SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

TAMARA ĆAPETA

vom 22. Juni 2023 ( 1 )

Rechtssache C‑281/22

G. K.,

B. O. D. GmbH,

S. L.,

Beteiligter:

Österreichischer Delegierter Europäischer Staatsanwalt

(Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Wien [Österreich])

„Vorabentscheidungsersuchen – Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen – Europäische Staatsanwaltschaft – Verordnung (EU) 2017/1939 – Grenzüberschreitende Ermittlungen – Einem unterstützenden delegierten Staatsanwalt zugewiesene Ermittlungsmaßnahmen – Vorherige richterliche Genehmigung – Wirksame gerichtliche Kontrolle – Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung – Grundrechte“

1.

Die Europäische Staatsanwaltschaft (im Folgenden: EUStA), die über Befugnisse zur Untersuchung und Verfolgung von Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union verfügt, nahm ihre Tätigkeit am 1. Juni 2021 auf. In der vorliegenden Rechtssache wird der Gerichtshof erstmals ersucht, den Rechtsakt zur Errichtung dieser Behörde und zur Festlegung der Vorschriften über ihre Arbeitsweise, nämlich die EUStA-Verordnung, auszulegen. ( 2 )

2.

An Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union sind häufig Akteure in mehreren Mitgliedstaaten beteiligt. Um ihre Aufgabe erfüllen zu können, muss die EUStA daher in der Lage sein, grenzüberschreitende Ermittlungen durchzuführen. An solchen Ermittlungen sind der betraute Delegierte Europäische Staatsanwalt (im Folgenden: betrauter DEStA), ( 3 ) der die Ermittlungen in einem Mitgliedstaat führt, und ein unterstützender Delegierter Europäischer Staatsanwalt (im Folgenden: unterstützender DEStA) ( 4 ) beteiligt, dem die Durchführung der Ermittlungsmaßnahme in einem anderen Mitgliedstaat zugewiesen wird. In der vorliegenden Rechtssache obliegt es dem Gerichtshof, bestimmte Aspekte der EUStA-Verordnung, die solche grenzüberschreitenden Ermittlungen betreffen, klarzustellen.

3.

Die drei Fragen des vorlegenden Gerichts, das im Wesentlichen wissen möchte, welches nationale Gericht (oder welche Gerichte) die richterliche Genehmigung für eine Ermittlungsmaßnahme in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die hauptsächliche strafrechtliche Untersuchung der EUStA stattfindet, erteilen muss (bzw. müssen), können gemeinsam behandelt werden. Wie umfangreich sollte die gerichtliche Kontrolle ausfallen, falls das Gericht im Staat des unterstützenden DEStA die Genehmigung zu erteilen hat und spielt eine vorherige richterliche Genehmigung in einem anderen Mitgliedstaat in diesem Prozess eine Rolle?

4.

Dies ist keineswegs eine einfache Frage. Die Beteiligten im vorliegenden Verfahren bringen zwei Auslegungsmöglichkeiten der Art. 31 und 32 der EUStA-Verordnung vor, die einander gegenseitig ausschließen. Wie ich zeigen werde, beruhen diese beiden einander widersprechenden Lösungsvarianten auf den üblichen Auslegungsmethoden des Gerichtshofs: der Auslegung des Wortlauts, des Kontexts, der Ziele und der Entstehungsgeschichte ( 5 ) der EUStA-Verordnung. Keines der vorgeschlagenen Ergebnisse ist unter jeder dieser Auslegungstechniken völlig berechtigt. Nichtsdestotrotz wird sich der Gerichtshof für eines davon zu entscheiden haben.

I. Sachverhalt, einschlägiges Recht und Vorlagefragen

5.

Die EUStA führt über ihren Delegierten Europäischen Staatsanwalt in der Bundesrepublik Deutschland (München) ein Ermittlungsverfahren gegen G. K., S. L. und die B. O. D. GmbH (im Folgenden: Beschuldigte) durch. Sie stehen im Verdacht, durch falsche Angaben beim Import von Biodiesel (mit US-amerikanischer Herkunft) in die Europäische Union Zollvorschriften umgangen zu haben, was zu einem Einnahmeverlust von ungefähr 1295000 Euro geführt habe. Dieser mutmaßliche Verlust stellt ein finanzielles Interesse der Europäischen Union dar und fällt daher in die Zuständigkeit der EUStA. ( 6 )

6.

Obwohl die hauptsächliche strafrechtliche Untersuchung in Deutschland stattfindet, hielt es die EUStA für erforderlich, Beweismittel in anderen Mitgliedstaaten zu erheben. Es wurde daher für notwendig erachtet, eine grenzüberschreitende strafrechtliche Untersuchung in anderen Mitgliedstaaten durchzuführen, darunter auch Österreich. Konkret erteilte der betraute DEStA eine Anweisung zur Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume sowie zur Sicherstellung der Vermögenswerte der Beschuldigten in Österreich.

7.

Nach österreichischem Recht erfordert eine solche Ermittlungsmaßnahme eine vorherige richterliche Genehmigung. Der unterstützende DEStA beantragte und erhielt daher gerichtliche Bewilligungen zur Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume der beschuldigten Personen zum Zweck der Sicherstellung potenziell belastender Unterlagen und Hardware bzw. Datenträgern.

8.

Wie in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde, wurde weder eine vorherige gerichtliche Kontrolle der Durchsuchungs- und Sicherstellungsmaßnahmen vor den deutschen Gerichten beantragt noch wurde eine solche durchgeführt, obwohl dies in einer vergleichbaren innerstaatlichen Situation erforderlich wäre. Das ist das Ergebnis der deutschen Umsetzung des in diesem Verfahren in Rede stehenden Art. 31 Abs. 3 der EUStA-Verordnung. Nach dieser Umsetzung muss keine richterliche Genehmigung für grenzüberschreitende Ermittlungsmaßnahmen eingeholt werden, wenn die Ermittlungsmaßnahme in einem Mitgliedstaat durchgeführt werden soll, nach dessen Recht eine solche richterliche Genehmigung ebenfalls erforderlich ist. ( 7 ) In diesem Fall ist das Gericht dieses anderen Mitgliedstaats für die Genehmigung der Ermittlungsmaßnahme zuständig. Deshalb beantragte der betraute DEStA in Deutschland keine richterliche Genehmigung.

9.

Am 1. Dezember 2021 erhoben die Beschuldigten vor dem vorlegenden Gericht, dem Oberlandesgericht Wien (Österreich), Beschwerden gegen die von vier österreichischen Gerichten erteilten Durchsuchungsbewilligungen. Sie bringen vor, dass die Durchsuchungs- und Sicherstellungsmaßnahmen weder erforderlich noch verhältnismäßig gewesen seien.

10.

Das vorlegende Gericht führt aus, dass der österreichische unterstützende DEStA im Verlauf des Ausgangsverfahrens geltend gemacht habe, dass die EUStA-Verordnung einen neuartigen Rechtsrahmen für grenzüberschreitende Ermittlungsmaßnahmen geschaffen habe, wonach deren Begründung nur im Mitgliedstaat des betrauten DEStA zu prüfen sei. Das Gericht des Staats des unterstützenden DEStA könne die materielle Rechtskonformität der Ermittlungsmaßnahme nicht überprüfen. Es dürfe nur kontrollieren, ob die Maßnahme formellen und verfahrensrechtlichen Vorgaben für ihre Durchführung entspreche. Der unterstützende DEStA war daher der Ansicht, dass die Beschwerden zurückgewiesen werden sollten.

11.

Das vorlegende Gericht sieht sich somit mit der Frage konfrontiert, ob die Gerichte des Mitgliedstaats des unterstützenden DEStA befugt sind, eine umfassende Kontrolle vorzunehmen, wie sie es in einer rein innerstaatlichen Situation tun würden, oder ob ihre Kontrolle sich bei grenzüberschreitenden Ermittlungen der EUStA auf Verfahrensfragen in Bezug auf die Durchführung solcher Ermittlungsmaßnahmen beschränken sollte. Die Antwort auf diese Frage hänge von der Auslegung von Art. 31 und 32 der EUStA-Verordnung ab.

12.

Art. 31 („Grenzüberschreitende Ermittlungen“) Abs. 1 bis 3 der EUStA-Verordnung lautet:

„(1)   Die Delegierten Europäischen Staatsanwälte arbeiten eng zusammen, indem sie einander bei grenzüberschreitenden Fällen unterstützen und regelmäßig konsultieren. Muss in einem anderen Mitgliedstaat als dem des betrauten Delegierten Europäischen Staatsanwalts eine Maßnahme ergriffen werden, so entscheidet dieser Delegierte Europäische Staatsanwalt über die Anordnung der erforderlichen Maßnahme und weist sie einem Delegierten Europäischen Staatsanwalt zu, der in dem Mitgliedstaat angesiedelt ist, in dem die Maßnahme durchgeführt werden muss.

(2)   Der betraute Delegierte Europäische Staatsanwalt kann alle Maßnahmen zuweisen, die ihm nach Artikel 30 zur Verfügung stehen. Für die Begründung und Anordnung derartiger Maßnahmen ist das Recht des Mitgliedstaats des betrauten Delegierten Europäischen Staatsanwalts maßgeblich. Weist der betraute Delegierte Europäische Staatsanwalt eine Ermittlungsmaßnahme einem oder mehreren Delegierten Europäischen Staatsanwälten eines anderen Mitgliedstaats zu, so setzt er gleichzeitig seinen die Aufsicht führenden Europäischen Staatsanwalt davon in Kenntnis.

(3)   Ist nach dem Recht des Mitgliedstaats des unterstützenden Delegierten Europäischen Staatsanwalts eine richterliche Genehmigung für die Maßnahme erforderlich, so ist sie von dem unterstützenden Delegierten Europäischen Staatsanwalt nach dem Recht seines Mitgliedstaats einzuholen.

Wird die richterliche Genehmigung für die zugewiesene Maßnahme verweigert, so zieht der betraute Delegierte Europäische Staatsanwalt die Zuweisung zurück.

Ist nach dem Recht des Mitgliedstaats des unterstützenden Delegierten Europäischen Staatsanwalts eine solche richterliche Genehmigung nicht erforderlich, verlangt aber das Recht des Mitgliedstaats des betrauten Delegierten Europäischen Staatsanwalts eine solche, so ist sie von dem betrauten Delegierten Europäischen Staatsanwalt einzuholen und zusammen mit der Zuweisung zu übermitteln.“

13.

Art. 32 („Vollstreckung der zugewiesenen Maßnahmen“) der EUStA-Verordnung bestimmt:

„Die zugewiesenen Maßnahmen werden gemäß dieser Verordnung und dem Recht des Mitgliedstaats des unterstützenden Delegierten Europäischen Staatsanwalts durchgeführt. Formvorschriften und Verfahren, die vom betrauten Delegierten Europäischen Staatsanwalt ausdrücklich angegeben werden, sind einzuhalten, es sei denn, sie stehen im Widerspruch zu den wesentlichen Rechtsgrundsätzen des Mitgliedstaats des unterstützenden Delegierten Europäischen Staatsanwalts.“

14.

Unter diesen Umständen hat das vorlegende Gericht, das Oberlandesgericht Wien (Österreich), beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 1 und Art. 32 der EUStA-Verordnung so auszulegen, dass bei grenzüberschreitenden Ermittlungen im Falle notwendiger gerichtlicher Genehmigung einer im Mitgliedstaat des unterstützenden Delegierten Europäischen Staatsanwalts durchzuführenden Maßnahme eine Prüfung sämtlicher materieller Gesichtspunkte, wie gerichtliche Strafbarkeit, Tatverdacht, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit, stattzufinden hat?

2.

Ist bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob die Zulässigkeit der Maßnahme bereits im Mitgliedstaat des betrauten Delegierten Europäischen Staatsanwalts von einem Gericht nach dem Recht dieses Mitgliedstaats geprüft wurde?

3.

Für den Fall, dass die erste Frage verneint bzw. die zweite Frage bejaht wird, in welchem Umfang hat eine gerichtliche Prüfung im Mitgliedstaat des unterstützenden Delegierten Europäischen Staatsanwalts stattzufinden?

15.

Die Parteien des Ausgangsverfahrens, die österreichische, die deutsche, die französische, die niederländische und die rumänische Regierung, die EUStA sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Am 27. Februar 2023 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in der diese Beteiligten mit Ausnahme Frankreichs mündlich Stellung genommen haben.

II. Analyse

16.

Um den Gerichtshof dazu zu beraten, wie die Fragen des vorlegenden Gerichts zu beantworten sind, werde ich wie folgt vorgehen. Zunächst werde ich kurz auf die EUStA und den Prozess ihrer Errichtung eingehen, der (wohl) die Entscheidungen beeinflusst hat, die sich im endgültigen Text der EUStA-Verordnung widerspiegeln (A). Sodann werde ich die beiden Auslegungswege, die dem Gerichtshof von den Beteiligten des Ausgangsverfahrens vorgeschlagen wurden, sowie deren Argumente darlegen (B). Im letzten Abschnitt werde ich dem Gerichtshof unter Berücksichtigung der Vor- und Nachteile der beiden Auslegungsmöglichkeiten die Auswahl einer dieser Optionen vorschlagen. Dabei wird auch eine Auseinandersetzung mit dem Schutz der Grundrechte bei der Arbeit der EUStA stattfinden (C).

A.   Eine kurze Einführung zur EUStA und zur Entstehungsgeschichte der Vorschriften über grenzüberschreitende Ermittlungen

17.

Die Errichtung der EUStA ist ein echtes Novum und eine wichtige Errungenschaft im europäischen Integrationsprozess. Sie ist eine einheitliche und, trotz ihres dezentralen Aufbaus, ( 8 ) unteilbare Einrichtung der Europäischen Union, ( 9 ) die mit den Befugnissen der strafrechtlichen Untersuchung und Verfolgung von Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union ausgestattet ist. ( 10 )

18.

Die EUStA wurde nach Art. 86 AEUV errichtet, der durch den Vertrag von Lissabon eingeführt wurde. Handlungen, die als den finanziellen Interessen der Europäischen Union abträglich verstanden werden könnten und für die die EUStA zuständig ist, sind in der PIF‑Richtlinie aufgeführt. Es ist jedoch nach wie vor Sache der Mitgliedstaaten, diese Handlungen als Straftaten einzustufen und die Tatbestandsmerkmale solcher Straftaten in ihrem nationalen Recht festzulegen.

19.

Darüber hinaus regelt die EUStA-Verordnung die Verfahrensabläufe der EUStA nur zum Teil. Für alle Fälle, in denen keine Unionsvorschriften bestehen, legt diese Verordnung lediglich fest, welche mitgliedstaatlichen Vorschriften anzuwenden sind. ( 11 )

20.

Daher ist die EUStA zwar tatsächlich eine einheitliche und unteilbare Einrichtung, aber arbeitet weder mit einem gemeinsamen materiellen Strafrecht noch mit einem gemeinsamen Strafverfahrensrecht. Diese Fragen hängen weitgehend von den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten ab, die hinsichtlich der von ihnen gewählten Lösungen voneinander abweichen können. Sowohl die Einheitlichkeit der EUStA auf der einen Seite als auch ihre Abhängigkeit von nationalen Rechtsvorschriften auf der anderen sind bei der Auslegung der EUStA-Verordnung wichtige Gesichtspunkte.

21.

Der Weg zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft war weder einfach noch schnell. Nach jahrelangen Vorbereitungen ( 12 ) und einem ursprünglichen Vorschlag, der auf das Jahr 2013 zurückgeht ( 13 ) und über den keine einstimmige Einigung erzielt werden konnte, wurde die EUStA schließlich als Instrument der Verstärkten Zusammenarbeit nach Art. 20 Abs. 2 EUV und Art. 329 Abs. 1 AEUV errichtet. Allerdings war das neue Vorhaben nicht für alle Mitgliedstaaten akzeptabel, weswegen sich nicht alle daran beteiligen. ( 14 )

22.

In Bezug auf grenzüberschreitende Ermittlungsmaßnahmen waren die Verhandlungen, die zum Erlass der EUStA-Verordnung führten, besonders schwierig. ( 15 )

23.

Im Vorschlag von 2013 wurden 21 verschiedene Ermittlungsmaßnahmen in Art. 26 aufgeführt. Für zehn davon, einschließlich der in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Durchsuchung von Räumlichkeiten, wäre eine Genehmigung der zuständigen Justizbehörde des Mitgliedstaats, in dem diese Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt werden sollten, erforderlich gewesen. ( 16 )

24.

Als Reaktion auf diesen Vorschlag richteten 14 nationale Parlamente begründete Stellungnahmen an die Kommission und lösten damit den Mechanismus der Subsidiaritätskontrolle nach Art. 7 Abs. 2 des Protokolls Nr. 2 aus. ( 17 ) In ihren begründeten Stellungnahmen äußerten einige nationale Parlamente die Befürchtung, dass eine Auflistung von Ermittlungsmaßnahmen zu einer Herabsetzung der verfahrensrechtlichen Standards führen würde und dass das erforderliche Grundrechtsschutzniveau nicht gewährleistet wäre, da einige Ermittlungsmaßnahmen im nationalen Recht einiger Mitgliedstaaten nicht vorgesehen seien. ( 18 )

25.

Dieser Vorschlag wurde schließlich abgelehnt ( 19 ) und es wurden mehrere Gegenvorschläge vorgelegt. Der von der österreichischen und deutschen Delegation gemeinsam vorgelegte Vorschlag ist für das vorliegende Verfahren von besonderem Interesse. ( 20 )

26.

Die deutsche Delegation legte folgende schriftliche Bemerkungen vor: ( 21 )„Das derzeitige Konzept des Art. 26a ist nicht überzeugend und bedarf einer weiteren Überarbeitung, um akzeptabel zu sein. Wir werden ein durchführbares und effizientes System brauchen, das zumindest so gut funktioniert wie grenzüberschreitende Zusammenarbeit auf der Grundlage von Rechtshilfe und Verfahren der gegenseitigen Anerkennung. Wie bereits in der Vergangenheit erörtert: Wir sind der Ansicht, dass wir ein System errichten sollten, dem das Konzept der gegenseitigen Anerkennung (die EEA) als Ausgangspunkt dient und dass wir Anpassungen vornehmen sollten, wo dies angemessen ist, um dem Gedanken einer ‚einheitlichen Behörde‘ Rechnung zu tragen.“

27.

Der gemeinsame österreichische und deutsche Vorschlag spiegelte also die Lösungen zur gegenseitigen Anerkennung der Richtlinie über die Europäische Ermittlungsanordnung ( 22 ) wider: „Muss in einem anderen Mitgliedstaat als dem des betrauten Delegierten Europäischen Staatsanwalts eine Maßnahme ergriffen werden, so ordnet dieser die Maßnahme nach dem Recht des Mitgliedstaats des betrauten Delegierten Europäischen Staatsanwalts an und beantragt erforderlichenfalls eine richterliche Genehmigung oder eine gerichtliche Anordnung für die Maßnahme“. ( 23 )

28.

Dieser gemeinsame Vorschlag fand auch keinen Eingang in den endgültigen Text der EUStA-Verordnung.

29.

Das gewählte gesetzgeberische Ergebnis, das im heutigen Art. 31 Abs. 3 der EUStA-Verordnung zum Ausdruck kommt, führte genau zu den Problemen, vor denen die deutsche Delegation im Hinblick auf frühere Vorschläge warnte. ( 24 ) Darin ist weder eindeutig geregelt, welches mitgliedstaatliche Recht darüber bestimmt, ob eine vorherige richterliche Genehmigung für die Durchführung einer Maßnahme erforderlich ist, noch welches Gericht für die Erteilung einer solchen Genehmigung zuständig ist. Das vorliegende Verfahren veranschaulicht diese Probleme also perfekt.

30.

Über eine Fragestellung bestand während des Gesetzgebungsverfahrens jedoch Einigkeit unter allen Delegationen: Die EUStA-Verordnung sollte in Anbetracht der Einheitlichkeit der EUStA als Einrichtung einfacher sein als das, was die EEA-Richtlinie, die zum Zeitpunkt ihrer Einführung ebenfalls ein neues Instrument der Zusammenarbeit in Strafsachen darstellte, mit sich gebracht habe. ( 25 )

B.   Die vor uns liegenden Auslegungswege

31.

Die EUStA-Verordnung schweigt zum Erfordernis einer vorherigen richterlichen Genehmigung für grenzüberschreitende Ermittlungsmaßnahmen und überlässt dies dem Strafrecht der Mitgliedstaaten. Besonders problematisch ist die Situation, in der die nationalen Rechtsordnungen sowohl des betrauten als auch des unterstützenden DEStA eine vorherige richterliche Genehmigung erfordern. Im 72. Erwägungsgrund der EUStA heißt es, dass in diesem Instrument eindeutig festzulegen ist, in welchem Mitgliedstaat die Genehmigung eingeholt werden sollte, indes es auf jeden Fall nur eine Genehmigung geben sollte. Kam dieses Bekenntnis in Art. 31 Abs. 3 der EUStA-Verordnung zum Ausdruck und wenn ja, in welcher Weise?

32.

Die Beteiligten im vorliegenden Verfahren haben zwei gegensätzliche Auslegungsmöglichkeiten dieser Bestimmung vorgeschlagen.

33.

Bevor ich ihre Positionen vorstelle und bewerte, halte ich es für erforderlich, einen Standpunkt zu wiederholen, den ich bereits an anderer Stelle zum Ausdruck gebracht habe. ( 26 ) Meines Erachtens gibt es keine Wortinterpretation als solche, insofern Worte stets in einen Kontext eingebettet sind. Die in Rechtsvorschriften enthaltenen Worte sind für Richter natürlich relevant, da das Recht meist in Worten ausgedrückt wird. Sie leiten Richter und schränken sie gleichzeitig ein. ( 27 ) Ihre Bedeutung, einschließlich in Rechtsakten, hängt jedoch vom Kontext ab, in dem sie Verwendung finden. Es ist daher schwierig, wenn nicht gar unmöglich, wörtliche und systematische Auslegung voneinander zu trennen.

34.

Was die systematische Auslegung betrifft, hat der Gerichtshof unterschiedliche Herangehensweisen. In der Regel verweist er auf die Bestimmungen, in die die auszulegende Vorschrift eingebettet ist oder auf den Rechtsakt insgesamt. ( 28 ) Der Gerichtshof erachtete jedoch bei der Interpretation von Bestimmungen des Primär- ( 29 ) und Sekundärrechts auch die Entstehungsgeschichte als relevant für den Kontext. ( 30 ) Schlussendlich wird auch die gesellschaftliche Wirklichkeit bisweilen als bedeutsam für das Verständnis von Rechtsvorschriften in die Beurteilung miteinbezogen. ( 31 ) Die Eingrenzung des relevanten Kontexts und die Art und Weise, in der dieser ausgelegt wird, beeinflussen das Verständnis des Wortlauts einer bestimmten Vorschrift. Dies ist aus dem Vorbringen der Beteiligten des Ausgangsverfahrens klar ersichtlich.

1. Erste Auslegungsmöglichkeit: Umfassende Kontrolle im Mitgliedstaat des unterstützenden DEStA

35.

Die österreichische und die deutsche Regierung argumentieren, dass, wenn das nationale Recht des unterstützenden DEStA eine vorherige richterliche Genehmigung für die Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme erfordere, eine solche Genehmigung eine umfassende Kontrolle mit sich bringen sollte. Dazu gehörten nicht nur verfahrensrechtliche (die Durchführung der Maßnahme), sondern auch die materiell-rechtlichen Aspekte, durch die die Maßnahme überhaupt erst begründet sei. Es sei daher Sache des Gerichts des Mitgliedstaats des unterstützenden DEStA zu prüfen, ob der erforderliche Verdachtsgrad, dass eine Straftat begangen worden sei, erreicht worden sei, ob mit der beantragten Ermittlungsmaßnahme die für die Strafverfolgung erforderlichen Beweise voraussichtlich ermittelt würden und ob dieselben Beweise nicht auch durch eine weniger eingreifende Maßnahme ermittelt werden könnten.

36.

Die österreichische und die deutsche Regierung stützten sich weitgehend auf den Text von Art. 31 der EUStA-Verordnung, der ihrer Ansicht nach eindeutig ist. Beide Regierungen bestanden darauf, dass der Wortlaut einer Rechtsvorschrift das wichtigste Auslegungswerkzeug sei. Wenn der Wortlaut eindeutig sei, könnten die Gerichte nicht davon abweichen.

37.

Ihrer Ansicht nach sind der kreativen Auslegung durch den Gerichtshof Grenzen gesetzt. Eine andere Auslegung als die, die sich eindeutig aus dem buchstäblichen Wortlaut des derzeitigen Texts von Art. 31 der EUStA-Verordnung ergebe, würde die Grenzen einer hinnehmbaren richterlichen Auslegung überschreiten. Sie widerspräche auch dem Grundsatz der Rechtssicherheit. In den Worten des Vertreters der deutschen Regierung ist der Gerichtshof keine Reparaturwerkstatt für fehlerhafte Produkte. Stattdessen sollte das fehlerhafte Produkt zur Verbesserung an den Hersteller zurückgesendet werden, in unserem Fall an den Gesetzgeber.

2. Zweite Auslegungsmöglichkeit: Eine eindeutige Aufgabenverteilung innerhalb des Prozesses der richterlichen Genehmigung

38.

Die EUStA, die Kommission sowie die französische, die rumänische und die niederländische Regierung argumentieren im Gegensatz zur ersten Auslegungsmöglichkeit, dass eine richterliche Genehmigung, sollte das Recht des Mitgliedstaats des unterstützenden DEStA eine solche für eine Ermittlungsmaßnahme erfordern, nur eine Kontrolle der formellen und verfahrensrechtlichen Aspekte in Bezug auf die Durchführung der Maßnahme nach sich ziehen dürfe. Dementsprechend enthalte die EUStA-Verordnung eine eindeutige Aufgabenverteilung zwischen den Gerichten des Mitgliedstaats des betrauten und denjenigen des Mitgliedstaats des unterstützenden DEStA. Dies sei offensichtlich, wenn Art. 31 Abs. 3 im Kontext von Art. 31 insgesamt gelesen werde.

39.

Wenn das mitgliedstaatliche Recht sowohl des betrauten als auch des unterstützenden DEStA eine richterliche Genehmigung erfordere, seien zwei Genehmigungen zu erteilen. Das Gericht des Mitgliedstaats des betrauten DEStA würde die Maßnahme genehmigen, wenn es sie für begründet halte, während das Gericht des Mitgliedstaats des unterstützenden DEStA die Verfahrensmodalitäten für ihre Durchführung genehmigen würde.

40.

Die Kontrollbefugnisse des Gerichts des Mitgliedstaats des unterstützenden DEStA seien auch in einem Szenario, in dem das Recht des Mitgliedstaats des betrauten DEStA in einer vergleichbaren innerstaatlichen Situation keine vorherige richterliche Genehmigung erfordere, auf die verfahrensrechtlichen Aspekte der Durchführung der Maßnahme beschränkt. Auf diese Weise würde das nach Art. 31 Abs. 2 für die Begründung der Maßnahme maßgebliche Recht des Mitgliedstaats des betrauten DEStA in seiner Entscheidung, keine vorherige richterliche Genehmigung der Begründung der Maßnahme zu verlangen, respektiert werden.

C.   Zur Beantwortung der Fragen des vorlegenden Gerichts:

1. Vergleich der beiden Auslegungsmöglichkeiten

41.

Die beiden Auslegungsmöglichkeiten führen zu unterschiedlichen Auslegungsergebnissen, die einander gegenseitig ausschließen. Meines Erachtens führen die zur Unterstützung dieser Möglichkeiten vorgetragenen Argumentationslinien, wenn man sie innerhalb des jeweils gewählten Auslegungsrahmens betrachtet, zu zwei gleichermaßen akzeptablen Auslegungsvarianten der EUStA-Verordnung. Gleichzeitig bringen beide gewisse Nachteile und Inkonsistenzen mit sich. Im Folgenden werde ich sie im Rahmen der jeweils verwendeten Auslegungsmethoden miteinander vergleichen.

a) Wortlaut

42.

Nach Ansicht der österreichischen Regierung, der sich die deutsche Regierung anschließt, ist Art. 31 der EUStA-Verordnung eindeutig. In seinem Abs. 2 werde festgelegt, dass die Begründung und Anordnung einer Ermittlungsmaßnahme durch das nationale Recht des Mitgliedstaats des betrauten DEStA geregelt werde. Allerdings ändere sich das anwendbare Recht nach Abs. 3 dann, wenn das Recht des Mitgliedstaats des unterstützenden DEStA eine richterliche Genehmigung erfordere. In einem solchen Szenario besage der erste Satz von Art. 31 Abs. 3 der EUStA-Verordnung eindeutig, dass das Recht des Mitgliedstaats des unterstützenden DEStA für die Befugnisse und Pflichten des die Genehmigung erteilenden Richters maßgeblich sei.

43.

Die einzige Ausnahme davon sei im dritten Satz von Art. 31 Abs. 3 der EUStA-Verordnung vorgesehen, der zur Anwendung komme, wenn das Recht des Mitgliedstaats des unterstützenden DEStA keine Genehmigung erfordere, das Recht des betrauten DEStA aber schon. Nur in einem solchen Szenario unterliege die richterliche Genehmigung dem Recht des Mitgliedstaats des betrauten DEStA. Aus der Verwendung des Wortes „however“ am Beginn der englischen Fassung dieses Satzes sei auch ersichtlich, dass es sich bei dieser Situation um eine Ausnahme von der eindeutigen Regel handle, dass das Recht des Mitgliedstaats des unterstützenden DEStA anzuwenden sei. ( 32 )

44.

Demgegenüber regelt der erste Satz von Art. 31 Abs. 3 der EUStA-Verordnung den Befürwortern der zweiten Auslegungsmöglichkeit zufolge in zwei möglichen Szenarien eindeutig, welche Gerichte in Bezug worauf eine richterliche Genehmigung zu erteilen hätten: wenn sowohl das Recht des Mitgliedstaats des betrauten als auch das Recht des Mitgliedstaats des unterstützenden DEStA eine solche Genehmigung erfordern würden und in Situationen, in denen das Recht des Mitgliedstaats des betrauten DEStA keine vorherige richterliche Genehmigung erfordere, das Recht des Mitgliedstaats des unterstützenden DEStA aber schon. In beiden Fällen könne das Gericht des Mitgliedstaats des unterstützenden DEStA nur im Zusammenhang mit der Durchführung der Maßnahme stehende Aspekte kontrollieren.

45.

Der dritte Satz von Art. 31 Abs. 3 der EUStA-Verordnung regele das verbleibende mögliche Szenario, in dem das Recht des Mitgliedstaats des unterstützenden DEStA keine richterliche Genehmigung einer Maßnahme erfordere, das Recht des Mitgliedstaats des betrauten DEStA aber schon. In diesem Szenario werde das Gericht des Mitgliedstaats des betrauten DEStA eine Genehmigung zu erteilen haben, die sich sowohl auf die Begründung als auch auf die Durchführung der Maßnahme erstrecke.

46.

Die Kommission hat auch darauf hingewiesen, dass der Wortlaut von Art. 32 der EUStA-Verordnung klarstelle, dass die Durchführungs- und Verfahrensaspekte im Zusammenhang mit der beantragten Maßnahme dem Recht des Mitgliedstaats des unterstützenden DEStA unterlägen.

b) Kontext

47.

Um ihr Vorbringen zu untermauern, dass der Wortlaut von Art. 31 Abs. 3 der EUStA-Verordnung eindeutig sei, hat die deutsche Regierung den Fokus auf dessen unmittelbaren Kontext gelegt. Der dritte Satz von Art. 31 Abs. 3 wäre obsolet, wenn die Grundregel für die Aufgabenverteilung im Hinblick auf richterliche Genehmigungen entsprechend der Lesart der Kommission Art. 31 Abs. 2 dieser Verordnung wäre. Wäre dies der Fall, wäre stets klar, dass es das Recht des Mitgliedstaats des betrauten DEStA sei, das über die Erforderlichkeit einer richterlichen Genehmigung einer konkreten Ermittlungsmaßnahme bestimme. Selbiges im dritten Satz von Art. 31 Abs. 3 zu wiederholen habe daher keinen Sinn. Diese Bestimmung sei nur dann sinnvoll, wenn sie die in Art. 31 Abs. 2 zum Ausdruck gebrachte Regel in einer Situation abändere, in der das Recht des Mitgliedstaats des unterstützenden DEStA ebenfalls eine richterliche Genehmigung erfordere.

48.

Sowohl die österreichische als auch die deutsche Regierung haben sich auch auf den 72. Erwägungsgrund der EUStA-Verordnung als relevanten Auslegungskontext gestützt. Der Nachdruck, der im 72. Erwägungsgrund einer einzigen richterlichen Genehmigung verliehen werde, könne in Verbindung mit Art. 31 Abs. 3 nur bedeuten, dass es das Recht des Mitgliedstaats des unterstützenden DEStA sei, das die Erforderlichkeit und den Kontext einer richterlichen Genehmigung bestimme. Eine richterliche Genehmigung in verschiedene Aufgaben und auf die Gerichte des Mitgliedstaats des betrauten und des Mitgliedstaats des unterstützenden DEStA aufzuteilen, sei mit der Entscheidung unvereinbar, nur eine einzige richterliche Genehmigung vorzusehen.

49.

Nach Auffassung der Kommission, die im Wesentlichen von allen Befürwortern der zweiten Auslegungsmöglichkeit geteilt wird, folgt Art. 31 der EUStA-Verordnung insgesamt der zeitlichen Abfolge einer strafrechtlichen Untersuchung. Es würden darin die verschiedenen Aufgaben des betrauten und des unterstützenden DEStA sowie der nationalen Gerichte ihrer Mitgliedstaaten festgelegt. Abs. 1 regele allgemein die Aufgabenverteilung zwischen den beiden DEStA.

50.

Zentral ist nach Ansicht der Kommission Art. 31 Abs. 2: Er besage eindeutig, dass das Recht des Mitgliedstaats des betrauten DEStA für die Begründung und Anordnung einer Ermittlungsmaßnahme maßgeblich sei. Das bedeute auch, dass es, wenn das Recht des Mitgliedstaats des betrauten DEStA eine vorherige richterliche Genehmigung erfordere, Sache des Gerichts dieses Mitgliedstaats sei, zu prüfen, ob die Maßnahme im Kontext der konkreten strafrechtlichen Untersuchung begründet und erforderlich sei.

51.

Die Kommission hat auch betont, dass Art. 31 Abs. 2 zur Durchführung der Maßnahme schweige. Dies sei Gegenstand von Art. 32 der EUStA-Verordnung, der vorsehe, dass die Durchführung gemäß dem Recht des Mitgliedstaats des unterstützenden DEStA erfolgen solle.

52.

Art. 31 Abs. 3, die einzige Bestimmung, die sich ausdrücklich mit der richterlichen Genehmigung befasse, ändert nach Auffassung der Kommission nichts am anwendbaren Recht, wenn es um die Erteilung einer solchen Genehmigung gehe, was im Gegensatz zu der von der österreichischen und der deutschen Regierung vorgebrachten Argumentation steht. Vielmehr solle diese Vorschrift als Art. 31 Abs. 2 untergeordnet angesehen werden. Abs. 3 desselben Artikels regele daher nicht die Kontrolle der Begründung der Ermittlungsmaßnahme, da diese Aspekte von Abs. 2 erfasst seien.

53.

Der erste Satz von Abs. 3 betrifft nach Ansicht der Kommission eine Situation, in der das Recht des Mitgliedstaats des unterstützenden DEStA eine richterliche Genehmigung erfordere. Wenn dies der Fall sei, werde das Gericht dieses Mitgliedstaats die Genehmigung vor der Durchführung der Maßnahme zu erteilen haben. Bei dieser Entscheidung dürfe dieses Gericht jedoch nur auf die Art und Weise der Durchführung der beantragten Ermittlungsmaßnahme achten und nicht auf ihre Begründung.

54.

Im Hinblick auf die Rolle, die der 72. Erwägungsgrund der EUStA-Verordnung spielt, hat die Kommission eingeräumt, dass das Bestreben nach einer einzigen richterlichen Genehmigung in ihrem Art. 31 nicht ideal zum Ausdruck komme. Doch selbst wenn in manchen Szenarien zwei richterliche Genehmigungen erforderlich seien, gäbe es infolge der eindeutigen Aufgabenverteilung für jede Angelegenheit nur eine einzige Genehmigung. So verstanden ist es den Befürwortern der zweiten Auslegungsmöglichkeit gelungen, den Widerspruch zwischen Art. 31 Abs. 3 im Sinne ihrer Auslegung und dem 72. Erwägungsgrund der EUStA-Verordnung zu vermeiden. ( 33 )

c) Ziele

55.

Was die Ziele der EUStA betrifft, haben sowohl Österreich als auch Deutschland eingeräumt, dass eine umfassende Kontrolle im Mitgliedstaat des unterstützenden DEStA zu Schwierigkeiten führen könne. Um entscheiden zu können, ob die beantragte Maßnahme begründet sei, müsste das Gericht des unterstützenden DEStA Zugang zur gesamten Verfahrensakte haben. Da die hauptsächliche strafrechtliche Untersuchung in einem anderen Mitgliedstaat und mit dem Ziel durchgeführt werde, im Fall der Erlangung ausreichender Beweismittel Anklage beim Gericht dieses Staates zu erheben, könnte die Verfahrensakte in einer anderen Sprache abgefasst sein. Ihre Übersetzung, die sich als erforderlich erweisen könnte, um es dem Gericht des unterstützenden DEStA zu ermöglichen, über die materiell-rechtlichen Fragestellungen in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der Ermittlungsmaßnahme zu entscheiden, werde zumindest Zeit in Anspruch nehmen. ( 34 ) Dies würde grenzüberschreitende Ermittlungen der EUStA tatsächlich schwerfälliger machen, als solche, die im Rahmen der EEA-Richtlinie durchgeführt würden.

56.

Beide Regierungen haben eingeräumt, dass ein solches Ergebnis nicht mit dem Ziel der EUStA vereinbar sei, einen noch einfacheren Rahmen für die Bekämpfung von Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union zu schaffen als den, der bisher bestanden habe. Sie betonten, dass ihr Vorschlag im Gesetzgebungsverfahren leider nicht angenommen worden sei.

57.

Die Befürworter der zweiten Auslegungsmöglichkeit haben betont, dass die Errichtung der EUStA erforderlich gewesen sei, um die strafrechtliche Untersuchung und Verfolgung von Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union effizienter zu gestalten, als wenn diese von einem einzigen Mitgliedstaat strafrechtlich verfolgt würden. Die EUStA als einheitliche Einrichtung solle daher über die erforderlichen Werkzeuge verfügen, um das Ziel einer effizienten Bekämpfung von Straftaten zum Nachteil des Unionshaushalts zu erreichen. Effizienz solle deshalb als Richtschnur für die Auslegung von Art. 31 der EUStA-Verordnung dienen. In jedem Fall könnten durch die EUStA durchgeführte grenzüberschreitende Ermittlungen nicht so ausgelegt werden, dass sie schwerfälligeren Bedingungen unterlägen, als es die EEA-Richtlinie erfordere.

58.

Die EUStA und die Kommission haben ihren Fokus weiter auf den Aspekt der Effizienz gelegt, indem sie die logistischen Schwierigkeiten betont haben, die mit der Übermittlung und Übersetzung großer Mengen von Dokumenten, die zur Verfahrensakte gehörten, verbunden seien. ( 35 ) Dies spreche für die Auslegung, wonach die Begründung der Maßnahme nur im Mitgliedstaat des betrauten DEStA zu prüfen sei. Darüber hinaus stehe die Zuweisung der Begründung der Ermittlungsmaßnahme zum Recht des Staats des betrauten DEStA und den Gerichten dieses Staats im Einklang mit der Tatsache, dass diese über alle erforderlichen Unterlagen für eine umfassende Kontrolle verfügten. Schließlich würden die Ermittlungen von diesem Staat aus geführt und der Prozess würde höchstwahrscheinlich vor dessen Gerichten stattfinden. ( 36 )

59.

Schlussendlich wies die EUStA auch auf die Schwierigkeiten hin, die sich ergeben würden, sollten die Gerichte verschiedener Mitgliedstaaten, in denen grenzüberschreitende Ermittlungen durchgeführt würden, zu widersprüchlichen Entscheidungen hinsichtlich der Begründung der Maßnahme gelangen. Die vorgeschlagene Auslegung, wonach die Begründung der Maßnahme stets eine Angelegenheit des Rechts des Mitgliedstaats des betrauten DEStA sei, verhindere widersprüchliche Entscheidungen selbst wenn eine große Anzahl von Mitgliedstaaten an der Erhebung von Beweismitteln für einen konkreten Fall beteiligt seien.

d) Entstehungsgeschichte

60.

Sowohl die österreichische als auch die deutsche Regierung betonten die Notwendigkeit, die Entstehungsgeschichte von Art. 31 der EUStA-Verordnung zu berücksichtigen. Österreich zufolge ergibt sich aus dieser Entstehungsgeschichte eindeutig, dass der Mehrheit der Mitgliedstaaten die Probleme, die sich aufgrund des widersprüchlichen Verhältnisses zwischen dem zweiten und dritten Absatz von Art. 31 der EUStA-Verordnung ergeben würden, bewusst gewesen seien. Der gemeinsame Vorschlag der österreichischen und der deutschen Regierung zur Lösung dieses Problems durch die Heranziehung des Modells der gegenseitigen Anerkennung sei jedoch nicht in die endgültige Fassung der EUStA-Verordnung übernommen worden. Es sei daher klar, dass Art. 31 Abs. 3 nicht, wie von den Befürwortern der zweiten Auslegungsmöglichkeit vorgeschlagen, verlange, dass das Gericht des Mitgliedstaats des unterstützenden DEStA die Entscheidung des betrauten DEStA über die Erforderlichkeit einer Ermittlungsmaßnahme im Mitgliedstaat des unterstützenden DEStA anerkenne. Vielmehr erfordere es diese Bestimmung, dass das Gericht des Staats, in dem die Maßnahme durchgeführt werden solle, die Rechtmäßigkeit der Maßnahme, einschließlich ihrer Begründung, prüfe.

61.

In der Sitzung ist die Kommission auf einige Verwicklungen im Zusammenhang mit der Entstehungsgeschichte der EUStA-Verordnung eingegangen und hat ihren jetzigen Standpunkt klargestellt. Es sei daran erinnert, dass ihr Vorschlag von 2013 vorsah, dass das Gericht des Mitgliedstaats des unterstützenden DEStA eine umfassende gerichtliche Kontrolle für Maßnahmen wie Durchsuchungs- und Sicherstellungsmaßnahmen vornehmen würde. In der vorliegenden Rechtssache vertritt die Kommission nunmehr einen anderen Standpunkt.

62.

Zur Rechtfertigung ihres jetzigen Standpunkts erklärte die Kommission, dass der Vorschlag von 2013 vor dem Inkrafttreten der EEA-Richtlinie verfasst worden sei. Diese Richtlinie sehe vor, dass die Begründung einer grenzüberschreitenden Ermittlungsmaßnahme Sache des anordnenden Mitgliedstaats sei und nur vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats angefochten werden könne. ( 37 ) Diese Lösung habe sich in diesem Instrument der gegenseitigen Anerkennung bewährt. Die Kommission habe es daher für einen glücklichen Umstand gehalten, dass die Gesetzgebungsorgane ihren ursprünglichen Vorschlag, wonach die richterliche Genehmigung allein vom Recht des Mitgliedstaats des unterstützenden Mitgliedstaats hätte abhängen sollen, nicht angenommen und diesen Vorschlag stattdessen zum heutigen Art. 31 der EUStA-Verordnung abgeändert hätten. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens sei ihr ursprünglicher Vorschlag daher maßgeblich verbessert und feiner auf die Notwendigkeiten der Zusammenarbeit bei von der EUStA durchgeführten grenzüberschreitenden Ermittlungen abgestimmt worden.

2. Meine vorgeschlagene Auslegung

63.

Zusammengefasst führen die beiden Möglichkeiten zu unterschiedlichen Ergebnissen. Dennoch teilen beide eine gemeinsame Auffassung: Mit dem System der EUStA sollte ein effizienter Mechanismus zur Bekämpfung von Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union geschaffen werden. Dies schließt den Mechanismus für grenzüberschreitende Ermittlungen mit ein. Die EUStA-Verordnung enthält Belege für dieses gesetzgeberische Ziel. ( 38 )

64.

Eine vom Gerichtshof verwendete Auslegungsregel erfordert, dass „bei verschiedenen möglichen Auslegungen einer Gemeinschaftsvorschrift derjenigen der Vorzug zu geben [ist], die die praktische Wirksamkeit der Vorschrift zu wahren geeignet ist“. ( 39 ) Diese Auslegungsregel spricht für die zweite Auslegungsmöglichkeit.

65.

Der österreichischen und der deutschen Regierung zufolge ist die zweite Auslegungsmöglichkeit jedoch, wenn auch normativ wünschenswert, keine verfügbare Auslegungsmöglichkeit, da der Wortlaut von Art. 31 Abs. 3 der EUStA-Verordnung eindeutig sei.

66.

Wäre der Wortlaut eindeutig, könnte es tatsächlich als illegitimer Eingriff des Gerichtshofs angesehen werden, ihm eine andere Bedeutung zuzuschreiben, mit anderen Worten: eine Auslegung contra legem. Aber ist der Wortlaut von Art. 31 Abs. 3 wirklich so eindeutig?

67.

Unzweifelhaft betrachten die österreichische und die deutsche Regierung es als die korrekte Bedeutung von Art. 31 Abs. 3, dass es das Gericht des unterstützenden DEStA ist, das die vorherige Genehmigung für eine in diesem Staat durchzuführende Durchsuchungs- und Sicherstellungsmaßnahme zu erteilen hat, indem es eine umfassende Kontrolle durchführt. Es ist nicht verwunderlich, dass die österreichische und die deutsche Regierung eine solche Auslegung vor dem Gerichtshof verteidigt haben, da beide Staaten ihre Gesetze geändert haben, um sie an diese Auslegung der EUStA-Verordnung anzupassen. ( 40 ) In Gegenüberstellung mit der anderen, gleichermaßen plausiblen Auslegung, die von den Befürwortern der zweiten Auslegungsmöglichkeit vorgeschlagen wird, wird jedoch deutlich, dass die erste Auslegungsmöglichkeit nur eine der in Frage kommenden Auslegungsentscheidungen ist. Nach den Verträgen ist es Sache des Gerichtshofs, diese Entscheidung zu treffen. Wenn der Gerichtshof die zweite anstelle der ersten Auslegungsmöglichkeit wählt, kann dies nicht mit einer Auslegung contra legem gleichgesetzt werden.

68.

Das meines Erachtens überzeugendste Argument, das von der österreichischen und der deutschen Regierung vorgebracht wird, ist, dass Art. 31 Abs. 3 der EUStA-Verordnung im Rahmen der zweiten Auslegungsmöglichkeit obsolet werde. Wenn Art. 31 Abs. 2 besagt, dass das Recht des Staats des betrauten DEStA für die Begründung der Ermittlungsmaßnahme maßgeblich ist, und Art. 32 vorsieht, dass für die Durchführung der Maßnahme das Recht des Staats des unterstützenden DEStA maßgeblich ist, welchen Zweck hat Art. 31 Abs. 3 dann wirklich? Er wiederholt dann nur die Abgrenzung des anwendbaren Rechts bei der Frage der vorherigen richterlichen Genehmigung. Mit anderen Worten würde uns, wenn Art. 31 Abs. 3 gestrichen würde, der Rest von Art. 31 in Verbindung mit Art. 32 zu derselben Schlussfolgerung führen, die nach der zweiten Auslegungsmöglichkeit als das richtige Verständnis von Art. 31 Abs. 3 anzusehen ist. Die erste Auslegungsmöglichkeit misst Art. 31 Abs. 3 also eine Bedeutung zu, die sich von jener der anderen Bestimmungen desselben und der umliegenden Artikel unterscheidet.

69.

Eine weitere vom Gerichtshof verwendete Auslegungsregel erfordert, dass der Wortlaut von Rechtsvorschriften nicht einfach ignoriert werden darf, sondern ihm eine gewisse Bedeutung zugestanden werden muss. ( 41 ) Diese Auslegungsregel scheint für die erste Auslegungsmöglichkeit zu sprechen.

70.

Meines Erachtens kann Art. 31 Abs. 3 jedoch eine über die Art. 31 Abs. 2 und Art. 32 der EUStA-Verordnung hinausgehende Bedeutung zugemessen werden. Es handelt sich um eine Bestimmung, die die Wahl der anwendbaren Rechtsordnung konkret in Bezug auf richterliche Genehmigungen einer zugewiesenen Maßnahme zum Ausdruck bringt, wenn auch dasselbe Ergebnis durch die Anwendung der anderen beiden genannten Bestimmungen erreicht würde. Die gesonderte Regelung des auf richterliche Genehmigungen anwendbaren Rechts könnte aufgrund der Schwierigkeiten, die bei den Verhandlungen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens gerade mit dieser konkreten Fragestellung verbunden waren, als erforderlich angesehen worden sein. Die Redundanz von Art. 31 Abs. 3 kann daher nicht als Argument gegen die Wahl der zweiten Auslegungsmöglichkeit ins Treffen geführt werden.

71.

Betrachtet man die Folgen, die sich aus der Entscheidung des Gerichtshofs für die eine oder die andere Auslegungsmöglichkeit ergeben werden, wird deutlich, dass die Wahl der ersten Auslegungsmöglichkeit grenzüberschreitende Ermittlungen der EUStA in ein weniger effizientes System umwandeln würde, als dasjenige, das mit der EEA-Richtlinie eingeführt wurde. Wenn der Gesetzgeber also tatsächlich ein effizienteres System schaffen wollte, würde die Wahl der ersten Auslegungsmöglichkeit eine Änderung der EUStA-Verordnung erfordern, um effiziente grenzüberschreitende Ermittlungen zu ermöglichen. Eine Entscheidung des Gerichtshofs für die erste Auslegungsmöglichkeit könnte daher als Aufforderung an den Unionsgesetzgeber angesehen werden, zu reagieren. Der deutschen Regierung zufolge wäre nur eine solche Lösung mit den Erfordernissen der Rechtssicherheit vereinbar.

72.

Rechtsunsicherheit besteht jedoch, weil es mehr als eine Auslegungsmöglichkeit gibt. Sobald der Gerichtshof die Bedeutung von Art. 31 Abs. 3 der EUStA-Verordnung klarstellt, indem er sich für die erste oder die zweite Auslegungsmöglichkeit entscheidet, wird sich die Rechtsverwirrung auflösen. Ein Eingreifen des Gesetzgebers erscheint mir daher nicht erforderlich, um die Rechtssicherheit wiederherzustellen. ( 42 )

73.

Die vorstehenden Erwägungen führen mich zu dem Schluss, dass der Gerichtshof die zweite Auslegungsmöglichkeit wählen sollte. Dementsprechend sollte Art. 31 Abs. 3 der EUStA-Verordnung dahin verstanden werden, dass er es dem Gericht des Mitgliedstaats des unterstützenden DEStA nur erlaubt, die mit der Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme im Zusammenhang stehenden Aspekte zu prüfen, während es die Beurteilung des betrauten DEStA, dass die Maßnahme begründet ist, unabhängig davon anerkennen muss, ob diese durch eine vorherige richterliche Genehmigung durch das Gericht des Mitgliedstaats des betrauten DEStA gedeckt ist oder nicht. Diese Auslegung steht nicht im Widerspruch zum Wortlaut von Art. 31 Abs. 3 und ist mit dem Ziel der EUStA-Verordnung, ein effizientes System zur Bekämpfung von Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union zu schaffen, besser vereinbar.

3. Grundrechtsschutz – „mehr als“ gegenseitige Anerkennung?

74.

Effiziente grenzüberschreitende Ermittlungen sind ohne Zweifel ein wichtiges Ziel der EUStA-Verordnung. Diese Effizienz darf jedoch nicht zu Lasten des Grundrechtsschutzes erreicht werden. Der Gerichtshof darf sich daher nur dann für die zweite Auslegungsmöglichkeit als sachgerechte Auslegung von Art. 31 Abs. 3 der EUStA-Verordnung entscheiden, wenn er den Grundrechtsschutz gewährleistet, wie ihn die Charta der Grundrechte der Europäischen Union festlegt (im Folgenden: Charta).

75.

Das Beharren der österreichischen und der deutschen Regierung darauf, dass die Gerichte des Mitgliedstaats des unterstützenden DEStA zu einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle befugt sein sollten, könnte als Sorge um den Grundrechtsschutz verstanden werden. In den Mitgliedstaaten der Union wurden kohärente Strafrechtssysteme eingerichtet. Der Schutz der Grundrechte wurde sorgfältig in ihre Gesetzgebung im Bereich der Strafverfolgung und der Sanktionierung von Straftaten integriert, einem Bereich, in dem Staaten ihre Zwangsbefugnisse ausüben, die in das Privatleben und die Freiheiten Einzelner eingreifen.

76.

Nationale Strafrechtssysteme verfügen deshalb in ihren materiellen und verfahrensrechtlichen Strafrechtsvorschriften über inhärente Grundrechtsgarantien. Diese Vorschriften hängen gegenseitig voneinander ab und schützen in ihrer Gesamtheit Grundrechte. ( 43 ) Wenn jedoch eine einzelne Vorschrift aus einem System entnommen und in ein anderes eingefügt wird, könnte der Grundrechtsschutz geschwächt werden: Obwohl die Vorschrift in ihrem ursprünglichen Rechtsrahmen gut funktioniert hat, wird sie dies nicht notwendigerweise auch in einem anderen tun. ( 44 )

77.

Aus diesem Grund ruft ein Rückgriff auf die gegenseitige Anerkennung, die die Übertragung lediglich mancher Rechtsvorschriften eines Rechtssystems in das andere impliziert, Bedenken im Hinblick auf eine mögliche Schwächung des Grundrechtsschutzes hervor. ( 45 ) Da das Unionsrecht nach seinem gegenwärtigen Stand über kein kohärentes Regelwerk verfügt, das entweder alle Aspekte der Straftaten, zu deren Verfolgung die EUStA zuständig ist, oder die Verfahrensregeln für die Strafverfolgungsmaßnahmen der EUStA regeln würde, ( 46 ) ist der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung die nächstbeste Möglichkeit, Hindernisse für grenzüberschreitende Ermittlungen zu beseitigen.

78.

Ich habe daher auf die Argumente der Befürworter der zweiten Auslegungsmöglichkeit einzugehen, wonach die EUStA kein System der gegenseitigen Anerkennung, sondern „mehr als das“ sei. Ich bin gegenteiliger Ansicht: Solange es keine gemeinsamen Strafrechtsvorschriften der Europäischen Union gibt, kann die EUStA nur auf der Grundlage gegenseitiger Anerkennung tätig sein. Der Grad der gegenseitigen Anerkennung ist jedoch von Fall zu Fall verschieden und die EUStA kann als das am weitesten entwickelte Instrument der gegenseitigen Anerkennung im Bereich der Zusammenarbeit in Strafsachen angesehen werden (Unterabschnitt a).

79.

Daraus ergibt sich die Frage, ob die in Nr. 73 der vorliegenden Schlussanträge vorgeschlagene Auslegung von Art. 31 Abs. 3 der EUStA-Verordnung, die sich zum Teil auf die gegenseitige Anerkennung stützt, die Grundrechte von Verdächtigen oder Beschuldigten in grenzüberschreitenden Ermittlungen wahrt. Ich werde darlegen, dass dies tatsächlich der Fall ist, insbesondere, wenn man sie im weiteren Kontext der EUStA-Verordnung betrachtet.

a) Das Wesen der gegenseitigen Anerkennung in Strafsachen

80.

In den schriftlichen Erklärungen und in der Sitzung haben die Beteiligten ihre Ansichten zur gegenseitigen Anerkennung dargelegt. Die EEA-Richtlinie ist als Beispiel für einen Mechanismus der gegenseitigen Anerkennung angeführt worden, wohingegen argumentiert worden ist, dass die EUStA-Verordnung „mehr als das“ sei. Auf die Frage, was „mehr als das“ sei, haben sich die Beteiligten vor allem auf das Wesen der EUStA konzentriert: Sie sei eine einheitliche, unteilbare Einrichtung und ihre Entscheidungen sollten nicht Gegenstand einer möglichen Ablehnung der Anerkennung sein (wie es nach der EEA-Richtlinie möglich sei). ( 47 )

81.

Der Begriff der gegenseitigen Anerkennung ist verwendet worden, um eine Situation zu beschreiben, in der eine in einem Mitgliedstaat ergangene Einzelfallentscheidung (z. B. Urteil, Haftbefehl oder Ermittlungsanordnung) in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt wird. Das System der EUStA setzt nicht voraus, dass das Ersuchen um eine Ermittlungsmaßnahme für seine Umsetzung vom Mitgliedstaat des unterstützenden DEStA „anerkannt“ werden müsste, was der übliche Schritt bei Rechtsinstrumenten über grenzüberschreitende Strafverfahren ist. Daher wird argumentiert, dass der Mechanismus der EUStA kein System der gegenseitigen Anerkennung, sondern mehr als das sei.

82.

Da es sich bei der EUStA um eine einheitliche Einrichtung ( 48 ) handelt, sind ihre dezentralisierten Staatsanwälte tatsächlich Teil dieser Einrichtung. Es wäre merkwürdig, wenn eine einheitliche Einrichtung aufgefordert würde, ihre eigenen Entscheidungen anzuerkennen. Dem unterstützenden DEStA wird eine Maßnahme daher vielmehr zugewiesen, als dass er eine Ermittlungsanordnung anzuerkennen hätte.

83.

Der Akt der Anerkennung eines aus einem anderen Mitgliedstaat stammenden Dokuments (und seiner Rechtswirkungen) ist jedoch nicht der Wesensgehalt, sondern nur die Ausprägung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung. Der Kerngedanke des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung ist es, dass Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt und angewandt werden, auch wenn sie von den in diesem zweiten Staat gewählten Lösungen abweichen. Eine solche Akzeptanz des „anderen“ Systems erfordert ein hohes Maß an Vertrauen in dieses andere System.

84.

In Ermangelung einer gesetzgeberischen Lösung der Union für die Frage, die sich im vorliegenden Fall stellt, muss sich die EUStA in jeder grenzüberschreitenden Situation auf die Gesetze eines der Mitgliedstaaten verlassen, denen der andere Mitgliedstaat vertrauen muss.

85.

Die gegenseitige Anerkennung in Strafsachen wurde durch die Verwendung dieses Grundsatzes im Bereich des Binnenmarkts inspiriert. ( 49 ) Es sei daran erinnert, dass die gegenseitige Anerkennung, als zentraler Grundsatz des durch die Verträge geschaffenen Binnenmarkts, im Cassis-de-Dijon-Urteil des Gerichtshofs entwickelt wurde. ( 50 ) Dies war möglich, weil zwischen den in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften ein gewisses Grundmaß an Vergleichbarkeit bestand. ( 51 )

86.

Die Wirkung der gegenseitigen Anerkennung im Binnenmarkt wirkte deregulierend und erweiterte die Rechte Einzelner zu Lasten der Regelungsautonomie des Staates. ( 52 )

87.

Obwohl die gegenseitige Anerkennung in Strafsachen ebenfalls die Akzeptanz der gesetzgeberischen Entscheidungen des anderen Mitgliedstaats erfordert, folgt sie nicht eins zu eins der Logik dieses Grundsatzes, wie er im Kontext des Binnenmarkts zur Anwendung kommt. Gegenstand der Anerkennung sind hier justizielle und andere hoheitliche Einzelfallentscheidungen von Mitgliedstaaten, wobei das Gewaltmonopol eines Mitgliedstaats in den Dienst eines anderen Mitgliedstaats gestellt wird. ( 53 ) Der Einzelne wird vom Subjekt zum Objekt der Freizügigkeit zwischen den Mitgliedstaaten. ( 54 ) Die Deregulierung, die sich im Bereich des Binnenmarkts aus der gegenseitigen Anerkennung ergibt, wird in Strafsachen zu einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ihr Gewaltmonopol aktiv auszuüben. ( 55 )

88.

Für das Funktionieren der gegenseitigen Anerkennung in Strafsachen ist ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen erforderlich. Dieses Vertrauen bezieht sich auf das Bekenntnis zum Schutz der Grundrechte des Adressaten der staatlichen Zwangsgewalt durch den anderen Mitgliedstaat. ( 56 )

89.

Dies ist der Ausgangspunkt aller Instrumente der gegenseitigen Anerkennung, wie z. B. der EEA-Richtlinie. Auch wenn gegenseitiges Vertrauen erforderlich ist, kann es jedoch nicht erzwungen werden. ( 57 ) Demnach kommt in den derzeitigen Instrumenten des gegenseitigen Vertrauens also auch ein gewisser Grad an Misstrauen zum Ausdruck. Dies spiegelt sich in den Regeln, die unter bestimmten Umständen eine Versagung der Anerkennung erlauben, ( 58 ) in der Harmonisierung von Teilen des Strafverfahrens auf Unionsebene ( 59 ) und in der Entwicklung der Rechtsprechung in dieser Hinsicht wider. ( 60 )

90.

Im vorliegenden Fall haben die Parteien auf die EEA-Richtlinie verwiesen, um die Unterschiede und Ähnlichkeiten dieses Systems der gegenseitigen Anerkennung im Vergleich zur EUStA-Verordnung zu erörtern. Deshalb würde ich gerne kurz auf die EEA-Richtlinie eingehen.

91.

Die EEA-Richtlinie wurde auf der Grundlage von Art. 82 AEUV erlassen, um grenzüberschreitende Ermittlungen zu verbessern, und beruht auf gegenseitiger Anerkennung. Nach dem mit ihr eingeführten System kann eine Behörde ( 61 ) eines Mitgliedstaats eine Europäische Ermittlungsanordnung (EEA) erlassen, wenn dies für die Durchführung einer Ermittlung im Rahmen des innerstaatlichen Strafverfahrens erforderlich ist. Es ist keine Voraussetzung, dass es sich um eine Straftat zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union handeln müsste: Es kommt nur darauf an, dass eine Ermittlungsmaßnahme in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die hauptsächliche strafrechtliche Untersuchung stattfindet, durchgeführt werden muss, und zwar auch dann, wenn sich ein Beweisstück bereits im Besitz der zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaats befindet. ( 62 )

92.

Die Behörde eines Mitgliedstaats darf unter zwei Bedingungen eine EEA erlassen. Erstens muss eine EEA für die Zwecke von Strafverfahren unter Berücksichtigung der Rechte der verdächtigen oder beschuldigten Person notwendig und verhältnismäßig sein und zweitens hätte die in der EEA angegebene Ermittlungsmaßnahme in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall unter denselben Bedingungen angeordnet werden können. ( 63 )

93.

Diese sachlichen Gründe für den Erlass einer EEA können nur durch eine Klage im Anordnungsstaat angefochten werden. ( 64 ) Intuitiv erscheint die Beurteilung der Begründetheit daher ausschließlich dem Anordnungsstaat zuzustehen, eine Lösung, die die Verwendung der EEA erheblich vereinfacht und wohl ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen beweist. Aber ist dies wirklich der Fall?

94.

Zunächst sieht Art. 14 Abs. 2 der EEA-Richtlinie tatsächlich vor, dass die Gründe für den Erlass einer EEA nur im Anordnungsstaat angefochten werden können, aber „dies lässt die Garantien der Grundrechte im Vollstreckungsstaat unberührt“. ( 65 ) Dies wird in Art. 11 Abs. 1 Buchst. f der EEA-Richtlinie weiter ausgeführt, wonach die Anerkennung oder Vollstreckung einer EEA im Vollstreckungsstaat versagt werden kann, wenn „berechtigte Gründe für die Annahme bestehen, dass die Vollstreckung einer in der EEA angegebenen Ermittlungsmaßnahme mit den Verpflichtungen des Vollstreckungsstaats nach Artikel 6 EUV und der Charta unvereinbar wäre“. ( 66 ) Je nach Auslegung des Begriffs „berechtigte Gründe“ scheint die vorstehend genannte Bestimmung es dem Vollstreckungsstaat zu erlauben, die Achtung der Grundrechte im Anordnungsstaat zu kontrollieren. Darüber hinaus darf die Vollstreckungsbehörde nach Art. 10 Abs. 3 der EEA-Richtlinie die mit einer EEA angeordnete Ermittlungsmaßnahme ändern, wenn diese andere Maßnahme mit weniger einschneidenden Mitteln das gleiche Ergebnis erreichen würde.

95.

Angesichts des vorstehend gegebenen kurzen Überblicks kann nur schwer argumentiert werden, dass die EEA-Richtlinie für ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen steht. Der Vollstreckungsbehörde verbleibt ein relativ großer Handlungsspielraum, um das Niveau des Grundrechtsschutzes oder die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Anordnungsstaat in Zweifel zu ziehen.

96.

Vergleicht man sie z. B. mit dem System des Europäischen Haftbefehls (im Folgenden: EHB), das begrenzte Gründe vorsieht, aus denen ein solcher abzulehnen ist oder abgelehnt werden kann, räumt die EEA-Richtlinie der Vollstreckungsbehörde einen größeren Handlungsspielraum ein. Im Vergleich können wir das System des EHB als eine etwas stärkere Form der gegenseitigen Anerkennung bezeichnen. Beide Systeme sind unvollkommen, da sie weiterhin auf die Anerkennung von Einzelfallentscheidungen abzielen und die Möglichkeit einer Versagung im Vollstreckungsmitgliedstaat bestehen bleibt. ( 67 )

97.

Gegenseitige Anerkennung ist also eine graduelle Frage.

98.

In diesem Licht gesehen könnte das Argument, dass das System der EUStA nicht nur gegenseitige Anerkennung, sondern „mehr als das“ sei, zu akzeptieren sein, wenn es dahin verstanden wird, dass das System der EUStA ein abweichendes, höheres Maß an gegenseitiger Anerkennung schafft.

99.

Allerdings darf „mehr als das“ nicht „etwas anderes als das“ bedeuten. Mit anderen Worten kann es nicht bedeuten, dass das System der EUStA nicht auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung beruht, das Vertrauen in die Rechtsordnungen anderer Mitgliedstaaten voraussetzt. Genau dieser in das System eingebaute Grundsatz ist es, der die Akzeptanz der Vorschriften anderer Mitgliedstaaten ermöglicht, selbst wenn diese anders sind. Damit dieser Grundsatz angewandt werden kann, ist, wie bei allen anderen Instrumenten der gegenseitigen Anerkennung, das Vertrauen darauf erforderlich, dass alle Mitgliedstaaten die Grundrechte schützen.

100.

Zusammengefasst ist die gegenseitige Anerkennung in Strafsachen kein einheitliches Konzept, sondern ist in den verschiedenen Mechanismen des RFSR unterschiedlich stark ausgeprägt.

101.

Wenn wir davon ausgehen, dass die gegenseitige Anerkennung in Strafsachen unterschiedlich stark ausgeprägt ist, ist die EUStA-Verordnung tatsächlich der bisher am weitesten fortgeschrittene Gesetzgebungsakt – aber auch dabei handelt es sich um keine vollkommene gegenseitige Anerkennung. ( 68 ) Die EUStA ist eine einheitliche Einrichtung und die zugewiesenen grenzüberschreitenden Maßnahmen müssen tatsächlich nicht „anerkannt“, sondern lediglich durchgeführt werden. In Ermangelung einer Harmonisierung müssen die Grundrechte von Verdächtigen und Beschuldigten jedoch in einem Kontext gewährleistet werden, in dem sich die EUStA wie im Fall grenzüberschreitender Ermittlungen eine Palette an nationalen Vorschriften des materiellen Strafrechts und des Strafverfahrensrechts „ausborgt“.

b) Grundrechtsgarantien in der EUStA-Verordnung

102.

Da die Vorschriften eines Mitgliedstaats für die richterliche Genehmigung von Ermittlungsmaßnahmen gelten, die in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführt werden sollen, könnte es zu einer Schwächung des Grundrechtsschutzes oder sogar zu Lücken darin kommen.

103.

Art. 5 Abs. 1 der EUStA-Verordnung sieht vor, dass die EUStA „gewährleistet, dass bei ihrer Tätigkeit die in der Charta verankerten Rechte beachtet werden“. ( 69 ) Ermöglicht die EUStA-Verordnung die Erfüllung dieser Verpflichtung bei grenzüberschreitenden Ermittlungen? Meines Erachtens tut sie das.

104.

Ich habe mehrere Mechanismen quer durch die EUStA-Verordnung vor Augen, die für diesen Befund sprechen. Erstens den Mechanismus der Zusammenarbeit zwischen dem betrauten und dem unterstützenden DEStA (Art. 31 Abs. 5 der EUStA-Verordnung); ( 70 ) zweitens Art. 41 der EUStA-Verordnung über den Umfang des Grundrechtsschutzes; und drittens das Erfordernis, dass alle Mitgliedstaaten eine gerichtliche Kontrolle der Verfahrenshandlungen der EUStA vorsehen (Art. 42 Abs. 1 der EUStA-Verordnung). Ich werde kurz gesondert auf jeden dieser Mechanismen eingehen.

105.

Erstens enthält die EUStA-Verordnung, wie von der EUStA und der Kommission betont, keine Gründe für die Versagung der Anerkennung. Vielmehr setzt das System der EUStA auf einen internen Dialog zwischen dem betrauten und dem unterstützenden DEStA, um den Erfordernissen des Rechts des unterstützenden Mitgliedstaats Rechnung zu tragen und etwaige Fehler im Antrag auf eine Ermittlungsmaßnahme zu korrigieren. Nach Art. 31 Abs. 5 der EUStA-Verordnung arbeiten die beiden DEStA bei der effizienten Durchführung der strafrechtlichen Untersuchung unter Wahrung des Grundrechtsschutzes zusammen. ( 71 ) Dieses System der internen Zusammenarbeit ist eines der wichtigen Elemente zur Gewährleistung des Grundrechtsschutzes der im System der EUStA.

106.

Insbesondere kann der unterstützende DEStA den die Aufsicht führenden Europäischen Staatsanwalt in Kenntnis setzen und sich mit dem betrauten DEStA beraten, wenn Fragen im Zusammenhang mit der zugewiesenen Maßnahme auftreten. Situationen nach Art. 31 Abs. 5 Buchst. c und d der EUStA-Verordnung sind von besonderem Interesse: wenn sich mit einer weniger eingreifenden Maßnahme dieselben Ergebnisse erreichen ließen und wenn die zugewiesene Maßnahme nicht existiert oder in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht zur Verfügung stünde.

107.

Eine Einschätzung, dass eine weniger eingreifende bzw. einschneidende Maßnahme dasselbe bzw. gleiche Ergebnis erreichen würde, entspricht Art. 10 Abs. 3 der EEA-Richtlinie, nach dem die Vollstreckungsbehörde die mit einer EEA beantragte Maßnahme ändern kann. Noch wichtiger ist, dass dies bedeutet, dass der unterstützende DEStA gehalten ist, eine Verhältnismäßigkeitsprüfung der zugewiesenen Maßnahme durchzuführen, was eine zusätzliche Kontrolle ermöglicht.

108.

Die Nichtverfügbarkeit derselben bzw. gleichen Maßnahme in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall ist eine auch in Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der EEA-Richtlinie enthaltene Erwägung und wird in Art. 11 Abs. 1 Buchst. c der EEA-Richtlinie als Grund für die Versagung der Vollstreckung in bestimmten Fällen aufgeführt. Für den Fall, dass die beiden DEStA innerhalb von sieben Tagen keine Einigung erzielen können, wird die Angelegenheit nach Art. 31 Abs. 7 der EUStA-Verordnung zur endgültigen Entscheidung an die Ständige Kammer verwiesen. Letztlich kann die Maßnahme dann ungeachtet der vom unterstützenden DEStA geäußerten Bedenken Bestand haben. Es liegt jedoch im Interesse der EUStA, dass die Beweise, die sich aus der grenzüberschreitenden strafrechtlichen Untersuchung ergeben, in der gerichtlichen Phase des Verfahrens verwendet werden können. ( 72 ) Es ist daher unwahrscheinlich, dass die Ständige Kammer eine Maßnahme billigen würde, die nach einer der beteiligten Rechtsordnungen nicht hinnehmbar ist.

109.

Obwohl das System der internen Zusammenarbeit zwischen dem betrauten und dem unterstützenden DEStA die Gefahr einer Grundrechtsverletzung bis zu einem gewissen Grad abmildern mag, ( 73 ) darf nicht davon ausgegangen werden, dass die EUStA vor Fehlern gefeit ist.

110.

In dieser Hinsicht enthält die EUStA-Verordnung zusätzliche Mechanismen, die die Kontrolle der Handlungen der EUStA in grenzüberschreitenden Ermittlungen ermöglichen.

111.

Erstens werden in Art. 41 der EUStA-Verordnung die konkreten Rechte Verdächtiger und Beschuldigter näher geregelt. Er verweist auf die Schutzstandards der Charta (Abs. 1); auf den in den verschiedenen EU-Mechanismen zur Harmonisierung von Teilen des Strafverfahrens in den Mitgliedstaaten gewährleisteten Schutz (Abs. 2); ( 74 ) sowie alle Verfahrensrechte, die das geltende nationale Recht zuerkennt (Abs. 3). ( 75 )

112.

Zweitens erfordert Art. 42 Abs. 1 der EUStA-Verordnung, dass eine gerichtliche Kontrolle von Ermittlungsmaßnahmen stets möglich ist. Wenn also keine vorherige gerichtliche Kontrolle stattgefunden hat oder die kombinierte Anwendung zweier Rechtssysteme (eines für die Begründung der Maßnahme und das andere für ihre Durchführung) dazu geführt hat, dass hinsichtlich des Grundrechtsschutzes etwas übersehen wurde, würde eine nachträgliche gerichtliche Kontrolle der Korrektur etwaiger Verstöße dienen. ( 76 )

113.

Die EUStA-Verordnung gewährleistet den Schutz der Grundrechte in hohem Maße. Es trifft zu, dass sie in bestimmten Situationen und aus der Sicht mancher Mitgliedstaaten zu einer Herabsetzung des zuvor geschützten Niveaus individueller Rechte führen kann. Nichtsdestotrotz sind diese Rechte zumindest auf Ebene der Charta und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) geschützt. Schließlich führt eine Harmonisierung in Mitgliedstaaten mit einem vormals höheren Schutzniveau unweigerlich zu einer Schwächung des Schutzes, ( 77 ) sofern nicht der höchste Standard als gemeinsame Vorschrift erlassen wird.

114.

Dies ist jedoch der Preis für die Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft.

115.

Zusammengefasst schafft die EUStA-Verordnung ein hoch entwickeltes System der gegenseitigen Anerkennung, wenn es um grenzüberschreitende Ermittlungen geht. Obwohl sie keine Möglichkeit einer Ablehnung der Entscheidung des betrauten DEStA über die Erforderlichkeit der Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die hauptsächliche strafrechtliche Untersuchung stattfindet, vorsieht, enthält sie eine Reihe von Sicherungen, die den Grundrechtsschutz gewährleisten. Die Auslegung von Art. 31 Abs. 3 der EUStA-Verordnung dahin, dass die Zuständigkeiten für die Kontrolle einer grenzüberschreitenden Ermittlungsmaßnahme zwischen den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten des betrauten und des unterstützenden DEStA aufgeteilt werden, gefährdet daher nicht den Grundrechtsschutz. Angesichts der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, der in Nr. 73 dieser Schlussanträge dargelegten Auslegung der Art. 31 und 32 der EUStA-Verordnung zu folgen.

III. Ergebnis

116.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Oberlandesgericht Wien (Österreich) zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1.

Art. 31 Abs. 3 und Art. 32 der Verordnung (EU) 2017/1939 des Rates vom 12. Oktober 2017 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA-Verordnung)

sind dahin auszulegen, dass bei grenzüberschreitenden Ermittlungen das Gericht, das die Durchführung einer Maßnahme im Mitgliedstaat des unterstützenden Delegierten Europäischen Staatsanwalts genehmigt, nur die mit der Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme im Zusammenhang stehenden Aspekte prüfen darf.

2.

Art. 31 Abs. 3 und Art. 32 der EUStA-Verordnung

sind dahin auszulegen, dass bei grenzüberschreitenden Ermittlungen das Gericht des Mitgliedstaats des unterstützenden Delegierten Europäischen Staatsanwalts die Beurteilung des betrauten Delegierten Europäischen Staatsanwalts, dass die Maßnahme begründet ist, unabhängig davon anerkennen muss, ob diese durch eine vorherige richterliche Genehmigung durch das Gericht im Mitgliedstaat des betrauten Delegierten Europäischen Staatsanwalts gedeckt ist oder nicht.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Verordnung (EU) 2017/1939 des Rates vom 12. Oktober 2017 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (ABl. 2017, L 283, S. 1) (im Folgenden: EUStA-Verordnung).

( 3 ) Siehe Art. 2 Nr. 5 der EUStA-Verordnung.

( 4 ) Siehe Art. 2 Nr. 6 der EUStA-Verordnung.

( 5 ) Siehe z. B. die folgenden jüngeren Erläuterungen zu den vom Gerichtshof verwendeten Auslegungsmethoden. „… [N]ach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs [sind] bei der Auslegung einer unionsrechtlichen Vorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Kontext und die Ziele zu berücksichtigen …, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden …“. Siehe z. B. Urteil vom 2. Februar 2023, Towarzystwo Ubezpieczeń Ż (Irreführende Musterversicherungsverträge) (C‑208/21, EU:C:2023:64, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung). Siehe Urteil vom 13. Oktober 2022, Perfumesco.pl (C‑355/21, EU:C:2022:791, Rn. 39). „Auch die Entstehungsgeschichte einer Bestimmung des Unionsrechts kann relevante Anhaltspunkte für ihre Auslegung liefern …“.

( 6 ) Ein gewisser Grad an Harmonisierung der Tatbestandsmerkmale von Finanzstraftaten zum Nachteil der Interessen der Europäischen Union wird durch die Richtlinie (EU) 2017/1371 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2017 über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug (ABl. 2017, L 198, S. 29) (im Folgenden: PIF‑Richtlinie) hergestellt.

( 7 ) Gesetz zur Ausführung der EU-Verordnung zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (Europäische-Staatsanwaltschaft-Gesetz – EUStAG) vom 10. Juli 2020 (BGBl. I S. 1648), § 3 Abs. 2.

( 8 ) Die EUStA arbeitet über ein Netzwerk Europäischer Staatsanwälte auf EU-Ebene (in Luxemburg) unter der Leitung des Europäischen Generalstaatsanwalts. Die EUStA setzt sich aus Europäischen Staatsanwälten, Ständigen Kammern (die die Ermittlungen überwachen und leiten sowie die Kohärenz der Tätigkeiten der EUStA gewährleisten) und dem Kollegium Europäischer Staatsanwälte (das aus einem Europäischen Staatsanwalt pro Mitgliedstaat besteht) zusammen. Die dezentrale Ebene besteht aus Delegierten Europäischen Staatsanwälten aus jedem teilnehmenden Mitgliedstaat.

( 9 ) Art. 8 Abs. 1 der EUStA-Verordnung.

( 10 ) Siehe Art. 86 Abs. 2 AEUV und Art. 4 der EUStA-Verordnung.

( 11 ) Siehe Art. 5 Abs. 3 der EUStA-Verordnung.

( 12 ) Siehe insbesondere Corpus Juris 2000, Grünbuch zum strafrechtlichen Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften und zur Schaffung einer Europäischen Staatsanwaltschaft (KOM[2001] 715 endgültig) („Fassung von Florenz“). Das Corpus Juris war ein Folgebericht zum Corpus Juris 1997 („Corpus Juris der strafrechtlichen Regelungen zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union“, Carl Heymanns Verlag, 1998), das von einer bei der Sitzung der Präsidenten der Vereinigungen für europäisches Strafrecht an der Universität Urbino (Italien) im Jahr 1995 ins Leben gerufenen Expertengruppe ausgearbeitet wurde. Der zentrale Vorschlag im Corpus Juris war die Schaffung eines einheitlichen Rechtsraums zur Regelung sowohl des materiellen Strafrechts als auch des Strafverfahrensrechts, wobei Letzteres einen Vorschlag zur Einsetzung eines Europäischen Staatsanwalts enthielt. Für weitere Informationen siehe <https://www.eppo.europa.eu/de/hintergrund>.

( 13 ) Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (COM[2013] 534 final) (im Folgenden: Vorschlag von 2013).

( 14 ) Nicht beteiligte Mitgliedstaaten sind Ungarn, Polen und Schweden. Dänemark und Irland verfügen über ein „Opt-out“ vom Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (im Folgenden: RFSR).

( 15 ) Herrnfeld, H. H., „Artikel 31“, in Herrnfeld, H. H., Brodowski, D., und Burchard, C. (Hrsg.), European Public Prosecutor‘s Office. Article-by-Article Commentary, Bloomsbury Publishing, London, 2020, S. 300.

( 16 ) Siehe hierzu Art. 26 Abs. 4 und 5 des Vorschlags von 2013: „(4) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass für die in Absatz 1 Buchstaben a bis j genannten Ermittlungsmaßnahmen eine Genehmigung der zuständigen Justizbehörde des Mitgliedstaats erforderlich ist, in dem die Maßnahmen durchgeführt werden sollen“ und „(5) Für die in Absatz 1 Buchstaben k bis u genannten Ermittlungsmaßnahmen ist eine richterliche Genehmigung erforderlich, sofern diese im innerstaatlichen Recht des Mitgliedstaats, in dem die Ermittlungsmaßnahme durchgeführt werden soll, vorgeschrieben ist“.

( 17 ) Protokoll Nr. 2 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit (ABl. 2008, C 115, S. 206).

( 18 ) Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und die nationalen Parlamente über die Überprüfung des Vorschlags für eine Verordnung des Rates über die Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft in Bezug auf den Subsidiaritätsgrundsatz gemäß Protokoll Nr. 2 (COM[2013] 851 final), S. 10.

( 19 ) Herrnfeld, Fn. 15, S. 291.

( 20 ) Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft – Schriftliche Bemerkungen der österreichischen und deutschen Delegationen, Interinstitutionelles Dossier: 2013/0255 (APP), DS 1237/15, 21. April 2015.

( 21 ) Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft – Schriftliche Bemerkungen der deutschen Delegation, Interinstitutionelles Dossier: 2013/0255 (APP), DS 1234/15, 21. April 2015.

( 22 ) Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (ABl. 2014, L 130, S. 1) (im Folgenden: EEA-Richtlinie).

( 23 ) Die schriftlichen Bemerkungen Österreichs und Deutschlands führten weiter aus: „Ist nach dem Recht des Mitgliedstaats des unterstützenden Delegierten Europäischen Staatsanwalts für die Anerkennung der Maßnahme eine richterliche Genehmigung oder eine gerichtliche Anordnung erforderlich, so legt er/sie die Anordnung und gegebenenfalls die begleitende richterliche Genehmigung der zuständigen Justizbehörde seines/ihres Mitgliedstaats zur Anerkennung vor.“

( 24 ) In den schriftlichen Bemerkungen Deutschlands hieß es weiter: „Um nur auf einige wesentliche Punkte hinzuweisen: Der Wortlaut von Art. 26a wird klarstellen müssen, wer die Entscheidung zur Anordnung einer Maßnahme trifft oder eine von einem Gericht anzuordnende Maßnahme beantragt und welches Recht für die Anordnung/Beantragung solcher Maßnahmen gilt. Der derzeitige Text scheint diese Frage offen zu lassen oder dem betrauten DEStA sogar eine Wahl zu lassen: Der Begriff ‚zuweisen‘ in Abs. 1 stellt nicht klar, wer derjenige ist, der die Entscheidung zur Anordnung einer Maßnahme trifft“. Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft – Schriftliche Bemerkungen der deutschen Delegation, Interinstitutionelles Dossier: 2013/0255 (APP), DS 1234/15, 21. April 2015. Siehe auch die Leitlinien des Kollegiums zur Anwendung von Artikel 31 der Verordnung (EU) 2017/1939, Beschluss des Kollegiums 006/2022, S. 4, Rn. 8 („Im Übrigen regelt Artikel 31 Abs. 3 nicht ausdrücklich die Fallgestaltung, dass sowohl das Recht des Mitgliedstaats des betrauten DEStA als auch das Recht des Mitgliedstaats des unterstützenden DEStA eine richterliche Genehmigung vorschreiben“).

( 25 ) Siehe Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft – Sonstige Fragestellungen. Vorsitz des Rates 12344/16, 20. September 2016, S. 5.

( 26 ) Schlussanträge der Generalanwältin Ćapeta in der Rechtssache Rigall Arteria Management (C‑64/21, EU:C:2022:453, Nr. 43).

( 27 ) Selbst die überzeugtesten Anhänger der kritischen Rechtslehre würden einräumen, dass Rechtsvorschriften, so wie sie formuliert sind, die richterliche Auslegung einschränken. Siehe z. B. Kennedy, D., A Critique of Adjudication (fin de siècle), Harvard University Press, Cambridge (Massachusetts), 1997, S. 13.

( 28 ) Zum Beispiel in den Urteilen vom 28. Januar 2020, Kommission/Italien (Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug) (C‑122/18, EU:C:2020:41, Rn. 43) (Auslegung eines Artikels im Kontext des nächsten); vom 8. Dezember 2020, Staatsanwaltschaft Wien (Gefälschte Überweisungsaufträge) (C‑584/19, EU:C:2020:1002, Rn. 56 bis 69) (Auslegung einer Bestimmung im Kontext der Eingangsbestimmungen und der Erwägungsgründe einer Richtlinie); und vom 24. Februar 2022, Namur-Est Environnement/Région wallonne (C‑463/20, EU:C:2022:121, Rn. 46) (Auslegung einer Bestimmung in Bezug auf die in Rede stehende Richtlinie insgesamt).

( 29 ) Zum Beispiel in den Urteilen vom 10. Dezember 2018, Wightman u. a. (C‑621/18, EU:C:2018:999, Rn. 47); und vom 27. November 2012, Pringle (C‑370/12, EU:C:2012:756, Rn. 135).

( 30 ) Zum Beispiel im Urteil vom 10. März 2021, Ordine Nazionale dei Biologi u. a. (C‑96/20, EU:C:2021:191, Rn. 26 und 27); und vom 13. Oktober 2022, Rigall Arteria Management (C‑64/21, EU:C:2022:783, Rn. 31).

( 31 ) Siehe hierzu Urteil vom 17. April 1986, Reed (59/85, EU:C:1986:157, Rn. 15) (wo der Gerichtshof feststellte, dass mangels eines Hinweises auf eine allgemeine gesellschaftliche Entwicklung das Wort „Ehegatte“ unverheiratete Partner nicht mit einschließt). 32 Jahre später wurde derselbe Begriff in den Schlussanträgen des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Coman u. a. (C‑673/16, EU:C:2018:2, Nr. 56 bis 58) anders gesehen (wo er die Entwicklungen in Bezug auf das Verständnis des Begriffs „Ehegatte“ analysiert, um zu zeigen, dass eine zunehmende Anzahl an Mitgliedstaaten darunter auch die gleichgeschlechtliche Ehe verstehe).

( 32 ) In der mündlichen Verhandlung hat auch die EUStA anerkannt, dass die Verwendung des Wortes „however“ in der englischen Fassung die Auslegung von Art. 31 Abs. 3 der EUStA-Verordnung verkompliziere.

( 33 ) Die EUStA hat in der mündlichen Verhandlung hinzugefügt, dass der 72. Erwägungsgrund keine normative Bedeutung habe und er die Auslegung von Art. 31 daher nicht determinieren sollte.

( 34 ) Die EUStA erklärte in der Sitzung, dass diese Verfahrensakte manchmal tausende Seiten enthalte, was externe Übersetzer erfordern und die Arbeit der EUStA daher erheblich verteuern sowie Monate oder sogar Jahre für die Übersetzung in Anspruch nehmen würde.

( 35 ) Siehe oben, Fn. 34.

( 36 ) Die EUStA-Verordnung sieht in Art. 26 Abs. 5 die Möglichkeit vor, den Mitgliedstaat, in dem die strafrechtliche Untersuchung stattfindet, bis zu einer Entscheidung über eine Strafverfolgung (im Einklang mit Art. 36 der EUStA-Verordnung) zu ändern.

( 37 ) 22. Erwägungsgrund und Art. 14 Abs. 2 der EEA-Richtlinie. Dies wurde auch im Urteil vom 11. November 2021, Gavanozov II (C‑852/19, EU:C:2021:902, Rn. 40) betont.

( 38 ) Siehe z. B. die Erwägungsgründe 14, 20 und 54 sowie die Art. 12 Abs. 3 und Art. 34 Abs. 3 der EUStA-Verordnung.

( 39 ) Zum Beispiel Urteil vom 24. Februar 2000, Kommission/Frankreich (C‑434/97, EU:C:2000:98, Rn. 21).

( 40 ) Siehe oben, Nrn. 7 und 8.

( 41 ) Zum Beispiel Urteil vom 1. April 2004, Kommission/Jégo-Quéré (C‑263/02 P, EU:C:2004:210, Rn. 36 bis 38).

( 42 ) Auf der anderen Seite würde es ein Eingreifen der österreichischen und deutschen Gesetzgeber erfordern, sollte sich der Gerichtshof für die zweite Auslegungsmöglichkeit entscheiden, da dies dazu führen würde, dass die jeweiligen Rechtsvorschriften, die an die erste Auslegungsmöglichkeit angepasst wurden, gegen die EUStA-Verordnung verstoßen. In der Sitzung hat die österreichische Regierung erklärt, dass sie sich dessen bewusst sei und dass das Recht dieses Staates natürlich mit dem Unionsrecht in Einklang gebracht werden müsste, sollte sich der Gerichtshof dazu entscheiden, die EUStA-Verordnung anders auszulegen. Die Regierung wiederholte jedoch, dass die Auslegung, wie sie in ihrem Recht zum Ausdruck komme, die richtige sei.

( 43 ) Allegrezza, S., und Mosna, A., „Cross-border Criminal Evidence and the Future European Public Prosecutor: One Step Back on Mutual Recognition?“, in Bachmaier Winter, L. (Hrsg.), The European Public Prosecutor’s Office. The Challenges Ahead, Springer, 2018, S. 141 (146).

( 44 ) Für einen überzeugenden Beitrag über rechtliche Transplantate und rechtliche Störfaktoren, siehe Teubner, G., „Legal irritants: Good Faith in British Law or How Unifying Law Ends Up in New Divergences“, Modern Law Review, 1998, S. 11.

( 45 ) Siehe z. B. Allegrezza und Mosna, oben Fn. 43, S. 145 und 158 (die die Gefahren für Grundrechte betonen, die sich z. B. aus unterschiedlichen Niveaus von Verfahrensgarantien und Verfahrensregeln über die Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen oder die Ermittlung von Beweisen ergeben würden und argumentieren, dass insbesondere in Bezug auf Beweise zusätzliche Garantien notwendig seien). Für eine frühzeitige Warnung hinsichtlich derselben Fragestellung, siehe Kaiafa-Gbandi, M., „The Establishment of an EPPO and the Rights of Suspects and Defendants: Reflections upon the Commission’s 2013 Proposal and the Council’s Amendments“, in Asp, P. (Hrsg.), The European Public Prosecutor’s Office – Legal and Criminal Policy Perspectives, Stifelsen Skrifter utgivna av Juridiska fakulteten vid Stockholms universitet, Stockholm, 2015, S. 234 (245 bis 246).

( 46 ) Für einen frühzeitigen Vorschlag zu den Modalitäten eines künftigen Unionsstaatsanwalts, dessen Erfolg demzufolge von der Harmonisierung des materiellen Strafrechts abhänge, siehe Peers, S., „Mutual Recognition and Criminal Law in the European Union: Has the Council Got It Wrong?“, Bd. 41, Common Market Law Review, 2004, S. 5 (34).

( 47 ) Für eine Argumentation, wonach das System der EEA in der Praxis einfacher und effizienter als die gesetzgeberischen Lösungen der EUStA-Verordnung sei, siehe Allegrezza und Mosna, oben Fn. 43, S. 155 bis 156.

( 48 ) Im Gegensatz zum Gedanken des Corpus Juris, einen einheitlichen Rechtsraum zu schaffen, der es nicht in die EUStA-Verordnung geschafft hat, ist die Lösung einer einheitlichen Einrichtung eine abgeschwächte Möglichkeit, auf die sich die beteiligten Mitgliedstaaten einigen konnten. Siehe Mitsilegas, V., und Giuffrida, F., „The European Public Prosecutor’s Office and Human Rights“, in Geelhoud, W., Erkelens, L. H., und Meij, A. W. H. (Hrsg.), Shifting Perspectives on the European Public Prosecutor’s Office, T.M.C. Asser Press, Den Haag, 2018, S. 89.

( 49 ) „… entstand in Anlehnung an Konzepte, die bei der Schaffung des Binnenmarkts sehr gut funktioniert haben, der Gedanke, den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung auch auf die justizielle Zusammenarbeit anzuwenden.“ Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, Gegenseitige Anerkennung von Endentscheidungen in Strafsachen (KOM[2000] 495 endgültig, Brüssel, 26.7.2000, S. 2).

( 50 ) Urteil vom 20. Februar 1979, Rewe-Zentral (120/78, EU:C:1979:42).

( 51 ) Schmidt, S. K., „Mutual Recognition as a New Mode of Governance“, Journal of European Public Policy, Bd. 14(5), 2007, S. 667 (669); Peers, S., „Mutual Recognition and Criminal Law in the European Union: Has the Council Got It Wrong?“, Common Market Law Review, Bd. 41(1), 2004, S. 5 (20).

( 52 ) Schmidt, oben Fn. 51, S. 672. Perišin, T., Free Movement of Goods and Limits of Regulatory Autonomy in the EU and WTO, T.M.C. Asser Press, Den Haag, 2008, S. 23.

( 53 ) Nicolaïdis, K., „Trusting the Poles? Constructing Europe through Mutual Recognition“, Journal of European Public Policy, Bd. 14(5), 2007, S. 685.

( 54 ) Peers, oben Fn. 51, S. 24.

( 55 ) Peers, oben Fn. 51, S. 25.

( 56 ) Dies wurde vom Gerichtshof anerkannt. Siehe z. B. Gutachten 2/13 (Beitritt der Union zur EMRK) vom 18. Dezember 2014 (EU:C:2014:2454, Rn. 191), wo er feststellte, dass der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung „namentlich in Bezug auf den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, von jedem Mitgliedstaat [verlangt], dass er, abgesehen von außergewöhnlichen Umständen, davon ausgeht, dass alle anderen Mitgliedstaaten das Unionsrecht und insbesondere die dort anerkannten Grundrechte beachten“.

( 57 ) Iglesias Sánchez, S., und González Pascual, M., „Fundamental Rights at the Core of the EU AFSJ“, in Iglesias Sánchez, S., und González Pascual, M. (Hrsg.), Fundamental Rights in the EU Area of Freedom, Security and Justice, Cambridge University Press, Cambridge, 2021, S. 8 bis 9 (die argumentieren, dass Grundrechtsbedenken zu einer schrittweisen Einschränkung von gegenseitigem Vertrauen geführt hätten, was in der Entwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs und der positiven Harmonisierung im RFSR sichtbar sei).

( 58 ) Siehe z. B. die Art. 3, 4 und 4a des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. 2002, L 190, S. 1) in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 zur Änderung der Rahmenbeschlüsse 2002/584/JI, 2005/214/JI, 2006/783/JI, 2008/909/JI und 2008/947/JI, zur Stärkung der Verfahrensrechte von Personen und zur Förderung der Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Entscheidungen, die im Anschluss an eine Verhandlung ergangen sind, zu der die betroffene Person nicht erschienen ist (ABl. 2009, L 81, S. 24) geänderten Fassung; und Art. 11 der EEA-Richtlinie.

( 59 ) Siehe z. B. Richtlinie 2012/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren (ABl. 2012, L 142, S. 1); Siehe auch Richtlinie (EU) 2016/343 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über die Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit in der Verhandlung in Strafverfahren (ABl. 2016, L 65, S. 1).

( 60 ) Zur Rechtsprechung, die zusätzliche Möglichkeiten zulässt, einen Europäischen Haftbefehl nicht zu vollstrecken, siehe Urteil vom 5. April 2016, Aranyosi und Căldăraru (C‑404/15 und C‑659/15 PPU, EU:C:2016:198, Rn. 93 und 94); und Urteil vom 15. Oktober 2019, Dorobantu (C‑128/18, EU:C:2019:857, Rn. 52 und 55).

( 61 ) Nach Art. 2 Buchst. c der EEA-Richtlinie kann eine Anordnungsbehörde sowohl ein „Richter, ein Gericht, [ein] Ermittlungsrichter oder [ein] Staatsanwalt, der/das in dem betreffenden Fall zuständig ist“, sein als auch „jede andere vom Anordnungsstaat bezeichnete zuständige Behörde“, wenn die EEA von einem Richter, einem Gericht, einem Ermittlungsrichter oder einem Staatsanwalt im Anordnungsstaat validiert wird. Es handelt sich um einen weiter gefassten Begriff als den der „ausstellenden Justizbehörde“ im Rahmen des Europäischen Haftbefehls, der Staatsanwälte nicht erfasst. Siehe konkret zu diesem Unterschied Urteil vom 8. Dezember 2020, Staatsanwaltschaft Wien (Gefälschte Überweisungsaufträge) (C‑584/19, EU:C:2020:1002, Rn. 74 und 75).

( 62 ) Art. 1 Abs. 1 der EEA-Richtlinie.

( 63 ) Art. 6 Abs. 1 der EEA-Richtlinie.

( 64 ) Urteil vom 16. Dezember 2021, Spetsializirana prokuratura (Verkehrs- und Standortdaten) (C‑724/19, EU:C:2021:1020, Rn. 53) (der Gerichtshof betonte, dass die Vollstreckungsbehörde die Einhaltung der Voraussetzungen, die nach der Richtlinie für den Erlass einer EEA gelten, nicht überprüfen kann, da dies das System des gegenseitigen Vertrauens, das dieser Richtlinie zugrunde liegt, untergraben würde).

( 65 ) Siehe auch den 22. Erwägungsgrund der EEA-Richtlinie.

( 66 ) Siehe auch den 19. Erwägungsgrund der EEA-Richtlinie.

( 67 ) Für eine Argumentation, dass die gegenseitige Anerkennung nach dem Unionsrecht in dem Sinn begrenzt sei, dass es keine automatische Akzeptanz im Vollstreckungsmitgliedstaat gebe, siehe Möstl, M., „Preconditions and Limits of Mutual Recognition“, Common Market Law Review, Bd. 47(2), Kluwer Law International, 2010, S. 405 (412, 418 und 420).

( 68 ) Zur selben Schlussfolgerung kommen Mitsilegas und Giuffrida, siehe oben Fn. 48, S. 89.

( 69 ) Diese Bestimmung ist freilich nur eine Konkretisierung der Verpflichtung aller Einrichtungen der Europäischen Union, die Charta zu achten, wie sie in deren Art. 51 Abs. 1 zum Ausdruck kommt.

( 70 ) Art. 31 Abs. 5 der EUStA-Verordnung sieht vor: Ist der unterstützende Delegierte Europäische Staatsanwalt der Auffassung, dass a) die Zuweisung unvollständig ist oder einen offensichtlichen erheblichen Fehler enthält, b) die Maßnahme aus berechtigten, objektiven Gründen nicht innerhalb der in der Zuweisung gesetzten Frist durchgeführt werden kann, c) sich mit einer alternativen, weniger eingreifenden Maßnahme dieselben Ergebnisse wie mit der zugewiesenen Maßnahme erreichen ließen oder d) die zugewiesene Maßnahme nach dem Recht seines Mitgliedstaats nicht existiert oder in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht zur Verfügung stünde, so setzt er seinen die Aufsicht führenden Europäischen Staatsanwalt davon in Kenntnis und berät sich mit dem betrauten Delegierten Europäischen Staatsanwalt, um die Angelegenheit in beiderseitigem Einvernehmen zu regeln.

( 71 ) Siehe in diesem Zusammenhang Herrnfeld, oben Fn. 15, S. 293 bis 295. Interessanterweise nehmen Allegrezza und Mosna den Mechanismus der Zusammenarbeit der beiden DEStA als Belastung für die Vereinfachung und Beschleunigung grenzüberschreitender Ermittlungen wahr, insbesondere da die Ermittlungsmaßnahme mit keiner Frist für ihre Durchführung verbunden sei. Allegrezza und Mosna, oben Fn. 43, S. 154 bis 155.

( 72 ) In Bezug auf die Zulässigkeit von Beweismitteln sieht Art. 37 Abs. 1 der EUStA-Verordnung lediglich vor, dass Beweismittel nicht allein deshalb vor einem nationalen Gericht abgelehnt werden dürfen, weil sie in einem anderen Mitgliedstaat oder nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats erhoben wurden.

( 73 ) Allegrezza und Mosna kommen zu dem Schluss, dass das Verfahren der Zusammenarbeit zwischen den beiden DEStA in der Praxis bedeuten werde, dass die Rechtsvorschriften beider Mitgliedstaaten geachtet würden. Allegrezza und Mosna, oben Fn. 43, S. 153.

( 74 ) Einschließlich des Rechts auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen, das Recht auf Belehrung und Unterrichtung und das Recht auf Einsicht in die Verfahrensakte, das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und auf Benachrichtigung eines Dritten im Falle einer Festnahme, das Recht auf Aussageverweigerung und Unschuldsvermutung und das Recht auf Prozesskostenhilfe.

( 75 ) Ausdrücklich einschließlich der Möglichkeit, Beweismittel beizubringen, zu beantragen, dass Sachverständige bestellt bzw. vernommen und Zeugen gehört werden, und die EUStA aufzufordern, derartige Maßnahmen im Namen der Verteidigung zu erwirken.

( 76 ) Siehe entsprechend Schlussanträge des Generalanwalts Richard de la Tour in der Rechtssache MM (C‑414/20 PPU, EU:C:2020:1009, Nr. 133) (Er führte aus, dass die Voraussetzungen für den Erlass eines Europäischen Haftbefehls in einem Stadium des Strafverfahrens nach der Übergabe kontrolliert werden können müssten, wenn in einem früheren Stadium kein Rechtsbehelf vorgesehen gewesen sei).

( 77 ) Dies lässt sich vortrefflich am Beispiel der Harmonisierung der Standards für Gerichtsverhandlungen in Abwesenheit verdeutlichen. Wie in der Rechtssache Melloni klar wurde, stand die in Art. 4a des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl gewählte Lösung in Konflikt mit dem spanischen Schutzniveau. Bekanntlich kam der Gerichtshof jedoch zu dem Schluss, dass im Fall einer Harmonisierung auf Unionsebene höhere nationale Standards der Wirksamkeit des Systems des gegenseitigen Vertrauens nicht im Wege stehen können. Urteil vom 26. Februar 2013, Melloni (C‑399/11, EU:C:2013:107, Rn. 62 bis 64).