SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PRIIT PIKAMÄE

vom 22. Juni 2023 ( 1 )

Rechtssache C‑321/22

ZL,

KU,

KM

gegen

Provident Polska S.A.

(Vorabentscheidungsersuchen des Sąd Rejonowy dla Warszawy – Śródmieścia w Warszawie [Rayongericht Warschau-Śródmieście, Polen])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verbraucherschutz – Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Verbraucherkredite – Richtlinie 93/13/EWG – Art. 6 und 7 – Feststellungsklage – Rechtliches Interesse – Folgen der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel – Rückerstattungsrecht – Effektivitätsgrundsatz“

1.

Im Rahmen der vorliegenden Rechtssache hat der Gerichtshof Gelegenheit, seine Rechtsprechung zum Zusammenhang zwischen dem Erfordernis eines wirksamen gerichtlichen Schutzes der Verbraucher gemäß der Richtlinie 93/13/EWG ( 2 ) und der verfahrensrechtlichen Autonomie der Mitgliedstaaten zu ergänzen, aufgrund der es Sache der Mitgliedstaaten ist, die Bedingungen festzulegen, unter denen die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer in einem Vertrag enthaltenen Klausel erfolgt und die konkreten Rechtswirkungen dieser Feststellung eintreten.

2.

Die in Rede stehende Bedingung ist das rechtliche Interesse, das bei Klagen, die auf die Feststellung der Unwirksamkeit von missbräuchlichen Vertragsklauseln gerichtet sind, vorliegen muss.

Rechtsrahmen

Unionsrecht

3.

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 lautet:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.“

4.

Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.“

Polnisches Recht

5.

Die Ustawa – Kodeks postępowania cywilnego (Gesetz über die Zivilprozessordnung) vom 17. November 1964 (Dz. U. von 1964, Nr. 4) in geänderter Fassung (im Folgenden: Zivilprozessordnung) sieht in Art. 189 vor:

„Ein Kläger kann beantragen, dass ein Gericht das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses oder eines Rechts feststellt, soweit er ein rechtliches Interesse hat.“

6.

Art. 316 Abs. 1 dieses Gesetzes bestimmt:

„Nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erlässt das Gericht sein Urteil, wobei es bei seiner Entscheidung die Situation zugrunde legt, die zum Schluss der mündlichen Verhandlung gegeben ist; insbesondere steht es einer Verurteilung zu einer Zahlung einer Forderung nicht entgegen, dass die Fälligkeit dieser Forderung im Lauf des Verfahrens eingetreten ist.“

Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefragen

7.

Die Provident Polska S.A. bzw. die IPF Polska sp. z o.o. (Rechtsvorgängerin von Provident Polska) schloss mit ZL, KU und KM Verbraucherkreditverträge. Letztere erhoben beim Sąd Rejonowy dla Warszawy–Śródmieścia w Warszawy (Rayongericht Warschau-Śródmieście, Polen), dem vorlegenden Gericht, jeweils eigenständige Klagen, die mit ihren Verträgen mit Provident Polska vom 15. April, 17. Mai bzw. 14. September 2021 in Zusammenhang stehen.

8.

Nach dem letzten Stand ihrer Schriftsätze beantragen alle Klägerinnen, das vorlegende Gericht möge feststellen, dass die Klauseln des Vertrags mit Provident Polska über die Kosten des Kredits ohne Zinsen wegen deren Missbräuchlichkeit ihnen gegenüber unwirksam sind, da diese Gebühren und Provisionen nach ihrer Darstellung offensichtlich überhöht und unangemessen sind. Sie seien im Verhältnis zur Höhe des Kredits unverhältnismäßig und stellten in Wirklichkeit die hauptsächliche Einnahmequelle des Kreditgebers dar ( 3 ).

9.

In ihren Klageerwiderungen beantragt Provident Polska die Abweisung der von den Kreditnehmerinnen erhobenen Klagen und erhebt gegen jede von ihnen eine Widerklage mit dem Antrag, die Klägerinnen dazu zu verurteilen, ihr einen Beitrag in Höhe eines Teils der gemäß dem Kreditvertrag geschuldeten und noch nicht gezahlten Gebühren und Provisionen zu zahlen. Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens beantragen auch die Abweisung dieser Widerklage.

10.

Das vorlegende Gericht will erstens wissen, ob Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass Klauseln, die die Höhe der einem Gewerbetreibenden geschuldeten Gebühren oder Provisionen festlegen, allein aus dem Grund für missbräuchlich erklärt werden können, weil sie im Verhältnis zur Leistung des Gewerbetreibenden auffällig überhöht sind.

11.

Zweitens stellt sich für das vorlegende Gericht die Frage, ob Art. 189 und Art. 316 Abs. 1 der Zivilprozessordnung in der Auslegung durch den Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht, Polen) mit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 und dem Effektivitätsgrundsatz vereinbar sind.

12.

Nach Art. 189 der Zivilprozessordnung kann ein Kläger die gerichtliche Feststellung des Vorliegens oder des Nichtvorliegens eines Rechtsverhältnisses oder eines Rechts beantragen, sofern er ein rechtliches Interesse hat. Nach den Feststellungen in der Vorlageentscheidung wurde dieser letztgenannte Begriff nicht gesetzlich definiert und vom Sąd Najwyższy dahin ausgelegt, dass es sich dabei um eine materielle Voraussetzung einer Feststellungsklage handelt und der Erfolg dieser Klage voraussetzt, dass vom Kläger ein rechtliches Interesse nachgewiesen wird, das gemäß Art. 316 Abs. 1 der Zivilprozessordnung zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung bestehen muss.

13.

Nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts ist unter einem rechtlichen Interesse das objektiv auftretende Bedürfnis zu verstehen, die Rechtssphäre des Klägers zu schützen, dessen Rechte bedroht wurden oder bedroht werden können oder in Bezug auf ihre Existenz oder ihren Inhalt ungewiss sind. Bei der Beurteilung, ob ein solches rechtliches Interesse vorliege, müsse das angerufene Gericht prüfen, welche Auswirkung ein Feststellungsurteil auf die rechtliche Situation dieser Partei haben könne, d. h. es müsse feststellen, ob ein bestehender Rechtsstreit endgültig beendet werden könne oder ob verhindert werden könne, dass ein solcher Rechtsstreit künftig wieder entstehe. Dagegen sei kein rechtliches Interesse gegeben, wenn die Rechte des Klägers weder verletzt noch bedroht würden oder wenn sie besser durch eine Klage mit größerer Tragweite, wie z. B. einer Klage auf Erfüllung einer Leistung, geschützt werden könnten.

14.

Diese zweite Alternative entspreche der Situation der Klägerinnen in den Ausgangsverfahren. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass alle Klägerinnen bereits einen Teil der streitigen Provisionen und Gebühren gezahlt hätten, während der andere Teil vom Kreditunternehmen im Rahmen einer in jedem dieser Verfahren erhobenen Widerklage verlangt werde. In einer solchen Lage könne die Rückzahlung dieser bereits gezahlten Provisionen und Kosten von den Klägerinnen im Wege einer Klage geltend gemacht werden, die über eine Feststellungsklage hinausgehe, nämlich einer Zahlungsklage wegen Leistung einer Nichtschuld, weshalb die Feststellungsklage – ungeachtet der Feststellung der Missbräuchlichkeit der streitigen Vertragsklauseln – wegen des fehlenden rechtlichen Interesses abzuweisen sei.

15.

Daneben führt das vorlegende Gericht aus, dass die Beurteilung des Vorliegens eines rechtlichen Interesses von Verbrauchern in sehr ähnlichen Fällen zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt habe, wodurch die Verwirklichung der Ziele der Richtlinie 93/13 gefährdet werden könne, da nämlich ein Verbraucher, selbst wenn die Missbräuchlichkeit der Klauseln eines mit einem Gewerbetreibenden geschlossenen Vertrags offenkundig sei, unsicher sein könne, ob er eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit oder Unwirksamkeit dieser Vertragsklauseln erheben solle, weil er befürchten müsse, dass das Gericht davon ausgehe, dass er kein rechtliches Interesse habe, und die Klage allein aus diesem Grund abweise und ihm die Prozesskosten auferlege.

16.

Drittens und letztens stellt sich für das vorlegende Gericht die Frage, ob „zwingende Gründe“, insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder der Grundsatz der Rechtssicherheit, der Nichtigerklärung der von ZL und KU geschlossenen Verträge wegen der Missbräuchlichkeit der in diesen Verträgen enthaltenen Klausel über die Zahlungsmodalitäten entgegenstehen.

17.

In diesem Kontext hat der Sąd Rejonowy dla Warszawy-Śródmieścia w Warszawie (Rayongericht Warschau-Śródmieście) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und an den Gerichtshof die folgenden Vorabentscheidungsfragen zu richten:

1.

Ist Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass er erlaubt, eine Vertragsklausel als missbräuchlich anzusehen, die dem Gewerbetreibenden eine im Verhältnis zu der von ihm angebotenen Leistung auffällig hohe Gebühr oder Provision gewährt?

2.

Sind Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 und der Effektivitätsgrundsatz dahin auszulegen, dass sie Bestimmungen des nationalen Rechts oder einer gerichtlichen Auslegung dieser nationalen Bestimmungen entgegenstehen, nach denen der Klage eines Verbrauchers gegen einen Gewerbetreibenden auf Feststellung der Nichtigkeit oder Unwirksamkeit eines Vertrags oder eines Teils davon, der missbräuchliche Klauseln enthält, nur stattgegeben werden darf, wenn der Verbraucher ein rechtliches Interesse hat?

3.

Sind Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 und die Grundsätze der Effektivität, der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit dahin auszulegen, dass sie erlauben, einen Kreditvertrag als nicht mehr bindend und deswegen als nichtig anzusehen, weil dessen einzige Klausel über die Art und Weise der Rückzahlung des Kredits für missbräuchlich erklärt und deshalb aus dem Vertrag gestrichen wurde?

Verfahren vor dem Gerichtshof

18.

Die polnische Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen abgegeben. Die polnische Regierung hat Fragen des Gerichtshofs am 7. März 2023 schriftlich beantwortet. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die polnische Regierung und die Kommission haben in der Sitzung vom 30. März 2023 mündlich verhandelt.

Würdigung

19.

Auf Ersuchen des Gerichtshofs wird in den vorliegenden Schlussanträgen nur auf die zweite Vorlagefrage Bezug genommen, mit der das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen will, ob Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in Verbindung mit dem Effektivitätsgrundsatz einer nationalen Regelung in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung entgegensteht, die vom Verbraucher den Nachweis eines rechtlichen Interesses verlangt, damit seiner Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit missbräuchlicher Vertragsklauseln stattgegeben werden kann, wobei ein solches Interesse nicht gegeben sein soll, wenn die betreffende Person eine andere Klage, wie insbesondere eine Klage auf Erfüllung einer Leistung, erheben kann, die ihre Rechte umfassender schützt.

Zur Tragweite der Vorlagefrage

20.

Es erscheint mir erforderlich, die Tragweite dieser Frage näher zu bestimmen, wobei insoweit daran erinnert werden muss, dass im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof es Aufgabe des Gerichtshofs ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben ( 4 ).

21.

Wie bereits ausgeführt, stehen sich im Ausgangsverfahren Verbraucher, die ursprünglich eine Klage zur Feststellung der Unwirksamkeit bestimmter missbräuchlicher Vertragsklauseln über Kosten und Provisionen erhoben haben, und ein Kreditunternehmen gegenüber ( 5 ), das die Abweisung dieser Klage beantragt und Widerklagen erhoben hat, die auf die Verurteilung der Klägerinnen zur Zahlung von noch nicht bezahlten Teilbeträgen dieser aufgrund des Kreditvertrags geschuldeten Kosten und Provisionen gerichtet sind. Wie sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, ist das vorlegende Gericht unter diesen Umständen mit einer zweifachen Prozesssituation konfrontiert.

22.

Hinsichtlich der von den Verbrauchern bereits gezahlten Beträge der nach dem Kreditvertrag geschuldeten Kosten und Provisionen führt das vorlegende Gericht aus, dass den Klägerinnen „andere Klagewege“ zur Verfügung stünden, die einen umfassenderen Schutz ihre Rechte böten als die erhobenen Feststellungsklagen, nämlich Zahlungsklagen wegen Leistung einer Nichtschuld nach den Art. 405 und 410 des polnischen Zivilgesetzbuchs, und dass es daher die „Klagen des Ausgangsverfahrens“ allein aus dem Grund des fehlenden rechtlichen Interesses abweisen müsse, auch wenn die von diesen Parteien geschlossenen Verträge missbräuchliche Klauseln enthielten ( 6 ).

23.

Dagegen wird zu den vom Kreditgeber mit Widerklagen geltend gemachten Beträgen in der Vorlageentscheidung festgestellt, dass die Klägerinnen und Widerbeklagten „sich daher gerade im Rahmen der Widerklagen auf die Missbräuchlichkeit der Vertragsbestimmungen berufen [können] und das Urteil des vorlegenden Gerichts … den Rechtsstreit zwischen den Parteien [entscheidet]“ ( 7 ). Nach dem Stand ihrer letzten Schriftsätze steht fest, dass sich diese Parteien gegen die Widerklagen wenden und deren Abweisung beantragen.

24.

Somit ist offensichtlich davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht im Rahmen des von den Verbrauchern angestrengten Klageverfahrens zugleich die Feststellungsklagen der betreffenden Parteien wegen des Fehlens eines rechtlichen Interesses abweisen und über die Widerklage des Kreditunternehmens entscheiden müsste. Angesichts einer solchen Situation hat das vorlegende Gericht Zweifel, ob die nationale Rechtsprechungspraxis bezüglich des Erfordernisses eines rechtlichen Interesses mit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in Verbindung mit dem Grundsatz der Effektivität vereinbar ist ( 8 ).

Zur Mindestharmonisierung der Richtlinie 93/13

25.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 die Mitgliedstaaten vorsehen, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften festlegen; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann. Ferner geht aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in Verbindung mit ihrem 24. Erwägungsgrund hervor, dass die Mitgliedstaaten dafür sorgen müssen, dass die Gerichte und die Verwaltungsbehörden über angemessene und wirksame Mittel verfügen, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird. Insoweit hat der Gerichtshof auf die Art und die Bedeutung des öffentlichen Interesses hingewiesen, auf dem der Schutz beruht, der den Verbrauchern gewährt wird, weil sie sich gegenüber den Gewerbetreibenden in einer Position der Unterlegenheit befinden ( 9 ).

26.

Zwar hat der Gerichtshof bereits in mehrfacher Hinsicht und unter Berücksichtigung der Anforderungen von Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dargelegt, wie das nationale Gericht den Schutz der den Verbrauchern nach dieser Richtlinie zustehenden Rechte sicherstellen muss, doch sind die Verfahren zur Prüfung, ob eine Vertragsklausel missbräuchlich ist, im Prinzip nicht unionsrechtlich harmonisiert und damit Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten. Es ist gemäß dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache der Mitgliedstaaten, die Bedingungen festzulegen, unter denen die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel erfolgt und die konkreten Rechtswirkungen dieser Feststellung eintreten. Allerdings dürfen diese Bedingungen nicht weniger günstig ausgestaltet sein als für entsprechende innerstaatliche Klagen (Äquivalenzgrundsatz), und sie dürfen die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) ( 10 ).

27.

Deshalb fällt die Voraussetzung des rechtlichen Interesses eines Verbrauchers an einer Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit von missbräuchlichen Vertragsklauseln – vorbehaltlich der Wahrung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität – in die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten. Dasselbe gilt für die Regelung der Teilung der Kosten eines solchen Verfahrens vor den nationalen Gerichten, ein Fragenbereich, der vom vorlegenden Gericht zum Gegenstand gemacht wurde und der untrennbar mit jenem des rechtlichen Interesses zusammenhängt, das, wenn dessen Fehlen festgestellt wird, nach den Ausführungen des Gerichts zur Abweisung der genannten Klage und zur nachfolgenden Verurteilung des Verbrauchers als Kläger zur Tragung der Kosten führt ( 11 ).

28.

In Bezug auf den Effektivitätsgrundsatz, um den es bei den Fragen des vorlegenden Gerichts allein geht, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen ist. Dabei sind gegebenenfalls die Grundsätze zu berücksichtigen, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie z. B. der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens. Außerdem hat der Gerichtshof präzisiert, dass die Pflicht der Mitgliedstaaten, die Effektivität der Rechte sicherzustellen, die dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsen, insbesondere in Bezug auf die Rechte aus der Richtlinie 93/13 das Erfordernis eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes, das auch in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist, impliziert; dieser Schutz gilt nach seinen Feststellungen u. a. für die Festlegung der Verfahrensmodalitäten für Klagen, die sich auf solche Rechte stützen ( 12 ).

29.

Gleichwohl hat der Gerichtshof anerkannt, dass der Schutz des Verbrauchers nicht absolut ist. Dass ein bestimmtes Verfahren gewisse prozessuale Anforderungen mit sich bringt, die der Verbraucher erfüllen muss, um seine Rechte geltend zu machen, bedeutet daher nicht, dass er keinen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz genießt. Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass die Verfahrensregeln über die Struktur der innerstaatlichen Rechtswege, die ein allgemeines Interesse der geordneten Rechtspflege und der Vorhersehbarkeit verfolgen, in dem Sinne Vorrang vor Einzelinteressen haben müssen, dass sie nicht entsprechend der besonderen wirtschaftlichen Situation einer Partei geändert werden können, sofern sie nicht über das zur Erreichung ihres Ziels Erforderliche hinausgehen ( 13 ).

Zur Wahrung des Effektivitätsgrundsatzes

Zum Vorliegen eines Ziels des Allgemeininteresses

30.

Es muss darauf hingewiesen werden, dass bei der Anwendung des Effektivitätsgrundsatzes insbesondere die Grundsätze zu berücksichtigen sind, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie z. B. der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens ( 14 ). In der Vorlageentscheidung wird darauf hingewiesen, dass das polnische Zivilverfahren darauf beruht, dass die Ausübung der Rechte auf gerichtlichem Weg zielgerichtet und so einfach wie möglich sein muss und dabei eine Vervielfachung der Verfahren zu vermeiden ist. Dieser Prämisse wird durch das Erfordernis, dass im Fall einer Klage auf Feststellung des Vorliegens (oder Nichtvorliegens) eines Rechtsverhältnisses oder eines Rechts ein rechtliches Interesse nachzuweisen ist, und durch den Grundsatz Rechnung getragen, wonach die Möglichkeit, einen wirksameren Schutz mit einer anderen Klage zu erreichen, das rechtliche Interesse, eine Feststellung zu beantragen, entfallen lässt ( 15 ).

31.

Soweit das Erfordernis eines rechtlichen Interesses bei Feststellungsklagen darauf abzielt, diese Klagen auf Situationen tatsächlicher Verletzungen oder nachgewiesener Bedrohungen der Rechtssphäre des Klägers oder auf Fälle zu beschränken, in denen eine Klage, die einen umfassenderen Schutz seiner Rechte bietet, nicht zur Verfügung steht, dient es der Verfolgung des Ziels der im Allgemeininteresse liegenden geordneten Rechtspflege, indem eine Überlastung des Gerichtssystems verhindert oder gegebenenfalls verringert wird ( 16 ). Um eine geordnete Rechtspflege zu gewährleisten und um dem Erfordernis der Verfahrensökonomie zu entsprechen, indem verhindert wird, dass das Gericht mit rein theoretischen Fragen und einer Vielzahl von Klagen befasst wird, muss der Rechtsuchende, unabhängig vom gewählten Rechtsweg, ein rechtliches Interesse haben. Insoweit erinnere ich daran, dass nach den Feststellungen des Gerichtshofs Regelungen, die ein solches Ziel verfolgen, einschließlich jener, die für die Verbraucher, die ihre Rechte geltend machen wollen, einen zusätzlichen Aufwand bedeuten, gerechtfertigt sein können, sofern sie nicht über das zur Erreichung dieses Ziels Erforderliche hinausgehen ( 17 ).

32.

Daher ist davon auszugehen, dass das Erfordernis eines rechtlichen Interesses bei Feststellungsklagen, die von Verbrauchern erhoben werden, um ihre Rechte aus der Richtlinie 93/13 geltend zu machen, nicht als solches dem Grundsatz der Effektivität entgegensteht, soweit seine Anwendung die Ausübung der von dieser Richtlinie gewährten Rechte nicht praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert.

Zur Einleitung eines gesonderten Verfahrens

33.

Nach ständiger Rechtsprechung muss das nationale Gericht nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 alle Konsequenzen ziehen, die sich nach nationalem Recht aus der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel ergeben, um sicher sein zu können, dass diese für den betreffenden Verbraucher unverbindlich ist. Diese Pflicht beinhaltet, dass dieses Gericht die als missbräuchlich eingestufte Klausel für unanwendbar zu erklären hat, damit sie den Verbraucher nicht bindet. Da eine solche Klausel grundsätzlich als von Anfang an nicht existent anzusehen ist, so dass sie gegenüber dem Verbraucher keine Wirkungen haben kann, entfaltet die Pflicht des nationalen Gerichts, eine missbräuchliche Vertragsklausel, nach der ein Betrag zu zahlen ist, für unanwendbar zu erklären, im Hinblick auf diesen Betrag grundsätzlich Restitutionswirkung ( 18 ).

34.

In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof entschieden, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, durch ihr nationales Recht die Bedingungen festzulegen, unter denen die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel erfolgt und die konkreten Rechtswirkungen dieser Feststellung eintreten. Allerdings muss diese Feststellung die Wiederherstellung der Tatsachen‑ und Rechtslage, in der sich der Verbraucher ohne die missbräuchliche Klausel befände, ermöglichen, und zwar insbesondere durch Begründung eines Anspruchs auf Rückgewähr der Vorteile, die der Gewerbetreibende aufgrund der missbräuchlichen Klauseln zulasten des Verbrauchers rechtsgrundlos erhalten hat. Durch eine solche Einbettung des den Verbrauchern durch die Richtlinie 93/13 gewährten Schutzes in das nationale Recht kann nämlich das Wesen dieses Schutzes nicht beeinträchtigt werden ( 19 ).

35.

Ich stelle insoweit fest, dass der Gerichtshof bei der Prüfung eines effektiven gerichtlichen Schutzes des Verbrauchers im Zusammenhang mit dem oben genannten Recht auf Rückgewähr das Bestehen eines Rechtswegs berücksichtigt hat, der sich von jenem unterscheidet, der von oder gegen diesen beim vorlegenden Gericht beschritten wurde. So hat er die Auffassung vertreten, dass eine nationale Regelung, nach der das mit einem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids befasste Gericht verpflichtet ist, diesen Antrag zurückzuweisen, soweit dieser auf eine missbräuchliche Klausel gestützt ist, aber nicht befugt ist, von Amts wegen die auf der Grundlage dieser Klausel getätigten Zahlungen und den Restschuldbetrag miteinander zu verrechnen, und die zur Folge hat, dass der Schuldner, der an dem Mahnbescheidverfahren nicht beteiligt ist, gezwungen ist, für die Ausübung seines Anspruchs auf volle Rückgewähr ein gesondertes Verfahren einzuleiten, Art. 6 der Richtlinie 93/13 grundsätzlich nicht zuwiderläuft ( 20 ).

36.

Sodann hat der Gerichtshof festgestellt, dass die nationale Regelung, nach der das Gericht im Rahmen des Mahnbescheidverfahrens für die Prüfung des Bestehens der betreffenden Forderung nicht zuständig ist und der betroffene Verbraucher für die Ausübung seines sich aus Art. 6 der Richtlinie 93/13 ergebenden Rechts auf vollständige Rückgewähr daher ein gesondertes Verfahren führen muss, die Ausübung dieses Rechts nicht unmöglich macht oder übermäßig erschwert, wenngleich diese Pflicht vom betroffenen Verbraucher ein aktives Verhalten und die Führung eines kontradiktorischen Verfahrens verlangt ( 21 ).

37.

In einer anderen Rechtssache hat der Gerichtshof zwischen Vertragsklauseln, die aufgrund gesetzlicher Bestimmungen als missbräuchlich eingestuft werden, und möglicherweise missbräuchlichen Klauseln unterschieden, die beide Gegenstand ein und derselben Klage eines Verbrauchers waren, und entschieden, dass die Effektivität des Schutzes im Sinne der Richtlinie 93/13 nationalen Regelungen nicht entgegensteht, die einen anderen effektiven Verfahrensweg vorsehen, der es der betreffenden Person ermöglicht, die Rückgewähr der zu Unrecht nach den Klauseln der zweitgenannten Kategorie gezahlten Beträge zu verlangen ( 22 ). Die Erklärung für diese Lösung der Rechtsprechung ist offenbar darin zu sehen, dass es ein „besonderes Verfahren“ gibt, das vom nationalen Recht nur für die erstgenannten Klauseln vorgesehen ist, das aber vom Verbraucher für alle seine gegen den Kreditnehmer gerichteten Beanstandungen verwendet wurde.

38.

Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Kreditvertrag teilweise erfüllt wurde, indem von den Kreditnehmerinnen bestimmte Beträge gemäß den Klauseln über die Kosten und Provisionen gezahlt wurden, wobei die Feststellung der Missbräuchlichkeit dieser Klauseln durch das vorlegende Gericht dazu führen muss, dass den betroffenen Personen ein Recht auf vollständige Rückzahlung dieser Beträge erwächst ( 23 ). Muss nun angesichts der oben genannten Rechtsprechung davon ausgegangen werden, dass der Effektivitätsgrundsatz der Ausübung eines solchen Rechts mittels eines gesonderten Verfahrens aufgrund der Anwendung der Voraussetzung des rechtlichen Interesses nicht entgegensteht? Meines Erachtens sollte diese Frage wegen der besonderen Umstände der vorliegenden Rechtssache verneint werden.

39.

Vorliegend sind die Kreditnehmerinnen Parteien eines jeden der allgemeinen Feststellungsverfahren, da diese Verfahren von ihnen selbst angestrengt wurden, wobei diese Verfahren aufgrund der auf die Verurteilung zur Zahlung gerichteten und unbestritten zulässigen Widerklage des Kreditgebers abgeändert wurden. Im Rahmen dieses erweiterten Verfahrens traten die Kreditnehmerinnen und Widerbeklagten dem Antrag des Kreditgebers auf Verurteilung zur Zahlung von Kosten und Provisionen entgegen, die auf der Grundlage von Vertragsklauseln zu zahlen waren, die in dem Verfahren über ihre Feststellungsklagen bereits als missbräuchlich eingestuft wurden und für die a priori gesetzlich kein besonderes Verfahren vorgesehen ist.

40.

Ich stelle zum einen fest, dass im Fall einer Abweisung einer solchen Klage wegen fehlenden rechtlichen Interesses über die Frage der Missbräuchlichkeit der in Rede stehenden Klauseln jedenfalls vom vorlegenden Gericht entschieden werden muss, um über die Widerklage zu entscheiden. Zum anderen stellt sich, wenn von Kreditnehmerinnen eine Klage auf Rückgewähr von rechtsgrundlos geleisteten Zahlungen bei einem anderen Gericht erhoben wird, das auch über die mögliche Missbräuchlichkeit der in Streit stehenden Klauseln wird entscheiden müssen, aufgrund von in dieser Frage gegebenenfalls widerstreitenden Urteilen das Problem der Rechtssicherheit ( 24 ).

41.

Abgesehen von dem Umstand, dass den Kreditnehmerinnen keine völlige Untätigkeit vorgeworfen kann ( 25 ), ist in diesem Zusammenhang festzustellen, dass die Abweisung der Feststellungsklage und die Verurteilung der Klägerinnen zur Tragung der damit zusammenhängenden Kosten sowie der Verweis, sich besser an ein Gericht zu wenden, das für die Prüfung einer Klage auf Erstattung von rechtsgrundlos geleisteten Zahlungen zuständig ist, aufgrund der durch dieses zusätzliche Verfahren verursachten und zum ursprünglichen Verfahren hinzukommenden neuerlichen verfahrensrechtlichen Anforderungen und des damit verbundenen Kosten- und Zeitaufwands zweifellos unnötige Schwierigkeiten, Belastungen, Kosten und rechtliche Unsicherheiten hervorruft. Diese Situation macht meines Erachtens deutlich, dass zwischen dem Sinn und Zweck und der Umsetzung der im polnischen Prozessrecht vorgesehenen Voraussetzung des rechtlichen Interesses ein Konflikt besteht, da es einer geordneten Rechtspflege und dem Erfordernis der Verfahrensökonomie zuwiderläuft, wenn von einem Kläger verlangt wird, eine neue Klage zu erheben, damit alle Auswirkungen einer einheitlichen rechtlichen Problematik, nämlich die Frage, ob Vertragsklauseln missbräuchlich sind, gewürdigt werden können.

42.

Nach der Rechtsprechung müssen die angemessenen und wirksamen Mittel, die der Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Verbraucherverträgen ein Ende setzen sollen, Rechtsvorschriften einschließen, die den Verbrauchern einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gewährleisten, indem sie es ihnen ermöglichen, den streitigen Vertrag vor Gericht anzufechten, und dies unter angemessenen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen, so dass für die Ausübung ihrer Rechte keine Voraussetzungen, insbesondere hinsichtlich der Fristen oder der Kosten, gelten, die die Ausübung der durch die Richtlinie 93/13 gewährleisteten Rechte übermäßig erschweren oder praktisch unmöglich machen ( 26 ). Meines Erachtens ist das aber in Anbetracht der von der Rechtsprechung vorgenommenen Auslegung des gesetzlichen Erfordernisses des rechtlichen Interesses bei Feststellungsklagen bei den Verbraucherinnen in der vorliegenden Rechtssache nicht der Fall, weshalb von einer Unvereinbarkeit mit der Richtlinie 93/13 auszugehen ist.

43.

Der Umstand, dass das nationale Gericht nach den Ausführungen der polnischen Regierung in ihrer Antwort auf die Fragen des Gerichtshofs bei der Kostenentscheidung über einen weiten Beurteilungsspielraum verfügt und in besonders begründeten Fällen von dem Grundsatz abweichen kann, dass die unterliegende Partei die Kosten trägt, indem es diese Partei nur zu einer teilweisen Kostentragung verurteilt oder von einer Kostentragung insgesamt entlastet, reicht nach meinem Dafürhalten für sich genommen nicht aus, um die oben getroffene Schlussfolgerung zu entkräften.

Zur Möglichkeit einer [unionsrechts]konformen Auslegung

44.

Die polnische Regierung hat sich in ihren schriftlichen Erklärungen und in ihrer schriftlichen Antwort auf die Fragen des Gerichtshofs gegen die Auslegung des nationalen Rechts durch das vorlegende Gericht gewandt und ausgeführt, dass Art. 189 und Art. 316 Abs. 1 der Zivilprozessordnung dahin ausgelegt werden könnten, dass sie mit den Erfordernissen des Effektivitätsgrundsatzes vereinbar seien.

45.

Die polnische Regierung macht insbesondere geltend, dass der Grundsatz, wonach kein rechtliches Interesse an einer Feststellungsklage bestehe, wenn der Kläger die Befriedigung seiner Rechte mit einer Klage auf Erfüllung einer Leistung erreichen könne, nicht absolut gelte, und verweist auf die jüngere Rechtsprechung des Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht), woraus hervorgehe, das im Bereich des Verbraucherrechts der Kläger unter bestimmten Voraussetzungen ein Interesse an einer Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses behalte, auch wenn er eine Klage auf Erfüllung einer Leistung erheben könne oder wenn eine solche Klage gegen ihn von der gegnerischen Partei auf der Grundlage des in Rede stehenden Rechtsverhältnisses erhoben worden sei ( 27 ), was meines Erachtens auch vom vorlegenden Gericht nicht ausgeschlossen wird ( 28 ).

46.

In ihrer schriftlichen Antwort auf die Fragen des Gerichtshofs hat die polnische Regierung ferner darauf hingewiesen, dass die Anträge der Kläger nach Erhebung einer Widerklage angepasst werden könnten. Daraus folgt, dass in einem Verfahren wie dem Ausgangsverfahren die Kreditnehmerinnen neben ihrem auf die Missbräuchlichkeit der beanstandeten Klauseln gestützten Antrag auf Abweisung der Widerklage des Kreditgebers auch die Rückzahlung der unter Anwendung dieser Klauseln gezahlten Beträge aufgrund der Teilerfüllung des Kreditvertrags verlangen und so das Gericht dazu veranlassen können, über die Rechtssache in ein und demselben Verfahren zu entscheiden. Es erweist sich somit, dass die einzige Voraussetzung dafür, dass das Gericht endgültig über den Rechtsstreit entscheiden kann, darin besteht, dass die Klägerinnen die Initiative ergreifen und ihre ursprünglichen Anträge abändern, ohne dass der Gewerbetreibende dem entgegentreten kann ( 29 ), und dass das Erfordernis eines rechtlichen Interesses für eine Feststellungsklage in Anbetracht der Änderung des Gegenstands des Rechtsstreits gegenstandslos wird.

47.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung verlangt, dass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und in Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der fraglichen Richtlinie zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel im Einklang steht. Wie der Gerichtshof zudem entschieden hat, umfasst das Erfordernis einer unionsrechtskonformen Auslegung u. a. die Verpflichtung der nationalen Gerichte, eine gefestigte Rechtsprechung gegebenenfalls abzuändern, wenn sie auf einer Auslegung des nationalen Rechts beruht, die mit den Zielen einer Richtlinie unvereinbar ist. Folglich darf ein nationales Gericht nicht davon ausgehen, dass es eine nationale Vorschrift nicht im Einklang mit dem Unionsrecht auslegen könne, nur weil sie in ständiger Rechtsprechung in einem nicht mit dem Unionsrecht vereinbaren Sinne ausgelegt wurde ( 30 ).

48.

In Anbetracht der in den Nrn. 45 und 46 der vorliegenden Schlussanträge genannten Umstände ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften tatsächlich im Einklang mit der Richtlinie 93/13 ausgelegt werden können, und wenn ja, daraus die rechtlich gebotenen Folgen zu ziehen ( 31 ).

Ergebnis

49.

Nach alledem schlage ich vor, auf die zweite Vorlagefrage des Sąd Rejonowy dla Warszawy-Śródmieścia w Warszawie (Rayongericht Warschau-Śródmieście, Polen) zu antworten:

Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen in Verbindung mit dem Effektivitätsgrundsatz

sind dahin auszulegen, dass

sie Bestimmungen des nationalen Rechts und ihrer gerichtlichen Auslegung entgegenstehen, nach denen die Klage eines Verbrauchers auf Feststellung der Unwirksamkeit missbräuchlicher Klauseln, der eine Widerklage eines Gewerbetreibenden auf Zahlung von gemäß diesen Klauseln geschuldeten Beträgen folgt, mit der Begründung abzuweisen und der Verbraucher zur Tragung der damit zusammenhängenden Kosten zu verurteilen ist, dass ein rechtliches Interesse fehlt, weil ein anderer Klageweg zur Verfügung steht, der die Rückerstattung der Beträge ermöglicht, die an diesen Gewerbetreibenden unter Anwendung dieser Klauseln bereits gezahlt wurden.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Richtlinie des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).

( 3 ) Die Klage von KU betrifft auch einen Betrag in Höhe von 240 polnischen Zloty (PLN) (rund 50,40 Euro), der gemäß den Hinweisen der Kreditnehmerin im Kreditantrag auf ein Konto der Kreditnehmerin gezahlt wurde.

( 4 ) Urteil vom 18. Dezember 2014, Abdida (C‑562/13, EU:C:2014:2453, Rn. 37).

( 5 ) Nach den Angaben der polnischen Regierung werden die sich aus der Richtlinie 93/13 ergebenden Rechte und Pflichten hauptsächlich mittels zwei in der Zivilprozessordnung vorgesehenen Arten von Klagen zur Geltung gebracht, nämlich eine Klage auf Feststellung eines Rechts oder eines Rechtsverhältnisses (d. h. die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel) oder eine Klage auf Erfüllung einer Leistung (d. h. auf Rückerstattung von Leistungen, die ohne Rechtsgrund an den Gewerbetreibenden aufgrund von Klauseln erbracht wurden, die von dem mit der Klage auf Erfüllung einer Leistung befassten Gericht für missbräuchlich erklärt wurden).

( 6 ) Rn. 150 der Vorlageentscheidung.

( 7 ) Rn. 149 der Vorlageentscheidung.

( 8 ) Rn. 149 der Vorlageentscheidung enthält keinen Hinweis darauf, dass das vorlegende Gericht beabsichtigt festzustellen, dass die Klägerinnen kein rechtliches Interesse an der Erlangung eines Feststellungsurteils haben, weil der Gewerbetreibende gegen sie Widerklagen erhoben hat, und daher in Betracht zieht, sowohl die Klaganträge der Verbraucherinnen als auch die Widerklageanträge des Gewerbetreibenden abzuweisen. Abgesehen von dem ausdrücklichen Hinweis auf eine spätere Abweisung allein der „Klagen des Ausgangsverfahrens“ geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass die Feststellung des Fehlens des rechtlichen Interesses gemäß Art. 189 der Zivilprozessordnung nur eine Auswirkung auf die Feststellungsklage – im vorliegenden Fall deren Abweisung – hat.

( 9 ) Urteil vom 31. Mai 2018, Sziber (C‑483/16, EU:C:2018:367, Rn. 31 und 33).

( 10 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. September 2022, Vicente (Verfahren zur Vollstreckung von Anwaltshonoraren) (C‑335/21, EU:C:2022:720, Rn. 53 und 54), und vom 22. September 2022, Servicios prescriptor y medios de pagos EFC (C‑215/21, EU:C:2022:723, Rn. 33).

( 11 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. April 2022, Caixabank (C‑385/20, EU:C:2022:278, Rn. 47).

( 12 ) Urteile vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance (C‑776/19 bis C‑782/19, EU:C:2021:470, Rn. 28 und 29), und vom 22. September 2022, Servicios prescriptor y medios de pagos EFC (C‑215/21, EU:C:2022:723, Rn. 35 und 36).

( 13 ) Urteile vom 31. Mai 2018, Sziber (C‑483/16, EU:C:2018:367, Rn. 50 und 51), und vom 12. Februar 2015, Baczó und Vizsnyiczai (C‑567/13, EU:C:2015:88, Rn. 51).

( 14 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Februar 2013, Banif Plus Bank (C‑472/11, EU:C:2013:88, Rn. 33).

( 15 ) Rn. 143 der Vorlageentscheidung.

( 16 ) Zu vom Unionsrecht geregelten Klagen hat der Gerichtshof entschieden, dass das Rechtsschutzinteresse, dessen Vorliegen vom Kläger nachgewiesen werden muss, die wesentliche Grundvoraussetzung jeder Klage darstellt (Urteil vom 23. November 2017, Bionorica und Diapharm/Kommission, C‑596/15 P und C‑597/15 P, EU:C:2017:886, Rn. 83).

( 17 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. Mai 2018, Sziber (C‑483/16, EU:C:2018:367, Rn. 51).

( 18 ) Urteil vom 30. Juni 2022, Profi Credit Bulgaria (Verrechnung von Amts wegen im Fall einer missbräuchlichen Klausel) (C‑170/21, EU:C:2022:518, Rn. 41 und 42).

( 19 ) Urteil vom 30. Juni 2022, Profi Credit Bulgaria (Verrechnung von Amts wegen im Fall einer missbräuchlichen Klausel) (C‑170/21, EU:C:2022:518, Rn. 43).

( 20 ) Urteil vom 30. Juni 2022, Profi Credit Bulgaria (Verrechnung von Amts wegen im Fall einer missbräuchlichen Klausel) (C‑170/21, EU:C:2022:518, Rn. 45).

( 21 ) Urteil vom 30. Juni 2022, Profi Credit Bulgaria (Verrechnung von Amts wegen im Fall einer missbräuchlichen Klausel) (C‑170/21, EU:C:2022:518, Rn. 48).

( 22 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. Mai 2018, Sziber (C‑483/16, EU:C:2018:367, Rn. 54).

( 23 ) Insoweit weise ich darauf hin, dass nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts das Fehlen des rechtlichen Interesses bei den Klägerinnen ungeachtet der Feststellung der Missbräuchlichkeit der streitigen Vertragsklauseln zur Abweisung der Klagen des Ausgangsverfahrens führen wird.

( 24 ) Was klar aus den Erklärungen der polnischen Regierung (Rn. 48) zum Begriff der in Art. 366 der Zivilprozessordnung vorgesehenen Rechtskraft hervorgeht.

( 25 ) Im Urteil vom 22. September 2022, Vicente (Verfahren zur Vollstreckung von Anwaltshonoraren) (C‑335/21, EU:C:2022:720, Rn. 56), hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass die Wahrung des Effektivitätsgrundsatzes nicht so weit gehen kann, dass eine völlige Untätigkeit des betroffenen Verbrauchers ausgeglichen wird.

( 26 ) Urteil vom 1. Oktober 2015, ERSTE Bank Hungary (C‑32/14, EU:C:2015:637, Rn. 59).

( 27 ) Rn. 40 der Erklärungen der polnischen Regierung und Rn. 11 ihrer Antwort auf die Fragen des Gerichtshofs. Im Übrigen stellt die polnische Regierung klar, dass in Anbetracht der Auslegung des Begriffs der Rechtskraft seitens der nationalen Gerichte der Hinweis, wonach der Schutz des Verbrauchers, der mit einer Klage auf Erfüllung einer Leistung gewährleistet werde, notwendigerweise umfassender sei als der Schutz, der mit einer Feststellungsklage erreicht werden könne, irrig sei (Rn. 45 bis 51 der Erklärungen der polnischen Regierung).

( 28 ) Die Hinweise des vorlegenden Gerichts auf die uneinheitliche nationale Rechtsprechung zur Auslegung der Voraussetzung des rechtlichen Interesses sprechen für die Möglichkeit einer unionsrechtskonformen Auslegung.

( 29 ) Im vorliegenden Fall haben sich die Klägerinnen offensichtlich darauf beschränkt, die Abweisung der Widerklagen zu beantragen, und davon abgesehen, auch eine Rückzahlung der Beträge zu beantragen, die als Kosten und Provisionen gemäß den beanstandeten Vertragsklauseln gezahlt wurden. Insoweit weise ich darauf hin, dass der Gerichtshof im Urteil vom 11. März 2020, Lintner (C‑511/17, EU:C:2020:188, Rn. 31), entschieden hat, dass der Dispositionsgrundsatz, nach dem die Parteien den Streitgegenstand festlegen, sowie der Grundsatz ne ultra petita, wonach das Gericht nicht über die Anträge der Parteien hinaus entscheiden darf, verkannt werden könnten, wenn die nationalen Gerichte nach der Richtlinie 93/13 die durch die Anträge und die Gründe der Parteien gesetzten Grenzen des Streitgegenstands außer Acht lassen oder überschreiten müssten.

( 30 ) Urteil vom 26. Juni 2019, Addiko Bank (C‑407/18, EU:C:2019:537, Rn. 65 und 66).

( 31 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Juni 2019, Addiko Bank (C‑407/18, EU:C:2019:537, Rn. 67).