URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zehnte Kammer)

22. September 2022 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Grenzkontrollen, Asyl und Einwanderung – Asylpolitik – Richtlinie 2013/32/EU – Gemeinsame Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes – Antrag auf internationalen Schutz – Unzulässigkeitsgründe – Art. 2 Buchst. q – Begriff ‚Folgeantrag‘ – Art. 33 Abs. 2 Buchst. d – Durch einen Mitgliedstaat erfolgende Ablehnung eines Antrags auf internationalen Schutz als unzulässig wegen der Ablehnung eines früheren Antrags, den der Betroffene im Königreich Dänemark gestellt hat – Bestandskräftige Entscheidung des Königreichs Dänemark“

In der Rechtssache C‑497/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 6. August 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 13. August 2021, in dem Verfahren

SI,

TL,

ND,

VH,

YT,

HN

gegen

Bundesrepublik Deutschland

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten I. Jarukaitis sowie der Richter M. Ilešič und D. Gratsias (Berichterstatter),

Generalanwalt: N. Emiliou,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und R. Kanitz als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Azema, L. Grønfeldt und G. Wils als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. d in Verbindung mit Art. 2 Buchst. q der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. 2013, L 180, S. 60).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen SI, TL, ND, VH, YT und HN auf der einen und der Bundesrepublik Deutschland auf der anderen Seite wegen der Rechtmäßigkeit eines Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge – Außenstelle Boostedt (Deutschland) (im Folgenden: Bundesamt), mit dem ihre Anträge auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt wurden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Protokoll über die Position Dänemarks

3

Die Art. 1 und 2 des dem EU-Vertrag und dem AEU-Vertrag beigefügten Protokolls (Nr. 22) über die Position Dänemarks (im Folgenden: Protokoll über die Position Dänemarks) lauten:

„Artikel 1

Dänemark beteiligt sich nicht an der Annahme von Maßnahmen durch den Rat, die nach dem Dritten Teil Titel V des [AEU-Vertrags] vorgeschlagen werden. Für Beschlüsse des Rates, die einstimmig angenommen werden müssen, ist die Zustimmung der Mitglieder des Rates mit Ausnahme des Vertreters der Regierung Dänemarks erforderlich.

Für die Zwecke dieses Artikels bestimmt sich die qualifizierte Mehrheit nach Artikel 238 Absatz 3 des [AEUV].

Artikel 2

Vorschriften des Dritten Teils Titel V des [AEU-Vertrags], nach jenem Titel beschlossene Maßnahmen, Vorschriften internationaler Übereinkünfte, die von der [Europäischen] Union nach jenem Titel geschlossen werden, sowie Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union, in denen solche Vorschriften oder Maßnahmen oder nach jenem Titel geänderte oder änderbare Maßnahmen ausgelegt werden, sind für Dänemark nicht bindend oder anwendbar. Diese Vorschriften, Maßnahmen oder Entscheidungen berühren in keiner Weise die Zuständigkeiten, Rechte und Pflichten Dänemarks; ebenso wenig berühren diese Vorschriften, Maßnahmen oder Entscheidungen in irgendeiner Weise den Besitzstand der Gemeinschaft oder der Union oder sind sie Teil des Unionsrechts, soweit sie auf Dänemark Anwendung finden. Insbesondere sind Rechtsakte der Union auf dem Gebiet der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, die vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon angenommen wurden und die geändert werden, für Dänemark ohne die Änderungen weiterhin bindend und anwendbar.“

Richtlinie 2011/95/EU

4

Die Erwägungsgründe 6 und 51 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. 2011, L 337, S. 9) sehen vor:

„(6)

In den Schlussfolgerungen [des Europäischen Rates] von Tampere [vom 15. und 16. Oktober 1999] ist … festgehalten, dass die Vorschriften über die Flüchtlingseigenschaft durch Maßnahmen zu den Formen des subsidiären Schutzes ergänzt werden sollten, die einer Person, die eines solchen Schutzes bedarf, einen angemessenen Status verleihen.

(51)

Nach den Artikeln 1 und 2 des [Protokolls über die Position Dänemarks] beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Richtlinie und ist weder durch diese Richtlinie gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet.“

5

Gemäß Art. 1 der Richtlinie 2011/95 ist es Zweck dieser Richtlinie, Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen, die Anspruch auf subsidiären Schutz haben, sowie für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes festzulegen.

6

Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) dieser Richtlinie sieht vor:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

a)

‚internationaler Schutz‘ die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus im Sinne der Buchstaben e und g;

b)

‚Person, der internationaler Schutz zuerkannt wurde‘ eine Person, der die Flüchtlingseigenschaft gemäß Buchstabe e oder der subsidiäre Schutzstatus gemäß Buchstabe g zuerkannt wurde;

c)

‚Genfer Flüchtlingskonvention‘ das in Genf abgeschlossene Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [United Nations Treaty Series, Bd. 189, S. 150, Nr. 2545 (1954)] in der durch das [am 31. Januar 1967 in New York angenommene] Protokoll [über die Rechtsstellung der Flüchtlinge] geänderten Fassung;

d)

‚Flüchtling‘ einen Drittstaatsangehörigen, der aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder einen Staatenlosen, der sich aus denselben vorgenannten Gründen außerhalb des Landes seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts befindet und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht dorthin zurückkehren will und auf den Artikel 12 keine Anwendung findet;

e)

‚Flüchtlingseigenschaft‘ die Anerkennung eines Drittstaatsangehörigen oder eines Staatenlosen als Flüchtling durch einen Mitgliedstaat;

f)

‚Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz‘ einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht erfüllt, der aber stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass er bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland oder, bei einem Staatenlosen, in das Land seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts tatsächlich Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden im Sinne des Artikel 15 zu erleiden, und auf den Artikel 17 Absätze 1 und 2 keine Anwendung findet und der den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Gefahr nicht in Anspruch nehmen will;

g)

‚subsidiärer Schutzstatus‘ die Anerkennung eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen durch einen Mitgliedstaat als Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat;

h)

‚Antrag auf internationalen Schutz‘ das Ersuchen eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen um Schutz durch einen Mitgliedstaat, wenn davon ausgegangen werden kann, dass der Antragsteller die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Gewährung des subsidiären Schutzstatus anstrebt, und wenn er nicht ausdrücklich um eine andere, gesondert zu beantragende Form des Schutzes außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Richtlinie ersucht;

…“

Richtlinie 2013/32

7

Art. 2 Buchst. b, e und q der Richtlinie 2013/32 hat folgenden Wortlaut:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

b)

‚Antrag auf internationalen Schutz‘ oder ‚Antrag‘ das Ersuchen eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen um Schutz durch einen Mitgliedstaat, bei dem davon ausgegangen werden kann, dass er die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Gewährung des subsidiären Schutzstatus anstrebt, und der nicht ausdrücklich um eine andere, gesondert zu beantragende Form des Schutzes außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie [2011/95] ersucht;

e)

‚bestandskräftige Entscheidung‘ eine Entscheidung darüber, ob einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gemäß der Richtlinie [2011/95] die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen ist, und gegen die kein Rechtsbehelf nach Kapitel V der vorliegenden Richtlinie mehr eingelegt werden kann, unabhängig davon, ob ein solcher Rechtsbehelf zur Folge hat, dass Antragsteller sich bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf in dem betreffenden Mitgliedstaat aufhalten dürfen;

q)

‚Folgeantrag‘ einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, der nach Erlass einer bestandskräftigen Entscheidung über einen früheren Antrag gestellt wird, auch in Fällen, in denen der Antragsteller seinen Antrag ausdrücklich zurückgenommen hat oder die Asylbehörde den Antrag nach der stillschweigenden Rücknahme durch den Antragsteller gemäß Artikel 28 Absatz 1 abgelehnt hat.“

8

Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie lautet:

„Bei der Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz stellt die Asylbehörde zuerst fest, ob der Antragsteller die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling erfüllt; ist dies nicht der Fall, wird festgestellt, ob der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat.“

9

Art. 33 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2013/32 bestimmt:

„(1)   Zusätzlich zu den Fällen, in denen nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. 2013, L 180, S. 31)] ein Antrag nicht geprüft wird, müssen die Mitgliedstaaten nicht prüfen, ob dem Antragsteller der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie [2011/95] zuzuerkennen ist, wenn ein Antrag auf der Grundlage des vorliegenden Artikels als unzulässig betrachtet wird.

(2)   Die Mitgliedstaaten können einen Antrag auf internationalen Schutz nur dann als unzulässig betrachten, wenn

a)

ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt hat;

b)

ein Staat, der kein Mitgliedstaat ist, als erster Asylstaat des Antragstellers gemäß Artikel 35 betrachtet wird;

c)

ein Staat, der kein Mitgliedstaat ist, als für den Antragsteller sicherer Drittstaat gemäß Artikel 38 betrachtet wird;

d)

es sich um einen Folgeantrag handelt, bei dem keine neuen Umstände oder Erkenntnisse zu der Frage, ob der Antragsteller nach Maßgabe der Richtlinie [2011/95] als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist, zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind, oder

e)

eine vom Antragsteller abhängige Person förmlich einen Antrag stellt, nachdem sie gemäß Artikel 7 Absatz 2 eingewilligt hat, dass ihr Fall Teil eines in ihrem Namen förmlich gestellten Antrags ist, und keine Tatsachen betreffend die Situation dieser Person vorliegen, die einen gesonderten Antrag rechtfertigen.“

Dublin‑III-Verordnung

10

Gemäß Art. 48 Abs. 1 der Verordnung Nr. 604/2013 (im Folgenden: Dublin‑III-Verordnung) wurde mit dieser Verordnung die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. 2003, L 50, S. 1) aufgehoben. Letztere Verordnung hatte gemäß ihrem Art. 24 das am 15. Juni 1990 in Dublin unterzeichnete Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags (ABl. 1997, C 254, S. 1) ersetzt.

11

In Kapitel II („Allgemeine Grundsätze und Schutzgarantien“) bestimmt Art. 3 („Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz“) der Dublin‑III-Verordnung in Abs. 1:

„Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.“

12

In Art. 18 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung heißt es:

„Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

c)

einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d)

einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.“

Abkommen zwischen der Union und Dänemark

13

Das Abkommen zwischen der Europäischen Union und dem Königreich Dänemark über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Staates, der für die Prüfung eines in Dänemark oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union gestellten Asylantrags zuständig ist, sowie über „Eurodac“ für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens (ABl. 2006, L 66, S. 38, im Folgenden: Abkommen zwischen der Union und Dänemark) wurde durch den Beschluss 2006/188/EG des Rates vom 21. Februar 2006 (ABl. 2006, L 66, S. 37) im Namen der Union genehmigt.

14

Art. 2 dieses Abkommens bestimmt:

„(1)   Die diesem Abkommen beigefügte [Verordnung Nr. 343/2003], die Teil dieses Abkommens ist, und deren gemäß Artikel 27 Absatz 2 der [Verordnung Nr. 343/2003] angenommene Durchführungsbestimmungen sowie etwaige von Dänemark … umgesetzte Durchführungsbestimmungen, die nach Inkrafttreten dieses Abkommens angenommen werden, finden nach internationalem Recht auf die Beziehungen zwischen der [Union] und Dänemark Anwendung.

(2)   Die diesem Abkommen beigefügte [Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 des Rates vom 11. Dezember 2000 über die Einrichtung von ‚Eurodac‘ für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens (ABl. 2000, L 316, S. 1)], die Teil dieses Abkommens ist, und deren … Durchführungsbestimmungen sowie etwaige von Dänemark … umgesetzte Durchführungsbestimmungen, die nach Inkrafttreten dieses Abkommens angenommen werden, finden nach internationalem Recht auf die Beziehungen zwischen der [Union] und Dänemark Anwendung.

(3)   Anstelle des in Artikel 29 der [Verordnung Nr. 343/2003] und in Artikel 27 der [Verordnung Nr. 2725/2000] genannten Zeitpunkts gilt der Tag des Inkrafttretens dieses Abkommens.“

15

Weder die Richtlinie 2011/95 noch die Richtlinie 2013/32 werden vom Abkommen zwischen der Union und Dänemark erfasst.

Deutsches Recht

AsylG

16

§ 26a („Sichere Drittstaaten“) des Asylgesetzes (BGBl. 2008 I, S. 1798) in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: AsylG) bestimmt:

„(1)   Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. …

(2)   Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der … Union die in Anlage I bezeichneten Staaten. …

…“

17

In § 29 („Unzulässige Anträge“) AsylG heißt es:

„(1)   Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

5.   im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. …

…“

18

§ 31 („Entscheidung des Bundesamtes [für Migration und Flüchtlinge] über Asylanträge“) AsylG bestimmt:

„…

(2)   In Entscheidungen über zulässige Asylanträge … ist ausdrücklich festzustellen, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird. …

…“

19

§ 71 („Folgeantrag“) AsylG bestimmt:

„(1)   Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrages erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes [(BGBl. 2013 I, S. 102)] vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt [für Migration und Flüchtlinge]. …

…“

20

§ 71a („Zweitantrag“) AsylG sieht vor:

„(1)   Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der [Union] über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt [für Migration und Flüchtlinge].

…“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

21

Am 10. November 2020 stellten die Kläger des Ausgangsverfahrens, die georgische Staatsangehörige sind, beim Bundesamt Asylanträge.

22

Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass die Kläger des Ausgangsverfahren im Rahmen der Prüfung dieser Anträge erklärt haben, sie hätten Georgien im Jahr 2017 verlassen, um sich nach Dänemark zu begeben. Dort hätten sie drei Jahre lang gelebt und Asylanträge gestellt, die abgelehnt worden seien.

23

Mit Schreiben vom 31. März 2021 bestätigte das Königreich Dänemark in Beantwortung eines Informationsersuchens des Bundesamts, dass die Kläger des Ausgangsverfahrens am 28. November 2017 Anträge auf internationalen Schutz gestellt hätten, die am 30. Januar 2019 abgelehnt worden seien. Nachdem die Klagen, die die Kläger des Ausgangsverfahrens vor den dänischen Gerichten gegen die ihre Anträge ablehnenden Entscheidungen erhoben hatten, am 27. April 2020 abgewiesen worden waren, wurden diese Entscheidungen bestandskräftig.

24

Das Bundesamt prüfte daher die Asylanträge der Kläger des Ausgangsverfahrens als „Zweitanträge“ im Sinne von § 71a AsylG und lehnte sie mit Bescheid vom 3. Juni 2021 nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG als unzulässig ab. Das Bundesamt stellte fest, dass die Kläger des Ausgangsverfahrens in Dänemark, das gemäß dem Urteil vom 20. Mai 2021, L. R. (Von Norwegen abgelehnter Asylantrag) (C‑8/20, EU:C:2021:404), als „sicherer Drittstaat“ im Sinne von § 26a AsylG anzusehen sei, bereits Asylanträge gestellt hätten, die endgültig abgelehnt worden seien. Die Voraussetzungen für ein weiteres Asylverfahren seien nicht erfüllt, da der Vortrag, den die Kläger des Ausgangsverfahrens zur Stützung ihrer Anträge geltend machten, keine Änderung der Sachlage im Vergleich zu der Sachlage erkennen lasse, auf die sie ihren ersten, von den dänischen Behörden abgelehnten Antrag gegründet hätten.

25

Gegen den Bescheid des Bundesamts erhoben die Kläger des Ausgangsverfahrens Klage zum vorlegenden Gericht.

26

Das vorlegende Gericht führt aus, dass im deutschen Recht ein „Folgeantrag“ im Sinne von § 71 AsylG ein weiterer Asylantrag sei, der in Deutschland gestellt werde, nachdem ein ebenfalls in Deutschland gestellter erster Asylantrag abgelehnt worden sei. Ein „Zweitantrag“ im Sinne von § 71a AsylG sei ein Asylantrag, der in Deutschland gestellt werde, nachdem ein in einem sicheren Drittstaat im Sinne von § 26a AsylG, d. h. insbesondere in einem anderen Mitgliedstaat der Union, gestellter Asylantrag abgelehnt worden sei. Diese beiden Arten von Anträgen erführen eine andere verfahrensrechtliche Behandlung als Erstanträge. Sinn und Zweck von § 71a AsylG sei es, den „Zweitantrag“ dem „Folgeantrag“ und damit die Entscheidung des Drittstaats, der über den ersten Asylantrag des Antragstellers, der einen zweiten Antrag in Deutschland gestellt habe, entschieden habe, einer Entscheidung gleichzustellen, die deutsche Behörden über einen ersten Asylantrag erlassen hätten.

27

Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist deshalb für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zu klären, ob Art. 33 Abs. 2 Buchst. d in Verbindung mit Art. 2 Buchst. q der Richtlinie 2013/32 Anwendung finden kann, wenn in einem anderen Mitgliedstaat eine bestandskräftige Entscheidung über einen früheren Antrag auf internationalen Schutz ergangen ist.

28

Im Übrigen weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die Richtlinie 2013/32 nicht auf den Begriff „Zweitantrag“ Bezug nehme und u. a. in Art. 33 Abs. 2 Buchst. d und Art. 2 Buchst. q der Richtlinie 2013/32 nur den Begriff „Folgeantrag“ verwende. Daraus könne abgeleitet werden, dass Art. 33 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2013/32 nur Anwendung finde, wenn ein Folgeantrag im selben Mitgliedstaat wie demjenigen gestellt würde, in dem der erste Antrag des Betroffenen auf internationalen Schutz gestellt und abgelehnt worden sei. Hierfür könnte auch der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines gemeinsamen Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes in der Union und zur Aufhebung der Richtlinie 2013/32 (COM[2016] 467 final) sprechen, wonach in die betreffende Verordnung eine Bestimmung aufgenommen werden sollte, die ausdrücklich vorsehe, dass, nachdem ein erster Antrag durch eine bestandskräftige Entscheidung abgelehnt worden sei, jeder weitere Antrag des gleichen Antragstellers in einem beliebigen Mitgliedstaat von dem zuständigen Mitgliedstaat als Folgeantrag zu betrachten sei.

29

Zwar habe das Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) in einem Urteil vom 14. Dezember 2016 die Antwort auf die Frage offengelassen, ob es sich um einen „Folgeantrag“ im Sinne der Richtlinie 2013/32 handeln könne, wenn das Erstverfahren, in dem der erste Antrag des Betroffenen auf internationalen Schutz erfolglos geblieben sei, in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführt worden sei, doch gehe aus der späteren Rechtsprechung der unterinstanzlichen deutschen Verwaltungsgerichte hervor, dass diese Frage zu bejahen sei. Das vorlegende Gericht scheint dies zu befürworten.

30

Für den Fall, dass auch der Gerichtshof diese Frage bejahen sollte, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob möglicherweise das Gleiche gilt, wenn nach der Ablehnung eines ersten Asylantrags durch die zuständigen Behörden des Königreichs Dänemark in einem anderen Mitgliedstaat ein weiterer Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird. Das vorlegende Gericht führt insoweit aus, dass das Königreich Dänemark zwar ein Mitgliedstaat der Union sei. Jedoch sei dieser Mitgliedstaat nach dem Protokoll über die Position Dänemarks nicht durch die Richtlinie 2011/95 und 2013/32 gebunden. Wie aus den Begriffsbestimmungen in Art. 2 der Richtlinie 2013/32 und aus dem Urteil vom 20. Mai 2021, L. R. (Von Norwegen abgelehnter Asylantrag) (C‑8/20, EU:C:2021:404), hervorgehe, könne ein weiterer Antrag auf internationalen Schutz nur dann als „Folgeantrag“ im Sinne dieser Richtlinie eingestuft werden, wenn mit dem früheren Antrag desselben Antragstellers die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Gewährung des subsidiären Schutzstatus nach der Richtlinie 2011/95 angestrebt worden sei.

31

Daher ist das vorlegende Gericht der Auffassung, dass der Begriff „Mitgliedstaat“ im Sinne der Richtlinie 2013/32 einschränkend dahin auszulegen sei, dass er lediglich die Mitgliedstaaten erfasst, die am Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligt und durch die Richtlinien 2011/95 und 2013/32 gebunden sind. Dies treffe auf das Königreich Dänemark, das gemäß dem Abkommen zwischen der Union und Dänemark nur an der durch die Dublin‑III-Verordnung geschaffenen Regelung beteiligt sei, nicht zu.

32

Für den Fall, dass die in Rn. 30 des vorliegenden Urteils genannte Frage des vorlegenden Gerichts verneint werden sollte, hält es dieses Gericht für erforderlich, zu klären, ob es, da der Asylantrag der Kläger des Ausgangsverfahrens bereits von den dänischen Behörden auf der Grundlage einer Prüfung abgelehnt worden sei, die im Wesentlichen auf denselben Kriterien beruhe wie denjenigen, die durch die Richtlinie 2011/95 für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorgesehen seien, möglich sei, den Bescheid des Bundesamts, der Gegenstand des Ausgangsverfahrens sei, nur teilweise aufzuheben, was die Pflicht impliziere, den Antrag der Kläger des Ausgangsverfahrens erneut nur dahin zu prüfen, ob ihnen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt werden könne. Obwohl das dänische Recht für Flüchtlinge und Personen, die nach dem Unionsrecht subsidiären Schutz in Anspruch nehmen könnten, eine Schutzregelung vorsehe, die der im Unionsrecht vorgesehenen ähnele, neigt das vorlegende Gericht der Auffassung zu, dass es nicht möglich sei, eine solche teilweise Aufhebung des bei ihm angefochtenen Bescheids durchzuführen.

33

Unter diesen Umständen hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht (Deutschland) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist eine nationale Regelung, nach der ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässiger Folgeantrag abgelehnt werden kann, mit Art. 33 Abs. 2 Buchst. d und Art. 2 Buchst. q der Richtlinie 2013/32 vereinbar, wenn das erfolglose erste Asylverfahren in einem anderen Mitgliedstaat der Union durchgeführt wurde?

2.

Wenn die erste Frage bejaht wird: Ist eine nationale Regelung, nach der ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässiger Folgeantrag abgelehnt werden kann, mit Art. 33 Abs. 2 Buchst. d und Art. 2 Buchst. q der Richtlinie 2013/32 auch dann vereinbar, wenn das erfolglose erste Asylverfahren in Dänemark durchgeführt wurde?

3.

Wenn die zweite Frage verneint wird: Ist eine nationale Regelung, nach der ein Asylantrag im Falle eines Folgeantrags unzulässig ist und die dabei nicht zwischen Flüchtlingseigenschaft und subsidiärem Schutzstatus unterscheidet, mit Art. 33 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2013/32 vereinbar?

Zu den Vorlagefragen

34

Vorab ist festzustellen, dass der Ausgangsrechtsstreit die Aufhebung von Bescheiden betrifft, mit denen Anträge georgischer Staatsangehöriger auf internationalen Schutz abgelehnt wurden, deren frühere Anträge auf internationalen Schutz vom Königreich Dänemark abgelehnt worden waren.

35

Wie das vorlegende Gericht ausführt, hat das Königreich Dänemark in Bezug auf den Dritten Teil Titel V des AEU-Vertrags, zu dem u. a. die Politik im Bereich Grenzkontrollen, Asyl und Einwanderung gehört, nach dem Protokoll über die Position Dänemarks eine besondere Stellung inne, die es von den übrigen Mitgliedstaaten unterscheidet.

36

Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, genügt es, die Vorlagefragen nur insoweit zu prüfen, als sie den Fall eines früheren, von den dänischen Behörden abgelehnten Antrags auf internationalen Schutz betreffen, ohne dass es erforderlich wäre, den Fall zu berücksichtigen, dass die Behörden eines anderen Mitgliedstaats einen entsprechenden Antrag abgelehnt haben (vgl. entsprechend Urteil vom 20. Mai 2021, L. R. [Von Norwegen abgelehnter Asylantrag], C‑8/20, EU:C:2021:404, Rn. 30).

37

Daher ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 33 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2013/32 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. q dieser Richtlinie sowie mit Art. 2 des Protokolls über die Position Dänemarks dahin auszulegen ist, dass er der Regelung eines anderen Mitgliedstaats als des Königreichs Dänemark entgegensteht, wonach ein Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2013/32 ganz oder teilweise als unzulässig abgelehnt werden kann, der in diesem Mitgliedstaat von einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen gestellt wird, dessen früherer, im Königreich Dänemark gestellter Antrag auf internationalen Schutz von letzterem Mitgliedstaat abgelehnt wurde.

38

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zählt Art. 33 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32 die Situationen, in denen die Mitgliedstaaten einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig betrachten können, abschließend auf (Urteil vom 20. Mai 2021, L. R. [Von Norwegen abgelehnter Asylantrag], C‑8/20, EU:C:2021:404, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39

Nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2013/32 können die Mitgliedstaaten einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig ablehnen, wenn es sich um einen Folgeantrag handelt, bei dem keine neuen Umstände oder Erkenntnisse zu der Frage, ob der Antragsteller nach Maßgabe der Richtlinie 2011/95 als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist, zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind.

40

Der Begriff „Folgeantrag“ bezeichnet gemäß der Definition in Art. 2 Buchst. q der Richtlinie 2013/32 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, der nach Erlass einer bestandskräftigen Entscheidung über einen früheren Antrag gestellt wird.

41

Diese Definition greift also die Begriffe „Antrag auf internationalen Schutz“ und „bestandskräftige Entscheidung“ auf, die ebenfalls in Art. 2 der Richtlinie 2013/32 definiert werden, nämlich in den Buchst. b und e.

42

Was erstens den Begriff „Antrag auf internationalen Schutz“ bzw. „Antrag“ anbelangt, so bezeichnet dieser gemäß der Definition in Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2013/32 das Ersuchen eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen um Schutz durch einen Mitgliedstaat, bei dem davon ausgegangen werden kann, dass er die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Gewährung des subsidiären Schutzstatus im Sinne der Richtlinie 2011/95 anstrebt.

43

Zwar handelt es sich bei einem Antrag auf internationalen Schutz, der bei den zuständigen Behörden des Königreichs Dänemark nach den innerstaatlichen Bestimmungen dieses Mitgliedstaats gestellt wird, unbestreitbar um einen bei einem Mitgliedstaat gestellten Antrag, jedoch stellt er keinen Antrag dar, „[mit dem] die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Gewährung des subsidiären Schutzstatus [im Sinne der Richtlinie 2011/95 angestrebt wird]“. Denn nach dem Protokoll über die Position Dänemarks findet diese Richtlinie auf das Königreich Dänemark keine Anwendung, wie im Übrigen im 51. Erwägungsgrund dieser Richtlinie ausgeführt wird.

44

Was zweitens den Begriff „bestandskräftige Entscheidung“ betrifft, so bezeichnet dieser gemäß der Definition in Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 2013/32 eine Entscheidung darüber, ob einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gemäß der Richtlinie 2011/95 die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen ist, und gegen die kein Rechtsbehelf nach Kapitel V der Richtlinie 2013/32 mehr eingelegt werden kann.

45

Aus denselben Gründen wie den in Rn. 43 des vorliegenden Urteils dargelegten kann eine Entscheidung des Königreichs Dänemark über einen Antrag auf internationalen Schutz nicht unter diese Definition fallen.

46

In Anbetracht dessen ergibt sich – unbeschadet der davon zu unterscheidenden Frage, ob der Begriff „Folgeantrag“ auf einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz anwendbar ist, der in einem Mitgliedstaat gestellt wird, nachdem ein anderer Mitgliedstaat als das Königreich Dänemark einen früheren Antrag durch eine bestandskräftige Entscheidung abgelehnt hat – aus der Gesamtbetrachtung der Buchst. b, e und q von Art. 2 der Richtlinie 2013/32, dass ein in einem Mitgliedstaat gestellter Antrag auf internationalen Schutz nicht als „Folgeantrag“ eingestuft werden kann, wenn er gestellt wird, nachdem das Königreich Dänemark einen entsprechenden Antrag desselben Antragstellers abgelehnt hat.

47

Das Vorliegen einer früheren Entscheidung des Königreichs Dänemark, mit der ein in diesem Mitgliedstaat gemäß seinen innerstaatlichen Bestimmungen gestellter Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt wurde, erlaubt es folglich nicht, einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95, den der Betroffene nach dem Erlass dieser früheren Entscheidung in einem anderen Mitgliedstaat gestellt hat, als „Folgeantrag“ im Sinne von Art. 2 Buchst. q und Art. 33 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2013/32 einzustufen.

48

Weder das Abkommen zwischen der Union und Dänemark noch der Umstand, dass die dänische Regelung möglicherweise für die Zuerkennung des internationalen Schutzes Voraussetzungen vorsieht, die mit denen der Richtlinie 2011/95 identisch oder vergleichbar sind, können zu einem anderen Ergebnis führen.

49

Erstens wird die Dublin‑III-Verordnung zwar gemäß Art. 2 des Abkommens zwischen der Union und Dänemark auch vom Königreich Dänemark umgesetzt. Somit kann in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, in dem die Betroffenen im Königreich Dänemark einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, ein anderer Mitgliedstaat, in dem die Betroffenen einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, das Königreich Dänemark um Wiederaufnahme der betreffenden Personen ersuchen, wenn die in Art. 18 Abs. 1 Buchst. c oder d dieser Verordnung genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

50

Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass der betreffende Mitgliedstaat, wenn eine Wiederaufnahme nicht möglich ist oder nicht erfolgt, davon ausgehen darf, dass der weitere Antrag auf internationalen Schutz, den der Betroffene bei den eigenen Stellen dieses Mitgliedstaats gestellt hat, einen „Folgeantrag“ im Sinne von Art. 33 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2013/32 darstellt (vgl. entsprechend Urteil vom 20. Mai 2021, L. R. [Von Norwegen abgelehnter Asylantrag], C‑8/20, EU:C:2021:404, Rn. 44).

51

Denn zwar sieht das Abkommen zwischen der Union und Dänemark im Wesentlichen vor, dass bestimmte Vorschriften der Dublin‑III-Verordnung vom Königreich Dänemark umgesetzt werden, es bestimmt hingegen nicht, dass die Richtlinie 2011/95 oder die Richtlinie 2013/32 auf das Königreich Dänemark Anwendung findet.

52

Zweitens kann, selbst wenn man davon ausginge, dass, wie das vorlegende Gericht ausführt, die im Königreich Dänemark gestellten Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft von den Behörden dieses Mitgliedstaats auf der Grundlage von Kriterien geprüft werden, die im Wesentlichen mit den Kriterien der Richtlinie 2011/95 identisch sind, dieser Umstand nicht die Ablehnung – sei sie auch auf den Teil betreffend die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beschränkt – eines Antrags auf internationalen Schutz rechtfertigen, den ein Antragsteller, dessen früherer Antrag auf Zuerkennung dieser Eigenschaft von den dänischen Behörden abgelehnt worden ist, in einem anderen Mitgliedstaat stellt.

53

Abgesehen davon, dass der eindeutige Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2013/32 einer Auslegung ihres Art. 33 Abs. 2 Buchst. d dahin entgegensteht, kann die Anwendung dieser Bestimmung, da andernfalls die Rechtssicherheit beeinträchtigt wäre, nicht von einer Bewertung des konkreten Schutzniveaus für die Personen abhängen, die im Königreich Dänemark internationalen Schutz beantragen (vgl. entsprechend Urteil vom 20. Mai 2021, L. R. [Von Norwegen abgelehnter Asylantrag], C‑8/20, EU:C:2021:404, Rn. 47).

54

Insoweit ist hervorzuheben, dass sich die Richtlinie 2011/95 nicht darauf beschränkt, die Flüchtlingseigenschaft vorzusehen, wie sie im Völkerrecht, nämlich in der in Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2011/95 genannten Genfer Flüchtlingskonvention, verankert ist, sondern auch den subsidiären Schutzstatus regelt, der, wie sich aus dem sechsten Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergibt, die Vorschriften über die Flüchtlingseigenschaft ergänzt.

55

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 33 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2013/32 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. q dieser Richtlinie sowie mit Art. 2 des Protokolls über die Position Dänemarks dahin auszulegen ist, dass er der Regelung eines anderen Mitgliedstaats als des Königreichs Dänemark entgegensteht, wonach ein Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2013/32 ganz oder teilweise als unzulässig abgelehnt werden kann, der in diesem Mitgliedstaat von einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen gestellt wird, dessen früherer, im Königreich Dänemark gestellter Antrag auf internationalen Schutz von letzterem Mitgliedstaat abgelehnt wurde.

Kosten

56

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 33 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes in Verbindung mit Art. 2 Buchst. q dieser Richtlinie sowie mit Art. 2 des dem EU-Vertrag und dem AEU-Vertrag beigefügten Protokolls (Nr. 22) über die Position Dänemarks

 

ist dahin auszulegen, dass

 

er der Regelung eines anderen Mitgliedstaats als des Königreichs Dänemark entgegensteht, wonach ein Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2013/32 ganz oder teilweise als unzulässig abgelehnt werden kann, der in diesem Mitgliedstaat von einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen gestellt wird, dessen früherer, im Königreich Dänemark gestellter Antrag auf internationalen Schutz von letzterem Mitgliedstaat abgelehnt wurde.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.