BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Kammer für die Zulassung von Rechtsmitteln)
18. April 2023 ( *1 )
„Rechtsmittel – Unionsmarke – Zulassung von Rechtsmitteln – Art. 170b der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Antrag, in dem die Bedeutsamkeit einer Frage für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts dargetan wird – Zulassung des Rechtsmittels“
In der Rechtssache C‑751/22 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 8. Dezember 2022,
Shopify Inc. mit Sitz in Ottawa (Kanada), vertreten durch Rechtsanwälte M. Pemsel und S. Völker,
Rechtsmittelführerin,
andere Parteien des Verfahrens:
Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO),
Beklagter im ersten Rechtszug,
Massimo Carlo Alberto Rossi, wohnhaft in Fiano (Italien),
Salvatore Vacante, wohnhaft in Berlin (Deutschland),
Shoppi Ltd mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich),
Streithelfer im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Kammer für die Zulassung von Rechtsmitteln)
unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Gerichtshofs L. Bay Larsen sowie der Richter D. Gratsias und M. Ilešič (Berichterstatter),
Kanzler: A. Calot Escobar,
auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts A. M. Collins
folgenden
Beschluss
|
1 |
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Shopify Inc. die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 12. Oktober 2022, Shopify/EUIPO – Rossi u. a. (Shoppi) (T‑222/21, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2022:633), mit dem das Gericht ihre Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 18. Februar 2021 (Sache R 785/2020-2) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen Herrn Massimo Carlo Alberto Rossi, Herrn Salvatore Vacante und der Shoppi Ltd auf der einen Seite und Shopify auf der anderen Seite (im Folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen hat. |
Zum Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels
|
2 |
Nach Art. 58a Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union entscheidet der Gerichtshof vorab über die Zulassung von Rechtsmitteln gegen eine Entscheidung des Gerichts, die eine Entscheidung einer unabhängigen Beschwerdekammer des EUIPO betrifft. |
|
3 |
Gemäß Art. 58a Abs. 3 der Satzung wird ein Rechtsmittel nach den in der Verfahrensordnung des Gerichtshofs im Einzelnen festgelegten Modalitäten ganz oder in Teilen nur dann zugelassen, wenn damit eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufgeworfen wird. |
|
4 |
Art. 170a Abs. 1 der Verfahrensordnung sieht vor, dass der Rechtsmittelführer in den Fällen von Art. 58a Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs seiner Rechtsmittelschrift einen Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels als Anlage beizufügen hat, in dem er die für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage darlegt, die mit dem Rechtsmittel aufgeworfen wird, und der sämtliche Angaben enthalten muss, die erforderlich sind, um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, über diesen Antrag zu entscheiden. |
|
5 |
Gemäß Art. 170b Abs. 1 und 3 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels so rasch wie möglich durch mit Gründen versehenen Beschluss. |
Vorbringen der Rechtsmittelführerin
|
6 |
Zur Stützung ihres Antrags auf Zulassung des Rechtsmittels macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass mit ihrem Rechtsmittel eine für die Einheit, die Kohärenz und die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufgeworfen werde. |
|
7 |
Zunächst führt sie aus, dass ihr Rechtsmittel auf einen einzigen Rechtsmittelgrund gestützt sei, mit dem ein Verstoß gegen Art. 53 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung geltend gemacht werde. |
|
8 |
Sie erklärt, dass sie insbesondere rüge, dass das Gericht in den Rn. 96 bis 104 des angefochtenen Urteils Beweise für die erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke im Vereinigten Königreich mit der Begründung zurückgewiesen habe, dass der Kläger im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens in der Lage sein müsse, die Benutzung der angegriffenen Marke nicht nur am Tag ihrer Anmeldung, sondern auch zum Zeitpunkt der streitigen Entscheidung zu untersagen, und dass diese Entscheidung im vorliegenden Fall nach Ablauf des in Art. 127 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft (ABl. 2020, L 29, S. 7, im Folgenden: Austrittsabkommen) vorgesehenen Übergangszeitraums ergangen sei. |
|
9 |
Dadurch habe das Gericht den Wortlaut von Art. 53 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 verkannt, wonach alle Voraussetzungen für den Erfolg eines Nichtigkeitsverfahrens am Anmeldetag oder am Prioritätstag der angegriffenen Marke erfüllt sein müssten. |
|
10 |
Die Rechtsmittelführerin führt aus, dass das Gericht, wenn es davon ausgegangen wäre, dass für die Feststellung, ob die Voraussetzungen für den Erfolg eines Nichtigkeitsverfahrens erfüllt seien, einzig der Anmeldetag der angegriffenen Marke maßgeblich sei, die streitige Entscheidung hätte aufheben müssen. Sie macht außerdem geltend, dass die Beschwerdekammer, wenn sie die Beweise für die erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke in Bezug auf das Vereinigte Königreich zugelassen hätte, zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass diese Marke über eine erhöhte Kennzeichnungskraft verfüge und zwischen den einander gegenüberstehenden Marken folglich Verwechslungsgefahr bestehe. |
|
11 |
Ferner führt die Rechtsmittelführerin aus, dass der einzige Rechtsmittelgrund, auf den sie ihr Rechtsmittel stütze, die Frage nach dem Zeitpunkt aufwerfe, zu dem zu beurteilen sei, ob die Voraussetzungen nach Art. 53 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 erfüllt seien. Insbesondere sei zu bestimmen, ob der Antragsteller im Nichtigkeitsverfahren das Vorliegen eines relativen Eintragungshindernisses nur am Prioritätstag oder am Anmeldetag der angegriffenen Marke nachzuweisen habe, oder ob von ihm verlangt werden könne, das Vorliegen eines solchen Hindernisses auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des EUIPO nachzuweisen. |
|
12 |
Die Rechtsmittelführerin führt acht Argumente an, um die Bedeutung dieser Frage für die Einheit, die Kohärenz und die Entwicklung des Unionsrechts darzutun. |
|
13 |
Erstens macht sie geltend, dass sich diese Frage in allen Nichtigkeitsverfahren stelle, in deren Rahmen die ältere Marke oder der Umfang des von dieser gewährten Schutzes von Ereignissen betroffen sei, die nach dem Prioritätstag oder dem Anmeldetag der angegriffenen Marke eingetreten seien, wie etwa ein Verlust an Kennzeichnungskraft oder Bekanntheit, eine Änderung des auf das Verfahren anwendbaren Rechts oder – wie im vorliegenden Fall – der Austritt eines Mitgliedstaats aus der Union. |
|
14 |
Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Union werde sich auf eine beträchtliche Anzahl anderer Nichtigkeits- und Widerspruchsverfahren bezüglich älterer Unionsmarken und auch älterer nationaler Marken auswirken. Eine Klärung dieser Frage durch den Gerichtshof sei also sowohl für die Nutzer des Systems der Unionsmarke als auch für die nationalen Markenämter und die nationalen Gerichte erforderlich, insbesondere im Hinblick darauf, dass sie nicht nur die Auswirkungen des Austrittsabkommens auf anhängige Verfahren betreffe sondern auch alle – im Bereich des geistigen Eigentums häufig auftretenden – Fälle, in denen ein älteres Recht im Lauf des Verfahrens ganz oder teilweise wegfalle. |
|
15 |
Zweitens führt die Rechtsmittelführerin aus, dass es für die Einheit, die Kohärenz und die Entwicklung des Unionsrechts entscheidend sei, dass alle Gerichte innerhalb der Union das Unionsrecht wie vom Unionsgesetzgeber erlassen anwendeten. Die Verkennung des eindeutigen Wortlauts von Art. 53 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 durch das Gericht stelle somit einen Verstoß gegen den fundamentalen Grundsatz dar, dass die Gerichte in der Union an das Unionsrecht gebunden seien und ihre Aufgaben innerhalb der vom Unionsgesetzgeber festgelegten Grenzen auszuüben hätten. |
|
16 |
Drittens macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das angefochtene Urteil Rechtsunsicherheit schaffe. Die Annahme, dass der Tag, an dem die Entscheidung einer Beschwerdekammer des EUIPO ergehe, für die Beurteilung des Vorliegens eines relativen Eintragungshindernisses im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens ebenfalls von Bedeutung sei, würde die Rechtssicherheit aller Inhaber älterer Marken erheblich beeinträchtigen, da diese die Entscheidung, ob sie einen Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit stellen oder nicht, nicht auf die ihnen vorliegenden Informationen stützen könnten, da für sie nicht vorhersehbar sei, wie sich die Situation bis zur Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung oder der Beschwerdekammer entwickeln werde. |
|
17 |
Viertens sei die mit dem Rechtsmittel aufgeworfene Frage für die Einheit und die Kohärenz des Unionsrechts bedeutsam, da sie sowohl Nichtigkeitsverfahren in Bezug auf Unionsmarken als auch jene in Bezug auf nationale Marken in den Mitgliedstaaten betreffe. Art. 5 der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 2015, L 336, S. 1) und Art. 53 der Verordnung Nr. 207/2009 müssten nämlich, soweit sie identische Nichtigkeitsgründe vorsähen, gemäß ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs, auf die insbesondere in Rn. 32 des Urteils vom 12. September 2019, Deutsches Patent- und Markenamt (#darferdas?) (C‑541/18, EU:C:2019:725, Rn. 32), verwiesen werde, gleich ausgelegt werden. |
|
18 |
Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die nationalen Markenämter oder Gerichte über einen Widerspruch oder einen Antrag auf Nichtigerklärung, der auf der Existenz einer älteren Unionsmarke beruhe und eine Marke oder eine Markenanmeldung betreffe, unterschiedlich entschieden, je nach dem Zeitpunkt, der als maßgeblich herangezogen werde, um zu beurteilen, ob die Voraussetzungen vorlägen, um dem Widerspruch oder dem Antrag auf Nichtigerklärung stattzugeben, was die Rechtssicherheit beeinträchtige. |
|
19 |
Fünftens macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass der vom Gericht vertretene Standpunkt der willkürlichen Ausübung der Gewalt der Exekutive Tür und Tor öffne, da dem EUIPO, den nationalen Markenämtern und den nationalen Gerichten dadurch die Möglichkeit eingeräumt werde, ein Nichtigkeitsverfahren absichtlich bis zum Auftreten besonderer Umstände wie dem Austritt eines Mitgliedstaats aus der Union oder dem Erlöschen einer Marke, oder aber so lange hinauszuzögern, bis die Beweise, die am Prioritätstag oder am Anmeldetag der angegriffenen Marke zum Nachweis der Bekanntheit einer älteren Marke vorgelegt worden seien, nicht mehr geeignet seien, um diese Bekanntheit zum Zeitpunkt der Entscheidung nachzuweisen. Allein der Umstand, dass ein solches willkürliches Verhalten möglich sei, genüge, um das Vertrauen in die Unabhängigkeit des EUIPO sowie der nationalen Markenämter und Gerichte in Mitleidenschaft zu ziehen. |
|
20 |
Sechstens sei die mit dem Rechtsmittel aufgeworfene Frage für die Nutzer des Systems der Unionsmarke von größter Bedeutung. Komme der Gerichtshof nämlich zu dem Ergebnis, dass der Zeitpunkt der Entscheidung ebenfalls maßgeblich sei, müssten die Personen, die Widerspruch eingelegt oder die Nichtigerklärung beantragt hätten, ständig Beweise für die weiterhin bestehende Bekanntheit der Marke, für ihre ernsthafte Benutzung und/oder für ihre erhöhte Kennzeichnungskraft vorlegen, und die Markenämter sowie die Markeninhaber bzw. ‑anmelder müssten diese anschließend systematisch prüfen. |
|
21 |
Siebtens führt die Rechtsmittelführerin aus, dass die mit dem Rechtsmittel aufgeworfene Frage auch in Bezug auf die Grundsätze der Territorialität und der Einheitlichkeit der Unionsmarke gemäß Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 von Bedeutung sei. |
|
22 |
Die Frage, ob es ausreiche, dass am Prioritätstag oder am Anmeldetag, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die ältere Marke im Vereinigten Königreich noch eine Schutzwirkung entfaltet habe, ein Konflikt zwischen der älteren und der jüngeren Marke bestehe, oder ob ein solcher Konflikt auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des EUIPO bestehen müsse, wirke sich erheblich auf die Grundsätze der Territorialität und der Einheitlichkeit der Unionsmarke aus, die zwei der wichtigsten Säulen des Markenrechts der Europäischen Union bildeten. |
|
23 |
Achtens macht die Rechtsmittelführerin schließlich geltend, dass die mit dem Rechtsmittel aufgeworfene Frage die praktische Wirksamkeit der Unionsmarke betreffe. Zu verlangen, dass die betroffenen Marken auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des EUIPO miteinander in Konflikt stünden, stelle die Wirksamkeit des von der Unionsmarke gebotenen Schutzes insoweit in Frage, als jede spätere Entwicklung der Umstände geeignet wäre, die Unionsmarke nachträglich ihrer Wirkungen zu berauben. |
Würdigung durch den Gerichtshof
|
24 |
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es Sache des Rechtsmittelführers ist, darzutun, dass die mit seinem Rechtsmittel aufgeworfenen Fragen für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam sind (Beschluss vom 10. Dezember 2021, EUIPO/The KaiKai Company Jaeger Wichmann, C‑382/21 P, EU:C:2021:1050, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
|
25 |
Außerdem muss, wie sich aus Art. 58a Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union in Verbindung mit Art. 170a Abs. 1 und Art. 170b Abs. 4 Satz 2 der Verfahrensordnung ergibt, der Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels sämtliche Angaben enthalten, die erforderlich sind, um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, über die Zulassung des Rechtsmittels zu entscheiden und im Fall der teilweisen Zulassung des Rechtsmittels dessen Gründe oder Teile zu bestimmen, auf die sich die Rechtsmittelbeantwortung beziehen muss. Da der Mechanismus der vorherigen Zulassung von Rechtsmitteln nach Art. 58a der genannten Satzung die Kontrolle durch den Gerichtshof auf die Fragen beschränken soll, die für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam sind, sind vom Gerichtshof nämlich nur die Gründe im Rahmen des Rechtsmittels zu prüfen, die solche Fragen aufwerfen; diese Gründe müssen vom Rechtsmittelführer dargetan worden sein (Beschlüsse vom 10. Dezember 2021, EUIPO/The KaiKai Company Jaeger Wichmann, C‑382/21 P, EU:C:2021:1050, Rn. 21, und vom 16. November 2022, EUIPO/Nowhere, C‑337/22 P, EU:C:2022:908, Rn. 24). |
|
26 |
Daher muss ein Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels in jedem Fall klar und genau die Gründe angeben, auf die das Rechtsmittel gestützt wird, ebenso genau und klar die von jedem Rechtsmittelgrund aufgeworfene Rechtsfrage benennen, erläutern, ob diese Frage für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsam ist, und speziell darlegen, warum diese Frage im Hinblick auf das geltend gemachte Kriterium bedeutsam ist. Was insbesondere die Rechtsmittelgründe betrifft, muss der Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels nähere Angaben zu der Bestimmung des Unionsrechts oder der Rechtsprechung enthalten, gegen die durch das mit einem Rechtsmittel angefochtene Urteil oder durch den mit einem Rechtsmittel angefochtenen Beschluss verstoßen worden sein soll, in gedrängter Form darlegen, worin der vom Gericht angeblich begangene Rechtsfehler besteht, und Ausführungen dazu machen, inwieweit sich dieser Fehler auf das Ergebnis des mit einem Rechtsmittel angefochtenen Urteils oder Beschlusses ausgewirkt hat. Ist der gerügte Rechtsfehler das Ergebnis einer Verkennung der Rechtsprechung, muss der Antrag auf Zulassung in gedrängter Form, aber klar und genau darlegen, erstens, wo der behauptete Widerspruch zu finden ist, indem sowohl die Randnummern des mit dem Rechtsmittel angefochtenen Urteils oder Beschlusses, die der Rechtsmittelführer in Frage stellt, als auch die Randnummern der Entscheidung des Gerichtshofs oder des Gerichts angegeben werden, die missachtet worden sein sollen, und zweitens die konkreten Gründe, aus denen ein solcher Widerspruch eine für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufwirft (Beschluss vom 10. Dezember 2021, EUIPO/The KaiKai Company Jaeger Wichmann, C‑382/21 P, EU:C:2021:1050, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
|
27 |
Im vorliegenden Fall ist als Erstes festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin den einzigen Rechtsmittelgrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 53 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 geltend gemacht wird und auf den sich das Rechtsmittel stützt, genau und klar angibt. Sie rügt insbesondere, dass das Gericht diese Bestimmung in den Rn. 96 bis 104 des angefochtenen Urteils verkannt habe, als es die Ansicht vertreten habe, dass der Kläger im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens in der Lage sein müsse, die Benutzung der angegriffenen Marke nicht nur am Tag ihrer Anmeldung, sondern auch zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beschwerdekammer zu untersagen. |
|
28 |
Die Rechtsmittelführerin führt außerdem aus, worin die angeblichen Rechtsfehler des Gerichts bestehen. |
|
29 |
Sie macht nämlich geltend, dass das Gericht den Wortlaut von Art. 53 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 verkannt habe, wonach alle Voraussetzungen für den Erfolg eines Nichtigkeitsverfahrens am Anmeldetag oder am Prioritätstag der angegriffenen Marke erfüllt sein müssten. Die Rechtsmittelführerin legt außerdem dar, dass die vom Gericht vorgenommene Auslegung dieser Bestimmung zu Rechtsunsicherheit führe. |
|
30 |
Sie trägt ferner vor, dass das Gericht das Nichtigkeitsverfahren und die Verletzungsklage verwechselt habe, als es vom Antragsteller im Nichtigkeitsverfahren verlangt habe, dass er in der Lage sein müsse, die Benutzung der angegriffenen Marke zum Zeitpunkt der Entscheidung des EUIPO zu untersagen. |
|
31 |
Das Gericht habe außerdem die sich aus dem Urteil vom 29. Januar 2020, Sky u. a. (C‑371/18, EU:C:2020:45, Rn. 49), ergebende Rechtsprechung des Gerichtshofs, nach der im Rahmen eines Antrags auf Nichtigerklärung einer Unionsmarke der Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke für die Feststellung des anwendbaren materiellen Rechts maßgebend sei, sowie seine eigene, sich aus den Urteilen vom 1. Dezember 2021, Inditex/EUIPO – Ffauf Italia (ZARA) (T‑467/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:842, Rn. 59 bis 61), sowie vom 16. März 2022, Nowhere/EUIPO – Ye (APE TEES) (T‑281/21, EU:T:2022:139, Rn. 28 und 29), ergebende Rechtsprechung zu einem Widerspruchsverfahren verkannt, die auf das Nichtigkeitsverfahren entsprechend anwendbar sei und nach der das Vorliegen eines relativen Eintragungshindernisses zum Zeitpunkt der Anmeldung der Marke beurteilt werden müsse. |
|
32 |
Daher ist festzustellen, dass im Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels sowohl die Randnummern des angefochtenen Urteils angegeben sind, die von der Rechtsmittelführerin beanstandet werden, als auch die Bestimmung des Unionsrechts und die Randnummern der Urteile des Gerichtshofs und des Gerichts benannt sind, gegen die verstoßen worden sein soll. |
|
33 |
Als Zweites führt die Rechtsmittelführerin aus, dass der Rechtsfehler, den sie dem Gericht anlaste, dazu geführt habe, dass dieses die streitige Entscheidung, mit der die Zulassung der Beweise für die erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke in Bezug auf das Vereinigte Königreich verweigert worden sei, nicht aufgehoben habe, und tut somit dar, dass dieser Fehler Auswirkungen auf das Ergebnis des angefochtenen Urteils hatte. |
|
34 |
Als Drittes benennt die Rechtsmittelführerin genau und klar die von ihrem einzigen Rechtsmittelgrund aufgeworfene Rechtsfrage, nämlich ob gemäß Art. 53 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 der Antragsteller im Nichtigkeitsverfahren das Vorliegen eines relativen Eintragungshindernisses nur am Prioritätstag oder am Anmeldetag der angegriffenen Marke nachzuweisen hat, oder ob von ihm verlangt werden kann, das Vorliegen eines solchen Hindernisses auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des EUIPO nachzuweisen. |
|
35 |
Als Viertes muss der Rechtsmittelführer wegen der ihm als Urheber eines Antrags auf Zulassung des Rechtsmittels obliegenden Beweislast dartun, dass sein Rechtsmittel, unabhängig von den darin angesprochenen Rechtsfragen, eine oder mehrere für die Einheit, die Kohärenz oder die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Fragen aufwirft, wobei die Tragweite dieses Kriteriums über den Rahmen des angefochtenen Urteils und letztlich über den seines Rechtsmittels hinausgeht (Beschluss vom 16. November 2022, EUIPO/Nowhere, C‑337/22 P, EU:C:2022:908, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
|
36 |
Er muss sowohl dartun, welche Rechtsfragen durch das Rechtsmittel aufgeworfen werden, als auch, inwieweit sie bedeutsam sind, und zwar konkret anhand der Umstände des Einzelfalls und nicht lediglich mit allgemeinen Ausführungen (Beschluss vom 16. November 2022, EUIPO/Nowhere, C‑337/22 P, EU:C:2022:908, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
|
37 |
Im vorliegenden Fall legt die Rechtsmittelführerin die konkreten Gründe dar, aus denen sie die in ihrem Rechtsmittel aufgeworfene Rechtsfrage für die Einheit, die Kohärenz und die Entwicklung des Unionsrechts für bedeutsam hält. |
|
38 |
Sie macht insbesondere geltend, dass sich diese Rechtsfrage nicht nur hinsichtlich der Auswirkungen des Austrittsabkommens auf anhängige Verfahren stelle, die potenziell eine große Anzahl an Nichtigkeits- und Widerspruchsverfahren bezüglich älterer Unionsmarken und älterer nationaler Marken beträfen, sondern auch in allen Fällen, in denen die ältere Marke oder der Umfang des von ihr gewährten Schutzes durch Ereignisse beeinträchtigt werde, die nach dem Prioritätstag oder dem Anmeldetag der angegriffenen Marke eingetreten seien, wie etwa der Verlust an Kennzeichnungskraft oder Bekanntheit oder eine Änderung des auf das Verfahren anwendbaren Rechts. |
|
39 |
Somit geht aus dem Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels hervor, dass die mit dem vorliegenden Rechtsmittel aufgeworfene Frage über den Rahmen des angefochtenen Urteils und letztlich den dieses Rechtsmittels hinausgeht. |
|
40 |
In Anbetracht des Vorbringens der Rechtsmittelführerin ist im vorliegenden Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels rechtlich hinreichend dargetan, dass das Rechtsmittel eine für die Einheit, die Kohärenz und die Entwicklung des Unionsrechts bedeutsame Frage aufwirft. |
|
41 |
Nach alledem ist das Rechtsmittel zuzulassen. |
Kosten
|
42 |
Nach Art. 170b Abs. 4 der Verfahrensordnung wird das Verfahren gemäß deren Art. 171 bis 190a fortgesetzt, wenn das Rechtsmittel im Hinblick auf die in Art. 58a Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union angeführten Kriterien ganz oder teilweise zugelassen wird. |
|
43 |
Gemäß Art. 137 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, wird über die Kosten im Endurteil oder in dem das Verfahren beendenden Beschluss entschieden. |
|
44 |
Da dem Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels stattgegeben wird, bleibt die Kostenentscheidung vorbehalten. |
|
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Kammer für die Zulassung von Rechtsmitteln) beschlossen: |
|
|
|
Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.