URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

10. November 2022 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Richtlinie 92/43/EWG – Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen – Art. 6 Abs. 3 – Prüfung eines Projekts, das ein Schutzgebiet beeinträchtigen könnte – Prüfungspflicht – Fortführung des wirtschaftlichen Betriebs einer bereits im Entwurfsstadium genehmigten Anlage unter unveränderten Bedingungen, wenn eine Genehmigung infolge einer unvollständigen Prüfung erteilt wurde“

In der Rechtssache C‑278/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Østre Landsret (Landgericht für Ostdänemark, Dänemark) mit Entscheidung vom 8. Februar 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 28. April 2021, in dem Verfahren

Dansk Akvakultur, handelnd für die AquaPri A/S,

gegen

Miljø- og Fødevareklagenævnet,

Beteiligte:

Landbrug & Fødevarer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richterin M. L. Arastey Sahún sowie der Richter F. Biltgen, N. Wahl und J. Passer (Berichterstatter),

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. März 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Dansk Akvakultur, handelnd für die AquaPri A/S, vertreten durch K. Trenskow und M. Vindfelt, Advokater,

des Miljø- og Fødevareklagenævnet, vertreten durch E. Gabris, R. Holdgaard und B. Moll Bown, Advokater,

der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Hermes und C. Vang als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 12. Mai 2022

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. 1992, L 206, S. 7, und Berichtigung ABl. 2014, L 95, S. 70).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Verband Dansk Akvakultur, handelnd für die AquaPri A/S, und dem Miljø- og Fødevareklagenævnet (Beschwerdeausschuss für Umwelt und Ernährung, Dänemark) (im Folgenden: Beschwerdeausschuss) wegen einer Entscheidung, mit der die Genehmigung des Weiterbetriebs einer AquaPri gehörenden Aquakulturanlage abgelehnt wurde.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Im zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 92/43 wird ausgeführt:

„Pläne und Projekte, die sich auf die mit der Ausweisung eines Gebiets verfolgten Erhaltungsziele wesentlich auswirken könnten, sind einer angemessenen Prüfung zu unterziehen.“

4

In Art. 6 Abs. 1 bis 3 dieser Richtlinie heißt es:

„(1)   Für die besonderen Schutzgebiete legen die Mitgliedstaaten die nötigen Erhaltungsmaßnahmen fest, die gegebenenfalls geeignete, eigens für die Gebiete aufgestellte oder in andere Entwicklungspläne integrierte Bewirtschaftungspläne und geeignete Maßnahmen rechtlicher, administrativer oder vertraglicher Art umfassen, die den ökologischen Erfordernissen der natürlichen Lebensraumtypen … und der Arten … entsprechen, die in diesen Gebieten vorkommen.

(2)   Die Mitgliedstaaten treffen die geeigneten Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten.

(3)   Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung … stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben.“

Dänisches Recht

Umweltschutzgesetz

5

§ 33 Abs. 1 Satz 1 des Miljøbeskyttelsesloven (Umweltschutzgesetz) vom 22. Dezember 2006 in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung sieht vor:

„Die in der Liste nach Artikel 35 aufgeführten Betriebe, Anlagen oder Einrichtungen (genehmigungspflichtige Tätigkeiten) dürfen vor Erteilung einer Genehmigung weder errichtet werden noch ihre Tätigkeit aufnehmen.“

6

§ 35 dieses Gesetzes bestimmt:

„Das Ministerium für Umwelt erstellt eine Liste von besonders umweltbelastenden Betrieben, Anlagen oder Einrichtungen, die der Genehmigungspflicht nach Art. 33 unterliegen.“

Habitatdekret

7

Das Habitatbekendtgørelsen (Bekendtgørelse nr. 188 om udpegning og administration af internationale naturbeskyttelsesområder samt beskyttelse af visse arter) (Dekret Nr. 188 zur Ausweisung und Verwaltung internationaler Naturschutzgebiete und zum Schutz bestimmter Arten) vom 26. Februar 2016 bestimmt in § 6 Abs. 1 und 2, mit dem Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 in dänisches Recht umgesetzt wurde:

„Abs. 1   Vor einer Entscheidung gemäß § 7 ist zu prüfen, ob das Projekt einzeln oder in Verbindung mit anderen Plänen und Projekten zu erheblichen Auswirkungen auf ein Natura-2000-Gebiet haben könnte …

Abs. 2   Ist die Behörde der Auffassung, dass das Projekt ein Natura-2000-Gebiet erheblich beeinträchtigen könnte, wird eine detaillierte Folgenabschätzung der Auswirkungen des Projekts unter Berücksichtigung der für das Natura-2000-Gebiet festgelegten Erhaltungsziele durchgeführt. Ergibt die Prüfung, dass das Projekt nachteilige Auswirkungen auf das internationale Naturschutzgebiet hätte, darf dem Antragsteller keine Genehmigung, Ausnahme oder Zulassung erteilt werden.“

8

In § 7 Abs. 7 dieses Dekrets heißt es:

„Die folgenden Fälle des Umweltschutzgesetzes fallen unter § 6:

6)

Genehmigung von Betrieben usw. gemäß § 33 Abs. 1 des Umweltschutzgesetzes …

…“

Genehmigungsdekret

9

§ 70 Abs. 2 des Godkendelsesbekendtgørelsen (Bekendtgørelse nr. 1458 om godkendelse af listevirksomhed) (Dekret Nr. 1458 über die Genehmigung gelisteter Tätigkeiten) vom 12. Dezember 2017 (im Folgenden: Genehmigungsdekret) lautet:

„Bestehende Betriebe im Sinne der Nrn. I 203, I 205… des Anhangs 2, die nicht gemäß § 33 des Umweltschutzgesetzes genehmigt sind, stellen bis zum 15. März 2014 Anträge auf Genehmigung gemäß den in diesem Dekret festgelegten Regelungen.“

10

Anhang 2 dieses Dekrets enthält u. a. die Nrn. I 203 und I 205, die wie folgt lauten:

„I 203. Aquakulturanlagen, d. h. in Meeresgewässern verankerte Aufzuchtanlagen, die aus Käfigen, Netzgehegen oder Ähnlichem bestehen, wenn die gesamte Anlage weniger als eine Seemeile von der Küste entfernt liegt und deren Betrieb den Einsatz von Futtermitteln erfordert.

I 205. Aquakulturanlagen, d. h. in Meeresgewässern verankerte Aufzuchtanlagen, die aus Käfigen, Netzgehegen oder Ähnlichem bestehen, die ganz oder teilweise weiter als eine Seemeile von der Küste entfernt liegen und deren Betrieb den Einsatz von Futtermitteln erfordert“.

Hintergrund des Rechtsstreits und Vorlagefragen

11

AquaPri ist Eigentümerin einer in der Bucht von Småland gelegenen Aquakulturanlage in der Nähe eines Natura-2000-Gebiets, in dem mehrere Arten terrestrischer und aquatischer natürlicher Lebensräume sowie mehrere wildlebende Vogelarten vorkommen. In dieser Anlage werden sogenannte Regenbogenforellen gezüchtet, wodurch Stickstoff, Phosphor, Kupfer und Antibiotika in die Umwelt freigesetzt werden.

12

Für das Projekt, die Anlage an ihrem derzeitigen Standort zu errichten, wurde am 15. Februar 1999 eine Genehmigung erteilt.

13

Im Jahr 2006 beantragte AquaPri die Genehmigung einer Erhöhung der durch ihre Anlage zulässigerweise freigesetzten Stickstoffmenge um 0,87 Tonnen – von 15,6 Tonnen auf 16,47 Tonnen.

14

Die zuständige Behörde prüfte anhand der damals geltenden dänischen Regelung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei öffentlichen oder privaten Projekten, ob eine solche Erhöhung das in der Nähe dieser Anlage befindliche Natura-2000-Gebiet erheblich beeinträchtigen könnte. In ihrer Prüfung gelangte sie zu dem Ergebnis, dass es innerhalb des betreffenden Gebiets keine natürlichen Lebensräume oder wildlebenden Vogelarten gebe, die stickstoffempfindlich seien und deswegen vom Projekt von AquaPri erheblich beeinträchtigt werden könnten. Mit einer am 27. Oktober 2006 ergangenen Entscheidung erteilte sie AquaPri daher die Genehmigung für die Durchführung dieses Projekts.

15

Gegen diese Entscheidung wurde vor der zuständigen Rechtsbehelfsbehörde Beschwerde eingelegt. Diese stellte fest, dass die Entscheidung mit einem Mangel behaftet sei, da die zuständige Behörde bei ihrer Prüfung des Projekts von AquaPri parallele Projekte unberücksichtigt gelassen habe, die zugelassenen Stickstoffemissionen von drei benachbarten Aquakulturanlagen zu erhöhen. Die Rechtsbehelfsbehörde war jedoch der Auffassung, dass dieser Mangel nicht die Aufhebung der Entscheidung rechtfertige.

16

Da diese Entscheidung AquaPri ferner aufgab, wie in § 70 Abs. 2 des Genehmigungsdekrets vorgesehen, bis zum 15. März 2014 eine Genehmigung gemäß den §§ 33 und 35 des Umweltschutzgesetzes zu beantragen, stellte AquaPri einen entsprechenden Antrag.

17

Mit Entscheidung vom 16. Dezember 2014 erteilte die zuständige Behörde die von AquaPri beantragte Genehmigung, nachdem sie festgestellt hatte, dass die Menge des durch die AquaPri gehörende Anlage freigesetzten Stickstoffs gegenüber der durch die Entscheidung vom 27. Oktober 2006 genehmigten Menge unverändert bleibe und dass sich aus einer nach dieser Entscheidung durchgeführten Prüfung ergebe, dass die Anlage in Verbindung mit den drei benachbarten Anlagen das in der Nähe befindliche Natura-2000-Gebiet nicht erheblich beeinträchtigen könne.

18

Nach Anfechtung der Entscheidung vom 16. Dezember 2014 vor dem Beschwerdeausschuss hob dieser sie mit Entscheidung vom 13. März 2018 auf.

19

In dieser Entscheidung vertrat der Beschwerdeausschuss zunächst die Auffassung, dass vor der AquaPri mit der Entscheidung vom 27. Oktober 2006 erteilten Genehmigung keine den Anforderungen von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 entsprechende Prüfung stattgefunden habe. Die vorgenommene Prüfung habe sich auf die individuellen Auswirkungen des betreffenden Projekts bezogen, nicht aber auf die Frage, ob dieses Projekt in Verbindung mit den drei benachbarten Anlagen das in der Nähe gelegene Natura-2000-Gebiet beeinträchtigen könnte.

20

Sodann stellte der Beschwerdeausschuss fest, dass für die in dem betreffenden Gebiet gelegenen Gewässer nach einer gemäß Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 durchgeführten Prüfung ein nationaler Bewirtschaftungsplan für die Einzugsgebiete für den Zeitraum 2015‑2021 erlassen worden sei und sich aus diesem Plan u. a. ergebe, dass die Emission einer Gesamtmenge von 43 Tonnen Stickstoff genehmigt worden sei, „um zu gewährleisten, dass die bestehenden Aquakulturanlagen … ihre gegenwärtigen Emissionsgenehmigungen in vollem Umfang nutzen können“. Der Beschwerdeausschuss war jedoch im Wesentlichen der Auffassung, dass diese Feststellungen keine Auswirkungen auf die Verpflichtung der zuständigen Behörde nach Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 hätten, die AquaPri gehörende Anlage einer gesonderten Prüfung zu unterziehen, um festzustellen, ob dieses Projekt das in seiner Nähe gelegene Natura-2000-Gebiet erheblich beeinträchtigen könnte.

21

Schließlich war der Beschwerdeausschuss der Ansicht, dass der von dieser Anlage freigesetzte Stickstoff im Zusammenwirken mit den von den drei benachbarten Anlagen freigesetzten Stickstoffmengen das in Rede stehende Gebiet erheblich beeinträchtigen könne.

22

AquaPri erhob gegen diese Entscheidung Klage beim zuständigen Gericht, das die Rechtssache im Hinblick auf die darin aufgeworfenen Fragen seinerseits an das vorlegende Gericht verwies.

23

In seiner Vorlageentscheidung führt das Østre Landsret (Landgericht für Ostdänemark, Dänemark) an erster Stelle aus, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Entscheidung auf der Grundlage der Regelungen zur Sicherstellung der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 92/43 in dänisches Recht getroffen worden sei. Auch wenn dieser Artikel den von ihm verwendeten Begriff „Projekt“ nicht präzisiere, ergebe sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs und insbesondere aus den Urteilen vom 7. September 2004, Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging (C‑127/02, EU:C:2004:482, Rn. 24 bis 26), sowie vom 7. November 2018, Coöperatie Mobilisation for the Environment u. a. (C‑293/17 und C‑294/17, EU:C:2018:882, Rn. 66 und 82 bis 83), dass dieser Begriff weiter gefasst sei als der Begriff „Projekt“ in der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2012, L 26, S. 1) sowie in der Vorgängerrichtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen ‑und privaten Projekten (ABl. 1985, L 175, S. 40).

24

An zweiter Stelle führt das vorlegende Gericht im Wesentlichen aus, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Begriff „Projekt“ im Sinne von Art. 6 der Richtlinie 92/43 nicht die erforderlichen Hinweise zur Auslegung enthalte, um entscheiden zu können, ob es sich im vorliegenden Fall um ein solches Projekt handele.

25

Hierzu führt es erstens aus, dass der dem Rechtsstreit im Ausgangsverfahren zugrunde liegende Genehmigungsantrag nur darauf abgezielt habe, AquaPri den Weiterbetrieb einer seit etwa 15 Jahren bestehenden Aquakulturanlage unter Bedingungen zu ermöglichen, die gegenüber denen einer ihr erteilten früheren Genehmigung unverändert geblieben seien. Zweitens sei diese frühere Genehmigung nach einer Prüfung erteilt worden, die sich ausschließlich auf die Umweltverträglichkeit einer Erhöhung der von dieser Anlage freigesetzten Stickstoffmenge bezogen habe und die das Projekt daher nicht in Verbindung mit parallelen und ähnlichen Projekten berücksichtigt habe. Drittens sei die Umweltverträglichkeit der gemeinsamen Auswirkungen der unterschiedlichen Anlagen jedoch im Rahmen der zwischenzeitlich gemäß Art. 6 der Richtlinie 92/43 durchgeführten Prüfung im Hinblick auf die Genehmigung des oben in Rn. 20 genannten nationalen Bewirtschaftungsplans berücksichtigt worden.

26

Nach alledem fragt sich das vorlegende Gericht, ob vor dem Erlass einer Entscheidung über den dem Rechtsstreit im Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Genehmigungsantrag eine erneute Prüfung nach Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 hätte vorgenommen werden müssen und, wenn ja, nach welchen Modalitäten.

27

Vor diesem Hintergrund hat das Østre Landsret (Landgericht für Ostdänemark) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Habitatrichtlinie dahin auszulegen, dass er auf eine Situation wie die vorliegende anwendbar ist, in der eine Genehmigung für den Weiterbetrieb einer bestehenden Aquakulturanlage beantragt wird, wenn deren Tätigkeit und die Emission von Stickstoff und anderen Nährstoffen im Verhältnis zu den im Jahr 2006 genehmigten Tätigkeiten und Emissionen unverändert ist, aber bei der früheren Genehmigung der Aquakulturanlage keine Prüfung sämtlicher Tätigkeiten und der kumulativen Auswirkung aller Aquakulturanlagen in dem Gebiet durchgeführt wurde, da von den zuständigen Behörden nur die gesamten zusätzlichen Emissionen von Stickstoff usw. der betreffenden Aquakulturanlage geprüft wurden?

2.

Ist es für die Beantwortung von Frage 1 von Bedeutung, dass im nationalen Bewirtschaftungsplan für die Einzugsgebiete 2015‑2021 das Bestehen von Aquakulturanlagen in dem Gebiet dadurch berücksichtigt wird, dass darin eine bestimmte Stickstoffmenge vorgesehen ist, um zu gewährleisten, dass die in dem Gebiet bestehenden Aquakulturanlagen ihre gegenwärtigen Emissionsgenehmigungen nutzen können und dass die tatsächlich durch diese Aquakulturanlagen verursachten Emissionen innerhalb des festgelegten Rahmens bleiben?

3.

Wenn in einem Fall wie dem vorliegenden eine Prüfung nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Habitatrichtlinie durchzuführen ist, ist die zuständige Behörde dann verpflichtet, bei dieser Prüfung den im Bewirtschaftungsplan 2015-2021 festgelegten Rahmen für die Stickstoffemissionen und andere gegebenenfalls einschlägige Informationen und Prüfungen zu berücksichtigen, die sich aus dem Bewirtschaftungsplan und dem Natura-2000-Programm für das Gebiet ergeben könnten?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

28

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 92/43 dahin auszulegen ist, dass der Weiterbetrieb einer bereits im Entwurfsstadium genehmigten Anlage unter unveränderten Bedingungen der in dieser Bestimmung vorgesehenen Prüfungspflicht unterliegt, wenn sich die dieser Genehmigung vorausgegangene Prüfung lediglich auf die einzeln betrachteten Auswirkungen dieses Projekts erstreckt hat, ohne seine Zusammenwirkung mit anderen Projekten zu berücksichtigen, und diese Genehmigung den Weiterbetrieb von einer durch das innerstaatliche Recht vorgesehenen erneuten Genehmigung abhängig macht.

29

Hierzu ist an erster Stelle festzustellen, dass nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 92/43 Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung eines Natura-2000-Gebiets in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die dieses Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen erfordern.

30

Wie sich schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt, beschränkt sich der Anwendungsbereich der darin vorgesehenen Prüfungspflicht nicht nur auf den Fall, dass ein Plan oder Projekt einzeln betrachtet ein Gebiet erheblich beeinträchtigen könnte und nicht unmittelbar in Verbindung mit der Verwaltung dieses Gebiets steht oder hierfür erforderlich ist. Eine Prüfungspflicht besteht nämlich auch in dem Fall, dass die Zusammenwirkung dieses Plans oder Projekts mit anderen Plänen oder Projekten das betreffende Gebiet erheblich beeinträchtigen könnte.

31

Somit ist in beiden Fällen eine Prüfung des Plans oder Projekts auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen erforderlich.

32

Die Prüfung selbst muss „angemessen“ sein, was erfordert, dass die zuständige nationale Behörde alle Aspekte des fraglichen Plans oder Projekts einbezieht, die sich einzeln betrachtet oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen oder Projekten auf die Verträglichkeit mit dem betreffenden Gebiet auswirken können; demnach muss die Behörde sämtliche Gesichtspunkte eines Plans oder Projekts ermitteln und prüfen, die die für das geschützte Gebiet festgelegten Erhaltungsziele beeinträchtigen können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Januar 2016, Grüne Liga Sachsen u. a., C‑399/14, EU:C:2016:10, Rn. 49, sowie vom 7. November 2018, Holohan u. a., C‑461/17, EU:C:2018:883, Rn. 33, 43 und 45).

33

Aus dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 92/43 folgt indessen auch, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Prüfungspflicht nur Anwendung findet, wenn ein Plan oder Projekt vorliegt.

34

Wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Begriff „Projekt“ im Sinne dieser Bestimmung ergibt, ist dieser Begriff weiter definiert als der Begriff in den Richtlinien 85/337 und 2011/92, die auf Arbeiten oder Eingriffe zur Änderung des materiellen Zustands eines Gebiets verweisen. Der Begriff umfasst nämlich auch andere Tätigkeiten, die, ohne mit der Verwaltung des Gebiets in Verbindung zu stehen oder hierfür notwendig zu sein, ein solches Gebiet erheblich beeinträchtigen könnten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. November 2018, Coöperatie Mobilisation for the Environment u. a., C‑293/17 und C‑294/17, EU:C:2018:882, Rn. 61 bis 68 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

35

Ist eine Tätigkeit, die ein Schutzgebiet erheblich beeinträchtigen könnte, allerdings bereits im Entwurfsstadium genehmigt worden, kann die Fortführung dieser Tätigkeit nur dann als ein neues oder anderes Projekt betrachtet werden, das einer erneuten Prüfung gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 92/43 zu unterziehen ist, wenn zwischen der genehmigten und der fortgeführten Tätigkeit keine Kontinuität und Identität besteht, insbesondere was die Art dieser Tätigkeiten sowie die Orte und Umstände ihrer Ausführung betrifft (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. November 2018, Coöperatie Mobilisation for the Environment u. a., C‑293/17 und C‑294/17, EU:C:2018:882, Rn. 83, sowie vom 29. Juli 2019, Inter-Environnement Wallonie und Bond Beter Leefmilieu Vlaanderen, C‑411/17, EU:C:2019:622, Rn. 129 bis 131).

36

Im Fall der Kontinuität und Identität einer solchen Tätigkeit ist deren Fortführung nämlich als ein und dasselbe bereits genehmigte Projekt anzusehen, das gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 92/43 keiner erneuten Prüfung unterzogen werden muss (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. November 2018, Coöperatie Mobilisation for the Environment u. a., C‑293/17 und C‑294/17, EU:C:2018:882, Rn. 78 und 79, vom 29. Juli 2019, Inter-Environnement Wallonie und Bond Beter Leefmilieu Vlaanderen, C‑411/17, EU:C:2019:622, Rn. 128, sowie vom 9. September 2020, Friends of the Irish Environment, C‑254/19, EU:C:2020:680, Rn. 35).

37

Vorliegend ergibt sich aus dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Frage, dass das vorlegende Gericht den Gerichtshof um Auskunft darüber ersucht, ob Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 92/43 in einem Rechtsstreit über den Weiterbetrieb einer bereits im Entwurfsstadium als Projekt genehmigten Anlage anwendbar ist, wenn die Bedingungen, unter denen diese Genehmigung erteilt worden ist, unverändert geblieben sind. Es scheint daher, vorbehaltlich einer Überprüfung, die allein Sache des vorlegenden Gerichts ist, kein neues oder gesondertes Projekt zu existieren, das einer erneuten Prüfung nach dieser Bestimmung unterzogen werden müsste.

38

An zweiter Stelle ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43 und insbesondere die in Satz 1 dieser Bestimmung vorgesehene Prüfungspflicht zu beachten haben und es daher nicht sein darf, dass aus einem Verstoß gegen diese Verpflichtung keine Rechtsfolgen abgeleitet werden können, wenn er von der zuständigen nationalen Behörde oder dem zuständigen nationalen Gericht in einer endgültigen Entscheidung festgestellt werden sollte.

39

Vielmehr kann, wie der Gerichtshof in Bezug auf die mit der Richtlinie 85/337 eingeführte vergleichbare Prüfungspflicht ausgeführt hat, selbst wenn die unter Verstoß gegen diese Verpflichtung erteilte Genehmigung eines Projekts bestandskräftig ist, dieses nicht als im Hinblick auf diese Verpflichtung rechtmäßig genehmigt angesehen werden, so dass der betreffende Mitgliedstaat nach dem in Art. 4 Abs. 3 EUV vorgesehenen Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verpflichtet ist, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die rechtswidrigen Folgen eines von ihm begangenen Verstoßes im Rahmen seiner Zuständigkeiten zu beheben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. November 2019, Kommission/Irland [Windfarm Derrybrien], C‑261/18, EU:C:2019:955), Rn. 71, 75, 80 und 90 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

40

Insbesondere muss die zuständige nationale Behörde, wie die Generalanwältin in den Nrn. 29 und 30 ihrer Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, in dem Fall, dass ein Projekt aufgrund einer Prüfung genehmigt worden ist, die den Anforderungen von Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 92/43 nicht genügt, gemäß Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie eine nachträgliche Prüfung auf Verträglichkeit dieses Projekts mit dem betreffenden Gebiet durchführen, wenn diese Prüfung die einzige geeignete Maßnahme darstellt, um zu verhindern, dass die Ausführung zu einer Verschlechterung oder zu Störungen führt, die sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Januar 2016, Grüne Liga Sachsen u. a., C‑399/14, EU:C:2016:10, Rn. 46).

41

Eine solche nachträgliche Prüfung gemäß Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 92/43 ist allerdings nicht die einzige geeignete Maßnahme, die der zuständigen nationalen Behörde in einem Fall wie dem im Ausgangsverfahren obliegen könnte.

42

Wie sich nämlich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, hindert das Unionsrecht die Behörde nicht, zur Vornahme einer erneuten Prüfung, die den geltenden Anforderungen entspricht, eine bereits erteilte Genehmigung zurückzunehmen oder auszusetzen, sofern dies innerhalb einer angemessenen Frist erfolgt und dabei berücksichtigt wird, inwieweit der Betroffene eventuell auf die Rechtmäßigkeit dieser Genehmigung vertrauen konnte; ebenso kann die betreffende Behörde in bestimmten, durch das geltende innerstaatliche Recht vorgesehenen Ausnahmefällen eine Legalisierung vornehmen, die nicht nur diesen Anforderungen genügen muss, sondern auch unter Bedingungen zu erfolgen hat, die jede Gefahr der Umgehung oder Nichtanwendung der Vorschriften des Unionsrechts ausschließen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. November 2019, Kommission/Irland [Windfarm Derrybrien], C‑261/18, EU:C:2019:955), Rn. 75 bis 77 und 92 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

43

Hat ein Mitgliedstaat ferner in einem Rechtsakt von allgemeiner oder von individueller Geltung vorgesehen, dass die Fortsetzung einer bereits genehmigten Tätigkeit einer erneuten Genehmigung bedarf, ist die zuständige nationale Behörde verpflichtet, diese Genehmigung von einer erneuten Prüfung abhängig zu machen, die den Anforderungen von Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 92/43 entspricht, wenn sich herausstellt, dass diese Tätigkeit noch nicht Gegenstand einer solchen richtlinienkonformen Prüfung war; dabei hat die Behörde sämtliche tatsächlichen und rechtlichen Konsequenzen zu ziehen, die sich im Rahmen ihrer Entscheidung über die erneute Genehmigung aus dieser erneuten Prüfung ergeben.

44

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Wortlaut der Frage und den oben in Rn. 16 zusammengefassten Ausführungen des vorlegenden Gerichts, dass die am 27. Oktober 2006 erteilte Genehmigung vorsah, dass für den Weiterbetrieb der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Anlage bis zum 15. März 2014 ein erneuter Genehmigungsantrag nach § 70 Abs. 2 des Genehmigungsdekrets gestellt werden musste.

45

Aus den oben in den Rn. 15 und 19 zusammengefassten Ausführungen des vorlegenden Gerichts geht auch hervor, dass die durch die zuständige Behörde im Lauf des Jahres 2006 vor der in der vorstehenden Randnummer genannten Genehmigung durchgeführte Prüfung nicht den Anforderungen von Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 92/43 entsprach, da sie sich nur auf die individuellen Auswirkungen des betreffenden Projekts und nicht auf die Auswirkungen dieses Projekts in Verbindung mit anderen Projekten bezog.

46

Unabhängig davon, welche Maßnahme ergriffen wird, um die rechtswidrigen Folgen des Verstoßes gegen eine Prüfungspflicht wie die in Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 92/43 vorgesehene zu beheben, kann, sofern eine solche Maßnahme dazu führt, dass die infolge des Verstoßes erteilte Genehmigung in Frage gestellt oder geändert wird, der für diesen Verstoß verantwortliche Mitgliedstaat verpflichtet sein, dem Wirtschaftsteilnehmer, dem die Genehmigung erteilt wurde, sämtliche durch sein Verhalten entstandene Schäden zu ersetzen, wie dies im vorliegenden Fall von AquaPri geltend gemacht wird; dies zu prüfen ist Sache des zuständigen nationalen Gerichts.

47

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 92/43 dahin auszulegen ist, dass der Weiterbetrieb einer bereits im Entwurfsstadium genehmigten Anlage unter unveränderten Bedingungen grundsätzlich nicht der in dieser Bestimmung vorgesehenen Prüfungspflicht unterliegt. Wenn sich allerdings die dieser Genehmigung vorausgegangene Prüfung lediglich auf die Auswirkungen dieses einzeln betrachteten Projekts erstreckt hat, ohne seine Zusammenwirkung mit anderen Projekten zu berücksichtigen, und diese Genehmigung den Weiterbetrieb von einer durch das innerstaatliche Recht vorgesehenen erneuten Genehmigung abhängig macht, muss der erneuten Genehmigung eine erneute Prüfung vorausgehen, die den Anforderungen dieser Bestimmung entspricht.

Zur zweiten und zur dritten Frage

48

Mit seiner zweiten und seiner dritten Frage, die zusammen zu behandeln sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 92/43 dahin auszulegen ist, dass für die Entscheidung, ob der Weiterbetrieb einer Anlage, die bereits im Entwurfsstadium nach einer den Anforderungen dieser Bestimmung nicht entsprechenden Prüfung genehmigt worden ist, einer erneuten, diesen Anforderungen entsprechenden Prüfung zu unterziehen ist und, wenn ja, ob bei der Durchführung dieser erneuten Prüfung zwischenzeitlich erfolgte Prüfungen zu berücksichtigen sind, wie etwa solche, die der Verabschiedung eines nationalen Bewirtschaftungsplans und eines Natura-2000-Plans vorausgegangen sind und sich namentlich auf die Zone mit dem Gebiet erstrecken, das durch diese Tätigkeit beeinträchtigt werden könnte.

49

Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass, wie sich oben aus den Rn. 29 und 32 ergibt, Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung eines Gebiets in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, aber dieses Gebiet erheblich beeinträchtigen könnten, eine Prüfung auf Verträglichkeit mit diesem Gebiet erfordern, was voraussetzt, dass sämtliche Auswirkungen dieses Plans oder Projekts auf das Gebiet zu ermitteln, zu beurteilen und zu berücksichtigen sind.

50

Wie sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, erfordert ein solcher Plan oder ein solches Projekt eine derartige Prüfung, wenn die Wahrscheinlichkeit oder Gefahr besteht, dass der betreffende Plan oder das betreffende Projekt das fragliche Gebiet erheblich beeinträchtigt, wobei diese Voraussetzung als erfüllt anzusehen ist, wenn die Wahrscheinlichkeit oder Gefahr erheblicher schädlicher Auswirkungen auf dieses Gebiet unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse, namentlich im Licht der besonderen Merkmale und Umweltbedingungen dieses Gebiets, nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. September 2004, Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging, C‑127/02, EU:C:2004:482, Rn 43 bis 45 und 49, vom 17. April 2018, Kommission/Polen [Wald von Białowieża], C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 111 bis 113, sowie vom 9. September 2020, Friends of the Irish Environment, C‑254/19, EU:C:2020:680, Rn. 50 und 51).

51

Ferner ist in dem Fall, dass ein Plan oder Projekt eine derartige Prüfung erfordert, diese nur dann als geeignet anzusehen, wenn die darin enthaltenen Feststellungen, Bewertungen und Schlussfolgerungen vollständig, präzise und endgültig und zudem geeignet sind, jeden vernünftigen wissenschaftlichen Zweifel hinsichtlich der Auswirkungen dieses Plans oder Projekts auf das betreffende Gebiet auszuräumen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. April 2018, Kommission/Polen [Wald von Białowieża], C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 114, und vom 9. September 2020, Friends of the Irish Environment, C‑254/19, EU:C:2020:680, Rn. 53).

52

Schließlich sind bei der Entscheidung, ob ein Plan oder Projekt eine Prüfung nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 92/43 erfordert, und, wenn ja, bei der Durchführung dieser Prüfung eventuelle frühere Prüfungen zu berücksichtigen, sofern diese relevant sind und die darin enthaltenen Feststellungen, Bewertungen und Schlussfolgerungen ihrerseits vollständig, präzise und endgültig sind. Die Berücksichtigung dieser früheren Prüfungen vermag die Wahrscheinlichkeit oder Gefahr erheblicher nachteiliger Auswirkungen des in Rede stehenden Plans oder Projekts auf das betreffende Gebiet allerdings nur dann auszuschließen, wenn sich die wissenschaftlichen und Umweltdaten seit ihrer Durchführung nicht geändert haben und es keine anderen Pläne oder Projekte gibt, die berücksichtigt werden müssten und die nicht, nicht vollständig oder nicht richtig berücksichtigt wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2020, Friends of the Irish Environment, C‑254/19, EU:C:2020:680, Rn. 54 bis 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53

Es darf nämlich zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Genehmigung des in Rede stehenden Plans oder Projekts aus wissenschaftlicher Sicht kein vernünftiger Zweifel am Fehlen einer Wahrscheinlichkeit oder Gefahr erheblicher nachteiliger Auswirkungen des Plans oder Projekts auf das betreffende Gebiet bestehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. April 2018, Kommission/Polen [Wald von Białowieża], C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 120).

54

Diese Grundsätze lassen sich auf den oben in Rn. 43 genannten Fall übertragen, in dem ein Mitgliedstaat in einem Rechtsakt mit allgemeiner oder mit individueller Geltung vorgesehen hat, dass die Fortsetzung einer bereits im Entwurfsstadium genehmigten Tätigkeit einer erneuten Genehmigung bedarf.

55

Folglich ist es Sache der zuständigen nationalen Behörde, sowohl bei der Entscheidung, ob dieser erneuten Genehmigung eine erneute Prüfung nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 92/43 vorausgehen muss, als auch, wenn ja, bei der Durchführung dieser erneuten Prüfung früher vorgenommene Prüfungen zu berücksichtigen, sofern diese relevant sind und die darin enthaltenen Feststellungen, Bewertungen und Schlussfolgerungen vollständig, präzise und endgültig sind.

56

Gleichwohl entbindet das Vorhandensein solcher früheren Prüfungen die zuständige nationale Behörde keinesfalls davon, bei ihrer Entscheidung über eine Genehmigung ebenso wie im Rahmen der ihr vorausgehenden Prüfung sämtliche Umstände, die zum Zeitpunkt der Entscheidung und dieser Prüfung vorliegen, und insbesondere sämtliche Aspekte der Umweltverträglichkeit zu berücksichtigen, die die Durchführung des geprüften Projekts und die damit einhergehende Tätigkeit in Bezug auf das betreffende Gebiet seit der ursprünglichen Genehmigung des Projekts haben konnten, und zwar so, als würde diese Behörde eine nachträgliche Prüfung dieses Projekts gemäß Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 92/43 vornehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Januar 2016, Grüne Liga Sachsen u. a., C‑399/14, EU:C:2016:10, Rn. 61 und 62).

57

Im vorliegenden Fall ist es allein Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob die früheren Prüfungen, auf die es sich in den vorliegenden Fragen bezieht, den oben in Rn. 55 genannten Anforderungen genügen und, wenn ja, welche tatsächlichen und rechtlichen Konsequenzen die zuständige nationale Behörde daraus für die Genehmigung der Fortführung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Tätigkeit und, soweit erforderlich, für die ihr vorausgehende Prüfung ziehen musste oder hätte ziehen müssen.

58

Nach alledem ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 92/43 dahin auszulegen ist, dass für die Entscheidung, ob der Weiterbetrieb einer Anlage, die bereits im Entwurfsstadium nach einer den Anforderungen dieser Bestimmung nicht entsprechenden Prüfung genehmigt worden ist, eine erneute, diesen Anforderungen entsprechende Prüfung erfordert, und, wenn ja, dass für die Durchführung dieser erneuten Prüfung zwischenzeitlich erfolgte Prüfungen zu berücksichtigen sind, wie etwa solche, die der Verabschiedung eines nationalen Bewirtschaftungsplans und eines Natura-2000-Plans vorausgegangen sind und sich namentlich auf die Zone mit dem Gebiet erstrecken, das durch diese Tätigkeit beeinträchtigt werden könnte, sofern die früheren Prüfungen einschlägig sind und die darin enthaltenen Feststellungen, Bewertungen und Schlussfolgerungen vollständig, präzise und endgültig sind.

Kosten

59

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen

ist dahin auszulegen, dass

der Weiterbetrieb einer bereits im Entwurfsstadium genehmigten Anlage unter unveränderten Bedingungen grundsätzlich nicht der in dieser Bestimmung vorgesehenen Prüfungspflicht unterliegt. Wenn sich allerdings die dieser Genehmigung vorausgegangene Prüfung lediglich auf die Auswirkungen dieses einzeln betrachteten Projekts erstreckt hat, ohne seine Zusammenwirkung mit anderen Projekten zu berücksichtigen, und diese Genehmigung den Weiterbetrieb von einer durch das innerstaatliche Recht vorgesehenen erneuten Genehmigung abhängig macht, muss der erneuten Genehmigung eine erneute Prüfung vorausgehen, die den Anforderungen dieser Bestimmung entspricht.

 

2.

Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 92/43

ist dahin auszulegen, dass

für die Entscheidung, ob der Weiterbetrieb einer Anlage, die bereits im Entwurfsstadium nach einer den Anforderungen dieser Bestimmung nicht entsprechenden Prüfung genehmigt worden ist, eine erneute, diesen Anforderungen entsprechende Prüfung erfordert, und, wenn ja, dass für die Durchführung dieser erneuten Prüfung zwischenzeitlich erfolgte Prüfungen zu berücksichtigen sind, wie etwa solche, die der Verabschiedung eines nationalen Bewirtschaftungsplans und eines Natura-2000-Plans vorausgegangen sind und sich namentlich auf die Zone mit dem Gebiet erstrecken, das durch diese Tätigkeit beeinträchtigt werden könnte, sofern die früheren Prüfungen einschlägig sind und die darin enthaltenen Feststellungen, Bewertungen und Schlussfolgerungen vollständig, präzise und endgültig sind.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Dänisch.