4.4.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 148/14


Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Wiesbaden (Deutschland) eingereicht am 11. Januar 2022 — UF gegen Land Hessen

(Rechtssache C-26/22)

(2022/C 148/20)

Verfahrenssprache: Deutsch

Vorlegendes Gericht

Verwaltungsgericht Wiesbaden

Parteien des Ausgangsverfahrens

Kläger: UF

Beklagter: Land Hessen

Beigeladene Partei: SCHUFA Holding AG

Vorlagefragen

1.

Ist Art. 77 Abs. 1 i.V.m. Art. 78 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (1) (DSGVO) dahingehend zu verstehen, dass das Ergebnis der Aufsichtsbehörde, welches diese dem Betroffenen mitteilt,

a)

den Charakter der Bescheidung einer Petition hat, dies mit der Folge, dass die gerichtliche Kontrolle einer aufsichtsbehördlichen Beschwerdeentscheidung nach Art. 78 Abs. 1 DSGVO sich grundsätzlich darauf beschränkt, ob die Behörde sich mit der Beschwerde befasst, den Beschwerdegegenstand angemessen untersucht und den Beschwerdeführer über das Ergebnis der Prüfung unterrichtet hat,

oder

b)

als eine behördliche Sachentscheidung zu verstehen ist, dies mit der Folge, dass eine aufsichtsbehördliche Beschwerdeentscheidung voll inhaltlich von dem Gericht nach Art. 78 Abs. 1 DSGVO zu überprüfen ist, wobei im Einzelfall — z. B. bei einer Ermessensreduzierung auf Null — die Aufsichtsbehörde durch das Gericht auch zu einer konkreten Maßnahme im Sinne des Art. 58 DSGVO verpflichtet werden kann?

2.

Ist eine Datenspeicherung bei einer privaten Wirtschaftsauskunftei, bei der personenbezogene Daten aus einem öffentlichen Register, wie den „nationalen Datenbanken“ im Sinne des Art. 79 Abs. 4 und 5 der Verordnung (EU) 2015/848 (2), ohne konkreten Anlass gespeichert werden, um im Falle einer Anfrage eine Auskunft erteilen zu können, mit Art. 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vereinbar?

3.

a)

Sind private Paralleldatenbanken (insbesondere Datenbanken einer Auskunftei), die neben den staatlichen Datenbanken errichtet werden und in denen die Daten aus den staatlichen Datenbanken (hier Insolvenzbekanntmachungen) länger gespeichert werden, als in dem engen Rahmen der Verordnung 2015/848 in Verbindung mit dem nationalen Recht geregelt, grundsätzlich zulässig?

b)

Falls Frage 3 a) zu bejahen ist, ergibt sich aus dem Recht auf Vergessen nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. d) DSGVO, dass diese Daten zu löschen sind, wenn die für das öffentliche Register vorgesehene Verarbeitungsdauer abgelaufen ist?

4.

Soweit Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f) DSGVO als alleinige Rechtsgrundlage für eine Datenspeicherung bei privaten Wirtschaftsauskunfteien hinsichtlich der auch in öffentlichen Registern gespeicherten Daten in Betracht kommt, ist ein berechtigtes Interesse einer Wirtschaftsauskunftei schon dann zu bejahen, wenn diese Auskunftei die Daten aus dem öffentlichen Verzeichnis ohne konkreten Anlass übernimmt, damit diese Daten dann bei einer Anfrage zur Verfügung stehen?

5.

Dürfen Verhaltensregeln, die von den Aufsichtsbehörden nach Art. 40 DSGVO genehmigt worden sind und Prüf- und Löschfristen vorsehen, die über die Speicherfristen öffentlicher Register hinausgehen, die nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f) DSGVO vorgegebene Abwägung suspendieren?


(1)  Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. 2016, L 119, S. 1).

(2)  Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren (ABl. 2015, L 141, S. 19).