URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

7. September 2023 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsame Agrarpolitik – Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) – Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums – Zahlungen für Tierschutzmaßnahmen – Verordnung (EG) Nr. 1974/2006 – Art. 44 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a – Art. 47 Abs. 1 – Übertragung des landwirtschaftlichen Betriebs auf einen neuen Begünstigten – Spätere Aufgabe der landwirtschaftlichen Tätigkeit durch diesen Begünstigten – ‚Fälle höherer Gewalt und außergewöhnliche Umstände‘ – Pflicht zur vollständigen oder teilweisen Rückerstattung der empfangenen Beihilfe – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache C‑169/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest, Rumänien) mit Entscheidung vom 19. November 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 4. März 2022, in dem Verfahren

Fractal Insolvenţă SPRL, handelnd als Insolvenzverwalterin der Groenland Poultry SRL,

gegen

Agenţia de Plăţi şi Intervenţie pentru Agricultură – Centrul Judeţean Dâmboviţa

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. G. Xuereb sowie der Richter T. von Danwitz (Berichterstatter) und A. Kumin,

Generalanwalt: A. Rantos,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Fractal Insolvenţă SPRL, handelnd als Insolvenzverwalterin der Groenland Poultry SRL, vertreten durch A. Rusu, Avocat,

der Agenţia de Plăţi şi Intervenţie pentru Agricultură – Centrul Judeţean Dâmboviţa, vertreten durch C. A. Gârleanu als Bevollmächtigte,

der rumänischen Regierung, vertreten durch R. Antonie, E. Gane und O.‑C. Ichim als Bevollmächtigte,

der griechischen Regierung, vertreten durch E. E. Krompa, E. Leftheriotou und M. Tassopoulou als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch T. Isacu de Groot und A. Sauka als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. März 2023

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 44 Abs. 2 Buchst. a und Art. 47 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1974/2006 der Kommission vom 15. Dezember 2006 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) (ABl. 2006, L 368, S. 15) in der durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 679/2011 der Kommission vom 14. Juli 2011 (ABl. 2011, L 185, S. 57) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1974/2006).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Fractal Insolvență SPRL, handelnd als Insolvenzverwalterin der Groenland Poultry SRL, und der Agenția de Plăți și Intervenție pentru Agricultură – Centrul Județean Dâmbovița (Zahlungs- und Interventionsstelle für die Landwirtschaft – Kreiszentrum Dâmbovița, Rumänien) (im Folgenden: APIA) über Entscheidungen der APIA, mit denen Groenland Poultry aufgrund der Aufgabe ihrer landwirtschaftlichen Tätigkeiten verpflichtet wurde, die gesamte während des fünfjährigen Verpflichtungszeitraums für den Tierschutz gewährte Beihilfe zurückzuerstatten.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung Nr. 1698/2005

3

Die Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom 20. September 2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) (ABl. 2005, L 277, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 74/2009 des Rates vom 19. Januar 2009 (ABl. 2009, L 30, S. 100) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1698/2005) wurde durch die Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Förderung der ländlichen Entwicklung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 (ABl. 2013, L 347, S. 487) aufgehoben. Jedoch galt nach Art. 88 der Verordnung Nr. 1305/2013 die Verordnung Nr. 1698/2005 weiterhin für Vorhaben, die gemäß von der Europäischen Kommission im Rahmen dieser Verordnung vor dem 1. Januar 2014 genehmigten Programmen durchgeführt worden waren.

4

Art. 36 Buchst. a Ziff. v der Verordnung Nr. 1698/2005 sah vor, dass die im Rahmen der Verbesserung der Umwelt und der Landschaft vorgesehene Beihilfe Maßnahmen betrifft, die der Förderung der nachhaltigen Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen durch Zahlungen für Tierschutzmaßnahmen dienen.

5

Art. 40 der Verordnung bestimmte:

„(1)   Zahlungen für Tierschutzmaßnahmen nach Artikel 36 Buchstabe a Ziffer v werden Landwirten gewährt, die freiwillig Tierschutzverpflichtungen eingehen.

(2)   Diese Zahlungen werden nur für Verpflichtungen gewährt, die über die einschlägigen vorgeschriebenen Standards und andere einschlägige verbindliche Vorschriften des nationalen Rechts, die in dem Programm aufgeführt sind, hinausgehen.

Diese Verpflichtungen sind in der Regel für einen Zeitraum von fünf bis sieben Jahren einzugehen. …

(3)   Die Zahlungen werden jährlich gewährt und dienen zur Deckung der zusätzlichen Kosten und der Einkommensverluste infolge der eingegangenen Verpflichtungen. Gegebenenfalls können sie auch Transaktionskosten decken.

Die Beihilfehöchstbeträge sind im Anhang I festgesetzt.“

6

In Art. 74 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 hieß es:

„Zum wirksamen Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft erlassen die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften …“

Verordnung Nr. 1974/2006

7

Die Verordnung Nr. 1974/2006 wurde durch die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 807/2014 der Kommission vom 11. März 2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Förderung der ländlichen Entwicklung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und zur Einführung von Übergangsvorschriften (ABl. 2014, L 227, S. 1) aufgehoben. Nach Art. 19 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 807/2014 galt die Verordnung Nr. 1974/2006 jedoch weiterhin für Vorhaben, die gemäß von der Kommission im Rahmen der Verordnung Nr. 1698/2005 vor dem 1. Januar 2014 genehmigten Programmen durchgeführt wurden.

8

Art. 1 der Verordnung Nr. 1974/2006 bestimmte:

„Diese Verordnung enthält Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 hinsichtlich der Grundsätze und allgemeinen Regeln für die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums, spezifische und allgemeine Bestimmungen für die Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums und Bestimmungen über die Zuschussfähigkeit sowie Verwaltungsbestimmungen, mit Ausnahme von Kontrollbestimmungen.“

9

Art. 44 der Verordnung Nr. 1974/2006 sah vor:

„(1)   Überträgt ein Begünstigter während der Laufzeit der als Voraussetzung für die Gewährung der Beihilfe eingegangenen Verpflichtung seinen Betrieb ganz oder teilweise auf einen anderen, so kann dieser die Verpflichtung für den restlichen Zeitraum übernehmen. Erfolgt eine solche Übernahme nicht, so ist der Begünstigte verpflichtet, den empfangenen Betrag zurückzuerstatten.

(2)   Die Mitgliedstaaten können auf die Erstattung gemäß Absatz 1 verzichten, falls

a)

ein Begünstigter, der bereits einen erheblichen Teil seiner Verpflichtung erfüllt hat, seine landwirtschaftliche Tätigkeit endgültig aufgibt und sich die Übernahme seiner Verpflichtung durch einen Nachfolger als nicht durchführbar erweist;

b)

die Übertragung eines Teils des Betriebs eines Begünstigten während des Zeitraums der Verlängerung der Verpflichtung gemäß Artikel 27 Absatz 12 Unterabsatz 2 erfolgt und nicht mehr als 50 % der von der Verpflichtung vor der Verlängerung betroffenen Fläche übertragen werden;

c)

der Betrieb eines Begünstigten zu Umweltschutzzwecken ganz oder teilweise an eine Organisation übertragen wird, deren Hauptziel der Naturschutz ist, vorausgesetzt, die Übertragung dient einer dauerhaften Änderung der Flächennutzung zu Naturschutzzwecken und erbringt einen signifikanten Umweltvorteil.

(3)   Die Mitgliedstaaten können besondere Maßnahmen ergreifen, um bei geringfügigen Änderungen der betrieblichen Situation zu vermeiden, dass die Anwendung von Absatz 1 mit Blick auf die eingegangenen Verpflichtungen zu unangemessenen Ergebnissen führen würde.

Für die Anwendung von Unterabsatz 1 gilt eine Verringerung der Betriebsfläche um bis zu 10 % der von der Verpflichtung betroffenen Fläche als geringfügige Änderung.“

10

Art. 47 der Verordnung sah vor:

„(1)   Die Mitgliedstaaten können insbesondere folgende Kategorien von Fällen höherer Gewalt und außergewöhnlichen Umständen anerkennen und in den betreffenden Fällen ganz oder teilweise auf die Rückzahlung der vom Begünstigten erhaltenen Beihilfe verzichten:

a)

Tod des Begünstigten,

b)

länger andauernde Berufsunfähigkeit des Begünstigten,

c)

Enteignung eines wesentlichen Teils des Betriebs, soweit sie am Tag des Eingangs der Verpflichtung nicht vorherzusehen war,

d)

schwere Naturkatastrophe, die die landwirtschaftliche Fläche des Betriebs erheblich in Mitleidenschaft zieht,

e)

unfallbedingte Zerstörung von Stallgebäuden des Betriebs,

f)

Seuchenbefall des ganzen oder eines Teils des Tierbestands des Betriebsinhabers.

(2)   Fälle höherer Gewalt oder außergewöhnliche Umstände sind vom Begünstigten oder dem Anspruchsberechtigten der zuständigen Behörde mit den von ihr anerkannten Nachweisen innerhalb von zehn Arbeitstagen nach dem Zeitpunkt, ab dem der Begünstigte oder der Anspruchsberechtigte hierzu in der Lage ist, schriftlich mitzuteilen.“

Verordnung (EU) Nr. 65/2011

11

Die Verordnung (EU) Nr. 65/2011 der Kommission vom 27. Januar 2011 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates hinsichtlich der Kontrollverfahren und der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen bei Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums (ABl. 2011, L 25, S. 8) wurde durch die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 der Kommission vom 11. März 2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf das integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem und die Bedingungen für die Ablehnung oder Rücknahme von Zahlungen sowie für Verwaltungssanktionen im Rahmen von Direktzahlungen, Entwicklungsmaßnahmen für den ländlichen Raum und der Cross-Compliance (ABl. 2014, L 181, S. 48, berichtigt in ABl. 2016, L 227, S. 5) mit Wirkung vom 1. Januar 2015 aufgehoben. Nach Art. 43 der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014 galt jedoch die Verordnung Nr. 65/2011 weiterhin für Zahlungsanträge und Stützungsanträge für die Jahre bis einschließlich 2014.

12

Art. 18 der Verordnung Nr. 65/2011 bestimmte:

„1.   Die beantragte Beihilfe wird gekürzt oder verweigert, wenn folgende Verpflichtungen und Kriterien nicht erfüllt sind:

a)

bei den Maßnahmen gemäß Artikel 36 Buchstabe a [Ziffer v] der Verordnung [Nr. 1698/2005] die einschlägigen obligatorischen Grundanforderungen, die Grundanforderungen für den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln, sonstige einschlägige verpflichtende Anforderungen gemäß … Artikel 40 Absatz 2 … der Verordnung [Nr. 1698/2005] und Verpflichtungen, die über diese Anforderungen hinausgehen, oder

b)

andere Förderkriterien als diejenigen in Zusammenhang mit der angegebenen Fläche bzw. der angegebenen Zahl von Tieren.

Bei mehrjährigen Verpflichtungen gelten die Beihilfekürzungen, ‑ausschlüsse und ‑rückforderungen auch für die Beträge, die in den Vorjahren bereits für die betreffende Verpflichtung gezahlt wurden.

2.   Der Mitgliedstaat fordert die Beihilfe zurück und/oder verweigert sie oder setzt den Betrag, um den die Beihilfe gekürzt wird, insbesondere auf der Grundlage von Schwere, Ausmaß und Dauer des festgestellten Verstoßes fest.

…“

Durchführungsverordnung (EU) Nr. 809/2014

13

Art. 8 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 809/2014 der Kommission vom 17. Juli 2014 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems, der Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums und der Cross-Compliance (ABl. 2014, L 227, S. 69) bestimmt:

„(1)   Für die Zwecke dieses Artikels gelten folgende Begriffsbestimmungen:

a)

‚Übertragung eines Betriebs‘: Verkauf, Verpachtung oder jede ähnliche Art der Transaktion in Bezug auf die betreffenden Produktionseinheiten;

b)

‚Übertragender‘: der Begünstigte, dessen Betrieb an einen anderen Begünstigten übertragen wird;

c)

‚Übernehmer‘: der Begünstigte, an den der Betrieb übertragen wird.

(2)   Wird ein Betrieb vollständig von einem Begünstigten an einen anderen Begünstigten übertragen, nachdem ein Beihilfe‑, Förder- oder Zahlungsantrag gestellt wurde und bevor alle Voraussetzungen für die Gewährung der Beihilfe oder der Förderung erfüllt worden sind, so wird dem Übertragenden für den übertragenen Betrieb keine Beihilfe bzw. keine Förderung gewährt.

(3)   Die vom Übertragenden beantragte Beihilfe oder Zahlung wird dem Übernehmer gewährt, wenn

a)

der Übernehmer die zuständige Behörde innerhalb einer von den Mitgliedstaaten festzusetzenden Frist über die Übertragung unterrichtet und die Zahlung der Beihilfe und/oder Förderung beantragt;

b)

der Übernehmer der zuständigen Behörde die von ihr geforderten Nachweise vorlegt;

c)

alle Voraussetzungen für die Gewährung der Beihilfe und/oder Förderung im übertragenen Betrieb erfüllt sind.

(4)   Nachdem der Übernehmer die zuständige Behörde unterrichtet und die Zahlung der Beihilfe und/oder Förderung gemäß Absatz 3 Buchstabe a beantragt hat,

a)

gehen alle Rechte und Pflichten des Übertragenden, die sich im Rahmen des Beihilfe‑, Förder- oder Zahlungsantrags aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Übertragenden und der zuständigen Behörde ergeben, auf den Übernehmer über;

b)

gelten alle Maßnahmen, die für die Gewährung der Beihilfe und/oder Förderung erforderlich sind, und alle vom Übertragenden vor der Übertragung abgegebenen Erklärungen für die Anwendung der betreffenden Unionsbestimmungen als vom Übernehmer getroffen bzw. abgegeben;

…“

14

Nach Art. 76 der Durchführungsverordnung Nr. 809/2014 gilt diese für Beihilfeanträge, Anträge auf Fördermittel oder Zahlungsanträge, die sich auf ab dem 1. Januar 2015 beginnende Antragsjahre oder Prämienzeiträume beziehen.

Rumänisches Recht

15

Art. 17 der Ordonanța de urgență a Guvernului nr. 66/2011 privind prevenirea, constatarea și sancționarea neregulilor apărute în obținerea și utilizarea fondurilor europene și/sau a fondurilor publice naționale aferente acestora (Dringlichkeitsverordnung Nr. 66/2011 der Regierung zur Verhinderung, Feststellung und Sanktionierung von Unregelmäßigkeiten, die bei der Erlangung und der Verwendung von Unionsmitteln und/oder von mit diesen in Zusammenhang stehenden nationalen öffentlichen Mitteln begangen wurden) vom 29. Juni 2011 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 461 vom 30. Juni 2011) in der für den Ausgangsrechtsstreit geltenden Fassung sieht vor:

„Alle Maßnahmen, die zur Feststellung einer Unregelmäßigkeit und zur Feststellung der Haushaltsforderungen aufgrund einer solchen Unregelmäßigkeit ergriffen werden, erfolgen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung der Art und Schwere der festgestellten Unregelmäßigkeit sowie ihres Umfangs und ihrer finanziellen Auswirkungen.“

16

Art. 30 Abs. 1 der Ordonanța de urgență a Guvernului nr. 3/2015 pentru aprobarea schemelor de plăți care se aplică în agricultură în perioada 2015-2020 și pentru modificarea art. 2 din Legea nr. 36/1991 privind societățile agricole și alte forme de asociere în agricultură (Dringlichkeitsverordnung Nr. 3/2015 der Regierung zur Genehmigung der für die Landwirtschaft geltenden Zahlungsregelungen für den Zeitraum 2015-2020 und zur Änderung von Art. 2 des Gesetzes Nr. 36/1991 über landwirtschaftliche Gesellschaften und andere Formen landwirtschaftlicher Vereinigungen) vom 18. März 2015 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 191 vom 23. März 2015) in der für den Ausgangsrechtsstreit geltenden Fassung bestimmt:

„Für die Zwecke der Finanzierung, Verwaltung und Kontrolle der Gemeinsamen Agrarpolitik werden insbesondere folgende Fälle als ‚höhere Gewalt‘ oder ‚außergewöhnliche Umstände‘ anerkannt:

f) Enteignung des gesamten oder eines großen Teils des landwirtschaftlichen Betriebs, wenn diese Enteignung zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht absehbar war“.

17

Art. 31 dieser Verordnung lautet:

„(1)   Fälle höherer Gewalt und außergewöhnliche Umstände hat der Begünstigte oder sein Rechtsnachfolger der APIA innerhalb von 15 Arbeitstagen ab dem Tag, an dem er dazu in der Lage ist, unter Vorlage von Nachweisen für den Eintritt der in Art. 30 Abs. 1 genannten Umstände schriftlich mitzuteilen.

(2)   Überschreitet der Begünstigte oder sein Rechtsnachfolger die in Abs. 1 vorgesehene Frist, wird die Mitteilung nicht berücksichtigt.“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

18

Mit einem am 18. Januar 2013 an die APIA gerichteten Förderantrag ging die Avicola Crevedia SA, die eine Geflügelschlachterei betrieb, eine freiwillige fünfjährige Tierschutzverpflichtung gemäß Art. 40 der Verordnung Nr. 1698/2005 ein.

19

Während des fünfjährigen Verpflichtungszeitraums wurde der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Betrieb vollständig übertragen, und zwar zum ersten Mal an die Abator Avicola Crevedia SRL, die die genannte Verpflichtung am 15. November 2013 übernahm, und zum zweiten Mal an Groenland Poultry, die diese Verpflichtung ebenfalls übernahm und sie am 2. April 2015 bei der APIA eintragen ließ.

20

Zu diesem Zweck hatte Groenland Poultry am 30. März 2015 zwei Verträge geschlossen: Zum einen schloss sie einen Vertrag über die Übertragung des landwirtschaftlichen Betriebs und die Übernahme von Verpflichtungen mit Abator Avicola Crevedia, die darauf verzichtete, die Zahlung der von ihr am 13. November 2014 bei der APIA beantragten Beihilfe zu erhalten, während sich Groenland Poultry verpflichtete, die von Abator Avicola Crevedia mit dem Förderantrag unterzeichneten Verpflichtungen einzuhalten und die Erfüllung der Fördervoraussetzungen nachzuweisen.

21

Zum anderen schloss Groenland Poultry mit der Agroli Group SRL, einer Gesellschaft, über deren Vermögen am 6. März 2014 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, einen Pachtvertrag mit einer Laufzeit von fünf Jahren über die im Eigentum dieser Gesellschaft stehenden Räumlichkeiten und Produktionsanlagen dieses Betriebs; dieser Vertrag stand zugunsten der Verpächterin unter der aufschiebenden Bedingung der Genehmigung des Pachtvertrags durch den Gläubigerausschuss im Rahmen des Insolvenzverfahrens.

22

Mit Zahlungsbescheid vom 4. Dezember 2015 zahlte die APIA an Groenland Poultry aufgrund eines Antrags vom 13. November 2014 einen Betrag in Höhe von 1506915,86 rumänischen Lei (RON) (etwa 337000 Euro). Auf die von Groenland Poultry am 13. November 2015 eingereichten und am 15. Juni 2016 geänderten Zahlungsanträge hin zahlte die APIA dieser ferner mit Bescheid vom 5. Oktober 2016 einen Betrag von 850673,62 RON (etwa 190000 Euro) und mit Vorauszahlungsbescheid vom 29. März 2017 einen Betrag von 375941,35 RON (etwa 82000 Euro).

23

Da Groenland Poultry keinen Zahlungsantrag für das fünfte Verpflichtungsjahr gestellt hatte, sandte ihr die APIA eine Mitteilung über die Nichteinreichung eines Antrags zu. Am 18. April 2017 teilte die Insolvenzverwalterin von Groenland Poultry der APIA mit, dass über das Vermögen dieser Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei.

24

Am 21. April 2017 erließ die APIA auf der Grundlage von Art. 8 der Durchführungsverordnung Nr. 809/2014 vier Bescheide über die Feststellung von Unregelmäßigkeiten und über die Festsetzung von Haushaltsforderungen, mit denen sie anordnete, von Groenland Poultry die Beträge in Höhe von 6940168,72 RON (etwa 1527000 Euro), 4562717,78 RON (etwa 1004000 Euro), 1506915,86 RON bzw. 850673,62 RON für das erste bis vierte Jahr der Verpflichtung mit der Begründung zurückzufordern, dass sich dieses Unternehmen in einem Insolvenzverfahren befinde, nicht mehr tätig sei und die Fortführung der Fünfjahresverpflichtung nicht nachweisen könne.

25

Nachdem die APIA die Beschwerden von Groenland Poultry gegen diese Bescheide zurückgewiesen hatte, erhob diese Gesellschaft beim Tribunalul Bucureşti (Regionalgericht Bukarest, Rumänien) Klage auf Nichtigerklärung der zurückweisenden Entscheidungen der APIA und machte geltend, dass sie aufgrund einer „Enteignung“ im Sinne von Art. 47 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 1974/2006 oder eines vergleichbaren Umstands – nämlich der Mitteilung der Verpächterin vom 26. Juli 2016 über den Nichteintritt der aufschiebenden Bedingung des Pachtvertrags, verbunden mit der Aufforderung, das Pachtobjekt zu räumen –, der sich aus der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Agroli-Gruppe am 9. Mai 2016 ergeben habe, nicht in der Lage gewesen sei, die Verpflichtung im Jahr 2017 fortzuführen. Außerdem brachte Groenland Poultry vor, dass Art. 44 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung anwendbar sei, und machte einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend.

26

Mit Urteil vom 26. Oktober 2018 wies dieses Gericht die Klage ab. Es führte zunächst aus, dass Groenland Poultry im Hinblick auf Art. 44 dieser Verordnung und Art. 8 der Durchführungsverordnung Nr. 809/2014 in die Rechte und Pflichten des Übertragenden eingetreten sei und damit implizit die Folgen der Nichterfüllung der Förderbedingungen für die in Rede stehende Beihilfe übernommen habe. Sodann sei Art. 47 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 1974/2006 im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil die von Groenland Poultry angeführten Umstände keine Enteignung darstellten – unter der das nationale Recht eine im Allgemeininteresse liegende Übernahme von Vermögenswerten durch den Staat verstehe – und zum Zeitpunkt des Eingehens der Verpflichtung nicht unvorhersehbar gewesen seien. Außerdem seien diese Umstände nicht innerhalb der in Art. 47 Abs. 2 dieser Verordnung festgelegten Frist mitgeteilt worden. Schließlich sei auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet worden. Unter Bezugnahme auf Art. 44 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1974/2006 stellte dieses Gericht fest, dass die Voraussetzung der Unmöglichkeit einer Übernahme der Verpflichtung nicht nachgewiesen sei und dass die APIA im Rahmen des in diesem Artikel eingeräumten Ermessensspielraums gehandelt habe.

27

Das vorlegende Gericht, die Curtea de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest, Rumänien), die mit dem von Groenland Poultry gegen dieses Urteil eingelegten Rechtsmittel befasst ist und in letzter Instanz entscheidet, stellt fest, dass die wörtliche Auslegung von Art. 47 Abs. 1 dieser Verordnung ergebe, dass die in dieser Bestimmung enthaltene Aufzählung der Fälle von „höherer Gewalt“ und „außergewöhnlichen Umständen“ nicht abschließend sei und dass die Begriffe „höhere Gewalt“ und „außergewöhnliche Umstände“ mangels einer Verweisung auf das nationale Recht auch nicht anhand dieses Rechts definiert werden könnten. Dieses Gericht fragt sich aber, ob im vorliegenden Fall der Umstand, dass bei Abschluss des Pachtvertrags ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Verpächters eröffnet worden war, der Anwendung dieser Bestimmung entgegensteht, wobei es darauf hinweist, dass die APIA diese Tatsache nicht als Hindernis für den Betriebsübergang und für die Zahlung dieser Beihilfe an Groenland Poultry angesehen habe.

28

Das vorlegende Gericht fragt sich ferner, wie Art. 44 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der genannten Verordnung im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in einem Kontext auszulegen ist, in dem die APIA Groenland Poultry die Verpflichtung auferlegt hat, den Gesamtbetrag von 14236417,32 RON (etwa 2900000 Euro) zurückzuzahlen, obwohl diese zum einen tatsächlich nur den Betrag von 2658185,04 RON (etwa 540000 Euro) erhalten hat und die Differenz den früheren Begünstigten für die ersten beiden Jahre der Verpflichtung ausgezahlt wurden. Außerdem sei diese Verpflichtung während der ersten vier Jahre erfüllt worden, und die Aufgabe der Tätigkeit von Groenland Poultry im letzten Jahr dieser Verpflichtung sei aus von ihrem Willen unabhängigen Gründen erfolgt.

29

Schließlich stellt das vorlegende Gericht fest, dass die in dieser Bestimmung enthaltene Voraussetzung, dass „sich die Übernahme [der] Verpflichtung durch einen Nachfolger als nicht durchführbar erweist“, offenbar die Vorlage von Nachweisen erfordere, und nicht den abstrakten Nachweis, dass es keinen interessierten Nachfolger gebe. Hierzu hat dieses Gericht ausgeführt, dass Groenland Poultry Beweise dafür vorgelegt habe, dass die Vitall SRL an der Übernahme ihrer Verpflichtung interessiert gewesen sei, aber trotz der Zustimmung des Gläubigerausschusses der Agroli Group zur Anpachtung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Räumlichkeiten nicht die für die Übernahme der landwirtschaftlichen Tätigkeit erforderlichen tiergesundheitlichen Genehmigungen erhalten habe.

30

Unter diesen Umständen hat die Curtea de Apel București (Berufungsgericht Bukarest, Rumänien) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist Art. 47 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1974/2006 dahin auszulegen, dass unter „Fälle höherer Gewalt und außergewöhnliche Umstände“ auch Fälle zu verstehen sind, in denen der Begünstigte der Beihilfe infolge der Beendigung des Pachtverhältnisses, die auf der Insolvenz des Eigentümers der gepachteten Wirtschaftsgüter (des Verpächters) beruht, das Recht auf Nutzung der gepachteten Wirtschaftsgüter verliert?

2.

Ist Art. 44 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1974/2006 unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen, dass in dem Fall, dass der Betrieb eines Begünstigten während des Zeitraums der Erfüllung einer als Voraussetzung für die Gewährung einer Unterstützung eingegangenen Verpflichtung ganz oder teilweise auf eine andere Person übertragen wird und dieser zweite Begünstigte zwar einen wesentlichen Teil der Verpflichtung erfüllt hat, seine landwirtschaftliche Tätigkeit aber einstellt und die Übernahme der Verpflichtung durch einen Nachfolger sich als nicht durchführbar erweist, der zweite Begünstigte der Beihilfe die Beihilfe, die er (für den Zeitraum, in dem er der Begünstigte der Beihilfe war) erhalten hat, zurückzahlen muss, oder muss er auch die Beihilfe zurückzahlen, die der erste Begünstigte der Beihilfe erhalten hat?

3.

Welche Voraussetzungen muss das vorlegende Gericht bei der Auslegung von Art. 44 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1974/2006 berücksichtigen, um feststellen zu können, dass „sich die Übernahme [der] Verpflichtung durch einen Nachfolger als nicht durchführbar erweist“?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

Zur Zulässigkeit

31

Die APIA und die rumänische Regierung halten die erste Frage für unzulässig, weil Art. 47 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1974/2006, auf den sich diese Frage beziehe, nicht auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbar sei. Aus dem Vorabentscheidungsersuchen gehe nämlich hervor, dass Groenland Poultry der APIA das Vorliegen von Umständen, die Fälle höherer Gewalt oder außergewöhnliche Umstände darstellten, nicht innerhalb der von Art. 47 Abs. 2 dieser Verordnung vorgesehenen Frist mitgeteilt habe.

32

Nach ständiger Rechtsprechung ist es im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein Sache des nationalen Gerichts, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen. Folglich spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht. Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 21. März 2023, Mercedes-Benz Group [Haftung der Hersteller von Fahrzeugen mit Abschalteinrichtungen], C‑100/21, EU:C:2023:229, Rn. 52 und 53 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

33

Im vorliegenden Fall hat das vorlegende Gericht in seinem Vorabentscheidungsersuchen angegeben, dass die Auslegung von Art. 47 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1974/2006 für die Entscheidung über das bei ihm gegen das in Rn. 26 des vorliegenden Urteils angeführte Urteil des Tribunalul Bucureşti (Regionalgericht Bukarest) eingelegte Rechtsmittel erforderlich sei. Aus diesem Ersuchen ergibt sich jedoch, dass Groenland Poultry nach Angaben dieses Gerichts der APIA zwar nicht innerhalb der in Art. 47 Abs. 2 der Verordnung vorgesehenen Frist die Umstände mitgeteilt hatte, die Fälle höherer Gewalt oder außergewöhnliche Umstände darstellten, was von dieser Gesellschaft bestritten wurde, das Gericht aber auch festgestellt hat, dass Art. 47 Abs. 1 der Verordnung auf das Ausgangsverfahren nicht anwendbar sei, da die von dieser Gesellschaft geltend gemachten Umstände keine Enteignung im Sinne dieser Vorschrift darstellten.

34

Es ist daher nicht offensichtlich, dass die Auslegung dieser Bestimmung in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht oder dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Problem hypothetischer Natur ist.

35

Folglich ist die erste Frage zulässig.

Zur Beantwortung der Frage

36

Zunächst ist festzustellen, dass aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervorgeht, dass die Unmöglichkeit für Groenland Poultry, ihrer mehrjährigen Verpflichtung für den Tierschutz bis zu deren Ende nachzukommen, darauf zurückzuführen ist, dass die Agroli Group nach ihrer Insolvenz den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Pachtvertrag beendet hat. Aus dem Ersuchen ergibt sich auch, dass bei Abschluss dieses Pachtvertrags bereits das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Agroli Group eröffnet war und dieser Vertrag deshalb mit der in Rn. 21 des vorliegenden Urteils genannten aufschiebenden Bedingung versehen war, die dieser Gesellschaft erlaubte, den Vertrag zu beenden.

37

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 47 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1974/2006 dahin auszulegen ist, dass der Verlust des Rechts auf Nutzung der gepachteten Wirtschaftsgüter aufgrund der Auflösung des Pachtvertrags über diese Güter infolge der Insolvenz des Verpächters, über dessen Vermögen bei Abschluss dieses Vertrags ein Insolvenzverfahren eröffnet war, einen „Fall höherer Gewalt“ oder „außergewöhnlichen Umstand“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt.

38

Hierzu ist festzustellen, dass diese Bestimmung keine abschließende Aufzählung der Ereignisse enthält, die einen Fall höherer Gewalt und außergewöhnliche Umstände darstellen können, wie sich aus dem Ausdruck „insbesondere“ in dieser Bestimmung ergibt.

39

Außerdem stellt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs jedes Ereignis, das auf außerhalb der Sphäre des Wirtschaftsteilnehmers liegenden, ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Umständen beruht, deren Folgen trotz aller von ihm aufgewandten Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können, einen Fall höherer Gewalt dar (Urteil vom 16. Februar 2023, Zamestnik izpalnitelen direktor na Darzhaven fond Zemedelie,C‑343/21, EU:C:2023:111, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40

Liegt der Unmöglichkeit für einen Begünstigten, einer mehrjährigen Verpflichtung für den Tierschutz weiter nachzukommen, die Auflösung eines Pachtvertrags infolge der Insolvenz seines Vertragspartners zugrunde, über dessen Vermögen, als diese Parteien den Vertrag geschlossen haben, ein Insolvenzverfahren eröffnet war, beruht diese Unmöglichkeit aber nicht auf außerhalb seiner Sphäre liegenden, ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Umständen im Sinne dieser Rechtsprechung.

41

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 47 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1974/2006 dahin auszulegen ist, dass der Verlust des Rechts auf Nutzung der gepachteten Wirtschaftsgüter aufgrund der Auflösung des Pachtvertrags über diese Güter infolge der Insolvenz des Verpächters, über dessen Vermögen bei Abschluss dieses Vertrags ein Insolvenzverfahren eröffnet war, keinen „Fall höherer Gewalt“ oder „außergewöhnlichen Umstand“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt.

Zur zweiten Frage

Zur Zulässigkeit

42

Die APIA und die rumänische Regierung halten die zweite Frage für unzulässig, weil sie sich auf die Auslegung von Art. 44 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1974/2006 beziehe, der auf den Ausgangsrechtsstreit nicht anwendbar sei. Der rumänische Gesetzgeber habe sich dafür entschieden, die in dieser Bestimmung vorgesehenen Fälle, in denen die Mitgliedstaaten beschließen könnten, keine Erstattung nach Abs. 1 dieses Artikels zu verlangen, nicht in das nationale Recht zu übernehmen.

43

Insoweit geht aus dieser Frage und dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass das vorlegende Gericht mit dieser Frage wissen möchte, wie Art. 44 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung im Licht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auszulegen ist, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, und insbesondere nach dem Verhältnis zwischen dem in Abs. 1 vorgesehenen Grundsatz und den in Abs. 2 vorgesehenen Ausnahmen.

44

Das vorlegende Gericht hat außerdem klargestellt, dass die Entscheidung über das bei ihm anhängige Rechtsmittel weitgehend von der Auslegung von Art. 44 Abs. 2 der genannten Verordnung abhänge.

45

Somit ist nicht offensichtlich, dass die vom vorlegenden Gericht erbetene Auslegung des Unionsrechts in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht oder dass das Problem hypothetischer Natur ist.

46

Nach der in Rn. 32 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ist die zweite Frage daher zulässig.

Zur Beantwortung der Frage

47

Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof Aufgabe des Gerichtshofs ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat er die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren. Außerdem kann der Gerichtshof veranlasst sein, unionsrechtliche Vorschriften zu berücksichtigen, die das nationale Gericht in seiner Frage nicht angeführt hat (Urteil vom 15. Juli 2021, Ministrstvo za obrambo,C‑742/19, EU:C:2021:597, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48

Insoweit ist unter Berücksichtigung der vom vorlegenden Gericht vorgebrachten Gesichtspunkte, wie in Rn. 43 des vorliegenden Urteils dargelegt, davon auszugehen, dass dieses Gericht mit seiner zweiten Frage im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 44 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1974/2006 im Licht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen ist, dass, wenn der Betrieb eines Begünstigten während des Zeitraums der Erfüllung einer als Voraussetzung für die Gewährung einer Beihilfe eingegangenen Verpflichtung auf eine andere Person übertragen wird, die diese Verpflichtung freiwillig übernimmt und die später ihre landwirtschaftliche Tätigkeit endgültig aufgibt, dieser letzte Begünstigte verpflichtet ist, die aufgrund der gesamten Verpflichtung erhaltene Beihilfe einschließlich der Beträge zurückzuerstatten, die die früheren Begünstigten dieser Beihilfe erhalten haben, selbst wenn er bereits einen erheblichen Teil seiner Verpflichtung erfüllt hat und sich die Übernahme dieser Verpflichtung als nicht durchführbar erweist.

49

In ihren schriftlichen Erklärungen haben sich die rumänische Regierung, die APIA und die griechische Regierung auch auf Art. 18 der Verordnung Nr. 65/2011 bezogen, mit der ebenso wie mit der Verordnung Nr. 1974/2006 Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 1698/2005 festlegt wurden, im Unterschied zu dieser aber nicht in Bezug auf u. a. spezifische und allgemeine Bestimmungen für Fördermaßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums, sondern hinsichtlich der Kontrollverfahren und der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen bei diesen Maßnahmen. Art. 44 der Verordnung Nr. 1974/2006, dessen Anwendung auf den Ausgangsrechtsstreit unstreitig ist, regelt jedoch besondere Situationen, die Art. 18 nicht erfasst, nämlich diejenigen, in denen der Betrieb eines Begünstigten während der Laufzeit der als Voraussetzung für die Gewährung einer Beihilfe eingegangenen Verpflichtung übertragen wird. Somit ist der genannte Art. 18 im Hinblick auf diesen Rechtsstreit nicht einschlägig.

50

Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur deren Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteil vom 14. Oktober 2021, José Cánovas Pardo, C‑186/18, EU:C:2021:849, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51

Insoweit bestimmt Art. 44 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1974/2006, dass, wenn während der Laufzeit der als Voraussetzung für die Gewährung der Beihilfe eingegangenen Verpflichtung der Betrieb eines Begünstigten auf einen anderen übertragen wird, „dieser die Verpflichtung für den restlichen Zeitraum übernehmen [kann]“, und dass, wenn „eine solche Übernahme nicht [erfolgt], … der Begünstigte verpflichtet [ist], den empfangenen Betrag zurückzuerstatten“.

52

Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung geht hervor, dass sie in klaren und präzisen Worten den Grundsatz aufstellt, dass der Begünstigte im Fall einer Übertragung des Betriebs auf einen anderen während der Laufzeit der Verpflichtung die empfangene Beihilfe zurückzuerstatten hat, es sei denn, dieser andere übernimmt die Verpflichtung.

53

Wie der Generalanwalt in Nr. 42 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, folgt daraus auch, dass die Person, die den Betrieb übernimmt und beschließt, auch die vom Begünstigten einer Beihilfe eingegangene Verpflichtung zu übernehmen, für den restlichen Zeitraum in Bezug auf alle Verpflichtungen und Verbindlichkeiten an dessen Stelle tritt. Nach dem Grundgedanken dieser Bestimmung wird diese Person daher ihrerseits zum Begünstigten und ist im Fall einer späteren Übertragung dieses Betriebes auf eine andere Person verpflichtet, den empfangenen Betrag zurückzuerstatten, es sei denn, letztere Person übernimmt diese Verpflichtung für den restlichen Zeitraum selbst und befreit erstere damit von ihren Verpflichtungen und Verbindlichkeiten.

54

Art. 44 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1974/2006 sieht darüber hinaus vor, dass „[d]ie Mitgliedstaaten … auf die Erstattung gemäß Absatz 1 verzichten [können], falls“ einer der in Buchst. a bis c dieses Abs. 2 genannten Fälle vorliegt. So kann nach Art. 44 Abs. 2 Buchst. a in dem Fall, dass „ein Begünstigter, der bereits einen erheblichen Teil seiner Verpflichtung erfüllt hat, seine landwirtschaftliche Tätigkeit endgültig aufgibt und sich die Übernahme seiner Verpflichtung durch einen Nachfolger als nicht durchführbar erweist“, nach Buchst. b im Fall der Übertragung eines Teils des Betriebs während des Zeitraums einer Verlängerung der Verpflichtung und nach Buchst. c im Fall einer Übertragung des Betriebs auf eine Naturschutzorganisation auf diese Erstattung verzichtet werden.

55

Art. 44 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1974/2006 erlaubt es den Mitgliedstaaten im Übrigen, besondere Maßnahmen zu ergreifen, um bei geringfügigen Änderungen der betrieblichen Situation zu vermeiden, dass die Anwendung von Art. 44 Abs. 1 mit Blick auf die eingegangenen Verpflichtungen zu unangemessenen Ergebnissen führen würde.

56

Daraus folgt, dass Art. 44 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1974/2006 fakultative Ausnahmen vom Grundsatz der Rückerstattung der Beihilfe durch den Begünstigten im Fall der Übertragung des Betriebs ohne Übernahme der mehrjährigen Verpflichtung durch den Übernehmer vorsieht, die als solche eng auszulegen sind.

57

Aus der grammatischen und systematischen Auslegung von Art. 44 Abs. 1 dieser Verordnung ergibt sich auch, dass, wenn der Betrieb eines Begünstigten während des Zeitraums der Erfüllung einer als Voraussetzung für die Gewährung einer Beihilfe eingegangenen Verpflichtung auf eine andere Person übertragen wird, die diese Verpflichtung freiwillig übernimmt und die später ihre landwirtschaftliche Tätigkeit endgültig aufgibt, dieser letzte Begünstigte verpflichtet ist, die aufgrund der gesamten Verpflichtung erhaltene Beihilfe einschließlich der Beträge zurückzuerstatten, die die früheren Begünstigten dieser Beihilfe erhalten haben, es sei denn, der betreffende Mitgliedstaat hätte beschlossen, aufgrund der in Art. 44 Abs. 2 und 3 dieser Verordnung vorgesehenen Ausnahmen auf die Erstattung zu verzichten.

58

Andernfalls ist dieser letzte Begünstigte der Beihilfe verpflichtet, die gesamte, einschließlich der von den früheren Begünstigten erhaltene Beihilfe zurückzuzahlen, selbst wenn er bereits einen erheblichen Teil seiner Verpflichtung erfüllt hat und sich die Übernahme der Verpflichtung als nicht durchführbar erweist.

59

Da sich Groenland Poultry im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits auf die Anwendung von Art. 44 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1974/2006 berufen hat, während die rumänische Regierung und die APIA in ihren Erklärungen vor dem Gerichtshof angegeben haben, dass der rumänische Gesetzgeber sich dafür entschieden habe, die in dieser Bestimmung vorgesehene Ausnahme nicht in das nationale Recht aufzunehmen, ist klarzustellen, dass die Umsetzung von Art. 44 Abs. 2 Buchst. a in nationales Recht nicht zwingend vorgeschrieben ist. Daraus folgt, dass die Mitgliedstaaten in Bezug auf diese fakultative Bestimmung die ausdrückliche Entscheidung treffen müssen, diese Ausnahme in nationales Recht umzusetzen. Sie können zu diesem Zweck zwar die Rechtsetzungstechnik wählen, die ihnen am geeignetsten erscheint, doch müssen die nationalen Maßnahmen zur Umsetzung einer solchen Bestimmung unbestreitbar verbindlich sein und den Erfordernissen der Bestimmtheit und Klarheit genügen, um die Sicherheit der Rechtslage zu gewährleisten (vgl. entsprechend Urteil vom 4. Juni 2009, SALIX Grundstücks-Vermietungsgesellschaft, C‑102/08, EU:C:2009:345, Rn. 52, 55 bis 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

60

Somit kann sich ein Begünstigter einer Beihilfe wie Groenland Poultry, wenn es keine nationalen Vorschriften gibt, die diese Voraussetzungen erfüllen, vor den nationalen Gerichten nicht auf diese Bestimmung berufen.

61

Die in den Rn. 57 und 58 des vorliegenden Urteils vorgenommene Auslegung von Art. 44 der Verordnung Nr. 1974/2006 steht im Einklang mit den Zielen der Regelung, zu der dieser Art. 44 gehört.

62

Wie der Generalanwalt in Nr. 46 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist es nämlich für das Ziel, zu dem die Beihilfe gewährt wurde, und zwar gemäß Art. 36 Buchst. a Ziff. v und Art. 40 der Verordnung Nr. 1698/2005 die Förderung des Tierschutzes, von wesentlicher Bedeutung, dass die mehrjährige Verpflichtung bis zu ihrem Ende aufrechterhalten wird.

63

Der Gerichtshof hat im Übrigen bereits betont, wie wichtig es ist, die mehrjährigen Verpflichtungen bis zu ihrem Ablauf zu erfüllen, indem er darauf hingewiesen hat, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Beihilfe während des gesamten Verpflichtungszeitraums einzuhalten sind. Insbesondere kann die Beihilfe, wenn eine dieser Voraussetzungen, wie die Stellung eines jährlichen Zahlungsantrags, auch nur ein einziges Mal nicht erfüllt wird, nicht gewährt werden, ohne dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dem entgegenstünde, dass der Begünstigte zur vollständigen Rückerstattung verpflichtet wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Mai 2012, Hehenberger, C‑188/11, EU:C:2012:312, Rn. 35 bis 37, vom 7. Februar 2013, Pusts, C‑454/11, EU:C:2013:64, Rn. 35 bis 37, sowie vom 26. Mai 2016, Ezernieki, C‑273/15, EU:C:2016:364, Rn. 41 bis 46).

64

Ebenso spricht das Ziel eines wirksamen Schutzes der finanziellen Interessen der Union, den die Mitgliedstaaten zu gewährleisten haben, wie sich aus Art. 74 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 ergibt, für die in den Rn. 57 und 58 des vorliegenden Urteils vorgenommene Auslegung von Art. 44 der Verordnung Nr. 1974/2006. Der in Art. 44 Abs. 1 der letztgenannten Verordnung aufgestellte Grundsatz der Rückerstattung ließe sich nämlich leicht umgehen, wenn der erste Begünstigte einer Beihilfe seine Verpflichtung auf einen anderen Begünstigten übertragen und dieser die Erfüllung der mehrjährigen Verpflichtung vor deren Ablauf unverzüglich einstellen könnte, ohne dass dies für einen von beiden finanzielle Folgen hätte.

65

Was schließlich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass dieser Grundsatz nach ständiger Rechtsprechung verlangt, dass die Handlungen der Unionsorgane zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten legitimen Ziele geeignet sind und nicht über die Grenzen dessen hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die dadurch bedingten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen (Urteil vom 16. Februar 2022, Polen/Parlament und Rat, C‑157/21, EU:C:2022:98, Rn. 353 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass im Fall der Übertragung des Betriebs eines Beihilfebegünstigten auf eine andere Person, die die mehrjährige Verpflichtung für den restlichen Zeitraum nicht übernimmt, sowohl die Mitgliedstaaten nach Art. 44 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1974/2006 beschließen können, auf die in Art. 44 Abs. 1 dieser Verordnung vorgesehene Rückerstattung zu verzichten, als auch die sich aus der letztgenannten Bestimmung ergebende Rückerstattungspflicht zur Erreichung des Ziels der Förderung des Tierschutzes, zu dem die Beihilfe gewährt wurde, geeignet und erforderlich ist. Diese Rückerstattungspflicht soll nämlich gewährleisten, dass der Begünstigte alles in seiner Macht Stehende tun wird, um die mehrjährige Verpflichtung bis zu ihrem Ablauf zu erfüllen, was auch zu einem wirksamen Schutz der finanziellen Interessen der Union beiträgt.

66

Die Rückerstattungspflicht geht auch nicht über das hinaus, was zur Erreichung der mit ihr verfolgten Ziele, wie sie in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils dargestellt sind, erforderlich ist. Hierzu ist zunächst in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Generalanwalts in Nr. 51 seiner Schlussanträge festzustellen, dass der Wortlaut von Art. 44 Abs. 1 dieser Verordnung und die dieser Bestimmung zugrunde liegende Logik so klar und unbedingt sind, dass der Übernehmer des Betriebes erkennen kann, dass er, wenn er beschließt, zusätzlich die mehrjährige Verpflichtung des Veräußerers zu übernehmen, zur Rückerstattung der gesamten Beihilfe verpflichtet sein kann, einschließlich derjenigen, die an die früheren Begünstigten gezahlt wurde.

67

Sodann sieht Art. 8 Abs. 4 der Durchführungsverordnung Nr. 809/2014, auf den sich die im vorliegenden Fall angefochtenen Entscheidungen der APIA ebenfalls bezieht, ausdrücklich vor, dass, nachdem der Übernehmer die zuständige Behörde unterrichtet und die Zahlung der Beihilfe und/oder Förderung beantragt hat, alle Rechte und Pflichten des Übertragenden, die sich im Rahmen des Beihilfe‑, Förder- oder Zahlungsantrags aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Übertragenden und der zuständigen Behörde ergeben, auf den Übernehmer übergehen.

68

Da der Übernehmer somit die Möglichkeit hat, zu entscheiden, ob er die mehrjährige Verpflichtung sowie die Verpflichtungen des Übertragenden gleichzeitig mit dem Betrieb übernimmt oder nicht, steht es ihm frei, die Vor- und Nachteile einer solchen Verpflichtung abzuwägen, darunter auch die Möglichkeit, dass er die gesamte Beihilfe einschließlich der von den früheren Begünstigten erhaltenen Beträge zurückerstatten muss. Er hat außerdem die Möglichkeit, mit dem Übertragenden vorab vertraglich zu vereinbaren, welche Haftung möglicherweise jeden von ihnen in dem Fall treffen kann, dass die zuständige nationale Behörde ihm gegenüber als letztem Begünstigten die gesamte Beihilfe zurückfordert, wenn er diese Verpflichtung wegen einer endgültigen Aufgabe seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit nicht bis zum Ende ihrer Laufzeit erfüllen konnte.

69

Hinzu kommt, dass der letzte Begünstigte von den Investitionen profitiert, die dank der für den Tierschutz gewährten Beihilfe, die für die ursprünglich festgelegte mehrjährige Dauer geplant ist, bereits getätigt wurden.

70

Daraus folgt, dass die Verpflichtung zur Rückerstattung der gesamten Beihilfe, die gemäß Art. 44 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1974/2006 nach der Übertragung des Betriebs dem letzten Begünstigten einer Beihilfe auferlegt wird, der zur endgültigen Aufgabe seiner landwirtschaftlichen Tätigkeiten gezwungen ist, sowohl im Hinblick auf das Ziel der Förderung des Tierschutzes als auch im Hinblick auf das Ziel, einen wirksamen Schutz der finanziellen Interessen der Union zu gewährleisten, verhältnismäßig ist.

71

Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 44 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1974/2006 im Licht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen ist, dass, wenn der Betrieb eines Begünstigten während des Zeitraums der Erfüllung einer als Voraussetzung für die Gewährung einer Beihilfe eingegangenen Verpflichtung auf eine andere Person übertragen wird, die diese Verpflichtung freiwillig übernimmt und die später ihre landwirtschaftliche Tätigkeit endgültig aufgibt, dieser letzte Begünstigte verpflichtet ist, die aufgrund der gesamten Verpflichtung erhaltene Beihilfe einschließlich der Beträge zurückzuerstatten, die die früheren Begünstigten dieser Beihilfe erhalten haben, es sei denn, der betreffende Mitgliedstaat hätte beschlossen, aufgrund der in diesem Art. 44 Abs. 2 Buchst. a vorgesehenen Ausnahme auf diese Rückerstattung zu verzichten, und die Voraussetzungen für diese Ausnahme sind erfüllt.

Zur dritten Frage

72

Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, unter welchen Umständen die in Art. 44 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1974/2006 genannte Voraussetzung, dass „sich die Übernahme [der] Verpflichtung durch einen Nachfolger als nicht durchführbar erweist“, als erfüllt angesehen werden kann.

73

Wie sich aus Rn. 60 des vorliegenden Urteils ergibt, kann sich aber ein Begünstigter einer Beihilfe wie Groenland Poultry, wenn es keine nationalen Vorschriften gibt, die die in Rn. 59 dieses Urteils genannten Voraussetzungen erfüllen, vor den nationalen Gerichten nicht auf diese Bestimmung berufen.

74

Folglich und angesichts der Antwort auf die zweite Frage braucht die dritte Frage nicht beantwortet zu werden.

Kosten

75

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 47 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1974/2006 der Kommission vom 15. Dezember 2006 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) in der durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 679/2011 der Kommission vom 14. Juli 2011 geänderten Fassung

ist dahin auszulegen, dass

der Verlust des Rechts auf Nutzung der gepachteten Wirtschaftsgüter aufgrund der Auflösung des Pachtvertrags über diese Güter infolge der Insolvenz des Verpächters, über dessen Vermögen bei Abschluss dieses Vertrags ein Insolvenzverfahren eröffnet war, keinen „Fall höherer Gewalt“ oder „außergewöhnlichen Umstand“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt.

 

2.

Art. 44 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1974/2006 in der durch die Durchführungsverordnung Nr. 679/2011 geänderten Fassung ist im Licht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit

dahin auszulegen, dass,

wenn der Betrieb eines Begünstigten während des Zeitraums der Erfüllung einer als Voraussetzung für die Gewährung einer Beihilfe eingegangenen Verpflichtung auf eine andere Person übertragen wird, die diese Verpflichtung freiwillig übernimmt und die später ihre landwirtschaftliche Tätigkeit endgültig aufgibt, dieser letzte Begünstigte verpflichtet ist, die aufgrund der gesamten Verpflichtung erhaltene Beihilfe einschließlich der Beträge zurückzuerstatten, die die früheren Begünstigten dieser Beihilfe erhalten haben, es sei denn, der betreffende Mitgliedstaat hätte beschlossen, aufgrund der in diesem Art. 44 Abs. 2 Buchst. a vorgesehenen Ausnahme auf diese Rückerstattung zu verzichten, und die Voraussetzungen für diese Ausnahme sind erfüllt.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Rumänisch.