URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

30. Mai 2024 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Freier Dienstleistungsverkehr – Erbringer von Diensten der Informationsgesellschaft – Verpflichtung zur Eintragung in das Register der Anbieter von Kommunikationsdiensten – Verpflichtung zur Mitteilung von Informationen über Struktur und Organisation – Verpflichtung zur Entrichtung eines finanziellen Beitrags – Richtlinie 2000/31/EG – Koordinierter Bereich – Grundsatz der Aufsicht im Herkunftsmitgliedstaat – Ausnahmen – Begriff ‚Maßnahmen betreffen[d] einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft‘ – Verordnung (EU) 2019/1150 – Ziel“

In den verbundenen Rechtssachen C‑664/22 und C‑666/22

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium, Italien) mit Entscheidungen vom 10. Oktober 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Oktober 2022, in den Verfahren

Google Ireland Ltd (C‑664/22),

Eg Vacation Rentals Ireland Ltd (C‑666/22)

gegen

Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richter F. Biltgen, N. Wahl (Berichterstatter) und J. Passer sowie der Richterin M. L. Arastey Sahún,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Google Ireland Ltd, vertreten durch M. Siragusa, R. Tremolada, S. Valentino und M. Zotta, Avvocati,

der Eg Vacation Rentals Ireland Ltd, vertreten durch P. Actis Perinetto, F. Brunetti, C. Osti und A. Vitale, Avvocati,

der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von L. Delbono und R. Guizzi, Avvocati dello Stato,

der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, T. Suchá und J. Vláčil als Bevollmächtigte,

von Irland, vertreten durch M. Browne, Chief State Solicitor, sowie A. Joyce und M. Tierney als Bevollmächtigte im Beistand von D. Fennelly, BL,

der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Armati, M. Escobar Gómez, S. L. Kalėda und L. Malferrari als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. Januar 2024

folgendes

Urteil

1

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten (ABl. 2019, L 186, S. 57), der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) (ABl. 2000, L 178, S. 1), der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. 2015, L 241, S. 1), der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36) sowie von Art. 56 AEUV.

2

Sie ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni (Regulierungsbehörde für das Kommunikationswesen, Italien) (im Folgenden: AGCOM) auf der einen und der Google Ireland Ltd, einer Gesellschaft irischen Rechts (im Folgenden: Google, Rechtssache C‑664/22), bzw. der Eg Vacation Rentals Ireland Ltd, einer Gesellschaft irischen Rechts (im Folgenden: EGVR, Rechtssache C‑666/22), auf der anderen Seite. Gegenstand der Rechtsstreitigkeiten sind von der AGCOM gegenüber Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten und von Online-Suchmaschinen ergriffene Maßnahmen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung 2019/1150

3

In den Erwägungsgründen 3, 7, 8 und 51 der Verordnung 2019/1150 heißt es:

„(3)

Die Verbraucher haben sich die Verwendung von Online-Vermittlungsdiensten zu Eigen gemacht. Für das Verbraucherwohl ist darüber hinaus ein wettbewerbsfähiges, faires und transparentes Online-Ökosystem, in dem sich Unternehmen verantwortungsvoll verhalten, ausschlaggebend. Mit der Sicherstellung von Transparenz und Vertrauen in die Online-Plattformwirtschaft in den Beziehungen zwischen den Unternehmen könnte indirekt dazu beigetragen werden, auch das Vertrauen der Verbraucher in die Online-Plattformwirtschaft zu erhöhen. Mit den direkten Auswirkungen, die die Entwicklung der Online-Plattformwirtschaft auf die Verbraucher hat, befassen sich hingegen andere Rechtsvorschriften der Union, vor allem der Besitzstand für Verbraucherschutz.

(7)

Es sollten auf der Ebene der [Europäischen] Union gezielte Vorschriften verbindlich festgelegt werden, um ein faires, vorhersehbares, tragfähiges und vertrauenswürdiges Online-Geschäftsumfeld im Binnenmarkt sicherzustellen. Insbesondere sollten den gewerblichen Nutzern von Online-Vermittlungsdiensten in der gesamten Union eine angemessene Transparenz und wirksame Abhilfemöglichkeiten geboten werden, um grenzüberschreitende Geschäfte innerhalb der Union zu erleichtern und auf diese Weise das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu verbessern und die möglicherweise entstehende Fragmentierung in bestimmten Bereichen, die unter diese Verordnung fallen, zu bekämpfen.

(8)

Diese Vorschriften sollten auch für geeignete Anreize zur Förderung von Fairness und Transparenz sorgen, insbesondere hinsichtlich des Rankings von Nutzern mit Unternehmenswebsite in den von den Online-Suchmaschinen generierten Suchergebnissen. …

(51)

Da das Ziel dieser Verordnung, nämlich die Gewährleistung eines fairen, vorhersehbaren, tragfähigen und vertrauenswürdigen Online-Geschäftsumfelds im Binnenmarkt[,] von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann, sondern vielmehr wegen des Umfangs und der Auswirkungen des Vorhabens auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 [EUV] verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.“

4

Art. 1 dieser Verordnung sieht vor:

„(1)   Mit dieser Verordnung soll zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts beigetragen werden, indem Vorschriften festgelegt werden, mit denen sichergestellt wird, dass für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten und Nutzer mit Unternehmenswebsite im Hinblick auf Suchmaschinen eine angemessene Transparenz, Fairness und wirksame Abhilfemöglichkeiten geschaffen werden.

(2)   Diese Verordnung gilt für Online-Vermittlungsdienste und Online-Suchmaschinen, unabhängig vom Niederlassungsort oder Sitz der Anbieter dieser Dienste und unabhängig vom ansonsten anzuwendenden Recht, die gewerblichen Nutzern und Nutzern mit Unternehmenswebsite bereitgestellt bzw. zur Bereitstellung angeboten werden, die ihre Niederlassung oder ihren Wohnsitz in der Europäischen Union haben und die über diese Online-Vermittlungsdienste oder Online-Suchmaschinen Waren oder Dienstleistungen in der Europäischen Union befindlichen Verbrauchern anbieten.

(5)   Diese Verordnung gilt unbeschadet der Rechtsvorschriften der Union, insbesondere jener für die Bereiche justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen, Wettbewerb, Datenschutz, Schutz von Geschäftsgeheimnissen, Verbraucherschutz, elektronischer Geschäftsverkehr und Finanzdienstleistungen.“

5

Art. 2 Nrn. 1 und 7 der Verordnung bestimmt:

„Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

1.

‚gewerblicher Nutzer‘ jede im Rahmen einer geschäftlichen oder beruflichen Tätigkeit handelnde Privatperson oder jede juristische Person, die über Online-Vermittlungsdienste und für Zwecke im Zusammenhang mit ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit Verbrauchern Waren oder Dienstleistungen anbietet“.

7.

‚Nutzer mit Unternehmenswebsite‘ eine natürliche oder juristische Person, die über eine Online-Schnittstelle, d. h. über eine Software (darunter Websites oder Teile davon und Anwendungen, einschließlich mobiler Anwendungen) und für Zwecke im Zusammenhang mit ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit Verbrauchern Waren oder Dienstleistungen anbietet“.

Richtlinie 2000/31

6

In Art. 1 der Richtlinie 2000/31 heißt es:

„(1)   Diese Richtlinie soll einen Beitrag zum einwandfreien Funktionieren des Binnenmarktes leisten, indem sie den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft zwischen den Mitgliedstaaten sicherstellt.

(5)   Diese Richtlinie findet keine Anwendung auf

a)

den Bereich der Besteuerung,

…“

7

Art. 2 Buchst. h dieser Richtlinie sieht vor:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

h)

‚koordinierter Bereich‘ die für die Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft und die Dienste der Informationsgesellschaft in den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten festgelegten Anforderungen, ungeachtet der Frage, ob sie allgemeiner Art oder speziell für sie bestimmt sind.

i)

Der koordinierte Bereich betrifft vom Diensteanbieter zu erfüllende Anforderungen in Bezug auf

die Aufnahme der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft, beispielsweise Anforderungen betreffend Qualifikationen, Genehmigung oder Anmeldung;

die Ausübung der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft, beispielsweise Anforderungen betreffend das Verhalten des Diensteanbieters, Anforderungen betreffend Qualität oder Inhalt des Dienstes, einschließlich der auf Werbung und Verträge anwendbaren Anforderungen, sowie Anforderungen betreffend die Verantwortlichkeit des Diensteanbieters.

…“

8

In Art. 3 der Richtlinie heißt es:

„(1)   Jeder Mitgliedstaat trägt dafür Sorge, dass die Dienste der Informationsgesellschaft, die von einem in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen Diensteanbieter erbracht werden, den in diesem Mitgliedstaat geltenden innerstaatlichen Vorschriften entsprechen, die in den koordinierten Bereich fallen.

(2)   Die Mitgliedstaaten dürfen den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat nicht aus Gründen einschränken, die in den koordinierten Bereich fallen.

(4)   Die Mitgliedstaaten können Maßnahmen ergreifen, die im Hinblick auf einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft von Absatz 2 abweichen, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a)

Die Maßnahmen

i)

sind aus einem der folgenden Gründe erforderlich:

Schutz der öffentlichen Ordnung, insbesondere Verhütung, Ermittlung, Aufklärung und Verfolgung von Straftaten, einschließlich des Jugendschutzes und der Bekämpfung der Hetze aus Gründen der Rasse, des Geschlechts, des Glaubens oder der Nationalität, sowie von Verletzungen der Menschenwürde einzelner Personen,

Schutz der öffentlichen Gesundheit,

Schutz der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Wahrung nationaler Sicherheits- und Verteidigungsinteressen,

Schutz der Verbraucher, einschließlich des Schutzes von Anlegern;

ii)

betreffen einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft, der die unter Ziffer i) genannten Schutzziele beeinträchtigt oder eine ernsthafte und schwerwiegende Gefahr einer Beeinträchtigung dieser Ziele darstellt;

iii)

stehen in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Schutzzielen.

b)

Der Mitgliedstaat hat vor Ergreifen der betreffenden Maßnahmen unbeschadet etwaiger Gerichtsverfahren, einschließlich Vorverfahren und Schritten im Rahmen einer strafrechtlichen Ermittlung,

den in Absatz 1 genannten Mitgliedstaat aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, und dieser hat dem nicht Folge geleistet oder die von ihm getroffenen Maßnahmen sind unzulänglich;

die [Europäische] Kommission und den in Absatz 1 genannten Mitgliedstaat über seine Absicht, derartige Maßnahmen zu ergreifen, unterrichtet.

…“

Richtlinie 2006/123

9

Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123 sieht vor:

„Diese Richtlinie enthält allgemeine Bestimmungen, die bei gleichzeitiger Gewährleistung einer hohen Qualität der Dienstleistungen die Wahrnehmung der Niederlassungsfreiheit durch Dienstleistungserbringer sowie den freien Dienstleistungsverkehr erleichtern sollen.“

10

In Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie heißt es:

„Widersprechen Bestimmungen dieser Richtlinie einer Bestimmung eines anderen Gemeinschaftsrechtsaktes, der spezifische Aspekte der Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit in bestimmten Bereichen oder bestimmten Berufen regelt, so hat die Bestimmung des anderen Gemeinschaftsrechtsaktes Vorrang und findet auf die betreffenden Bereiche oder Berufe Anwendung. …“

11

Art. 16 der Richtlinie bestimmt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten achten das Recht der Dienstleistungserbringer, Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen ihrer Niederlassung zu erbringen.

Der Mitgliedstaat, in dem die Dienstleistung erbracht wird, gewährleistet die freie Aufnahme und freie Ausübung von Dienstleistungstätigkeiten innerhalb seines Hoheitsgebiets.

Die Mitgliedstaaten dürfen die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit in ihrem Hoheitsgebiet nicht von Anforderungen abhängig machen, die gegen folgende Grundsätze verstoßen:

a)

Nicht-Diskriminierung: die Anforderung darf weder eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder – bei juristischen Personen – aufgrund des Mitgliedstaats, in dem sie niedergelassen sind, darstellen;

b)

Erforderlichkeit: die Anforderung muss aus Gründen der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Gesundheit oder des Schutzes der Umwelt gerechtfertigt sein;

c)

Verhältnismäßigkeit: die Anforderung muss zur Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels geeignet sein und darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

(2)   Die Mitgliedstaaten dürfen die Dienstleistungsfreiheit eines in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringers nicht einschränken, indem sie diesen einer der folgenden Anforderungen unterwerfen:

b)

der Pflicht, bei ihren zuständigen Behörden eine Genehmigung einzuholen; dies gilt auch für die Verpflichtung zur Eintragung in ein Register oder die Mitgliedschaft in einem Berufsverband oder einer Berufsvereinigung in ihrem Hoheitsgebiet, außer in den in dieser Richtlinie oder anderen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft vorgesehenen Fällen;

…“

Richtlinie 2015/1535

12

Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2015/1535 bestimmt:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:

b)

‚Dienst‘ eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft, d. h. jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung.

e)

‚Vorschrift betreffend Dienste‘ eine allgemein gehaltene Vorschrift über den Zugang zu den Aktivitäten der unter Buchstabe b genannten Dienste und über deren Betreibung, insbesondere Bestimmungen über den Erbringer von Diensten, die Dienste und den Empfänger von Diensten, unter Ausschluss von Regelungen, die nicht speziell auf die unter dieser Nummer definierten Dienste abzielen.

f)

‚technische Vorschrift‘ technische Spezifikationen oder sonstige Vorschriften oder Vorschriften betreffend Dienste, einschließlich der einschlägigen Verwaltungsvorschriften, deren Beachtung rechtlich oder de facto für das Inverkehrbringen, die Erbringung des Dienstes, die Niederlassung eines Erbringers von Diensten oder die Verwendung in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, sowie – vorbehaltlich der in Artikel 7 genannten Bestimmungen – die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, mit denen Herstellung, Einfuhr, Inverkehrbringen oder Verwendung eines Erzeugnisses oder Erbringung oder Nutzung eines Dienstes oder die Niederlassung als Erbringer von Diensten verboten werden.

…“

13

Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:

„Vorbehaltlich des Artikels 7 übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission unverzüglich jeden Entwurf einer technischen Vorschrift, sofern es sich nicht um eine vollständige Übertragung einer internationalen oder europäischen Norm handelt; in diesem Fall reicht die Mitteilung aus, um welche Norm es sich handelt. Sie unterrichten die Kommission gleichzeitig in einer Mitteilung über die Gründe, die die Festlegung einer derartigen technischen Vorschrift erforderlich machen, es sei denn, die Gründe gehen bereits aus dem Entwurf hervor.“

Italienisches Recht

Gesetz Nr. 249/97

14

Die Legge n. 249 – Istituzione dell’Autorità per le garanzie nelle comunicazioni e norme sui sistemi delle telecomunicazioni e radiotelevisivo (Gesetz Nr. 249 – Einrichtung der Regulierungsbehörde für das Kommunikationswesen und Vorschriften über Telekommunikations- sowie Rundfunk- und Fernsehsysteme) vom 31. Juli 1997 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 177 vom 31. Juli 1997) in der durch die Legge n. 178 – Bilancio di previsione dello Stato per l’anno finanziario 2021 e bilancio pluriennale per il triennio 2021‑2023 (Gesetz Nr. 178 – Haushaltsplan des Staates für das Haushaltsjahr 2021 und mehrjähriger Haushaltsplan für den Dreijahreszeitraum 2021‑2023) vom 30. Dezember 2020 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 322 vom 30. Dezember 2020) geänderten Fassung (im Folgenden: Gesetz Nr. 249/97) sieht in Art. 1 Abs. 6 Buchst. a und c Nr. 14bis vor:

„Die Zuständigkeiten der [AGCOM] werden wie folgt festgelegt:

a) Die Kommission für Infrastruktur und Netze hat folgende Aufgaben:

5) sie stellt die Führung des Registers der Anbieter von Kommunikationsdiensten [(im Folgenden: ROC)] sicher, in das sich nach dem vorliegenden Gesetz … auch nicht niedergelassene Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und von Online-Suchmaschinen, die in Italien Dienste anbieten, … einzutragen haben. [Sie] erlässt eine besondere Regelung für die Organisation und Führung des [ROC] sowie zur Definition der Kriterien zur Bestimmung derjenigen Personen außer den bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des vorliegenden Gesetzes in das [ROC] eingetragenen, die zur Eintragung verpflichtet sind;

c) der Rat

14bis) sorgt für eine angemessene und wirksame Durchsetzung der Verordnung [2019/1150], insbesondere durch die Annahme von Leitlinien, die Förderung von Verhaltenskodizes und die Sammlung relevanter Informationen.“

15

Art. 1 Abs. 31 des Gesetzes Nr. 249/97 bestimmt:

„Personen, die den nach dem vorliegenden Gesetz ergangenen Anordnungen und Aufforderungen der [AGCOM] zuwiderhandeln, wird eine Geldbuße … auferlegt. Betrifft die Zuwiderhandlung Maßnahmen, die unter Verstoß gegen Rechtsvorschriften über marktbeherrschende Stellungen oder zur Durchführung der Verordnung [2019/1150] ergriffen wurden, wird gegen jeden Beteiligten eine Verwaltungsgeldbuße verhängt, die nicht unter 2 % und nicht über 5 % des Umsatzes dieses Beteiligten im letzten Geschäftsjahr vor der [Mitteilung über diese Zuwiderhandlung] beträgt …“

Gesetz Nr. 266 vom 23. Dezember 2005

16

Art. 1 Abs. 66bis der Legge n. 266 – Disposizioni per la formazione del bilancio annuale e pluriennale dello Stato (legge finanziaria 2006) (Gesetz Nr. 266 über die Aufstellung des staatlichen Jahres- und Mehrjahreshaushalts) (Haushaltsgesetz 2006) vom 23. Dezember 2005 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 302 vom 29. Dezember 2005) in der durch das Gesetz Nr. 178 vom 30. Dezember 2020 geänderten Fassung sieht vor:

„Bei der erstmaligen Anwendung für das Jahr 2021 wird die Höhe des Beitrags der Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und von Online-Suchmaschinen im Sinne von Art. 1 Abs. 6 Buchst. a Nr. 5 des Gesetzes Nr. 249/97 auf 1,5 Promille der im Inland erzielten Einnahmen festgesetzt, die – auch wenn sie in den Bilanzen von im Ausland niedergelassenen Gesellschaften verbucht sind – sich nach dem Herstellungswert in der Bilanz des vorangegangenen Geschäftsjahres bemessen, oder – bei Personen, die nicht zur Erstellung einer solchen Bilanz verpflichtet sind – nach dem entsprechenden Posten sonstiger Buchungen, die den Gesamtwert der Produktion belegen. Für die folgenden Jahre können etwaige Änderungen der Höhe und der Zahlungsweise des Beitrags von der [AGCOM] … beschlossen werden, und zwar bis zu einer Obergrenze von 2 Promille der nach dem vorstehenden Satz bewerteten Einnahmen.“

Beschluss Nr. 666/08

17

Am 26. November 2008 erließ die AGCOM die Delibera n. 666/08/CONS – Regolamento per l’organizzazione e la tenuta del Registro degli operatori di comunicazione (Beschluss Nr. 666/08/CONS – Regelung über die Organisation und die Führung des Registers der Anbieter von Kommunikationsdiensten) (GURI Nr. 25 vom 31. Januar 2009) (im Folgenden: Beschluss Nr. 666/08).

18

Die Regelung über die Organisation und die Führung des ROC (im Folgenden: Regelung der AGCOM über das ROC) in Anhang A des Beschlusses Nr. 666/08 führt in Art. 2 die Kategorien von Personen auf, die sich in das ROC eintragen lassen müssen.

19

In Art. 5 der Regelung der AGCOM über das ROC heißt es:

„(1)   Die in Art. 2 der vorliegenden Regelung bezeichneten Personen beantragen bei der [AGCOM] [ihre] Eintragung in das [ROC]

(3)   Die in Art. 2 bezeichneten Personen geben entsprechend ihrer jeweiligen Rechtsform Erklärungen zum Gesellschaftszweck, zum Verwaltungsorgan, zur Gesellschaftsstruktur und zur gemäß Anhang B [des Beschlusses Nr. 666/08] ausgeübten Tätigkeit ab.

…“

20

Art. 24 dieser Regelung bestimmt:

„Verstöße gegen die vorliegende Regelung werden nach Art. 1 Abs. 29 [bis] 32 des Gesetzes [Nr. 249 vom 31. Juli 1997] bestraft.“

21

Anhang B des Beschlusses Nr. 666/08 behandelt die verpflichtenden Erklärungen zur Eintragung in das ROC.

Beschluss Nr. 200/21

22

Am 17. Juni 2021 erließ die AGCOM die Delibera n. 200/21/CONS – Modifiche alla delibera n. 666/08/CONS recante „regolamento per la tenuta del Registro degli Operatori di Comunicazione“ a seguito dell’entrata in vigore della legge 30 dicembre 2020, n. 178, recante Bilancio di previsione dello Stato per l’anno finanziario 2021 e bilancio pluriennale per il triennio 2021‑2023 (Beschluss Nr. 200/21/CONS zur Änderung des Beschlusses Nr. 666/08/CONS über die „Regelung über die Organisation und die Führung des Registers der Anbieter von Kommunikationsdiensten“ nach Inkrafttreten des Gesetzes vom 30. Dezember 2020 Nr. 178 über den Haushaltsplan des Staates für das Haushaltsjahr 2021 und den mehrjährigen Haushaltsplan für den Dreijahreszeitraum 2021‑2023) (im Folgenden: Beschluss Nr. 200/21).

23

Zum Beschluss Nr. 200/21 heißt es in dessen Präambel, er ergehe

„…

[in Anbetracht] der Verordnung … 2019/1150 … und insbesondere [ihres] Art. 1 Abs. 2 …

[in der Erwägung], dass das [Gesetz Nr. 178 vom 30. Dezember 2020] in Anwendung der Verordnung … 2019/1150 u. a. die Pflicht zur Eintragung auch für nicht niedergelassene Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und von Online-Suchmaschinen, die in Italien Dienste anbieten, in das [ROC] vorgesehen hat …“

24

Mit Art. 1 Abs. 1 dieses Beschlusses wurde die Liste in Art. 2 der Regelung der AGCOM über das ROC geändert, um folgende Kategorien von Personen einzufügen:

„…

m. Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten: natürliche oder juristische Personen, die, auch wenn sie nicht im nationalen Hoheitsgebiet niedergelassen oder ansässig sind, Online-Vermittlungsdienste, wie sie in der Verordnung … 2019/1150 definiert sind, an in Italien ansässige oder wohnhafte gewerbliche Nutzer erbringen oder deren Erbringung anbieten;

n. Anbieter von Online-Suchmaschinen: natürliche oder juristische Personen, die, auch wenn sie nicht im nationalen Hoheitsgebiet niedergelassen oder ansässig sind, eine Online-Suchmaschine, wie sie in der Verordnung … 2019/1150 definiert ist, in italienischer Sprache oder an in Italien niedergelassene oder wohnhafte Nutzer zur Verfügung stellen oder dies anbieten.

…“

25

Mit Art. 3 dieses Beschlusses wurde Anhang B des Beschlusses Nr. 666/08 namentlich durch folgenden Text ergänzt:

„…

Erklärungen zur Gesellschafterstruktur von Anbietern elektronischer Kommunikationsdienste, von Wirtschaftsteilnehmern, die Callcenter betreiben, und von Personen, die mittelbar nationale Ressourcen zur Digitalisierung nutzen, sowie von Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten und von Anbietern von Online-Suchmaschinen:

(1)

Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste, Wirtschaftsteilnehmer, die Callcenter betreiben, Personen, die mittelbar nationale Ressourcen zur Digitalisierung nutzen, sowie Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und Anbieter von Online-Suchmaschinen in Form von Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften legen bei ihrem Antrag auf Eintragung eine gemäß den Modellen 5/1/ROC, 5/2/ROC, 5/3/ROC und 5/4/ROC erstellte Erklärung vor, die Folgendes enthält:

a)

die Angabe des Gesellschaftskapitals, der Liste ihrer Gesellschafter und des Nennwerts der jeweiligen Beteiligungen mit Stimmrecht. Börsennotierte Gesellschaften müssen lediglich Beteiligungen mit Stimmrecht von mehr als 2 % des Gesellschaftskapitals mitteilen, wobei für jede davon – mittels des Modells 5/5/ROC – die jeweiligen Kontrollbeteiligungen anzugeben sind …

b)

die Angabe des Gesellschaftskapitals, der Liste der Gesellschafter und des Nennwerts der jeweiligen Beteiligungen mit Stimmrecht von mehr als 2 % der Gesellschaften, auf die Beteiligungen oder Anteile der einzutragenden Gesellschaft lauten;

c)

die Angabe etwaiger treuhänderischer Wertpapiere, Mittelsleute oder des Vorliegens anderer Beschränkungen der Beteiligungen oder Anteile der in den Buchst. a und b bezeichneten Gesellschaften.

2.

Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste, Wirtschaftsteilnehmer, die Callcenter betreiben, Personen, die mittelbar nationale Ressourcen zur Digitalisierung nutzen, sowie Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und Anbieter von Online-Suchmaschinen in Form von Personengesellschaften legen bei ihrem Antrag auf Eintragung eine gemäß dem Modell 5/3/ROC erstellte Erklärung vor, die eine Liste ihrer Gesellschafter enthält“.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

26

Google bietet Online-Werbedienstleistungen an und betreibt die gleichnamige Suchmaschine im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum (EWR).

27

Mit Beschluss vom 25. Juni 2019 trug die AGCOM Google von Amts wegen in ein bei ihr geführtes Register, das ROC, ein und begründete dies damit, dass es sich bei Google um einen Wirtschaftsteilnehmer handele, der im Internet als Werbekonzessionär tätig sei und ungeachtet seines Sitzes in Irland Einnahmen in Italien erziele.

28

Infolge dieser Eintragung gab die AGCOM mit Beschluss vom 9. November 2020 Google auf, für das Jahr 2020 einen finanziellen Beitrag zur Deckung ihrer Betriebskosten zu leisten.

29

Google erhob beim Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium, Italien), dem vorlegenden Gericht, eine Klage auf Nichtigerklärung dieser Beschlüsse der AGCOM.

30

Nach den Änderungen des nationalen Rechtsrahmens, die sich aus dem Gesetz Nr. 178 vom 30. Dezember 2020 und aus dem Beschluss Nr. 200/21 ergaben, die von den italienischen Behörden u. a. im Hinblick darauf erlassen wurden, die Durchsetzung der Verordnung 2019/1150 sicherzustellen (im Folgenden: streitige nationale Maßnahmen), hat Google die Anträge ihrer Klage geändert und auch die Nichtigerklärung ebendieses Beschlusses beantragt, soweit darin die Pflicht zur Eintragung in das ROC auf Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und von Online-Suchmaschinen erstreckt wurde.

31

EGVR verwaltet und betreibt eine Onlineplattform sowie verschiedene über diese Plattform verfügbare Tools und Funktionen, die Immobilieneigentümern und ‑verwaltern die Veröffentlichung von Immobilienanzeigen sowie Reisenden die Auswahl dieser Immobilien und eine Kontaktaufnahme mit den betreffenden Eigentümern und Verwaltern zum Zweck der Anmietung der Immobilien ermöglichen.

32

EGVR erhob vor dem vorlegenden Gericht Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses Nr. 200/21. Zur Begründung führte EGVR aus, sie sei aufgrund von Änderungen des nationalen Rechtsrahmens wie namentlich der in Rn. 30 des vorliegenden Urteils angeführten nunmehr verpflichtet, sich im ROC eintragen zu lassen und in der Folge der AGCOM eine Reihe von Informationen mitzuteilen sowie einen finanziellen Beitrag an sie zu entrichten.

33

Google und EGVR machen vor diesem Gericht geltend, dass die streitigen nationalen Maßnahmen insoweit, als sie ihnen die der vorstehenden Randnummer bezeichneten Verpflichtungen auferlegten, gegen den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs, die Verordnung 2019/1150 und mehrere Richtlinien verstießen.

34

Hierzu führt das vorlegende Gericht als Erstes aus, dass der italienische Gesetzgeber nach dem Erlass der Verordnung 2019/1150 das Gesetz Nr. 249 vom 31. Juli 1997 und das Gesetz Nr. 266 vom 23. Dezember 2005 durch das Gesetz Nr. 178 vom 30. Dezember 2020 geändert habe.

35

So sei erstens die Pflicht, sich in das von der AGCOM geführte ROC eintragen zu lassen, auf Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und von Online-Suchmaschinen (im Folgenden: Anbieter der betreffenden Dienste), die Dienste im Hoheitsgebiet der Italienischen Republik anböten, auch wenn sie nicht dort niedergelassen seien, ausgedehnt worden (Art. 1 Abs. 6 Buchst. a Nr. 5 des Gesetzes Nr. 249/97).

36

Zweitens habe die AGCOM die Aufgabe, die Anwendung der Verordnung 2019/1150 u. a. mittels Erhebung von Informationen zu überwachen (Art. 1 Abs. 6 Buchst. c Nr. 14bis des Gesetzes Nr. 249/97).

37

Drittens werde bei einer Zuwiderhandlung gegen die von der AGCOM in Anwendung der Verordnung 2019/1150 erlassenen Maßnahmen eine Geldbuße gegen die betroffene Person verhängt, die nicht unter 2 % und nicht über 5 % des Umsatzes dieser Person im letzten Geschäftsjahr vor der Mitteilung über die Zuwiderhandlung betrage (Art. 1 Abs. 31 Satz 2 des Gesetzes Nr. 249/97).

38

Viertens müssten die Anbieter der betreffenden Dienste nunmehr einen finanziellen Beitrag entrichten, mit dem der Gesamtbetrag der Verwaltungskosten gedeckt werden solle, die durch die Wahrnehmung der der AGCOM mit dem Gesetz Nr. 178 vom 30. Dezember 2020 übertragenen Regulierungs‑, Aufsichts‑, Streitbeilegungs- und Sanktionsaufgaben entstünden (Art. 1 Abs. 66bis des Gesetzes Nr. 266 vom 23. Dezember 2005 in der durch das Gesetz Nr. 178 vom 30. Dezember 2020 geänderten Fassung).

39

Als Zweites führt das vorlegende Gericht aus, dass die AGCOM durch den Beschluss Nr. 200/21 den Beschluss Nr. 666/08, dessen Anhang A die Regelung der AGCOM über das ROC enthalte, geändert habe, um den vom italienischen Gesetzgeber im Hinblick auf die Durchsetzung der Verordnung 2019/1150 erlassenen Maßnahmen Rechnung zu tragen.

40

Für die Eintragung in das ROC müssten die Anbieter der betreffenden Dienste mehrere Formulare ausfüllen, und zwar nicht nur über die ausgeübte Tätigkeit, sondern auch über ihre Organisation. So seien sie verpflichtet, Informationen zu ihrem Gesellschaftskapital, den Namen ihrer Gesellschafter und dem Halten ihrer jeweiligen Beteiligungen mit Stimmrecht, der Zusammensetzung und der Dauer der Amtszeit des Verwaltungsorgans sowie zur Identität des gesetzlichen Vertreters und der Mitglieder des Verwaltungsrats mitzuteilen. Die übermittelten Informationen seien jährlich zu aktualisieren. Bei einem Verstoß gegen Bestimmungen der Regelung der AGCOM über das ROC würden Geldbußen verhängt.

41

Das vorlegende Gericht ist in Anbetracht dieser Gesichtspunkte der Auffassung, dass die Verpflichtung zur Entrichtung eines finanziellen Beitrags und zur Eintragung in das ROC in verschiedener Hinsicht mit dem Unionsrecht, insbesondere mit dem Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs, der Verordnung 2019/1150 und mehreren Richtlinien, unvereinbar sei.

42

Zu dem in den Richtlinien 2000/31 und 2006/123 niedergelegten Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit verweist das vorlegende Gericht zum einen darauf, dass Art. 3 der Richtlinie 2000/31 den Grundsatz aufstelle, dass Dienste der Informationsgesellschaft im „koordinierten Bereich“ im Sinne von Art. 2 Buchst. h der Richtlinie dem Rechtsrahmen desjenigen Mitgliedstaats unterfallen müssten, in dem der Anbieter niedergelassen sei. Die streitigen nationalen Maßnahmen können nach Ansicht des vorlegenden Gerichts eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellen.

43

Auch könnten die streitigen nationalen Maßnahmen, da die Kommission nicht gemäß Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2000/31 vorab über sie unterrichtet worden sei, Privatpersonen nicht entgegengehalten werden.

44

Zum anderen dürften die Mitgliedstaaten nach Art. 16 der Richtlinie 2006/123 außer in den in dieser Richtlinie oder anderen Rechtsvorschriften der Union vorgesehenen Fällen die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit eines in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringers nicht einschränken, indem sie diesen der Pflicht unterwürfen, bei ihren zuständigen Behörden eine Genehmigung einzuholen, was auch für die Verpflichtung zur Eintragung in ein Register gelte. Die streitigen nationalen Maßnahmen könnten insoweit einen Verstoß gegen diese Richtlinie darstellen, als die in einem anderen Mitgliedstaat als der Italienischen Republik niedergelassenen Unternehmen auferlegte Verpflichtung zur Eintragung in das ROC finanzielle und administrative Belastungen mit sich bringe, die geeignet seien, das einwandfreie Funktionieren des Binnenmarkts zu beeinträchtigen.

45

Im Hinblick auf die Richtlinie 2015/1535 führt das vorlegende Gericht unter Bezugnahme auf deren Art. 1 und 5 aus, dass die nationalen Vorschriften, mit denen die Anbieter der betreffenden Dienste zur Eintragung in das ROC verpflichtet würden, speziell eine allgemeine Anforderung hinsichtlich der Erbringung von Diensten der Informationsgesellschaft einführten, so dass die Kommission vorab über diese Vorschriften hätte unterrichtet werden müssen.

46

Zur Verordnung 2019/1150 führt das vorlegende Gericht aus, dass diese die Beziehungen zwischen Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten und gewerblichen Nutzern im Sinne von Art. 2 Nr. 1 dieser Verordnung (im Folgenden: gewerbliche Nutzer) dieser Dienste betreffe und gezielte Vorschriften verbindlich einführe, um ein faires, vorhersehbares, tragfähiges und vertrauenswürdiges Online-Geschäftsumfeld im Binnenmarkt zu gewährleisten. Aufgrund ihrer Tragweite könnten die sich aus den streitigen nationalen Maßnahmen ergebenden Verpflichtungen eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellen.

47

Unter diesen Umständen hat das Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Steht das Unionsrecht der Anwendung nationaler Bestimmungen wie den im Gesetz Nr. 178 vom 30. Dezember 2020 enthaltenen entgegen, die für in einem anderen Mitgliedstaat als der Italienischen Republik niedergelassene, aber in Italien tätige Marktteilnehmer zusätzliche administrative und finanzielle Belastungen wie die Eintragung in ein besonderes Register und die Erhebung eines finanziellen Beitrags vorsehen? Verstößt diese nationale Bestimmung insbesondere gegen Art. 3 der Richtlinie 2000/31, nach der ein Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft ausschließlich den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats unterliegt, in dem er niedergelassen ist?

2.

Steht das Unionsrecht der Anwendung nationaler Bestimmungen wie den im Gesetz Nr. 178 vom 30. Dezember 2020 enthaltenen entgegen, die für in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Marktteilnehmer zusätzliche administrative und finanzielle Belastungen vorsehen? Stehen der in Art. 56 AEUV niedergelegte Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs sowie die sich aus den Richtlinien 2006/123 und 2000/31 ableitbaren entsprechenden Grundsätze insbesondere einer nationalen Maßnahme entgegen, die für in Italien tätige, aber dort nicht niedergelassene Vermittler administrative Formalitäten vorsehen, die zu zusätzlichen Belastungen gegenüber den für die Ausübung derselben Tätigkeit in ihrem Herkunftsland vorgesehenen führen?

3.

War der italienische Staat durch das Unionsrecht und insbesondere die Richtlinie 2015/1535 dazu verpflichtet, der Kommission die Einführung der für Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und von Online-Suchmaschinen vorgesehenen Pflicht zur Eintragung im ROC mitzuteilen? Ist insbesondere Art. 3 Abs. 4 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 2000/31 dahin auszulegen, dass sich eine in einem anderen Mitgliedstaat als der Republik Italien ansässige Privatperson dem widersetzen kann, dass ihr gegenüber die vom italienischen Gesetzgeber im Gesetz Nr. 178 vom 30. Dezember 2020 erlassenen Maßnahmen angewendet werden, die den freien Verkehr eines Dienstes der Informationsgesellschaft beschränken können, wenn diese Maßnahmen nicht in Einklang mit dieser Bestimmung gemeldet worden sind?

4.

Stehen die Verordnung 2019/1150 und insbesondere ihr Art. 15 sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einer Regelung eines Mitgliedstaats oder einer von einer unabhängigen nationalen Behörde erlassenen Maßnahme entgegen, mit der in einem Mitgliedstaat tätige Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten verpflichtet werden, sich in das ROC eintragen zu lassen, woraus sich eine Reihe formeller und verfahrensrechtlicher Pflichten, Beitragspflichten und Verbote der Erzielung von Gewinnen über einen bestimmten Betrag hinaus ergeben?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten, zur zweiten und zur vierten Frage

48

Mit seinen Fragen 1, 2 und 4, die zusammen und an erster Stelle zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 56 AEUV, Art. 16 der Richtlinie 2006/123 bzw. Art. 3 der Richtlinie 2000/31 dahin auszulegen sind, dass sie Maßnahmen entgegenstehen, die ein Mitgliedstaat mit dem erklärten Ziel erlassen hat, für eine angemessene und wirksame Durchsetzung der Verordnung 2019/1150 zu sorgen und nach denen unter Androhung von Sanktionen in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und von Online-Suchmaschinen im Hinblick auf die Erbringung ihrer Dienstleistungen im erstgenannten Mitgliedstaat der Verpflichtung unterliegen, sich in ein von einer Behörde dieses Mitgliedstaats geführtes Register einzutragen, dieser Behörde eine Reihe detaillierter Informationen über ihre Organisation mitzuteilen sowie ihr einen finanziellen Beitrag zu entrichten.

49

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die auf Grundlage von Art. 47 Abs. 2 EG und Art. 55 EG – deren Wortlaut im Wesentlichen in Art. 53 Abs. 1 AEUV bzw. Art. 62 AEUV übernommen wurde – erlassene Richtlinie 2006/123, wie sich aus ihrem Art. 1 Abs. 1 ergibt, namentlich zum Ziel hat, den freien Dienstleistungsverkehr zu erleichtern. Die auf Grundlage von Art. 47 Abs. 2 EG, Art. 55 EG und Art. 95 EG – deren Wortlaut im Wesentlichen in Art. 53 Abs. 1 AEUV, Art. 62 AEUV und Art. 114 AEUV übernommen wurde – erlassene Richtlinie 2000/31 hat, wie sich aus ihrem Art. 1 Abs. 1 ergibt, ihrerseits zum Ziel, einen Beitrag zum einwandfreien Funktionieren des Binnenmarkts zu leisten, indem sie den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft zwischen den Mitgliedstaaten sicherstellt.

50

Da diese beiden Richtlinien die in Art. 56 AEUV verankerte Dienstleistungsfreiheit konkretisieren, wären die Fragen 1, 2 und 4 nicht anhand dieses Artikels zu prüfen, falls sich erwiese, dass die eine oder die andere Richtlinie nationalen Maßnahmen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht.

51

Art. 56 AEUV ist zwar, wie der Generalanwalt in Nr. 6 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nach der Rechtsprechung auf Maßnahmen im Bereich der Besteuerung anwendbar, der vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/31 gemäß deren Art. 1 Abs. 5 Buchst. a ausgenommen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Dezember 2022, Airbnb Ireland und Airbnb Payments UK, C‑83/21, EU:C:2022:1018, Rn. 38). Im vorliegenden Fall machen jedoch weder das vorlegende Gericht noch die italienische Regierung geltend, dass die streitigen nationalen Maßnahmen mit der Notwendigkeit in Verbindung stünden, die Erfüllung von Steuerpflichten sicherzustellen.

52

Außerdem ist darauf zu verweisen, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123 für den Fall, dass ihre Bestimmungen einer Bestimmung eines anderen Unionsrechtsakts widersprechen, der spezifische Aspekte der Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit in bestimmten Bereichen regelt, u. a. vorsieht, dass die Bestimmung dieses anderen Unionsrechtsakts Vorrang hat und auf die betreffenden Bereiche Anwendung findet.

53

In Anbetracht dessen, dass Art. 3 der Richtlinie 2000/31 spezifische Aspekte der Aufnahme und der Ausübung der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft betrifft, wären die Fragen 1, 2 und 4, wie der Generalanwalt im Wesentlichen in den Nrn. 204 bis 207 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nicht anhand der Richtlinie 2006/123 zu prüfen, falls sich zum einen erweisen sollte, dass nationale Maßnahmen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden unter Art. 3 der Richtlinie 2000/31 fallen, und zum anderen, dass dieser den Maßnahmen entgegensteht.

54

Daher ist als Erstes Art. 3 der Richtlinie 2000/31 auszulegen.

55

Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie trägt jeder Mitgliedstaat dafür Sorge, dass die Dienste der Informationsgesellschaft, die von einem in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen Diensteanbieter erbracht werden, den in diesem Mitgliedstaat geltenden innerstaatlichen Vorschriften entsprechen, die in den koordinierten Bereich fallen. In Art. 3 Abs. 2 wird klargestellt, dass die Mitgliedstaaten den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat nicht aus Gründen einschränken dürfen, die in den koordinierten Bereich fallen.

56

Zudem können die Mitgliedstaaten gemäß Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 unter bestimmten kumulativen Voraussetzungen Maßnahmen ergreifen, die im Hinblick auf einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft, der in den koordinierten Bereich fällt, von dem Grundsatz des freien Verkehrs von Diensten der Informationsgesellschaft abweichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2019, Airbnb Ireland, C‑390/18, EU:C:2019:1112, Rn. 83).

57

Was den in Art. 3 der Richtlinie 2000/31 genannten „koordinierten Bereich“ betrifft, so ist darauf zu verweisen, dass Art. 2 Buchst. h der Richtlinie diesen Bereich als die für die Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft und die Dienste der Informationsgesellschaft in den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten festgelegten Anforderungen definiert, ungeachtet der Frage, ob sie allgemeiner Art oder speziell für sie bestimmt sind. Dieser Bereich betrifft Anforderungen, die der Diensteanbieter einzuhalten hat und die sich auf die Aufnahme der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft – wie etwa die Anforderungen hinsichtlich Qualifikation, Genehmigung oder Anmeldung – und deren Ausübung beziehen, wie etwa die das Verhalten des Diensteanbieters, die Qualität oder den Inhalt des Dienstes betreffenden Anforderungen.

58

Die Richtlinie 2000/31 beruht somit auf der Anwendung der Grundsätze der Aufsicht im Herkunftsmitgliedstaat und der gegenseitigen Anerkennung, so dass im Rahmen des koordinierten Bereichs, der in Art. 2 Buchst. h dieser Richtlinie definiert ist, die Dienste der Informationsgesellschaft nur durch Vorschriften des Mitgliedstaats geregelt werden, in dessen Hoheitsgebiet die Anbieter dieser Dienste niedergelassen sind (Urteil vom 9. November 2023, Google Ireland u. a., C‑376/22, EU:C:2023:835, Rn. 42).

59

Folglich obliegt es zum einen jedem Mitgliedstaat als Herkunftsmitgliedstaat von Diensten der Informationsgesellschaft, diese Dienste durch Vorschriften zu regeln und damit die in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/31 genannten Ziele des Allgemeininteresses zu schützen (Urteil vom 9. November 2023, Google Ireland u. a., C‑376/22, EU:C:2023:835, Rn. 43).

60

Zum anderen ist es nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung Sache jedes Mitgliedstaats als Bestimmungsmitgliedstaat von Diensten der Informationsgesellschaft, den freien Verkehr dieser Dienste nicht dadurch einzuschränken, dass er die Einhaltung zusätzlicher, in den koordinierten Bereich fallender Verpflichtungen vorschreibt, die er erlassen haben mag (Urteil vom 9. November 2023, Google Ireland u. a., C‑376/22, EU:C:2023:835, Rn. 44).

61

Demnach verbietet es Art. 3 der Richtlinie 2000/31 – vorbehaltlich der Abweichungen, die unter den in seinem Abs. 4 vorgesehenen Bedingungen gestattet sind –, dass einem Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der diesen Dienst in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen erbringen möchte, in dessen Hoheitsgebiet er niedergelassen ist, von diesem anderen Mitgliedstaat in den koordinierten Bereich fallende Anforderungen auferlegt werden.

62

Im vorliegenden Fall steht fest, dass die streitigen nationalen Maßnahmen insoweit, als sie von in anderen Mitgliedstaaten als der Italienischen Republik niedergelassenen Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten und von Online-Suchmaschinen unter Androhung von Sanktionen die Einhaltung der in Rn. 32 des vorliegenden Urteils bezeichneten Verpflichtungen verlangen, von diesen Anbietern verlangen, andere Bedingungen zu erfüllen als diejenigen, die in ihren Niederlassungsmitgliedstaaten gefordert werden.

63

Außerdem wird nicht bestritten, dass diese Dienste zu den „Diensten der Informationsgesellschaft“ nach Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 zählen.

64

Die italienische Regierung macht hingegen geltend, dass die mit den streitigen nationalen Maßnahmen vorgesehenen Verpflichtungen nicht in den „koordinierten Bereich“ im Sinne von Art. 2 Buchst. h dieser Richtlinie fielen, da zum einen die Anbieter der betreffenden Dienste deren Erbringung de facto aufnehmen und fortsetzen könnten, ohne die Verpflichtung zur Eintragung in das ROC einhalten zu müssen, und da zum anderen die Verpflichtung, Informationen an die AGCOM zu übermitteln und einen finanziellen Beitrag an sie zu entrichten, dieser die Wahrnehmung ihrer Aufgaben ermöglichen solle. Damit seien diese Verpflichtungen nicht darauf gerichtet, den Anbietern dieser Dienste eine Zulassung im Hinblick auf die Aufnahme oder die Ausübung der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft zu erteilen.

65

Wie der Generalanwalt im Wesentlichen in den Nrn. 157 bis 161 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist, was zum einen die für den Fall einer Zuwiderhandlung sanktionsbewehrte Verpflichtung betrifft, sich in ein Register einzutragen, der Umstand, dass ein Diensteanbieter de facto die Erbringung eines Dienstes der Informationsgesellschaft aufnehmen und fortsetzen kann, ohne dieser Verpflichtung nachzukommen, dafür ohne Belang, dass er gleichwohl diese Verpflichtung einzuhalten hat, um die in Rede stehende Tätigkeit rechtmäßig ausüben zu können.

66

Was zum anderen die ebenfalls sanktionsbewehrten Verpflichtungen zur Übermittlung von Informationen über Struktur und Organisation des betreffenden Unternehmens an eine Behörde eines Mitgliedstaats sowie zur Entrichtung eines finanziellen Beitrags an diese Behörde betrifft, so lässt der Umstand, dass diese Verpflichtungen deshalb auferlegt werden, um seitens der Behörde die ordnungsgemäße Ausübung der Tätigkeit von Diensten der Informationsgesellschaft zu überwachen, die Tragweite der genannten Verpflichtungen gänzlich unberührt: Anbieter solcher Dienste, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind und diese Dienste im erstgenannten Mitgliedstaat erbringen möchten, haben ebendiese Verpflichtungen zu erfüllen.

67

Folglich stellen Verpflichtungen wie die in den streitigen nationalen Maßnahmen vorgesehenen entgegen dem Vorbringen der italienischen Regierung Anforderungen an die Ausübung der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft dar, so dass diese Verpflichtungen in den „koordinierten Bereich“ im Sinne von Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 2000/31 fallen.

68

Daher steht Art. 3 der Richtlinie 2000/31 von einem Mitgliedstaat erlassenen Maßnahmen entgegen, nach denen unter Androhung von Sanktionen in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und von Online-Suchmaschinen im Hinblick auf die Erbringung ihrer Dienstleistungen im erstgenannten Mitgliedstaat der Verpflichtung unterliegen, sich in ein von einer Behörde dieses Mitgliedstaats geführtes Register einzutragen, dieser Behörde eine Reihe detaillierter Informationen über ihre Organisation mitzuteilen sowie ihr einen finanziellen Beitrag zu entrichten, sofern diese Maßnahmen nicht die in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen erfüllen.

69

Diese Auslegung kann nicht mit dem Vorbringen der tschechischen Regierung in Frage gestellt werden, wonach Art. 3 der Richtlinie solchen Maßnahmen unter Berücksichtigung der entsprechend anwendbaren Rechtsprechung zu Art. 56 AEUV nicht entgegenstehen könne, nach der nationale Rechtsvorschriften nicht gegen das in diesem Art. 56 aufgestellte Verbot verstießen, die für alle im Inland tätigen Wirtschaftsteilnehmer gälten, nicht die Regelung der Bedingungen für die Erbringung der Dienstleistungen der betreffenden Unternehmen bezweckten und deren beschränkende Wirkungen, die sie für den freien Dienstleistungsverkehr haben könnten, zu ungewiss und zu mittelbar seien, als dass die in ihnen aufgestellte Verpflichtung als geeignet angesehen werden könnte, diese Freiheit zu behindern (Urteil vom 22. Dezember 2022, Airbnb Ireland und Airbnb Payments UK, C‑83/21, EU:C:2022:1018, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

70

Wie der Generalanwalt in den Nrn. 166 und 167 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, können nämlich zum einen Anforderungen, die in den koordinierten Bereich fallen, die sich aus dieser Rechtsprechung ergebenden Voraussetzungen nicht erfüllen, da sie per definitionem bezwecken, die Aufnahme einer Tätigkeit, die in der Erbringung eines Dienstes der Informationsgesellschaft besteht, sowie die Ausübung dieser Tätigkeit zu regeln. Zum anderen kann der Unionsgesetzgeber eine im AEU-Vertrag verankerte Grundfreiheit durch einen Akt des abgeleiteten Unionsrechts konkretisieren, indem er für ein ordnungsgemäßes Funktionieren des Binnenmarkts noch günstigere Voraussetzungen als diejenigen schafft, die sich aus dem Primärrecht ergeben (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 16. Juni 2015, Rina Services u. a., C‑593/13, EU:C:2015:399, Rn. 40).

71

Somit ist zu prüfen, ob nationale Maßnahmen wie die in Rn. 68 des vorliegenden Urteils angeführten die in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 vorgesehenen Voraussetzungen erfüllen.

72

Hierzu ist erstens festzustellen, dass – wie sich schon aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt – nur Maßnahmen „betreffen[d] einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft“ unter sie fallen können.

73

Hierzu hat der Gerichtshof im Urteil vom 9. November 2023, Google Ireland u. a. (C‑376/22, EU:C:2023:835), für Recht erkannt, dass Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 dahin auszulegen ist, dass generell-abstrakte Maßnahmen, die sich auf eine allgemein umschriebene Kategorie bestimmter Dienste der Informationsgesellschaft beziehen und unterschiedslos für alle Anbieter dieser Kategorie von Diensten gelten, nicht unter den Begriff der „Maßnahmen … betreffen[d] einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne dieser Bestimmung fallen.

74

Im vorliegenden Fall scheinen die streitigen nationalen Maßnahmen vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht eine allgemeine und abstrakte Geltung zu haben, so dass sie nicht als „Maßnahmen … betreffen[d] einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne von Art. 3 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 eingestuft werden können.

75

Zudem müssen nationale Maßnahmen nach dieser Bestimmung, um als mit ihr vereinbar angesehen zu werden, erforderlich sein, um den Schutz der öffentlichen Ordnung, den Schutz der öffentlichen Gesundheit, den Schutz der öffentlichen Sicherheit oder den Schutz der Verbraucher zu gewährleisten.

76

Somit ist zu prüfen, ob dies bei den streitigen nationalen Maßnahmen der Fall ist, die mit dem erklärten Ziel erlassen wurden, die Durchsetzung der Verordnung 2019/1150 zu gewährleisten.

77

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung 2019/1150 nach ihrem Art. 1 Abs. 5 unbeschadet der Rechtsvorschriften der Union, insbesondere jener für den Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs, gilt.

78

Da die Richtlinie 2000/31 offenkundig in diesen Bereich fällt, können Maßnahmen wie die streitigen nationalen Maßnahmen nur dann mit der Begründung als mit Art. 3 Abs. 4 Buchst. a dieser Richtlinie vereinbar angesehen werden, dass mit ihnen die Durchsetzung der Verordnung 2019/1150 gewährleistet werden soll, wenn sich erweist, dass ihr Ziel einem der in dieser Bestimmung aufgezählten Ziele entspricht.

79

Den Erwägungsgründen 7, 8 und 51 der Verordnung 2019/1150 lässt sich aber entnehmen, dass mit dieser gezielte Vorschriften auf der Ebene der Union verbindlich festgelegt werden sollen, um ein faires, vorhersehbares, tragfähiges und vertrauenswürdiges Online-Geschäftsumfeld im Binnenmarkt zu schaffen. Insbesondere sollten zum einen den gewerblichen Nutzern in der gesamten Union eine angemessene Transparenz und wirksame Abhilfemöglichkeiten geboten werden, um grenzüberschreitende Geschäfte innerhalb der Union zu erleichtern und auf diese Weise das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu verbessern. Zum anderen müssten Fairness und Transparenz gefördert werden, insbesondere bezogen auf das Ranking von Nutzern mit Unternehmenswebsite im Sinne von Art. 2 Nr. 7 der Verordnung (im Folgenden: Nutzer mit Unternehmenswebsite) in den Suchergebnissen von Online-Suchmaschinen.

80

Art. 1 Abs. 1 der genannten Verordnung führt aus, dass mit ihr zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts beigetragen werden soll, indem Vorschriften festgelegt werden, mit denen sichergestellt wird, dass für gewerbliche Nutzer und Nutzer mit Unternehmenswebsite im Hinblick auf Suchmaschinen eine angemessene Transparenz, Fairness und wirksame Abhilfemöglichkeiten geschaffen werden.

81

Wie der Generalanwalt im Wesentlichen in den Nrn. 186 bis 190 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, besteht, selbst wenn nationale Maßnahmen wie die streitigen nationalen Maßnahmen der Verwirklichung des Ziels der Verordnung 2019/1150 dienen sollten, kein direkter Zusammenhang zwischen diesem Ziel und den in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/31 bezeichneten und in Rn. 75 des vorliegenden Urteils angeführten Zielen.

82

Denn es steht fest, dass sich das Ziel der Verordnung 2019/1150 weder auf die öffentliche Ordnung noch auf den Schutz der öffentlichen Gesundheit noch auf die öffentliche Sicherheit bezieht.

83

Was den Schutz der Verbraucher betrifft, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass dieser den Schutz von Unternehmen nicht einschließt. Die Verordnung 2019/1150 stellt aber Regeln für die Beziehungen zwischen Anbietern von Online-Vermittlungsdiensten und gewerblichen Nutzern sowie zwischen Online-Suchmaschinen und Nutzern mit Unternehmenswebsite auf.

84

Sodann lässt sich dem dritten Erwägungsgrund der Verordnung 2019/1150 entnehmen, dass zwischen „Transparenz und Vertrauen in die Online-Plattformwirtschaft in den Beziehungen zwischen den Unternehmen“ und „[erhöhtem] Vertrauen der Verbraucher in die Online-Plattformwirtschaft“ nur ein indirekter Zusammenhang besteht.

85

Schließlich wird im dritten Erwägungsgrund der Verordnung ausgeführt, dass sich „[m]it den direkten Auswirkungen, die die Entwicklung der Online-Plattformwirtschaft auf die Verbraucher hat, … hingegen andere Rechtsvorschriften der Union [befassen], vor allem der Besitzstand für Verbraucherschutz“.

86

Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 ist zudem als Ausnahme vom Grundsatz der Aufsicht im Herkunftsmitgliedstaat eng auszulegen (vgl. entsprechend Urteile vom 22. November 2012, Probst, C‑119/12, EU:C:2012:748, Rn. 23, und vom 21. Juni 2022, Ligue des droits humains, C‑817/19, EU:C:2022:491, Rn. 70). Deswegen kann diese Ausnahme nicht für Maßnahmen gelten, die allenfalls in einem lediglich indirekten Zusammenhang mit einem der in dieser Bestimmung genannten Ziele stehen können.

87

Daraus, dass nationale Maßnahmen mit dem erklärten Ziel erlassen wurden, die Durchsetzung der Verordnung 2019/1150 sicherzustellen, kann mithin nicht abgeleitet werden, dass diese Maßnahmen erforderlich sind, um eines der in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/31 aufgezählten Ziele zu gewährleisten.

88

Von einem Mitgliedstaat erlassene Maßnahmen, nach denen unter Androhung von Sanktionen in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und von Online-Suchmaschinen im Hinblick auf die Erbringung ihrer Dienstleistungen im erstgenannten Mitgliedstaat der Verpflichtung unterliegen, sich in ein von einer Behörde dieses Mitgliedstaats geführtes Register einzutragen, dieser Behörde eine Reihe detaillierter Informationen über ihre Organisation mitzuteilen sowie ihr einen finanziellen Beitrag zu entrichten, erfüllen folglich nicht die in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 vorgesehenen Voraussetzungen.

89

Da die streitigen nationalen Maßnahmen in den in der Richtlinie 2000/31 genannten koordinierten Bereich fallen und die Auslegung dieser Richtlinie eine Beantwortung der Fragen 1, 2 und 4 in ihrer in Rn. 48 des vorliegenden Urteils umformulierten Form ermöglicht, besteht aus den in den Rn. 49 bis 53 des vorliegenden Urteils dargestellten Erwägungen keine Veranlassung, auch Art. 56 AEUV oder die Richtlinie 2006/123 auszulegen.

90

Nach alledem ist auf die Fragen 1, 2 und 4 zu antworten, dass Art. 3 der Richtlinie 2000/31 dahin auszulegen ist, dass er Maßnahmen entgegensteht, die ein Mitgliedstaat mit dem erklärten Ziel erlassen hat, für eine angemessene und wirksame Durchsetzung der Verordnung 2019/1150 zu sorgen und nach denen unter Androhung von Sanktionen in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und von Online-Suchmaschinen im Hinblick auf die Erbringung ihrer Dienstleistungen im erstgenannten Mitgliedstaat der Verpflichtung unterliegen, sich in ein von einer Behörde dieses Mitgliedstaats geführtes Register einzutragen, dieser Behörde eine Reihe detaillierter Informationen über ihre Organisation mitzuteilen sowie ihr einen finanziellen Beitrag zu entrichten.

Zur dritten Frage

91

Die dritte Frage bezieht sich auf die in den Richtlinien 2000/31 und 2015/1535 vorgesehenen Pflichten zur vorherigen Unterrichtung, deren Nichtbeachtung dazu führt, dass Maßnahmen, über die eine Unterrichtung hätte erfolgen müssen und bei denen dies nicht der Fall war, Privatpersonen nicht entgegengehalten werden können.

92

In Anbetracht der Antworten auf die Fragen 1, 2 und 4 erübrigt sich indessen eine Beantwortung der dritten Frage.

Kosten

93

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 3 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“)

 

ist dahin auszulegen, dass

 

er Maßnahmen entgegensteht, die ein Mitgliedstaat mit dem erklärten Ziel erlassen hat, für eine angemessene und wirksame Durchsetzung der Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten zu sorgen und nach denen unter Androhung von Sanktionen in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und von Online-Suchmaschinen im Hinblick auf die Erbringung ihrer Dienstleistungen im erstgenannten Mitgliedstaat der Verpflichtung unterliegen, sich in ein von einer Behörde dieses Mitgliedstaats geführtes Register einzutragen, dieser Behörde eine Reihe detaillierter Informationen über ihre Organisation mitzuteilen sowie ihr einen finanziellen Beitrag zu entrichten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Italienisch.