BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Kammer für die Zulassung von Rechtsmitteln)

8. Mai 2023 ( *1 )

„Rechtsmittel – Unionsmarke – Zulassung von Rechtsmitteln – Art. 170b der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Antrag, in dem die Bedeutsamkeit einer Frage für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts dargetan wird – Teilweise Zulassung des Rechtsmittels“

In der Rechtssache C‑776/22 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 20. Dezember 2022,

Studio Legale Ughi e Nunziante mit Sitz in Rom (Italien), vertreten durch L. Cascone, A. Clemente, F. De Filippis und A. Marega, Avvocati,

Rechtsmittelführer,

andere Partei des Verfahrens:

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO),

Beklagter im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Kammer für die Zulassung von Rechtsmitteln)

unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Gerichtshofs L. Bay Larsen sowie der Richter M. Safjan und N. Jääskinen (Berichterstatter),

Kanzler: A. Calot Escobar,

auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts J. Richard de la Tour

folgenden

Beschluss

1

Mit seinem Rechtsmittel beantragt das Studio Legale Ughi e Nunziante die Aufhebung des Beschlusses des Gerichts der Europäischen Union vom 10. Oktober 2022, Studio Legale Ughi e Nunziante/EUIPO – Nunziante und Ughi (UGHI E NUNZIANTE) (T‑389/22, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtener Beschluss, EU:T:2022:662), mit dem das Gericht die Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Fünften Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 8. April 2022 (Sache R 407/2021-5) zu einem vom Studio Legale Ughi e Nunziante eingeleiteten Verfahren zur Erklärung des Verfalls der Marke Ughi e Nunziante zurückgewiesen hat.

Zum Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels

2

Gemäß Art. 58a Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union entscheidet der Gerichtshof vorab über die Zulassung von Rechtsmitteln gegen eine Entscheidung des Gerichts, die eine Entscheidung einer unabhängigen Beschwerdekammer des EUIPO betrifft.

3

Gemäß Art. 58a Abs. 3 der Satzung wird ein Rechtsmittel nach den in der Verfahrensordnung des Gerichtshofs im Einzelnen festgelegten Modalitäten ganz oder in Teilen nur dann zugelassen, wenn damit eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufgeworfen wird.

4

Nach Art. 170a Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs hat der Rechtsmittelführer in den Fällen von Art. 58a Abs. 1 der Satzung seiner Rechtsmittelschrift einen Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels als Anlage beizufügen, in dem er die für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage darlegt, die mit dem Rechtsmittel aufgeworfen wird, und der sämtliche Angaben enthalten muss, die erforderlich sind, um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, über diesen Antrag zu entscheiden.

5

Gemäß Art. 170b Abs. 1 und 3 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels so rasch wie möglich durch mit Gründen versehenen Beschluss.

6

Nach Art. 170b Abs. 4 Satz 2 der Verfahrensordnung wird der Beschluss gemäß vorstehender Randnummer den Parteien der betreffenden Rechtssache vor dem Gericht mit der Rechtsmittelschrift zugestellt; wird das Rechtsmittel teilweise zugelassen, so sind in diesem Beschluss die Gründe oder Teile des Rechtsmittels anzuführen, auf die sich die Rechtsmittelbeantwortung beziehen muss.

Vorbringen des Rechtsmittelführers

7

Zur Begründung seines Antrags auf Zulassung des Rechtsmittels macht der Rechtsmittelführer geltend, alle drei Rechtsmittelgründe, mit denen er erstens einen Verstoß gegen die Art. 119 und 126 der Verfahrensordnung des Gerichts, zweitens einen Verstoß gegen Art. 19 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und gegen Art. 51 der Verfahrensordnung des Gerichts sowie, drittens, einen Verstoß gegen die Art. 47 und 52 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und gegebenenfalls gegen Art. 51 Abs. 4 und Art. 55 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts geltend mache, würfen eine bedeutsame Frage für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts auf.

8

Dies sei beim ersten Rechtsmittelgrund der Fall, mit dem ein Verstoß des Gerichts gegen die Art. 119 und 126 der Verfahrensordnung des Gerichts gerügt werde, da der angefochtene Beschluss nicht hinreichend begründet sei. Dieser Beschluss enthalte nämlich keine Erwägungen, die die Anwendbarkeit des Erfordernisses der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts in dem Fall rechtfertigen würden, dass der Rechtsmittelführer eine Anwaltskanzlei sei, deren Prozessbevollmächtigte ihre eigenen Mitglieder sind. Darüber hinaus habe es das Gericht versäumt, seine Feststellung in Rn. 16 des angefochtenen Beschlusses zu begründen, die bloße Tatsache, dass die bevollmächtigten Anwälte Mitglieder der Sozietät sind, sei geeignet, deren Unabhängigkeit auszuschließen.

9

Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund rügt der Rechtsmittelführer, dass das Gericht gegen Art. 19 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 51 der Verfahrensordnung des Gerichts verstoßen habe, indem es die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Erfordernis der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts verkannt habe, wonach die durch dieses Erfordernis geschützten Interessen der Schutz und die Verteidigung der Interessen des Mandanten seien (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juli 2022, Universität Bremen/REA, C‑110/21 P, EU:C:2022:555).

10

Folglich habe das Gericht einen Rechtsfehler begangen, indem es den Sozius einer Anwaltskanzlei, dem Kläger vor dem Gericht, als nicht unabhängig angesehen habe. Zum einen nämlich bestehe in der italienischen Rechtsordnung zwischen einer Anwaltssozietät und ihren Mitgliedern kein Beschäftigungsverhältnis, da der Beruf des Rechtsanwalts in Italien mit einer abhängigen Beschäftigung im Sinne des italienischen Rechts strukturell unvereinbar sei. Zum anderen erfolge die Erbringung von Dienstleistungen für die Sozietät durch deren Mitglieder voll und ganz im Rahmen dieses Rechts und der Standesregeln für die Berufsausübung in Italien, die alle auch die Verpflichtung des Rechtsanwalts zur Unabhängigkeit vorsähen.

11

Ferner verweist der Rechtsmittelführer auf die aus dem Urteil vom 24. März 2022, PJ und PC/EUIPO (C‑529/18 P und C‑531/18 P, EU:C:2022:218, Rn. 72), hervorgegangene Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach das bloße Bestehen einer wie auch immer gearteten zivilrechtlichen Vertragsbeziehung zwischen einem Anwalt und seinem Mandanten nicht für die Annahme ausreiche, dass sich dieser Anwalt in einer Situation befinde, die seine Fähigkeit, die Interessen seines Mandanten unter Beachtung des Unabhängigkeitskriteriums zu verteidigen, offensichtlich beeinträchtige. In Wirklichkeit berge die Situation des Anwalts, der Sozius einer Anwaltskanzlei und von dieser beauftragt sei, sie als Kläger vor dem Gericht der Europäischen Union zu vertreten, keinerlei Interessenkonflikt, sondern könne eher gemeinsame Interessen mit sich bringen.

12

Im Ergebnis sei der angefochtene Beschluss daher in einer alten Rechtsprechungspraxis „verankert“ und trage nicht der jüngsten „Neuausrichtung“ dieser Rechtsprechung durch den Gerichtshof Rechnung, was die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts schwerwiegend beeinträchtige.

13

Mit dem dritten Rechtsmittelgrund, der auf einen Verstoß u. a. gegen die Art. 47 und 52 der Charta gestützt wird, macht der Rechtsmittelführer dem Gericht zum Vorwurf, die Behebung des Mangels der Klage mit der Begründung nicht zugelassen zu haben, dass diese Behebung in seiner Verfahrensordnung nicht ausdrücklich vorgesehen sei, und dementsprechend die Klage automatisch für unzulässig erklärt zu haben. Damit habe das Gericht die Tatsache übersehen, dass das Erfordernis der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts aus einer Konstruktion der Rechtsprechung hervorgegangen sei und insofern die Mängelbehebung wegen fehlender Normen in Bezug auf diese Unabhängigkeit nicht ausdrücklich vorgesehen sei. Dieses Erfordernis sei im Übrigen unter Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt gemäß Art. 52 der Charta etabliert worden.

14

Darüber hinaus liefe im Fall einer fehlerhaften Prozessvertretung die automatische Unzulässigerklärung der Klage dem Wesensgehalt des Rechts auf Zugang zu den Gerichten, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten und den nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten zuwider.

15

Aus alledem gehe indes hervor, dass der dritte Rechtsmittelgrund eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufwerfe, da andernfalls eine schwerwiegende Verletzung der in der Charta verankerten Rechte und der Bestimmungen der Charta in Bezug auf eine mögliche Einschränkung dieser Rechte vorläge.

Würdigung durch den Gerichtshof

16

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es Sache des Rechtsmittelführers ist, darzutun, dass die mit seinem Rechtsmittel aufgeworfenen Fragen für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam sind (Beschluss vom 10. Dezember 2021, EUIPO/The KaiKai Company Jaeger Wichmann, C‑382/21 P, EU:C:2021:1050, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

17

Außerdem muss, wie sich aus Art. 58a Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union in Verbindung mit Art. 170a Abs. 1 und Art. 170b Abs. 4 zweiter Satz der Verfahrensordnung ergibt, der Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels sämtliche Angaben enthalten, die erforderlich sind, um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, über diesen Antrag zu entscheiden und im Fall der teilweisen Zulassung des Rechtsmittels dessen Gründe oder Teile zu bestimmen, auf die sich die Rechtsmittelbeantwortung beziehen muss. Da der Mechanismus der vorherigen Zulassung von Rechtsmitteln nach Art. 58a dieser Satzung die Kontrolle durch den Gerichtshof auf die Fragen beschränken soll, die für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam sind, sind vom Gerichtshof nämlich nur die Gründe im Rahmen des Rechtsmittels zu prüfen, die solche Fragen aufwerfen; diese Gründe müssen vom Rechtsmittelführer dargetan worden sein (Beschlüsse vom 10. Dezember 2021, EUIPO/The KaiKai Company Jaeger Wichmann, C‑382/21 P, EU:C:2021:1050, Rn. 21, und vom 30. Januar 2023, bonnanwalt/EUIPO, C‑580/22 P, EU:C:2023:126, Rn. 11).

18

Daher muss ein Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels in jedem Fall klar und genau die Gründe angeben, auf die das Rechtsmittel gestützt wird, ebenso genau und klar die von jedem Rechtsmittelgrund aufgeworfene Rechtsfrage benennen, erläutern, ob diese Frage für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam ist, und speziell darlegen, warum diese Frage im Hinblick auf das geltend gemachte Kriterium bedeutsam ist. Was insbesondere die Rechtsmittelgründe betrifft, muss der Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels nähere Angaben zu der Bestimmung des Unionsrechts oder der Rechtsprechung enthalten, gegen die durch das mit einem Rechtsmittel angefochtene Urteil oder durch den mit einem Rechtsmittel angefochtenen Beschluss verstoßen worden sein soll, in gedrängter Form darlegen, worin der vom Gericht angeblich begangene Rechtsfehler besteht, und Ausführungen dazu machen, inwieweit sich dieser Fehler auf das Ergebnis des mit einem Rechtsmittel angefochtenen Urteils oder Beschlusses ausgewirkt hat. Ist der gerügte Rechtsfehler das Ergebnis einer Verkennung der Rechtsprechung, muss der Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels in gedrängter Form, aber klar und genau darlegen, erstens, wo der behauptete Widerspruch zu finden ist, indem sowohl die Randnummern des mit dem Rechtsmittel angefochtenen Urteils oder Beschlusses, die der Rechtsmittelführer in Frage stellt, als auch die Randnummern der Entscheidung des Gerichtshofs oder des Gerichts angegeben werden, die missachtet worden sein sollen, und zweitens die konkreten Gründe, aus denen ein solcher Widerspruch eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufwirft (Beschlüsse vom 10. Dezember 2021, EUIPO/The KaiKai Company Jaeger Wichmann, C‑382/21 P, EU:C:2021:1050, Rn. 22, und vom 30. Januar 2023, bonnanwalt/EUIPO, C‑580/22 P, EU:C:2023:126, Rn. 12).

19

Wegen des Grundsatzes, wonach dem Urheber des Antrags auf Zulassung des Rechtsmittels die Beweislast obliegt, muss der Rechtsmittelführer dartun, dass sein Rechtsmittel, unabhängig von den darin angesprochenen Rechtsfragen, eine oder mehrere für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Fragen aufwirft, wobei die Tragweite dieses Kriteriums über den Rahmen des angefochtenen Urteils und letztlich über den seines Rechtsmittels hinausgeht (Beschluss vom 16. November 2022, EUIPO/Nowhere, C‑337/22 P, EU:C:2022:908, Rn. 32, und vom 30. Januar 2023, Bonnanwalt/EUIPO, C‑580/22 P, EU:C:2023:126, Rn. 15).

20

Dieser Nachweis erfordert, dass er sowohl dartun muss, welche Rechtsfragen durch das Rechtsmittel aufgeworfen werden, als auch, inwieweit sie bedeutsam sind, und zwar konkret anhand der Umstände des Einzelfalls und nicht lediglich mit allgemeinen Ausführungen (Beschlüsse vom 16. November 2022, EUIPO/Nowhere, C‑337/22 P, EU:C:2022:908, Rn. 33, und vom 30. Januar 2023, bonnanwalt/EUIPO, C‑580/22 P, EU:C:2023:126, Rn. 16).

21

Im vorliegenden Fall ist als Erstes festzustellen, dass im Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels die drei im Rahmen des Rechtsmittels geltend gemachten Rechtsmittelgründe genau und klar dargelegt sind, mit denen erstens ein Verstoß gegen die Art. 119 und 126 der Verfahrensordnung des Gerichts, zweitens eine fehlerhafte Anwendung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Anwendung von Art. 19 Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie von Art. 51 der Verfahrensordnung des Gerichts und drittens ein Verstoß gegen die Art. 47 und 52 der Charta sowie gegebenenfalls gegen Art. 51 Abs. 4 und Art. 55 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts geltend gemacht wird.

22

Was als Zweites den ersten Rechtsmittelgrund betrifft, ist festzustellen, dass im Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels rechtlich hinreichend dargelegt wird, worin der behauptete Fehler besteht, der sich aus dem Verstoß gegen die Art. 119 und 126 der Verfahrensordnung des Gerichts ergeben soll. Aus dem Antrag geht nämlich hervor, dass der behauptete Fehler darin bestehe, dass der angefochtene Beschluss zum einen nicht hinreichend begründet sei, da das Gericht lediglich auf eine seiner früheren Entscheidungen verweise, in der es die Anwendbarkeit des Erfordernisses der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts in dem Fall, dass der Rechtsmittelführer eine Anwaltskanzlei ist und eines seiner Mitglieder ihn vor dem Gericht vertritt, ebenfalls nicht begründet habe; eine vollständige Begründung zu diesem Punkt fehle jedoch. Zum anderen habe das Gericht es versäumt, die jüngste Rechtsprechung des Gerichtshofs in diesem Bereich zu berücksichtigen und anzuwenden, obwohl es sie im angefochtenen Beschluss angeführt habe.

23

Demgegenüber benennt der Rechtsmittelführer zwar die mit seinem ersten Rechtsmittelgrund aufgeworfene Frage, die im Wesentlichen auf die Feststellung gerichtet ist, ob ein Begründungsmangel vorliege, wenn das Gericht lediglich sinngemäß auf frühere Entscheidungen zu der betreffenden Frage verweist, ohne eine vollständige Begründung zu dieser Frage darzulegen, doch tut er jedenfalls nicht rechtlich hinreichend dar, inwiefern der angebliche Begründungsmangel des angefochtenen Beschlusses eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufwirft. Ein Rechtsmittelführer, der sich darauf beschränkt, sich auf Argumente allgemeiner Art zu berufen, trägt nämlich nichts vor, was belegen würde, dass dieser Rechtsmittelgrund eine Frage aufwirft, deren Bedeutung über den Rahmen des mit dem Rechtsmittel angefochtenen Beschlusses und letztlich über den seines Rechtsmittels hinausgeht.

24

Als Drittes ist in Bezug auf die mit dem zweiten Rechtsmittelgrund aufgeworfene Frage festzustellen, dass im Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels rechtlich hinreichend dargelegt wird, worin der behauptete Fehler bestehe, der sich aus der Verkennung der Rechtsprechung ergeben soll, inwieweit dieser behauptete Fehler das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses beeinflusst habe und aus welchen konkreten Gründen ein solcher Fehler, seinen Nachweis unterstellt, eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufwirft.

25

Diesem Antrag ist nämlich zu entnehmen, dass der behauptete Fehler darin bestehe, dass durch den angefochtenen Beschluss die aus dem Urteil vom 14. Juli 2022, Universität Bremen/REA (C‑110/21 P, EU:C:2022:555, Rn. 67), hervorgegangene Rechtsprechung verkannt worden sei, wonach das im Unionsrecht vorgesehene Erfordernis der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts so auszulegen sei, dass Unzulässigkeit nur in den Fällen vorliege, in denen der betreffende Vertreter seine Aufgabe, seinen Mandanten durch den bestmöglichen Schutz seiner Interessen zu verteidigen, offensichtlich nicht wahrzunehmen vermag, so dass er im Interesse des Mandanten von der Vertretung auszuschließen sei. Diesem Antrag zufolge wäre indes, wäre ein solcher Fehler festgestellt worden, die Klage vor dem Gericht zulässig gewesen.

26

Darüber hinaus benennt der Rechtsmittelführer die mit seinem zweiten Rechtsmittelgrund aufgeworfene Frage, die im Wesentlichen auf die Feststellung gerichtet ist, ob die aus dem Urteil vom 14. Juli 2022, Universität Bremen/REA (C‑110/21 P, EU:C:2022:555, Rn. 67), hervorgegangene Rechtsprechung zur Anwendung von Art. 19 Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union impliziert, dass die Rechtsanwälte, die Sozien einer Anwaltskanzlei und von dieser beauftragt sind, das vom Gerichtshof definierte Unabhängigkeitserfordernis erfüllen. Mit dem Hinweis darauf, dass nach italienischem Recht zwischen einer Sozietät von Rechtsanwälten und ihren Mitgliedern kein Beschäftigungsverhältnis bestehe und dass das Mitglied, das beauftragt sei, diese Sozietät vor Gericht zu vertreten, sich nicht in einem Interessenkonflikt mit ihr befinden könne, legt der Rechtsmittelführer nahe, dass die mit seinem zweiten Rechtsmittelgrund aufgeworfene Rechtsfrage über den Rahmen seines Rechtsmittels hinausgehe, da die Antwort auf diese Frage Auswirkungen haben werde, die weit über den vorliegenden Fall hinausgingen. Damit legt der Rechtsmittelführer die konkreten Gründe dar, aus denen diese Frage für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts von Bedeutung ist.

27

Als Viertes ist in Bezug auf die mit dem dritten Rechtsmittelgrund aufgeworfene Frage festzustellen, dass im Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels rechtlich hinreichend dargelegt wird, worin der behauptete Fehler bestehe, der sich aus der Verkennung der Rechtsprechung ergeben soll, inwieweit dieser behauptete Fehler das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses beeinflusst habe und aus welchen konkreten Gründen dieser Fehler, sein Vorliegen unterstellt, eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufwirft.

28

Diesem Antrag ist nämlich zu entnehmen, dass der behauptete Rechtsfehler im Wesentlichen darin bestehe, dass das Gericht, nachdem es die fehlende Unabhängigkeit der drei Rechtsanwälte, die die Rechtsmittelführerin vor dem Gericht vertreten haben, festgestellt hat, ausgeführt hat, dass in der Verfahrensordnung des Gerichts keine ausdrückliche Möglichkeit zur Mängelbehebung vorgesehen sei. Andernfalls aber hätte der Rechtsmittelführer die Möglichkeit gehabt, die Unzulässigerklärung seiner Klage zu verhindern.

29

Darüber hinaus benennt der Rechtsmittelführer zum einen die mit seinem dritten Rechtsmittelgrund aufgeworfene Frage, die im Wesentlichen auf die Feststellung gerichtet ist, ob dann, wenn eine Partei nach Ansicht des Gerichts nicht im Sinne von Art. 19 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ordnungsgemäß durch einen Rechtsanwalt vertreten ist, die Art. 47 und 52 der Charta implizieren, dass das Gericht eine Partei vor dem Erlass einer die Klage abweisenden Entscheidung darauf hinweisen muss, um ihr zu ermöglichen, sich ordnungsgemäß vertreten zu lassen. Zum anderen geht aus dem Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels hervor, dass die Bedeutung der etwaigen Verpflichtung des Gerichts, einem Rechtsmittelführer die Möglichkeit zu geben, den Mangel seiner Klage zu beheben, bevor es deren Unzulässigkeit feststellt, weil es sonst die in der Charta verankerten Rechte verletzen würde, über den Rahmen des angefochtenen Beschlusses hinausgeht. Insoweit ist festzustellen, dass diese Frage nicht mit einem spezifischen Bereich des Unionsrechts verknüpft ist, sondern jede Art von Streitigkeiten betrifft, die beim Gericht anhängig gemacht werden und für die die Vertretung durch einen Rechtsanwalt im Sinne von Art. 19 Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union vorgeschrieben ist.

30

Unter Berücksichtigung der vom Rechtsmittelführer dargelegten Gesichtspunkte wird mit dem vorliegenden Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels rechtlich hinreichend dargetan, dass der zweite und der dritte Rechtsmittelgrund Fragen aufwerfen, die für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam sind.

31

Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist das Rechtsmittel mit seinem zweiten und seinem dritten Rechtsmittelgrund, auf die sich die Rechtsmittelbeantwortung beziehen muss, zuzulassen und im Übrigen nicht zuzulassen.

Kosten

32

Nach Art. 170b Abs. 4 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs wird das Verfahren gemäß den Art. 171 bis 190a der Verfahrensordnung fortgesetzt, wenn das Rechtsmittel im Hinblick auf die in Art. 58a Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union angeführten Kriterien ganz oder teilweise zugelassen wird.

33

Nach Art. 137 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren anwendbar ist, wird über die Kosten im Endurteil oder in dem das Verfahren beendenden Beschluss entschieden.

34

Da dem Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels teilweise stattgegeben wird, bleibt die Kostenentscheidung vorbehalten.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Kammer für die Zulassung von Rechtsmitteln) beschlossen:

 

1.

Das Rechtsmittel wird teilweise zugelassen.

 

2.

Die Rechtsmittelbeantwortung hat sich auf den zweiten und den dritten Rechtsmittelgrund zu beziehen.

 

3.

Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Italienisch.