URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

25. April 2024 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Rechtsangleichung – Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 – Zulassung zum Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln – Prüfung zur Zulassung – Art. 4 – Art. 29 – Anforderungen – Keine schädlichen Auswirkungen – Kriterien – Endokrinschädliche Eigenschaften – Verordnung (EU) 2018/605 – Vorsorgeprinzip – Neuester Stand von Wissenschaft und Technik“

In den verbundenen Rechtssachen C‑309/22 und C‑310/22

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom College van Beroep voor het bedrijfsleven (Oberster Verwaltungsgerichtshof für Handel und Industrie, Niederlande) mit Entscheidungen vom 3. Mai 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Mai 2022, in den Verfahren

Pesticide Action Network Europe (PAN Europe)

gegen

College voor de toelating van gewasbeschermingsmiddelen en biociden,

Beteiligte:

Adama Registrations BV (Adama) (C‑309/22),

BASF Nederland BV (C‑310/22),

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin K. Jürimäe sowie der Richter N. Piçarra und M. Gavalec (Berichterstatter),

Generalanwältin: L. Medina,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

des Pesticide Action Network Europe (PAN Europe), vertreten durch H. Muilerman und G. Simon, Sachverständige, sowie durch R. J. Baneke, Advocaat,

der Adama Registrations BV (Adama), vertreten durch E. Broeren und A. Freriks, Advocaten,

der BASF Nederland BV, vertreten durch E. Broeren und A. Freriks, Advocaten,

der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und J. M. Hoogveld als Bevollmächtigte,

der tschechischen Regierung, vertreten durch S. Šindelková, M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,

der griechischen Regierung, vertreten durch K. Konsta, E.‑E. Krompa, E. Leftheriotou und M. Tassopoulou als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch A. C. Becker und M. ter Haar als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 28. September 2023

folgendes

Urteil

1

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 und 3 sowie von Art. 29 Abs. 1 Buchst. a und e der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates (ABl. 2009, L 309, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) 2018/605 der Kommission vom 19. April 2018 zur Änderung von Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 durch die Festlegung wissenschaftlicher Kriterien für die Bestimmung endokrinschädlicher Eigenschaften (ABl. 2018, L 101, S. 33, berichtigt in ABl. 2018, L 111, S. 10) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1107/2009) in Verbindung mit Anhang II Nr. 3.6.5 dieser Verordnung sowie von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und von Art. 2 der Verordnung 2018/605.

2

Sie ergehen im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Pesticide Action Network Europe (PAN Europe) und dem College voor de toelating van gewasbeschermingsmiddelen en biociden (Ausschuss für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und Bioziden, Niederlande) (im Folgenden: CTGB) über die Zurückweisung durch das CTGB zum einen des Widerspruchs von PAN Europe gegen den Bescheid des CTGB, mit dem das Pflanzenschutzmittel Pitcher, das den Wirkstoff Fludioxonil enthält, zum Inverkehrbringen auf dem niederländischen Markt zugelassen wurde, und zum anderen des Widerspruchs von PAN Europe gegen den Bescheid des CTGB, mit dem das Pflanzenschutzmittel Dagonis, das den Wirkstoff Difenoconazol enthält, zum Inverkehrbringen auf dem niederländischen Markt zugelassen wurde.

Rechtlicher Rahmen

Verordnung Nr. 1107/2009

3

In den Erwägungsgründen 8, 24 und 29 der Verordnung Nr. 1107/2009 heißt es:

„(8)

Mit dieser Verordnung soll ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt gewährleistet und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft der Gemeinschaft sichergestellt werden. Besondere Aufmerksamkeit sollte dem Schutz gefährdeter Gruppen in der Bevölkerung gelten, insbesondere von Schwangeren, Säuglingen und Kindern. Das Vorsorgeprinzip sollte angewandt und mit dieser Verordnung sollte sichergestellt werden, dass die Industrie den Nachweis erbringt, dass Stoffe oder Produkte, die erzeugt oder in Verkehr gebracht werden, keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben.

(24)

Die Bestimmungen für eine Zulassung müssen ein hohes Schutzniveau gewährleisten. Insbesondere sollte bei Erteilung einer Zulassung für Pflanzenschutzmittel das Ziel, die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt zu schützen, Vorrang haben vor dem Ziel, die Pflanzenproduktion zu verbessern. Daher sollte, bevor ein Pflanzenschutzmittel in Verkehr gebracht wird, nachgewiesen werden, dass es einen offensichtlichen Vorteil für die Pflanzenerzeugung bringt und keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen, einschließlich der besonders gefährdeten Personengruppen, oder von Tieren sowie keine unzulässigen Folgen für die Umwelt hat.

(29)

Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung stellt eines der Mittel dar, mit denen der freie Warenverkehr innerhalb der Gemeinschaft gewährleistet werden soll. Zur Vermeidung von Doppelarbeit, Verringerung des Verwaltungsaufwands für Industrie und Mitgliedstaaten und Sicherstellung einer einheitlicheren Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln sollte die von einem Mitgliedstaat erteilte Zulassung von anderen Mitgliedstaaten akzeptiert werden, sofern die landwirtschaftlichen, pflanzengesundheitlichen und ökologischen Bedingungen (einschließlich der klimatischen Bedingungen) vergleichbar sind. Daher sollte die Gemeinschaft in Zonen mit diesbezüglich jeweils vergleichbaren Bedingungen unterteilt werden, um diese gegenseitige Anerkennung zu erleichtern. Besondere ökologische oder landwirtschaftliche Bedingungen im Gebiet eines oder mehrerer Mitgliedstaaten können es jedoch erforderlich machen, dass die Mitgliedstaaten auf Antrag die von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Zulassung anerkennen oder ändern, oder die Zulassung des Pflanzenschutzmittels in ihrem Gebiet verweigern, wo dies aufgrund besonderer ökologischer oder landwirtschaftlicher Gegebenheiten gerechtfertigt ist oder wo das in dieser Verordnung vorgeschriebene hohe Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt nicht erreicht werden kann. Es sollte ferner möglich sein, bestimmte Voraussetzungen auch im Zusammenhang mit den im nationalen Aktionsplan gemäß der Richtlinie 2009/128/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom21. Oktober 2009 über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden [(ABl. 2009, L 309, S. 71)] gesetzten Zielen zur Auflage zu machen.“

4

Art. 1 („Gegenstand und Ziel“) Abs. 3 und 4 dieser Verordnung bestimmt:

„(3)   Ziel dieser Verordnung ist die Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt und das bessere Funktionieren des Binnenmarkts durch die Harmonisierung der Vorschriften für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und die Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion.

(4)   Die Bestimmungen dieser Verordnung beruhen auf dem Vorsorgeprinzip, mit dem sichergestellt werden soll, dass in Verkehr gebrachte Wirkstoffe oder Produkte die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt nicht beeinträchtigen. Insbesondere ist es den Mitgliedstaaten freigestellt, das Vorsorgeprinzip anzuwenden, wenn wissenschaftliche Ungewissheit besteht, ob die in ihrem Hoheitsgebiet zuzulassenden Pflanzenschutzmittel Gefahren für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder die Umwelt bergen.“

5

Art. 4 („Genehmigungskriterien für Wirkstoffe“) in Kapitel II („Wirkstoffe, Safener, Synergisten und Beistoffe“) der Verordnung sieht in den Abs. 1 und 3 vor:

„(1)   Ein Wirkstoff wird gemäß Anhang II genehmigt, wenn aufgrund des wissenschaftlichen und technischen Kenntnisstandes zu erwarten ist, dass unter Berücksichtigung der Genehmigungskriterien, in den Nummern 2 und 3 jenes Anhangs Pflanzenschutzmittel, die diesen Wirkstoff enthalten, die Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 erfüllen.

Bei der Bewertung des Wirkstoffs wird zunächst ermittelt, ob die Genehmigungskriterien nach Anhang II Nummern 3.6.2 bis 3.6.4 und Nummer 3.7 erfüllt sind. Sind diese Kriterien erfüllt, so wird anschließend geprüft, ob die in Anhang II Nummern 2 und 3 festgelegten übrigen Genehmigungskriterien erfüllt sind.

(3)   Pflanzenschutzmittel müssen als Folge der Verwendung entsprechend der guten Pflanzenschutzpraxis und unter der Voraussetzung realistischer Verwendungsbedingungen folgende Anforderungen erfüllen:

a)

Sie müssen hinreichend wirksam sein.

b)

Sie dürfen keine sofortigen oder verzögerten schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen, einschließlich besonders gefährdeter Personengruppen, oder von Tieren – weder direkt noch über das Trinkwasser (unter Berücksichtigung der bei der Trinkwasserbehandlung entstehenden Produkte), über Nahrungs- oder Futtermittel oder über die Luft oder Auswirkungen am Arbeitsplatz oder durch andere indirekte Effekte unter Berücksichtigung bekannter Kumulations- und Synergieeffekte, soweit es von der [Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA)] anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung solcher Effekte gibt – noch auf das Grundwasser haben.

c)

Sie dürfen keine unannehmbaren Auswirkungen auf Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse haben.

d)

Sie dürfen bei den zu bekämpfenden Wirbeltieren keine unnötigen Leiden oder Schmerzen verursachen.

e)

Sie dürfen keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben, und zwar unter besonderer Berücksichtigung folgender Aspekte, soweit es von der [EFSA] anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung solcher Effekte gibt:

…“

6

Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 („Anforderungen und Inhalte“) des die Zulassung betreffenden Abschnitts 1 von Kapitel III („Pflanzenschutzmittel“) der Verordnung Nr. 1107/2009 umfasst die Art. 28 bis 32.

7

Art. 29 („Anforderungen für die Zulassung zum Inverkehrbringen“) dieser Verordnung bestimmt:

(1)   Unbeschadet des Artikels 50 wird ein Pflanzenschutzmittel nur zugelassen, wenn es entsprechend den einheitlichen Grundsätzen gemäß Absatz 6 folgende Anforderungen erfüllt:

a)

Seine Wirkstoffe, Safener und Synergisten sind genehmigt;

e)

[es] erfüllt unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik die Anforderungen gemäß Artikel 4 Absatz 3;

(6)   Einheitliche Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln enthalten die Anforderungen des Anhangs VI der Richtlinie 91/414/EWG [des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. 1991, L 230, S. 1)] und werden in Verordnungen festgelegt, die nach dem in Artikel 79 Absatz 2 genannten Beratungsverfahren ohne wesentliche Änderungen erlassen werden. Spätere Änderungen dieser Verordnungen werden gemäß Artikel 78 Absatz 1 Buchstabe c erlassen.

Gemäß diesen Grundsätzen werden die Wechselwirkungen zwischen dem Wirkstoff, den Safenern, den Synergisten und den Beistoffen bei der Bewertung der Pflanzenschutzmittel berücksichtigt.“

8

Unterabschnitt 2 („Verfahren“) des die Zulassung betreffenden Abschnitts 1 von Kapitel III der Verordnung Nr. 1107/2009 umfasst die Art. 33 bis 39.

9

Art. 36 („Prüfung zur Zulassung“) der Verordnung lautet:

„(1)   Der Mitgliedstaat, der den Antrag prüft, nimmt eine unabhängige, objektive und transparente Bewertung unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik und unter Heranziehung der zum Zeitpunkt des Antrags verfügbaren Leitlinien vor. Er gibt allen Mitgliedstaaten in der gleichen Zone die Gelegenheit zu einer Stellungnahme, die in der Bewertung berücksichtigt wird.

Er wendet die in Artikel 29 Absatz 6 genannten einheitlichen Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln an, um so weit wie möglich festzustellen, ob das Pflanzenschutzmittel bei Verwendung gemäß Artikel 55 in derselben Zone und unter realistisch anzunehmenden Verwendungsbedingungen die Anforderungen gemäß Artikel 29 erfüllt.

Der Mitgliedstaat, der den Antrag prüft, stellt seine Bewertung den anderen Mitgliedstaaten derselben Zone zur Verfügung. Das Format des Bewertungsberichts wird nach dem in Artikel 79 Absatz 2 genannten Beratungsverfahren festgelegt.

(2)   Die betreffenden Mitgliedstaaten gewähren oder verweigern die Zulassung auf der Grundlage der Schlussfolgerungen aus der Bewertung durch den Mitgliedstaat, der den Antrag gemäß den Artikeln 31 und 32 prüft.

(3)   Abweichend von Absatz 2 und vorbehaltlich des Gemeinschaftsrechts können geeignete Bedingungen in Bezug auf die Anforderungen gemäß Artikel 31 Absätze 3 und 4 und andere Maßnahmen zur Risikominderung, die sich aus den spezifischen Verwendungsbedingungen ergeben, festgelegt werden.

Können die Bedenken eines Mitgliedstaats in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt nicht durch die Festlegung nationaler Maßnahmen zur Risikominderung gemäß Unterabsatz 1 ausgeräumt werden, so kann ein Mitgliedstaat die Zulassung des Pflanzenschutzmittels in seinem Gebiet verweigern, wenn er angesichts spezifischer ökologischer oder landwirtschaftlicher Bedingungen berechtigten Grund zu der Annahme hat, dass das betreffende Produkt noch immer ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt.

Dieser Mitgliedstaat unterrichtet den Antragsteller und die [Europäische] Kommission umgehend über seine Entscheidung und legt eine technische oder wissenschaftliche Begründung vor.

Die Mitgliedstaaten sehen die Möglichkeit der Anfechtung einer Entscheidung über die Verweigerung der Zulassung der entsprechenden Produkte vor den nationalen Gerichten oder anderen Berufungsinstanzen vor.“

10

Unterabschnitt 4 („Erneuerung, Aufhebung und Änderung“) des die Zulassung betreffenden Abschnitts 1 von Kapitel III der Verordnung Nr. 1107/2009 umfasst die Art. 43 bis 46.

11

Kapitel IX („Notfälle“) der Verordnung umfasst die Art. 69 bis 71.

12

In Art. 69 („Notfallmaßnahmen“) der Verordnung heißt es:

„Ist davon auszugehen, dass ein genehmigter Wirkstoff, Safener, Synergist oder Beistoff oder ein Pflanzenschutzmittel, das gemäß dieser Verordnung zugelassen wurde, wahrscheinlich ein schwerwiegendes Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt und dass diesem Risiko durch Maßnahmen, die der betreffende Mitgliedstaat oder die betreffenden Mitgliedstaaten getroffen hat bzw. haben, nicht auf zufrieden stellende Weise begegnet werden kann, so trifft die Kommission nach dem in Artikel 79 Absatz 3 genannten Regelungsverfahren von sich aus oder auf Verlangen eines Mitgliedstaats unverzüglich Maßnahmen zur Einschränkung oder zum Verbot der Verwendung und/oder des Verkaufs dieses Stoffes oder Produkts. Bevor die Kommission diese Maßnahmen trifft, prüft sie die Sachlage und ersucht gegebenenfalls die [EFSA] um ein Gutachten. Die Kommission kann bestimmen, innerhalb welcher Frist dieses Gutachten vorzulegen ist.“

13

Anhang I der Verordnung Nr. 1107/2009 legt drei Zonen für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln fest (Zone A [Norden], Zone B [Mitte] und Zone C [Süden]) und bestimmt die jeweils zu diesen Zonen gehörenden Mitgliedstaaten.

14

Anhang II der Verordnung betrifft Verfahren und Kriterien für die Genehmigung von Wirkstoffen, Safenern und Synergisten gemäß Kapitel II. Dieser Anhang II enthält einen Abschnitt 3 („Kriterien für die Genehmigung eines Wirkstoffs“), dessen Unterabschnitt 3.6 mit „Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit“ überschrieben ist.

15

Nr. 3.6.5 dieses Anhangs II sieht mit Wirkung vom 10. November 2018 spezifische Kriterien vor, nach denen ein Wirkstoff, Safener oder Synergist als Stoff mit endokrinschädlichen Eigenschaften, die schädliche Auswirkungen auf den Menschen haben können, anzusehen ist.

16

Nr. 3.8.2 von Anhang II sieht mit Wirkung vom 10. November 2018 spezifische Kriterien vor, nach denen ein Wirkstoff, Safener oder Synergist als Stoff mit endokrinschädlichen Eigenschaften, die schädliche Auswirkungen auf Nichtzielorganismen haben können, anzusehen ist.

Verordnung (EU) Nr. 546/2011

17

In Art. 1 der auf der Grundlage von Art. 29 Abs. 6 und Art. 84 der Verordnung Nr. 1107/2009 erlassenen Verordnung (EU) Nr. 546/2011 der Kommission vom 10. Juni 2011 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich einheitlicher Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln (ABl. 2011, L 155, S. 127) heißt es:

„Die einheitlichen Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln gemäß Artikel 29 Absatz 6 der Verordnung [Nr. 1107/2009] sind im Anhang der vorliegenden Verordnung dargelegt.“

18

In Abschnitt A („Einleitung“) Ziff. 2 von Teil I („Einheitliche Grundsätze für die Bewertung und Zulassung chemischer Pflanzenschutzmittel“) des Anhangs der Verordnung Nr. 546/2011 heißt es:

„Bei der Prüfung von Anträgen und der Erteilung von Zulassungen gehen die Mitgliedstaaten folgendermaßen vor:

c)

sie berücksichtigen andere relevante technische oder wissenschaftliche Informationen, über die sie nach vernünftigem Ermessen verfügen können und die sich auf die Leistungsfähigkeit des Pflanzenschutzmittels, seine möglichen schädlichen Auswirkungen, seine Bestandteile oder seine Rückstände beziehen.“

19

In Abschnitt B („Bewertung“) Ziff. 1.1. dieses Teils I heißt es:

„Die Mitgliedstaaten bewerten die in [Abschnitt] A Ziffer 2 genannten Angaben nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen und technischen Kenntnisse, wobei sie insbesondere

a)

die Wirksamkeit und Phytotoxizität des Pflanzenschutzmittels bei jeder Verwendung, für die die Zulassung beantragt wird, beurteilen sowie

b)

die damit verbundenen Gefahren ermitteln und bewerten und die Risiken für Mensch, Tier und Umwelt abschätzen.“

Verordnung 2018/605

20

In den Erwägungsgründen 1, 2, 5 und 8 der Verordnung 2018/605 heißt es:

„(1)

Unter Berücksichtigung der Ziele der Verordnung [Nr. 1107/2009] – Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt, insbesondere Sicherstellung, dass in Verkehr gebrachte Stoffe oder Produkte keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben, sowie das bessere Funktionieren des Binnenmarkts und Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion – sollten wissenschaftliche Kriterien zur Bestimmung endokrinschädlicher Eigenschaften von Wirkstoffen, Safenern und Synergisten festgelegt werden.

(2)

Im Jahr 2002 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Rahmen ihres Internationalen Programms für Chemikaliensicherheit eine Definition endokriner Disruptoren … vorgeschlagen; 2009 folgte eine Definition der schädlichen Auswirkungen … Diese Definitionen sind in der Wissenschaft mittlerweile weitgehend anerkannt. Die [EFSA] befürwortete diese Definitionen in ihrem wissenschaftlichen Gutachten zu endokrinen Disruptoren …, das am 28. Februar 2013 angenommen wurde … Auch der Wissenschaftliche Ausschuss für Verbrauchersicherheit vertritt diesen Standpunkt … Es ist daher angezeigt, die Kriterien für die Bestimmung endokrinschädlicher Eigenschaften auf der Grundlage dieser WHO-Definitionen festzulegen.

(5)

Da die mit der vorliegenden Verordnung festgelegten spezifischen wissenschaftlichen Kriterien dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen und anstelle der Kriterien in Anhang II Nummer 3.6.5 der Verordnung [Nr. 1107/2009] anzuwenden sind, sollten sie in dem genannten Anhang aufgeführt werden.

(8)

Die Kriterien für die Bestimmung endokrinschädlicher Eigenschaften entsprechen dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik und ermöglichen eine exaktere Identifizierung von Wirkstoffen mit endokrinschädlichen Eigenschaften. Die neuen Kriterien sollten daher so rasch wie möglich gelten, wobei auch die Zeit berücksichtigt werden sollte, die die Mitgliedstaaten und die [EFSA] für die Vorbereitung der Anwendung dieser Kriterien benötigen. Deshalb sollten diese Kriterien ab dem 10. November 2018 gelten, es sei denn, der zuständige Ausschuss hat bis zum 10. November 2018 über einen Verordnungsentwurf abgestimmt. Die Kommission wird die Auswirkungen für jedes laufende Verfahren gemäß der Verordnung [Nr. 1107/2009] prüfen und erforderlichenfalls unter gebührender Achtung der Rechte der Antragsteller geeignete Maßnahmen ergreifen. Dies kann auch ein Ersuchen um weitere Informationen vom Antragsteller und/oder um weitere wissenschaftliche Beiträge des Bericht erstattenden Mitgliedstaats und der [EFSA] umfassen.

21

Art. 2 dieser Verordnung bestimmt:

„Die durch die vorliegende Verordnung geänderten Nummern 3.6.5 und 3.8.2 von Anhang II der Verordnung [Nr. 1107/2009] gelten ab dem 10. November 2018; davon ausgenommen sind Verfahren, bei denen der Ausschuss bis zum 10. November 2018 über einen Verordnungsentwurf abgestimmt hat.“

Ausgangsrechtsverfahren, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

Rechtssache C‑309/22

22

Pitcher ist ein Pflanzenschutzmittel, genauer ein Fungizid für den professionellen Gebrauch, das zur Tauchbehandlung bestimmter Blumenzwiebeln und ‑knollen sowie zur Pflanzenbehandlung bestimmter mehrjähriger Pflanzen und Blumenzüchtungen bestimmt ist. Es besteht aus einem Gemisch der Wirkstoffe Fludioxonil und Folpet sowie sieben Hilfsstoffen.

23

Die Gültigkeit der Genehmigung für Fludioxonil als Wirkstoff gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 wurde in der Europäischen Union mit der Durchführungsverordnung (EU) 2021/1449 der Kommission vom 3. September 2021 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 hinsichtlich der Verlängerung der Laufzeit der Genehmigung für die Wirkstoffe 2-Phenylphenol (einschließlich seiner Salze, z. B. Natriumsalz), 8-Hydroxychinolin, Amidosulfuron, Bifenox, Chlormequat, Chlortoluron, Clofentezin, Clomazon, Cypermethrin, Daminozid, Deltamethrin, Dicamba, Difenoconazol, Diflufenican, Dimethachlor, Etofenprox, Fenoxaprop-P, Fenpropidin, Fludioxonil, Flufenacet, Fosthiazat, Indoxacarb, Lenacil, MCPA, MCPB, Nicosulfuron, Paraffinöle, Paraffinöl, Penconazol, Picloram, Propaquizafop, Prosulfocarb, Quizalofop-P-ethyl, Quizalofop-P-tefuryl, Schwefel, Tetraconazol, Triallat, Triflusulfuron und Tritosulfuron (ABl. 2021, L 313, S. 20) bis zum 31. Oktober 2022 verlängert.

24

Die Gültigkeit der Genehmigung für Folpet als Wirkstoff gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 wurde in der Union mit der Durchführungsverordnung (EU) 2021/745 der Kommission vom 6. Mai 2021 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 im Hinblick auf die Verlängerung der Genehmigungszeiträume für die Wirkstoffe Aluminiumammoniumsulfat, Aluminiumsilicat, Beflubutamid, Benthiavalicarb, Bifenazat, Boscalid, Bromoxynil, Calciumcarbonat, Captan, Kohlendioxid, Cymoxanil, Dimethomorph, Ethephon, Teebaumextrakt, Famoxadon, Rückstände aus der Fettdestillation, Fettsäuren C7 bis C20, Flumioxazin, Fluoxastrobin, Flurochloridon, Folpet, Formetanat, Gibberellinsäure, Gibberellin, Heptamaloxyloglucan, hydrolysierte Proteine, Eisensulfat, Metazachlor, Metribuzin, Milbemectin, Paecilomyces lilacinus Stamm 251, Phenmedipham, Phosmet, Pirimiphos-methyl, Pflanzenöl/Rapsöl, Kaliumhydrogencarbonat, Propamocarb, Prothioconazol, Quarzsand, Fischöl, Repellents (Geruch) tierischen oder pflanzlichen Ursprungs/Schafsfett, S-Metolachlor, geradkettige Lepidopterenpheromone, Tebuconazol und Harnstoff (ABl. 2021, L 160, S. 89) bis zum 31. Juli 2022 verlängert.

25

Es wurden Anträge auf Erneuerung der Gültigkeit dieser Genehmigungen gestellt, die zum Zeitpunkt des Vorabentscheidungsersuchens noch nicht beschieden waren.

26

Am 15. September 2015 beantragte die Adama Registrations BV (Adama) in den Niederlanden eine erste Zulassung zum Inverkehrbringen von Pitcher.

27

Mit Bescheid vom 4. Oktober 2019 erteilte das CTGB diese Zulassung bis zum 31. Juli 2021.

28

PAN Europe legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Das CTGB wies den Widerspruch mit Bescheid vom 2. September 2020 als unbegründet zurück.

29

Daraufhin erhob PAN Europe beim College van Beroep voor het bedrijfsleven (Oberster Verwaltungsgerichtshof für Handel und Industrie, Niederlande), dem vorlegenden Gericht, Klage auf Nichtigerklärung des Bescheids vom 2. September 2020.

30

Vor dem vorlegenden Gericht macht PAN Europe geltend, das CTGB habe die endokrinschädlichen Eigenschaften des Wirkstoffs Fludioxonil nicht bewertet. Dieser Stoff, der im Produkt Pitcher enthalten sei, besitze solche Eigenschaften, was den CTGB dazu hätte veranlassen müssen, die Zulassung zum Inverkehrbringen von Pitcher in den Niederlanden zu verweigern. Nach Ansicht von PAN Europe muss das CTGB die endokrinschädlichen Eigenschaften eines Pflanzenschutzmittels im Rahmen der Prüfung des Antrags auf Zulassung dieses Mittels nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zum Zeitpunkt der Entscheidung über diesen Antrag bewerten.

31

Das CTGB macht vor dem vorlegenden Gericht geltend, dass die endokrinschädlichen Eigenschaften im Rahmen der Prüfung des Antrags auf Zulassung des in Rede stehenden Pflanzenschutzmittels, das den genehmigten Wirkstoff als Bestandteil enthalte, nicht neu zu bewerten seien. Die neuen wissenschaftlichen Kriterien zur Bestimmung endokrinschädlicher Eigenschaften, wie sie sich aus der Verordnung 2018/605 ergäben, beträfen nur die Genehmigung des Wirkstoffs Fludioxonil bzw. die Überprüfung der Genehmigung dieses Wirkstoffs auf Unionsebene. Außerdem seien für die Risikobewertung des Pflanzenschutzmittels der Stand von Wissenschaft und Technik zum Zeitpunkt des Antrags auf Zulassung zum Inverkehrbringen des Pflanzenschutzmittels sowie die zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Leitlinien ausschlaggebend.

32

Ausgehend von der Prämisse, dass endokrinschädliche Eigenschaften bei der Prüfung – auf nationaler Ebene – eines Antrags auf Zulassung zum Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels zu bewerten sind, möchte das vorlegende Gericht zunächst wissen, ob Art. 2 der Verordnung 2018/605 dazu führt, dass die zuständige nationale Behörde verpflichtet ist, die in dieser Verordnung genannten neuen Kriterien zur Bestimmung endokrinschädlicher Eigenschaften auch im Rahmen von Verfahren anzuwenden, die vor dem 10. November 2018, dem Zeitpunkt der Geltung dieser neuen Kriterien, eingeleitet wurden und über die zu diesem Zeitpunkt noch nicht entschieden war.

33

Es weist insoweit darauf hin, dass der Antrag auf Zulassung zum Inverkehrbringen von Pitcher vor dem 10. November 2018, nämlich am 15. September 2015, gestellt worden sei und dass das CTGB nach dem 10. November 2018, nämlich am 4. Oktober 2019, insoweit eine Entscheidung getroffen habe. Die Verordnung 2018/605 trat somit während des laufenden Antrags in Kraft.

34

Für den Fall, dass die neuen Kriterien zur Bestimmung endokrinschädlicher Eigenschaften im Rahmen von Verfahren, die vor dem 10. November 2018 eingeleitet wurden und über die zu diesem Zeitpunkt noch nicht entschieden war, keine Anwendung finden sollten, möchte das vorlegende Gericht sodann wissen, ob diese Verfahren angesichts des achten Erwägungsgrundes der Verordnung 2018/605 bis zur Stellungnahme der Kommission zu den Auswirkungen dieser Verordnung auszusetzen sind.

35

Schließlich möchte das vorlegende Gericht für den Fall, dass diese Verfahren nicht auszusetzen sind, wissen, ob es genügt, dass die zuständige nationale Behörde eine Bewertung der endokrinschädlichen Eigenschaften des in Rede stehenden Pflanzenschutzmittels allein auf der Grundlage der zum Zeitpunkt des Antrags auf Zulassung zum Inverkehrbringen dieses Mittels bekannten Daten vornimmt, auch wenn der Stand von Wissenschaft und Technik, auf den sich der Antrag bezieht, zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung über diesen Antrag nicht mehr aktuell ist.

36

Vor diesem Hintergrund hat das College van Beroep voor het bedrijfsleven (Oberster Verwaltungsgerichtshof für Handel und Industrie) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Führt Art. 2 der Verordnung 2018/605, auch unter Berücksichtigung von Art. 29 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1107/2009 in Verbindung mit deren Art. 4 Abs. 3, dazu, dass die zuständige Behörde die neuen Kriterien für die Bestimmung endokrinschädlicher Eigenschaften auch in Beurteilungs- und Entscheidungsverfahren über Zulassungsanträge anwenden muss, über die am 10. November 2018 noch nicht entschieden worden war?

2.

Bei Verneinung der ersten Frage: Ist die zuständige Behörde angesichts des achten Erwägungsgrundes der Verordnung 2018/605 verpflichtet, Beurteilungs- und Entscheidungsverfahren über Zulassungsanträge bis zur Stellungnahme der Kommission zu den Auswirkungen dieser Verordnung für jedes laufende Verfahren gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 auszusetzen?

3.

Bei Verneinung der zweiten Frage: Darf sich die zuständige Behörde darauf beschränken, eine Beurteilung nur anhand von zum Zeitpunkt des Antrags bekannten Daten vorzunehmen, auch wenn der dabei berücksichtigte Stand von Wissenschaft und Technik zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids nicht mehr aktuell ist?

Rechtssache C‑310/22

37

Dagonis ist ein Pflanzenschutzmittel, genauer ein Fungizid, das u. a. zur Bekämpfung von Mehltau und der Blattfleckenkrankheit bestimmt ist. Es enthält die Wirkstoffe Difenoconazol und Fluxapyroxad.

38

Der Wirkstoff Difenoconazol wurde durch die Richtlinie 2008/69/EG der Kommission vom 1. Juli 2008 zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates zwecks Aufnahme der Wirkstoffe Clofentezin, Dicamba, Difenoconazol, Diflubenzuron, Imazaquin, Lenacil, Oxadiazon, Picloram und Pyriproxyfen (ABl. 2008, L 172, S. 9) mit Wirkung vom 1. Januar 2009 als für die Verwendung in Pflanzenschutzmitteln zulässiger Wirkstoff in Anhang I der Richtlinie 91/414 aufgenommen.

39

Nach dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1107/2009 wurde diese Aufnahme von Difenoconazol durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 der Kommission vom 25. Mai 2011 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Liste zugelassener Wirkstoffe (ABl. 2011, L 153, S. 1) in eine Genehmigung als Wirkstoff gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 umgewandelt.

40

Die Laufzeit dieser Genehmigung für Difenoconazol wurde mehrfach verlängert, u. a. durch die Durchführungsverordnung (EU) 2021/1449 bis zum 31. Dezember 2022.

41

Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass Difenoconazol mit der Durchführungsverordnung (EU) 2015/408 der Kommission vom 11. März 2015 zur Durchführung des Artikels 80 Absatz 7 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Erstellung einer Liste mit Substitutionskandidaten (ABl. 2015, L 67, S. 18) als Substitutionskandidat eingestuft worden sei.

42

Fluxapyroxad wurde mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 589/2012 der Kommission vom 4. Juli 2012 zur Genehmigung des Wirkstoffs Fluxapyroxad gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Änderung des Anhangs der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 der Kommission (ABl. 2012, L 175, S. 7) mit Wirkung vom 1. Januar 2013 befristet bis zum 31. Dezember 2022 als Wirkstoff genehmigt.

43

Die BASF Nederland BV beantragte die Zulassung zum Inverkehrbringen von Dagonis in mehreren Mitgliedstaaten.

44

Was das Königreich der Niederlande anbelangt, wurde der Antrag am 22. Januar 2016 gestellt, so dass dieser Mitgliedstaat über die Zulassung dieses Mittels als betreffender Mitgliedstaat im Sinne von Art. 36 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1107/2009 zu entscheiden hatte.

45

Für die Zone B (Mitte), die das Königreich der Niederlande umfasst, nahm das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland als den Antrag prüfender Mitgliedstaat im Sinne von Art. 36 Abs. 1 der genannten Verordnung eine wissenschaftliche Risikobewertung bezüglich Dagonis vor.

46

Mit Bescheid vom 3. Mai 2019 erteilte das CTGB für Dagonis eine Zulassung zum Inverkehrbringen in den Niederlanden, und zwar für die Pflanzenbehandlung von Kartoffeln, Erdbeeren und verschiedenen Gemüsen, Kräutern und Blumen, befristet bis zum 31. Dezember 2020.

47

Gegen diesen Bescheid legte PAN Europe Widerspruch beim CTGB ein, das mit Bescheid vom 13. November 2019 den Widerspruch teilweise zurückwies und den Bescheid vom 3. Mai 2019 bestätigte, dessen Begründung jedoch abänderte.

48

PAN Europe erhob daraufhin beim vorlegenden Gericht Klage auf Nichtigerklärung des Bescheids vom 13. November 2019.

49

Vor dem vorlegenden Gericht macht PAN Europe geltend, das CTGB habe die endokrinschädlichen Eigenschaften von Dagonis nicht bewertet und hätte daher dessen Inverkehrbringen auf dem niederländischen Markt nicht zulassen dürfen. Insoweit gehe aus den von BASF Nederland vorgelegten Unterlagen und aus sechs von PAN Europe vorgelegten Studien hervor, dass der Wirkstoff Difenoconazol solche Eigenschaften besitze. Nach Ansicht von PAN Europe ergibt sich aus Art. 29 Abs. 1 Buchst. e in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1107/2009 sowie aus dem Urteil vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a. (C‑616/17, EU:C:2019:800), dass das CTGB die endokrinschädlichen Eigenschaften eines Pflanzenschutzmittels im Rahmen der Prüfung des Antrags auf Zulassung dieses Mittels anhand des Stands von Wissenschaft und Technik zum Zeitpunkt der Entscheidung über diesen Antrag bewerten müsse. PAN Europe macht geltend, dass sich aus der Verordnung 2018/605 sowie aus den von der EFSA erstellten Leitlinien „Guidance for the Identification of endocrine disruptors in the context of Regulations (EU) No 528/2012 and (EC) No 1107/2009“ (Leitlinien zur Identifizierung endokriner Disruptoren im Zusammenhang mit den Verordnungen [EU] Nr. 528/2012 und [EG] Nr. 1107/2009) neue Kriterien für die Bewertung endokrinschädlicher Eigenschaften ergäben, denen Dagonis nicht entspreche.

50

Das CTGB macht vor dem vorlegenden Gericht geltend, dass diese Eigenschaften im Rahmen der Prüfung des Antrags auf Zulassung zum Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels, das den genehmigten Wirkstoff als Bestandteil enthalte, nicht neu zu bewerten seien. Insbesondere aus Nr. 3.6.5 von Anhang II der Verordnung Nr. 1107/2009, aus der Verordnung 2018/605 und aus den in der vorstehenden Randnummer angeführten EFSA-Leitlinien gehe hervor, dass die neuen Kriterien für die Bestimmung endokrinschädlicher Eigenschaften nur die Genehmigung des Wirkstoffs oder die Überprüfung der Genehmigung des Wirkstoffs auf Unionsebene beträfen. Das CTGB macht geltend, für die Erteilung einer Zulassung zum Inverkehrbringen genüge es, dass die in Art. 29 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1107/2009 vorgesehene Anforderung, dass der Wirkstoff genehmigt sein müsse, erfüllt sei. Zudem gelte die Verordnung 2018/605 nur für Genehmigungsentscheidungen, die nach dem 10. November 2018 getroffen würden. Die Entscheidung über die Genehmigung des Wirkstoffs Difenoconazol sei aber am 1. Juli 2008 erlassen worden.

51

BASF Nederland, die den Standpunkt des CTGB vor dem vorlegenden Gericht unterstützt, macht geltend, dass bei der Prüfung des Antrags auf Zulassung von Dagonis die endokrinschädlichen Eigenschaften des Wirkstoffs Difenoconazol berücksichtigt worden seien, wie sich aus der vom Vereinigten Königreich durchgeführten Kernbewertung („Core Assessment“) ergebe, aus der hervorgehe, dass die Exposition von Zebrafischen gegenüber Difenoconazol untersucht worden sei, um mögliche endokrinschädliche Wirkungen festzustellen.

52

Das vorlegende Gericht möchte erstens wissen, ob der Ansatz begründet ist, wonach sich aus Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 in Verbindung mit Nr. 3.6.5 von Anhang II der Verordnung Nr. 1107/2009 ergeben soll, dass endokrinschädliche Eigenschaften bei der Prüfung – auf nationaler Ebene – eines Antrags auf Zulassung zum Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels nicht bewertet werden.

53

Zweitens weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass, wenn dieser Ansatz für zutreffend erachtet werde, die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den endokrinschädlichen Eigenschaften, wie sie der Verordnung (EU) Nr. 283/2013 der Kommission vom 1. März 2013 zur Festlegung der Datenanforderungen für Wirkstoffe gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. 2013, L 93, S. 1) und der Verordnung 2018/605 zugrunde lägen, im Rahmen der Prüfung des Antrags auf Zulassung zum Inverkehrbringen von Dagonis nicht zu berücksichtigen seien. Aus Art. 29 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1107/2009 ergebe sich aber, dass diese Prüfung auf der Grundlage des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik durchzuführen sei.

54

Drittens stellt sich nach Ansicht des vorlegenden Gerichts, sollten Einwände in Bezug auf endokrinschädliche Eigenschaften eines Wirkstoffs nur im Rahmen eines Verfahrens zur Genehmigung des Wirkstoffs erhoben werden können, die Frage, ob eine Nichtregierungsorganisation wie PAN Europe solche Einwände erheben kann. Insoweit gehe aus dem Beschluss vom 28. September 2016, PAN Europe u. a./Kommission (T‑600/15, EU:T:2016:601), insbesondere aus dessen Rn. 62, hervor, dass eine solche Organisation die Genehmigung eines Wirkstoffs nicht unmittelbar gerichtlich anfechten könne und daher über keinen wirksamen Rechtsbehelf in Bezug auf endokrinschädliche Eigenschaften genehmigter Wirkstoffe verfüge, die in Pflanzenschutzmitteln enthalten seien, deren Inverkehrbringen beantragt werde.

55

Viertens stelle sich, wenn die endokrinschädlichen Eigenschaften im Hinblick auf Art. 29 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1107/2009 im Rahmen der Prüfung eines Antrags auf Zulassung zum Inverkehrbringen – auf dem nationalen Markt – eines Pflanzenschutzmittels, das den betreffenden Wirkstoff enthalte, bewertet werden könnten, die Frage, ob die nationalen Behörden und Gerichte die als Einwand gegen eine Genehmigung des Wirkstoffs vorgebrachten Gründe auf der Grundlage des Stands von Wissenschaft und Technik zum Zeitpunkt der Entscheidung über diesen Antrag auf nationale Zulassung oder zum Zeitpunkt der Genehmigung des Wirkstoffs zu beurteilen haben.

56

Vor diesem Hintergrund hat das College van Beroep voor het bedrijfsleven (Oberster Verwaltungsgerichtshof für Handel und Industrie) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ergibt sich aus Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1107/2009 in Verbindung mit deren Anhang II Nr. 3.6.5, dass endokrinschädliche Eigenschaften, die ein Wirkstoff womöglich aufweist, bei der Beurteilung eines Antrags auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels auf nationaler Ebene nicht mehr geprüft werden?

2.

Bei Bejahung der ersten Frage: Bedeutet das, dass die wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse zu endokrinschädlichen Eigenschaften, die beispielsweise den Verordnungen Nr. 283/2013 und 2018/605 zugrunde liegen, in die Beurteilung der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels nicht einbezogen werden? Wie verhält sich dies zu der Anforderung gemäß Art. 29 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1107/2009, wonach diese Beurteilung unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik vorzunehmen ist?

3.

Bei Bejahung der ersten Frage: In welcher Form verfügt dann eine Nichtregierungsorganisation wie die Klägerin der Ausgangsverfahren über einen wirksamen Rechtsbehelf im Sinne von Art. 47 der Charta, um gegen die Genehmigung eines Wirkstoffs gerichtlich vorzugehen?

4.

Bei Verneinung der ersten Frage: Bedeutet das, dass bei der Beurteilung eines Zulassungsantrags der neueste Stand von Wissenschaft und Technik bezüglich dieser endokrinschädlichen Eigenschaften zu dem betreffenden Zeitpunkt maßgeblich ist?

57

Mit Entscheidung vom 10. Mai 2023 sind die Rechtssachen C‑309/22 und C‑310/22 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

Zu den Anträgen auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens

58

Nach der Verlesung der Schlussanträge der Generalanwältin in der mündlichen Verhandlung vom 28. September 2023 haben Adama und BASF Nederland mit Schriftsatz, der am 23. Oktober 2023 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens nach Art. 83 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs beantragt.

59

Gemäß dieser Vorschrift kann der Gerichtshof jederzeit nach Anhörung des Generalanwalts die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beschließen, insbesondere wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält, wenn eine Partei nach Abschluss des mündlichen Verfahrens eine neue Tatsache unterbreitet hat, die von entscheidender Bedeutung für die Entscheidung des Gerichtshofs ist, oder wenn ein zwischen den Parteien oder den in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union bezeichneten Beteiligten nicht erörtertes Vorbringen entscheidungserheblich ist.

60

Adama und BASF Nederland machen mit ihrem Antrag geltend, dass der Gerichtshof nicht über ausreichende Informationen verfüge, um in den verbundenen Rechtssachen C‑309/22 und C‑310/22 eine Entscheidung zu erlassen, dass ihre schriftlichen Erklärungen in den Schlussanträgen der Generalanwältin nicht ausreichend berücksichtigt worden seien und dass diese Schlussanträge Gesichtspunkte enthielten, zu denen sich Adama und BASF Nederland nicht hätten äußern können.

61

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Generalanwalt nach Art. 252 Abs. 2 AEUV öffentlich in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit begründete Schlussanträge zu den Rechtssachen stellt, in denen nach der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union seine Mitwirkung erforderlich ist, um den Gerichtshof bei der Erfüllung seiner Aufgabe zu unterstützen, die Wahrung des Rechts bei der Anwendung und Auslegung der Verträge zu sichern.

62

Die Schlussanträge des Generalanwalts oder ihre Begründung binden den Gerichtshof nicht. Des Weiteren sehen weder die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union noch die genannte Verfahrensordnung für die Parteien die Möglichkeit vor, zu den Schlussanträgen des Generalanwalts Stellung zu nehmen. Dass ein Beteiligter nicht mit den Schlussanträgen des Generalanwalts einverstanden ist, kann folglich für sich genommen kein Grund sein, der die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens rechtfertigt (Urteil vom 28. September 2023, LACD,C‑133/22, EU:C:2023:710, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

63

Da sich zum einen Adama und BASF Nederland im Wesentlichen darauf beschränken, bestimmte Passagen der Schlussanträge der Generalanwältin zu beanstanden und zum Inhalt dieser Schlussanträge Stellung zu nehmen, und zum anderen der Gerichtshof nicht an die in den Schlussanträgen enthaltene Darstellung der rechtlichen Argumente gebunden ist, ist das mündliche Verfahren im vorliegenden Fall nicht wiederzueröffnen.

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage in der Rechtssache C‑309/22 sowie zur ersten und zur vierten Frage in der Rechtssache C‑310/22

64

Zunächst ist festzustellen, dass sich die erste Frage in der Rechtssache C‑309/22 u. a. auf Art. 2 der Verordnung 2018/605 bezieht. Nach dieser Vorschrift gilt Nr. 3.6.5 von Anhang II der Verordnung Nr. 1107/2009 in der durch die Verordnung 2018/605 geänderten Fassung ab dem 10. November 2018, mit Ausnahme der Verfahren, in denen der in Art. 79 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 genannte Ausschuss bis zum 10. November 2018 über einen Verordnungsentwurf abgestimmt hat. Art. 2 der Verordnung 2018/605 gehört zwar zu dem Regelungszusammenhang, in den sich die erste Frage in der Rechtssache C‑309/22 sowie die erste und die vierte Frage in der Rechtssache C‑310/22 einfügen, doch ist diese Vorschrift auf den Ausgangsrechtsstreit in der Rechtssache C‑309/22 nicht anwendbar.

65

Zum einen legt diese Vorschrift nämlich das Inkrafttreten der Kriterien fest, anhand deren Wirkstoffe mit endokrinschädlichen Eigenschaften zum Zweck der Genehmigung eines Wirkstoffs identifiziert werden können. Sie regelt nicht den Umstand, dass ein Mitgliedstaat bei der Prüfung eines Antrags auf Zulassung zum Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels, das einen solchen Wirkstoff enthält, schädliche Auswirkungen berücksichtigt, die dieses Mittel haben kann.

66

Zum anderen gilt die in dieser Vorschrift enthaltene Ausnahme nur für Verfahren, in denen der in Art. 79 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 genannte Ausschuss spätestens am 10. November 2018 über einen Verordnungsentwurf abgestimmt hat, was vorliegend nicht der Fall ist.

67

Außerdem ist – selbst wenn die Frist von sechs Monaten, die der Unionsgesetzgeber den Mitgliedstaaten und der EFSA eingeräumt hat, um sich auf die Anwendung der in Nr. 3.6.5. von Anhang II der Verordnung Nr. 1107/2009 genannten neuen Kriterien vorzubereiten, auf Verfahren zur Zulassung zum Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln entsprechend anzuwenden wäre – festzustellen, dass das CTGB im Rahmen der Ausgangsverfahren nach diesem Zeitraum eine Zulassung zum Inverkehrbringen von Dagonis bzw. Pitcher erteilt hat.

68

Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage in der Rechtssache C‑309/22 sowie mit seiner ersten und seiner vierten Frage in der Rechtssache C‑310/22 im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 29 Abs. 1 Buchst. a und e sowie Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 und Abs. 3 der Verordnung Nr. 1107/2009 in Verbindung mit Nr. 3.6.5 von Anhang II dieser Verordnung dahin auszulegen sind, dass die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats, die mit der Beurteilung eines Antrags auf Zulassung zum Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels betraut ist, verpflichtet ist, in die Prüfung dieses Antrags unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt dieser Prüfung verfügbaren einschlägigen und zuverlässigen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnisse, die u. a. in die in dieser Nr. 3.6.5 angeführten Kriterien aufgenommen wurden, die schädlichen Auswirkungen einzubeziehen, die die endokrinschädlichen Eigenschaften eines in diesem Mittel enthaltenen Wirkstoffs auf den Menschen haben können.

69

Was als Erstes den Wortlaut von Art. 29 der Verordnung Nr. 1107/2009 anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass diese die Anforderungen für die Zulassung zum Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln betreffende Vorschrift in Abs. 1 vorsieht, dass ein Pflanzenschutzmittel unbeschadet von Art. 50 der Verordnung nur zugelassen wird, wenn es die verschiedenen Anforderungen erfüllt, die sie vorsieht.

70

So ergibt sich aus Art. 29 Abs. 1 Buchst. a und e der Verordnung, dass ein Pflanzenschutzmittel nur zugelassen wird, wenn seine Wirkstoffe genehmigt sind und es unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik die Anforderungen gemäß Art. 4 Abs. 3 der Verordnung erfüllt.

71

Nach der letztgenannten Vorschrift müssen Pflanzenschutzmittel als Folge der Verwendung entsprechend der guten Pflanzenschutzpraxis und unter der Voraussetzung realistischer Verwendungsbedingungen u. a. die Anforderung gemäß ihrem Buchst. b erfüllen, dass sie keine sofortigen oder verzögerten schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen haben dürfen.

72

Somit ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 29 Abs. 1 Buchst. a und e sowie von Art. 4 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 1107/2009, dass ein Pflanzenschutzmittel von einer zuständigen nationalen Behörde zugelassen werden kann, wenn u. a. alle in diesem Mittel enthaltenen Wirkstoffe genehmigt sind und das Pflanzenschutzmittel nach dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik keine sofortigen oder verzögerten schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen hat.

73

Was Nr. 3.6.5 von Anhang II der Verordnung Nr. 1107/2009 anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass darin mit Wirkung vom 10. November 2018 die spezifischen Kriterien festgelegt sind, nach denen u. a. bestimmt wird, ob ein Wirkstoff als Stoff mit endokrinschädlichen Eigenschaften, die schädliche Auswirkungen auf den Menschen haben können, anzusehen ist.

74

In den Ausgangsverfahren stellt sich somit die Frage, ob die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats, die mit einem Antrag auf Zulassung zum Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels befasst ist, diese Kriterien im Rahmen der Beurteilung der möglichen Auswirkungen dieses Mittels auf die Gesundheit von Menschen berücksichtigen muss.

75

Nach dem von Adama, BASF Nederland, der niederländischen und der griechischen Regierung sowie der Kommission vertretenen Standpunkt sind die endokrinschädlichen Eigenschaften, die ein Wirkstoff aufweisen könnte, nicht im Rahmen der Prüfung – auf nationaler Ebene – eines Antrags auf Zulassung zum Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels, das diesen Wirkstoff enthält, zu bewerten. Eine solche Prüfung würde nämlich die Systematik der Verordnung Nr. 1107/2009, die Unterscheidung zwischen der Beurteilung – auf Unionsebene – der inhärenten Eigenschaften der Wirkstoffe und der Prüfung – auf Ebene der Mitgliedstaaten – der Anträge auf Zulassung zum Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln sowie die durch diese Verordnung eingeführte Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten verkennen.

76

Dagegen sind PAN Europe und die tschechische Regierung der Ansicht, dass eine zuständige nationale Behörde, die über einen Antrag auf Zulassung zum Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels entscheide, dann, wenn sie über neueste einschlägige wissenschaftliche und technische Erkenntnisse verfüge, die belegten, dass ein Risiko bestehe, dass ein Pflanzenschutzmittel aufgrund der endokrinschädlichen Eigenschaften eines darin enthaltenen Wirkstoffs schädliche Auswirkungen auf den Menschen haben könnte, verpflichtet ist, dieses Risiko zu beurteilen und die entsprechenden Schlussfolgerungen zu ziehen.

77

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass aus dem Wortlaut von Art. 29 Abs. 1 Buchst. a und e sowie von Art. 4 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 1107/2009, der in den Rn. 69 bis 71 des vorliegenden Urteils dargelegt ist, nicht hervorgeht, dass die zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats, wenn eine Entscheidung über die Zulassung zum Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels zu erlassen ist, ausschließlich bestimmte Kategorien wissenschaftlicher oder technischer Erkenntnisse je nach deren Quelle oder dem Zeitpunkt, zu dem diese Erkenntnisse zugänglich geworden sind, berücksichtigen müssten.

78

Daraus folgt, dass die zuständigen nationalen Behörden auf der Grundlage einer wörtlichen Auslegung dieser Bestimmungen durch nichts daran gehindert sind, bei der Prüfung eines Antrags auf Zulassung zum Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels nach Art. 29 der Verordnung Nr. 1107/2009 im Hinblick auf die u. a. in Nr. 3.6.5 von Anhang II dieser Verordnung genannten Kriterien und die Eigenschaften eines in diesem Mittel enthaltenen Wirkstoffs zu prüfen, ob dieses Mittel nach dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik keine sofortigen oder verzögerten schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Buchst. b dieser Verordnung hat.

79

Als Zweites ist festzustellen, dass diese wörtliche Auslegung durch den Kontext bestätigt wird, in den sich diese Bestimmungen einfügen.

80

Erstens ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 1107/2009 zwischen der Genehmigung von Wirkstoffen auf Unionsebene und der Zulassung zum Inverkehrbringen und zur Verwendung von Pflanzenschutzmitteln unterscheidet. Während die Genehmigung von Wirkstoffen durch die Bestimmungen des Kapitels II dieser Verordnung, zu denen Art. 4 gehört, geregelt wird und in die Zuständigkeit der Kommission fällt, ist die Zulassung zum Inverkehrbringen und zur Verwendung von Pflanzenschutzmitteln in Kapitel III dieser Verordnung geregelt und wird von den Mitgliedstaaten erteilt.

81

Es ist jedoch festzustellen, dass Art. 29 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1107/2009 im Rahmen von Anträgen auf Zulassung zum Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels die Mitgliedstaaten verpflichtet, zu prüfen, ob die in Art. 4 Abs. 3 dieser Verordnung vorgesehenen Anforderungen erfüllt sind. Der Gerichtshof hatte bereits Gelegenheit, klarzustellen, dass nach Art. 29 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung zu den Anforderungen, die an die Zulassung zum Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels gestellt werden, diejenige zählt, dass es unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik die Anforderungen gemäß Art. 4 Abs. 3 der Verordnung erfüllt. Nach diesen Bestimmungen kann ein solches Mittel nur zugelassen werden, wenn nachgewiesen ist, dass es keine sofortigen oder verzögerten schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a.,C‑616/17, EU:C:2019:800, Rn. 71 und 114).

82

Somit kann zwar die Genehmigung des Wirkstoffs durch die Kommission nicht von den Mitgliedstaaten bei der Prüfung eines Antrags auf Zulassung zum Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels, das diesen Wirkstoff enthält, überprüft werden, doch kann die Zulassung eines solchen Mittels auch nicht als rein automatische Durchführung der von der Kommission erteilten Genehmigung eines in diesem Mittel enthaltenen Wirkstoffs angesehen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Oktober 2020, Associazione GranoSalus/Kommission,C‑313/19 P, EU:C:2020:869, Rn. 55 und 58).

83

Wie die Generalanwältin in Nr. 58 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, verwehrt die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 einem Mitgliedstaat somit zwar, eine Zulassung zum Inverkehrbringen für ein Pflanzenschutzmittel zu gewähren, das einen nicht genehmigten Wirkstoff enthält, jedoch ist ein Mitgliedstaat nicht verpflichtet, das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels, das Wirkstoffe enthält, die sämtlich genehmigt sind, zuzulassen, wenn wissenschaftliche oder technische Erkenntnisse vorliegen, die ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt im Zusammenhang mit der Verwendung dieses Mittels erkennen lassen.

84

Zweitens sind auch die einheitlichen Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zu berücksichtigen, auf die Art. 29 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 verweist und die im Anhang der Verordnung Nr. 546/2011 dargelegt sind.

85

So müssen die Mitgliedstaaten gemäß Ziff. 2 Buchst. c in Teil I Abschnitt A dieses Anhangs bei der Prüfung von Zulassungsanträgen und der Erteilung von Zulassungen andere relevante technische oder wissenschaftliche Informationen berücksichtigen, über die sie nach vernünftigem Ermessen verfügen können und die sich auf die möglichen schädlichen Auswirkungen des Pflanzenschutzmittels oder seine Bestandteile beziehen. Es steht außer Zweifel, dass die in Nr. 3.6.5 von Anhang II der Verordnung Nr. 1107/2009 genannten Kriterien solche wissenschaftlichen Informationen darstellen.

86

Zum einen geht aus dem zweiten Erwägungsgrund der Verordnung 2018/605 hervor, dass diese Kriterien auf der von der WHO vorgeschlagenen Definition endokriner Disruptoren und der ebenfalls von der WHO vorgeschlagenen Definition der schädlichen Auswirkungen dieser Disruptoren beruhen, die in der Wissenschaft weitgehend anerkannt sind und von der EFSA in ihrem wissenschaftlichen Gutachten vom 28. Februar 2013 zu endokrinen Disruptoren befürwortet wurden.

87

Zum anderen muss sich die Identifizierung eines Wirkstoffs mit endokrinschädlichen Eigenschaften, die schädliche Auswirkungen auf den Menschen haben können, nach Nr. 3.6.5 Abs. 6 von Anhang II der Verordnung Nr. 1107/2009 u. a. auf alle vorhandenen relevanten wissenschaftlichen Daten und auf eine auf dem Verfahren zur Ermittlung der Beweiskraft basierende Bewertung dieser Daten stützen.

88

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass der Kontext von Art. 29 Abs. 1, von Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 und Abs. 3 sowie von Nr. 3.6.5 von Anhang II der Verordnung Nr. 1107/2009 die in Rn. 78 des vorliegenden Urteils dargelegte wörtliche Auslegung dieser Vorschriften bestätigt.

89

Als Drittes ist festzustellen, dass diese Auslegung auch durch das Ziel der Verordnung Nr. 1107/2009 bestätigt wird, das gemäß Art. 1 Abs. 3 der Verordnung u. a. darin besteht, ein hohes Niveau des Schutzes der Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt zu gewährleisten, was auch im achten Erwägungsgrund der Verordnung zum Ausdruck kommt (Urteil vom 19. Januar 2023, Pesticide Action Network Europe u. a.,C‑162/21, EU:C:2023:30, Rn. 46).

90

Insoweit hat der Gerichtshof unter Verweis auf den 24. Erwägungsgrund der genannten Verordnung bereits entschieden, dass die Bestimmungen betreffend die Zulassung zum Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln ein hohes Schutzniveau gewährleisten sollten, und dass bei der Erteilung einer solchen Zulassung das Ziel, die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt zu schützen, „Vorrang haben sollte“ vor dem Ziel, die Pflanzenproduktion zu verbessern (Urteil vom 19. Januar 2023, Pesticide Action Network Europe u. a.,C‑162/21, EU:C:2023:30, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

91

Ebenso bestätigt der 29. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1107/2009, wenngleich er die Notwendigkeit betont, eine einheitlichere Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln sicherzustellen, dass besondere ökologische oder landwirtschaftliche Bedingungen im Gebiet eines oder mehrerer Mitgliedstaaten es rechtfertigen können, dass dieser Mitgliedstaat oder diese Mitgliedstaaten die Zulassung des Pflanzenschutzmittels in ihrem Gebiet verweigern, wenn dies aufgrund besonderer ökologischer oder landwirtschaftlicher Gegebenheiten gerechtfertigt ist oder das hohe Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt nicht erreicht werden kann.

92

Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen dieser Verordnung gemäß ihrem Art. 1 Abs. 4, ausgelegt im Licht ihres achten Erwägungsgrundes, auf dem Vorsorgeprinzip beruhen, mit dem sichergestellt werden soll, dass in Verkehr gebrachte Wirkstoffe oder Produkte die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt nicht beeinträchtigen.

93

Die Berücksichtigung der in Nr. 3.6.5 von Anhang II der Verordnung Nr. 1107/2009 genannten wissenschaftlichen Kriterien bei der Beurteilung der möglichen schädlichen Auswirkungen eines Pflanzenschutzmittels, für das die Zulassung zum Inverkehrbringen beantragt wird, trägt unter Beachtung des Vorsorgeprinzips aber zur Verwirklichung des in Rn. 89 des vorliegenden Urteils angeführten Ziels bei.

94

Es ist hinzuzufügen, dass die in den vorstehenden Randnummern dargelegten Erwägungen nicht durch das Erfordernis der Beachtung des Grundsatzes der Rechtssicherheit in Frage gestellt werden.

95

In ihren schriftlichen Erklärungen machen Adama und die griechische Regierung im Wesentlichen geltend, dass dieser Grundsatz verlange, dass ein Antrag auf Zulassung zum Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels anhand der zum Zeitpunkt der Antragstellung vorhandenen wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse geprüft werde.

96

Nach ständiger Rechtsprechung müssen nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit die Rechtsvorschriften klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar sein, damit sich die Betroffenen bei unter das Unionsrecht fallenden Tatbeständen und Rechtsbeziehungen orientieren können (Urteil vom 6. Mai 2021, Bayer CropScience und Bayer/Kommission, C‑499/18 P, EU:C:2021:367, Rn. 101).

97

Dieser Grundsatz muss jedoch im speziellen Bereich der Zulassung zum Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln gegen das Vorsorgeprinzip abgewogen werden, auf dem die Verordnung Nr. 1107/2009 beruht und dessen Ziel, wie in Rn. 89 des vorliegenden Urteils ausgeführt, darin besteht, ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch oder Tier und für die Umwelt zu gewährleisten. So können die Kommission und/oder die Mitgliedstaaten, wenn Aspekte zutage treten, die belegen, dass ein Wirkstoff oder ein Pflanzenschutzmittel schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder unannehmbare Auswirkungen auf die Umwelt hat, gezwungen sein, die Genehmigung für diesen Wirkstoff oder die Zulassung zum Inverkehrbringen dieses Pflanzenschutzmittels aufzuheben und gegebenenfalls Notfallmaßnahmen zu ergreifen.

98

Daraus folgt, dass im Kontext dieser Verordnung jeder Antragsteller, der ein Pflanzenschutzmittel in Verkehr bringen möchte, davon ausgehen kann, dass sich der Stand der wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnisse während des Zulassungsverfahrens oder während des Zeitraums, für den ein Wirkstoff genehmigt oder ein Pflanzenschutzmittel zugelassen ist, ändert. Außerdem ergibt sich aus den Art. 46 und 69 bis 71 der Verordnung Nr. 1107/2009, dass die Aufhebung einer Zulassung oder der Erlass einer Notfallmaßnahme unmittelbare Wirkung entfalten können und das Inverkehrbringen sowie der Verbrauch der vorhandenen Lagerbestände des betreffenden Mittels dann nicht mehr erlaubt ist.

99

Somit kann die Berücksichtigung einer einschlägigen und zuverlässigen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnis, die zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Zulassung zum Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels noch nicht zugänglich war, nicht als Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit angesehen werden.

100

Nach alledem ist auf die erste Frage in der Rechtssache C‑309/22 sowie auf die erste und die vierte Frage in der Rechtssache C‑310/22 zu antworten, dass Art. 29 Abs. 1 Buchst. a und e sowie Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 und Abs. 3 der Verordnung Nr. 1107/2009 in Verbindung mit Nr. 3.6.5 von Anhang II dieser Verordnung dahin auszulegen sind, dass die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats, die mit der Beurteilung eines Antrags auf Zulassung zum Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels betraut ist, verpflichtet ist, in die Prüfung dieses Antrags unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt dieser Prüfung verfügbaren einschlägigen und zuverlässigen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnisse, die u. a. in die in dieser Nr. 3.6.5 angeführten Kriterien aufgenommen wurden, die schädlichen Auswirkungen einzubeziehen, die die endokrinschädlichen Eigenschaften eines in diesem Mittel enthaltenen Wirkstoffs auf den Menschen haben können.

Zur zweiten und zur dritten Frage in der Rechtssache C‑309/22 sowie zur zweiten und zur dritten Frage in der Rechtssache C‑310/22

101

In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage in der Rechtssache C‑309/22 sowie auf die erste und die vierte Frage in der Rechtssache C‑310/22 sind die zweite und die dritte Frage in der Rechtssache C‑309/22 sowie die zweite und die dritte Frage in der Rechtssache C‑310/22 nicht zu beantworten.

Kosten

102

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 29 Abs. 1 Buchst. a und e sowie Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 und Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates in der durch die Verordnung (EU) 2018/605 der Kommission vom 19. April 2018 zur Änderung von Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 durch die Festlegung wissenschaftlicher Kriterien für die Bestimmung endokrinschädlicher Eigenschaften geänderten Fassung in Verbindung mit Nr. 3.6.5 von Anhang II der Verordnung Nr. 1107/2009 in geänderter Fassung

 

sind dahin auszulegen, dass

 

die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats, die mit der Beurteilung eines Antrags auf Zulassung zum Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels betraut ist, verpflichtet ist, in die Prüfung dieses Antrags unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt dieser Prüfung verfügbaren einschlägigen und zuverlässigen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnisse, die u. a. in die in dieser Nr. 3.6.5 angeführten Kriterien aufgenommen wurden, die schädlichen Auswirkungen einzubeziehen, die die endokrinschädlichen Eigenschaften eines in diesem Mittel enthaltenen Wirkstoffs auf den Menschen haben können.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Niederländisch.