durch diese Verordnung die Aufbau- und Resilienzfazilität eingerichtet wird und dass durch sie die Ziele der Fazilität, ihre Finanzierung, die Formen der Unionsmittel im Rahmen dieser Fazilität und die Regeln für die Bereitstellung dieser Mittel festgelegt werden. Nach dem achten Erwägungsgrund der Verordnung 2021/241 ist die Fazilität ein innovatives Instrument, um den Mitgliedstaaten eine direkte finanzielle Unterstützung zu bieten.

67

Aus Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung geht hervor, dass das allgemeine Ziel der Fazilität darin besteht, den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt der Union zu fördern, indem u. a. die Resilienz, die Krisenvorsorge und die Anpassungsfähigkeit der Mitgliedstaaten verbessert werden. Auf diese Weise soll die Fazilität insbesondere zur wirtschaftlichen und sozialen Aufwärtskonvergenz, zur Wiederherstellung und Förderung des nachhaltigen Wachstums und zur Integration der Volkswirtschaften der Union beitragen.

68

Hierzu erstellen die Mitgliedstaaten Aufbau- und Resilienzpläne, die von der Kommission bewertet werden. Die Bewertung wird sodann vom Rat im Wege eines Durchführungsbeschlusses gebilligt. In einem solchen Beschluss wird die Zahlung eines finanziellen Beitrags Voraussetzungen unterworfen, nämlich der Durchführung dieser Pläne einschließlich der Verwirklichung der Etappenziele und Zielwerte, die gemäß Art. 2 Nr. 4 der Verordnung 2021/241 Fortschrittsmaßstäbe für die Verwirklichung einer Reform oder Investition sind.

69

Gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung 2021/241 schließt die Kommission, wenn sie der Auffassung ist, dass der Antrag auf Unterstützung in Form eines Darlehens die in Abs. 1 genannten Kriterien erfüllt, nach Annahme des Durchführungsbeschlusses des Rates gemäß Art. 20 Abs. 1 dieser Verordnung einen Darlehensvertrag mit dem betreffenden Mitgliedstaat.

70

Ferner sieht Art. 23 Abs. 1 der Verordnung 2021/241 vor, dass die Kommission, sobald der Rat einen Durchführungsbeschluss gemäß Art. 20 Abs. 1 dieser Verordnung erlassen hat, mit dem betreffenden Mitgliedstaat eine Übereinkunft schließt, die eine rechtliche Einzelverpflichtung im Sinne der Haushaltsordnung darstellt.

71

Art. 24 Abs. 9 der Verordnung 2021/241 bestimmt, dass die Kommission, wenn der betreffende Mitgliedstaat keine greifbaren Fortschritte in Bezug auf die relevanten Etappenziele und Zielwerte gemacht hat, die in Art. 15 Abs. 2 genannten Verträge und die in Art. 23 Abs. 1 genannten Übereinkünfte kündigt und dass sie die Mittelbindung des finanziellen Beitrags aufhebt.

72

Im Rahmen des angefochtenen Beschlusses besteht die Funktion der Etappenziele somit darin, die Voraussetzungen festzulegen, die von der Republik Polen zu erfüllen sind und anschließend von der Kommission geprüft werden müssen, um zu entscheiden, ob diesem Mitgliedstaat Mittel im Rahmen der Fazilität gewährt werden können. Folglich beschränkt sich die Relevanz dieser Etappenziele insofern auf das Verfahren der Freigabe der Mittel im Rahmen der Fazilität, als ihre zufriedenstellende Verwirklichung eine Voraussetzung für die Zahlung dieser Mittel ist.

73

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass mit dem angefochtenen Beschluss eine ganze Reihe Etappenziele und Zielwerte festgelegt wurden, die von der Republik Polen zu erreichen sind. So oblag es der Republik Polen etwa, allein für die Freigabe einer Finanzierung aus der ersten Tranche der Fazilität neben den Etappenzielen F1G und F2G 26 weitere Etappenziele zu verwirklichen, wie sich aus Abschnitt 2 Nr. 2.1.1 des Anhangs des angefochtenen Beschlusses ergibt.

74

Daraus folgt, dass die Etappenziele – einschließlich der Etappenziele F1G, F2G und F3G – ihrem Wesen nach Instrumente zum Schutz des Haushalts sind, da ihre Verwirklichung eine Voraussetzung für die Finanzierung im Rahmen der Fazilität ist.

75

Im Rahmen des angefochtenen Beschlusses besteht die Funktion der Etappenziele F1G, F2G und F3G somit darin, zum einen die Einhaltung der Kriterien im Sinne von Art. 19 Abs. 3 Buchst. b und j der Verordnung 2021/241 und zum anderen die Erfüllung der Verpflichtungen aus Art. 22 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 5 Buchst. e dieser Verordnung zu gewährleisten, um eine wirksame Antwort auf die im Rahmen des Europäischen Semesters ermittelten Herausforderungen sicherzustellen und ferner sicherzustellen, dass die finanziellen Interessen der Union nicht durch die Schwachstellen des polnischen Justizsystems beeinträchtigt werden.

76

Dabei war der Rat beim Erlass des angefochtenen Beschlusses ohne Zweifel an Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und den Wert der Rechtsstaatlichkeit gemäß Art. 2 EUV sowie an die diesbezügliche Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gebunden.

77

In diesem Sinne spiegeln die Etappenziele F1G, F2G und F3G den Zusammenhang zwischen der Achtung des Wertes der Rechtsstaatlichkeit einerseits und der effizienten, im Einklang mit den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung erfolgenden ordnungsgemäßen Ausführung des Haushaltsplans der Union sowie dem Schutz der finanziellen Interessen der Union andererseits wider (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Februar 2022, Polen/Parlament und Rat, C‑157/21, EU:C:2022:98, Rn. 148).

78

Entgegen dem, was die Klägerinnen offenbar nahelegen, hat der Rat jedoch mit dem Erlass des angefochtenen Beschlusses und damit mit der Festlegung der Etappenziele F1G, F2G und F3G nicht versucht, die Vorschriften über den Wert der Rechtsstaatlichkeit oder den wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz, wie sie in der Rechtsprechung des Gerichtshofs herausgearbeitet worden sind, zu ersetzen.

79

Dies wird im Übrigen durch den 45. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, wonach die Etappenziele F1G, F2G und F3G die Verpflichtung der Republik Polen unberührt lassen, dem Unionsrecht jederzeit nachzukommen und insbesondere Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in seiner Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union zu beachten, und durch den 50. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses bekräftigt, wonach diese Etappenziele jegliche laufende und künftige Vertragsverletzungsverfahren und ganz allgemein die Verpflichtung der Republik Polen, das Unionsrecht und insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuhalten, unberührt lassen.

80

Daraus folgt, dass der Rat dadurch, dass er im Anhang des angefochtenen Beschlusses die Etappenziele F1G, F2G und F3G aufgeführt hat, die von der Republik Polen zu erreichen sind, um Zugang zu den im Rahmen der Fazilität gewährten Mitteln zu erhalten, diesem Mitgliedstaat nicht erlauben wollte, den Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Union, mit denen festgestellt wurde, dass dieser Mitgliedstaat den Wert der Rechtsstaatlichkeit oder den Grundsatz des wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes nicht beachtet hat, nicht nachzukommen.

81

Im Licht der vorstehenden Erwägungen ist zum Zweiten zu prüfen, ob der angefochtene Beschluss in Anbetracht seines Wesens die von den Entscheidungen der Disziplinarkammer berührten Richter im Hinblick auf das im Anhang dieses Beschlusses enthaltene Etappenziel F2G unmittelbar betrifft.

82

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich die Klägerinnen bei ihrem Vorbringen, wonach die Einführung eines Überprüfungsverfahrens die von den Entscheidungen der Disziplinarkammer berührten Richter betreffe, sowohl auf das Etappenziel F2G als auch auf das Etappenziel F3G berufen. Da das Etappenziel F3G jedoch nur eine Frist festlegt, innerhalb der die Überprüfungsverfahren durchzuführen sind, und da die Einführung des Überprüfungsverfahrens selbst im Rahmen des Etappenziels F2G ins Auge gefasst wird, ist die unmittelbare Betroffenheit dieser Richter allein im Hinblick auf das Etappenziel F2G, wie es im Anhang des angefochtenen Beschlusses festgelegt wird, zu prüfen.

83

Der angefochtene Beschluss ist an die Republik Polen gerichtet, die das im Anhang dieses Beschlusses aufgeführte Etappenziel F2G erreichen muss, um eine Finanzierung im Rahmen der Fazilität erhalten zu können.

84

Zwar bedeutet nach der oben in Rn. 63 angeführten Rechtsprechung der Umstand, dass die streitige Handlung Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, für sich genommen nicht, dass eine solche Handlung sich nicht unmittelbar auf die Rechtsstellung eines Einzelnen auswirken könnte.

85

Jedoch muss zwischen der in Rede stehenden Handlung und ihren Auswirkungen auf die Klägerin ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 12. Juli 2022, Nord Stream 2/Parlament und Rat, C‑348/20 P, EU:C:2022:548, Rn. 74 und 76).

86

So konnte der Gerichtshof in Rn. 75 des Urteils vom 12. Juli 2022, Nord Stream 2/Parlament und Rat (C‑348/20 P, EU:C:2022:548), feststellen, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der angefochtenen Handlung, bei der es sich um eine Richtlinie handelte, und ihren Auswirkungen bestand, da die in Rede stehenden Bestimmungen spezifische Verpflichtungen in Bezug auf die Klägerin anwendbar gemacht hatten.

87

Im vorliegenden Fall ist dagegen – unabhängig von einem gegebenenfalls bestehenden Ermessensspielraum, über den die Republik Polen bei der Verwirklichung des Etappenziels F2G verfügt – darauf hinzuweisen, dass dieses Ziel, wie oben in Rn. 74 festgestellt, nur eine vom betreffenden Mitgliedstaat für eine Inanspruchnahme der Finanzierung zu erfüllende Voraussetzung regelte. Es kann daher nicht der Schluss gezogen werden, dass der angefochtene Beschluss, indem er das Etappenziel F2G vorsieht, diesem Mitgliedstaat in seinen Beziehungen zu den von Entscheidungen der Disziplinarkammer berührten Richtern definitiv besondere Verpflichtungen auferlegt hat.

88

Insbesondere hat der angefochtene Beschluss weder dazu geführt, dass die von Entscheidungen der Disziplinarkammer berührten Richter den in diesem Beschluss vorgesehenen Bedingungen unterworfen würden, noch hat er eine spezifische Regelung gegenüber diesen Richtern unmittelbar anwendbar gemacht. Es besteht daher kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen diesem Beschluss, soweit er das Etappenziel F2G festgelegt hat, und der Rechtsstellung der von Entscheidungen der Disziplinarkammer berührten Richtern.

89

Folglich wurde die Lage der von Entscheidungen der Disziplinarkammer berührten Richter auch nach dem Erlass des angefochtenen Beschlusses weiterhin durch die einschlägigen, auf diese Sachlage anwendbaren Bestimmungen des polnischen Rechts sowie durch die Bestimmungen des Unionsrechts und die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union geregelt, ohne dass das in diesem Beschluss festgelegte Etappenziel F2G hinzuträte und eine unmittelbare Änderung der Rechtsstellung dieser Richter im von Art. 263 Abs. 4 AEUV geforderten Sinne bewirkt hätte.

90

Im Übrigen kann nicht, wie die Klägerinnen geltend machen, davon ausgegangen werden, dass aus dem Etappenziel F2G folge, dass die Einführung eines Überprüfungsverfahrens in das polnische Recht „erlaubt, wenn nicht sogar vorgeschrieben“ sei und dass die Kommission, da sie am Erlass des angefochtenen Beschlusses und damit an der Festlegung der Etappenziele F1G, F2G und F3G mitgewirkt habe, aufgrund dieses Umstands daran gehindert sei, insbesondere im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren die Unvereinbarkeit des Überprüfungsverfahrens mit dem Unionsrecht geltend zu machen.

91

Denn erstens beschränkt sich der angefochtene Beschluss darauf, eine Reihe von Finanzierungsvoraussetzungen, darunter das Etappenziel F2G, zu billigen, ohne die Lage der von Entscheidungen der Disziplinarkammer berührten Richter unmittelbar zu ändern, denn diese Lage erfährt erst durch diejenige Maßnahme eine Änderung, die später von der Republik Polen zum Zwecke der Erreichung dieses Etappenziels erlassen wird. Im Übrigen kann es der Republik Polen in Anbetracht der oben in Rn. 80 gezogenen Schlussfolgerung nicht erlaubt sein, sich aufgrund des im Anhang des angefochtenen Beschlusses aufgeführten F2G-Etappenziels der Einhaltung ihrer Verpflichtungen aus dem Unionsrecht und insbesondere der Beachtung der Urteile und Beschlüsse des Gerichtshofs der Europäischen Union zu entziehen.

92

Selbst unterstellt, dass die Verfahrensrechte der Kommission, wie von den Klägerinnen geltend gemacht, wegen der Rolle der Kommission in dem Verfahren, das zur Festlegung der Etappenziele geführt hat, eingeschränkt wären, so würde dies, zweitens, im vorliegenden Fall nicht dazu führen, dass die von Entscheidungen der Disziplinarkammer berührten Richter durch den angefochtenen Beschluss unmittelbar betroffen wären.

93

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist zu folgern, dass der angefochtene Beschluss, der eine Voraussetzung für den Zugang der Republik Polen zu Finanzmitteln im Rahmen der Fazilität festlegt, keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Rechtsstellung der von Entscheidungen der Disziplinarkammer berührten Richter erzeugt, so dass die erste Voraussetzung für eine Bejahung einer unmittelbaren Betroffenheit dieser Richter nicht erfüllt ist.

  Zur unmittelbaren Betroffenheit der polnischen Richter insgesamt und der Richter der anderen Mitgliedstaaten und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR)

94

Nach Ansicht der Klägerinnen sind alle Richter, nämlich die polnischen Richter und die Richter anderer Mitgliedstaaten und des EWR, unmittelbar von dem angefochtenen Beschluss betroffen.

95

Was zunächst die Betroffenheit der polnischen Richter infolge des in den Etappenzielen F2G und F3G ins Auge gefassten Überprüfungsverfahrens angeht, so machen die Klägerinnen geltend, dass auch die Richter, die von Entscheidungen der Disziplinarkammer nicht betroffen seien, „bei der Ausübung ihres Berufs einer abschreckenden Wirkung ausgesetzt sind“, solange die Lage ihrer von solchen Entscheidungen betroffenen Kollegen nicht geklärt sei, und mit einer höheren Arbeitsbelastung konfrontiert seien, solange ihre Kollegen suspendiert blieben. Eine Verlängerung der Suspendierung von Richtern, die mit rechtswidrigen Sanktionen belegt worden seien, „könnte das Vertrauen untergraben, das die Justiz in einer demokratischen Gesellschaft und [in] einem Rechtsstaat den Einzelnen vermitteln muss“. Eine solche Verlängerung würde sich unmittelbar auf die Möglichkeit aller Richter auswirken, die ihnen im Rahmen ihrer Funktionen obliegende Aufgabe ordnungsgemäß zu erfüllen.

96

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass insoweit, als sich die Etappenziele F2G und F3G, wie oben in den Rn. 82 bis 93 festgestellt, nicht unmittelbar auf die Lage der von Entscheidungen der Disziplinarkammer betroffenen polnischen Richter auswirken, dies erst recht für diejenigen polnischen Richter gilt, die nicht von solchen Entscheidungen betroffen sind.

97

Was sodann die Betroffenheit der polnischen Richter insgesamt infolge des Etappenziels F1G anbelangt, so machen die Klägerinnen geltend, dass das Etappenziel F1G, wie es durch den angefochtenen Beschluss gebilligt worden sei, insofern unmittelbare Auswirkungen auf die Rechtsstellung aller polnischen Richter habe, als es nicht ausreiche, um einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz wiederherzustellen. Die polnischen Richter seien somit gezwungen, in Rechtssachen – einschließlich solcher, in denen es um eine Finanzierung im Rahmen der Fazilität gehe – „unter nicht hinnehmbaren beruflichen Umständen [zu entscheiden], da sie weiterhin rechtswidrigem Druck und Angriffen auf ihre Unabhängigkeit und Unparteilichkeit ausgesetzt [seien]“. „Die polnischen Richter seien gezwungen, ihre Aufgaben unter zweifelhaften Bedingungen wahrzunehmen“, insbesondere in Bezug auf ihre Berechtigung, den Gerichtshof anzurufen, das Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden und Entscheidungen zu treffen, die den Interessen der Regierung oder der in Polen an der Macht befindlichen politischen Partei zuwiderliefen.

98

Insoweit ist festzustellen, dass die Klägerinnen keinen Nachweis eines hinreichend engen Zusammenhangs zwischen der Lage aller polnischen Richter und dem Etappenziel F1G liefern, der den Schluss zuließe, dass dieses Etappenziel sich unmittelbar auf die Rechtsstellung dieser Richter auswirkt.

99

Denn die Klägerinnen beanstanden das Etappenziel F1G namentlich mit der Begründung, dass dieses Ziel nicht ausreiche, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der polnischen Richter und noch allgemeiner ein polnisches Justizsystem wiederherzustellen, das den Mindestanforderungen an die Achtung der Rechtsstaatlichkeit entspreche.

100

Die Klägerinnen beschränken sich somit auf Behauptungen allgemeiner Art, die sich darauf beziehen, was das Etappenziel F1G ihrer Ansicht nach hätte enthalten müssen. Die Kläger geben indessen nicht genau an, welche konkreten, im Text dieses Etappenziels selbst enthaltenen Elemente den polnischen Richtern unmittelbar Schaden zufügten.

101

Dass im angefochtenen Beschluss keine von den Klägerinnen für notwendig erachtete Regelungen enthalten sind, kann jedoch keinen unmittelbaren Eingriff in die sich aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV ergebenden Rechte der polnischen Richter darstellen, der unmittelbar deren Rechtsstellung beträfe.

102

Schließlich kommen die Klägerinnen zu dem Schluss, dass die Etappenziele F1G, F2G und F3G, wie sie durch den angefochtenen Beschluss gebilligt worden seien, die Richter der anderen Mitgliedstaaten und des EWR in Anbetracht der engen Verbindungen zwischen den Rechtsordnungen dieser Staaten und der Unionsrechtsordnung unmittelbar beträfen.

103

Zum einen machen sie geltend, dass diese Richter etwa verpflichtet seien, Urteile anzuerkennen und zu vollstrecken, die örtliche Zuständigkeit in Asylverfahren zu bestimmen oder auch Auslieferungsersuchen einer Person auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls zu prüfen. Dass die Rechtsstaatlichkeit in einem Mitgliedstaat untergraben werde, könne sich unmittelbar auf die Möglichkeit der Richter anderer Staaten auswirken, ihre Aufgaben ordnungsgemäß wahrzunehmen.

104

Selbst wenn Schwachstellen in der Rechtsordnung eines Mitgliedstaats Auswirkungen auf die Ausübung der rechtsprechenden Gewalt in anderen Staaten haben können – und unterstellt, dass diese Schwachstellen die tägliche Arbeit der Richter dieser Staaten beeinflussen können –, implizieren solche Auswirkungen insoweit nicht, dass der angefochtene Beschluss dazu angetan wäre, sich unmittelbar auf die Rechtsstellung dieser Richter auszuwirken.

105

Zum anderen tragen die Klägerinnen vor, es bestehe eine Gefahr eines „Ausstrahlungseffekts“ auf andere Mitgliedstaaten, da sich der Gesetzgeber eines Mitgliedstaats, wenn er Reformen von Rechtsvorschriften, einschließlich Reformen hinsichtlich der Organisation seines Justizsystems ins Auge fasse, von Entwicklungen in den anderen Mitgliedstaaten inspirieren lasse.

106

Es ist indessen festzuhalten, dass die Erwägungen der Klägerinnen zu einer möglichen Ausstrahlungswirkung, so wichtig diese Erwägungen aus politischer Sicht auch sein mögen, nicht geeignet sind, darzutun, dass der angefochtene Beschluss unmittelbare Auswirkungen auf die Lage der Richter der anderen Mitgliedstaaten oder des EWR hat.

107

Folglich sind weder die polnischen Richter, unabhängig davon, ob sie von einer Entscheidung der Disziplinarkammer berührt sind oder nicht, noch die Richter der anderen Mitgliedstaaten oder des EWR von dem angefochtenen Beschluss unmittelbar betroffen. Daher können sich die Klägerinnen zum Nachweis der Zulässigkeit ihrer Klagen nicht auf die Lage dieser Richter berufen.

108

Die Klägerinnen können sich auch nicht auf die dritte, Rechtsakte mit Verordnungscharakter betreffende Variante von Art. 263 Abs. 4 AEUV mit der Begründung stützen, dass die Richter, deren Interessen sie mittels der Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder verteidigen würden, auf der Grundlage dieser dritten Variante klagebefugt seien. Denn die Voraussetzung, dass der Kläger von der angefochtenen Handlung unmittelbar betroffen sein muss, hat sowohl in der zweiten als auch in der dritten Variante von Art. 263 Abs. 4 AEUV dieselbe Bedeutung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2022, Nord Stream 2/Parlament und Rat, C‑348/20 P, EU:C:2022:548, Rn. 73). Unter diesen Umständen bedarf es, weil der angefochtene Beschluss nicht zu einer unmittelbaren Betroffenheit führt, keiner Prüfung, ob es sich bei diesem Beschluss um einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter im Sinne der dritten Variante von Art. 263 Abs. 4 AEUV handelt.

109

Im Hinblick auf die vorstehenden Erwägungen und in Anbetracht dessen, dass die Richter, deren Interessen die Klägerinnen verteidigen, selbst nicht klagebefugt wären, erfüllen die Klägerinnen auch nicht die Voraussetzungen für die Zulässigkeit ihrer Klagen im Rahmen der zweiten Fallgruppe im Sinne der oben in Rn. 40 angeführten Rechtsprechung.

Zur Lockerung der Zulässigkeitsvoraussetzungen

110

Nach Ansicht der Klägerinnen sind die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Klagen im vorliegenden Fall zu lockern.

111

Die Klägerinnen vertreten im Wesentlichen die Auffassung, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen insbesondere angesichts der Erfordernisse des wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes und der Rechtsstaatlichkeit, die ein identitätsstiftender Grundwert der Union sei, mit einer gewissen Flexibilität angewandt werden müssten. Das gesamte Rechtsbehelfssystem beruhe implizit auf der Prämisse, dass der Wert der Rechtsstaatlichkeit von den Mitgliedstaaten beachtet werde. Diese Prämisse sei für Polen jedoch nicht mehr gegeben, da die dortige Situation von systemischen Schwachstellen geprägt sei, die sich aus der bewussten Entscheidung ergäben, das Unionsrecht und insbesondere die Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht zu beachten. Insoweit sei die Vorlage zur Vorabentscheidung kein Rechtsbehelf mehr, der den Klägerinnen oder den Richtern, deren Interessen sie verteidigten, offenstehe.

112

Der Rat, unterstützt durch Ungarn, tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

113

Insoweit ist festzustellen, dass die in Art. 263 Abs. 4 AEUV vorgesehenen Zulässigkeitsvoraussetzungen zwar im Licht des Grundrechts auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz auszulegen sind, dass aber eine solche Auslegung nicht den Wegfall der in diesem Vertrag ausdrücklich vorgesehenen Voraussetzungen zur Folge haben darf (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 98 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 28. April 2015, T & L Sugars und Sidul Açúcares/Kommission, C‑456/13 P, EU:C:2015:284, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

114

Insbesondere zielt der durch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union gewährte Schutz nicht darauf ab, das in den Verträgen vorgesehene Rechtsschutzsystem und namentlich die Bestimmungen über die Zulässigkeit direkter Klagen bei den Unionsgerichten zu ändern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung).

115

Unter anderem verlangt der durch Art. 47 der Charta der Grundrechte gewährte Schutz nicht, dass ein Einzelner unmittelbar vor den Unionsgerichten uneingeschränkt eine Nichtigkeitsklage gegen Unionsrechtsakte anstrengen kann (Urteil vom 28. Oktober 2020, Associazione GranoSalus/Kommission, C‑313/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:869, Rn. 62).

116

Im vorliegenden Fall können die Klägerinnen, wie oben in Rn. 109 festgestellt, nicht geltend machen, dass sie von dem angefochtenen Beschluss unmittelbar betroffen wären.

117

Unter diesen Umständen würde eine Lockerung der Zulässigkeitsvoraussetzungen, wie sie von den Klägerinnen beansprucht wurde, in Wirklichkeit bedeuten, dass die in Art. 263 Abs. 4 AEUV ausdrücklich genannte Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit entfallen würde, was der oben in Rn. 113 angeführten Rechtsprechung zuwiderlaufen würde. Daher können die von den Klägerinnen geltend gemachten systemischen Schwachstellen des Justizsystems in Polen jedenfalls nicht rechtfertigen, dass das Gericht von der Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit abweicht, die gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV für Klagen natürlicher oder juristischer Personen gilt.

118

Dies lässt die aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und Art. 266 AEUV folgende Verpflichtung der Republik Polen unberührt, die vom Gerichtshof der Europäischen Union festgestellten Verstöße in Bezug auf die Krise der Rechtsstaatlichkeit so bald wie möglich zu beheben. Außerdem erlaubt es Art. 263 Abs. 1 AEUV insbesondere den Mitgliedstaaten und den Organen, gegen alle von den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union erlassenen Bestimmungen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, unabhängig von deren Form, Klage zu erheben, ohne dass ein Rechtsschutzinteresse nachgewiesen werden muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post und Deutschland/Kommission, C‑463/10 P und C‑475/10 P, EU:C:2011:656, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im Übrigen obliegt es der Kommission in ihrer Rolle als Hüterin der Verträge, wie sie sich aus Art. 17 Abs. 1 EUV ergibt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. September 2016, Ledra Advertising u. a./Kommission und EZB, C‑8/15 P bis C‑10/15 P, EU:C:2016:701, Rn. 59), und in Anbetracht des Umstands, dass die in Art. 2 EUV enthaltenen Werte, wozu der der Rechtstaatlichkeit gehört, der Union als Rechtsgemeinschaft schlechthin ihr Gepräge geben (Urteil vom 16. Februar 2022, Polen/Parlament und Rat, C‑157/21, EU:C:2022:98, Rn. 145), auch im Rahmen ihrer in Art. 24 Abs. 3 der Verordnung 2021/241 vorgesehenen Bewertung tätig zu werden, um dazu beizutragen, dass die Republik Polen die Anforderungen aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV beachtet.

119

Nach alledem sind die Klagen als unzulässig abzuweisen

Kosten

120

Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen unterlegen sind und der Rat einen entsprechenden Antrag gestellt hat, sind den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

121

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Republik Polen, Ungarn und die Kommission tragen daher ihre eigenen Kosten.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Große Kammer)

für Recht erkannt:

 

1.

Die Klagen werden als unzulässig abgewiesen.

 

2.

Die Magistrats européens pour la démocratie et les libertés (Medel), die International Association of Judges, die Association of European Administrative Judges und die Stichting Rechters voor Rechters tragen die Kosten des Rats der Europäischen Union.

 

3.

Die Republik Polen, Ungarn und die Europäische Kommission tragen ihre eigenen Kosten.

 

Luxemburg, 4. Juni 2024.

Der Kanzler

V. Di Bucci

Der Präsident

M. van der Woude


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

( 1 ) Unkenntlich gemachte vertrauliche Daten.