SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 27. Oktober 2022 ( 1 )

Rechtssache C‑688/21

Confédération paysanne,

Réseau Semences Paysannes,

Les Amis de la Terre France,

Collectif Vigilance OGM et Pesticides 16,

Vigilance OG2M,

CSFV 49,

OGM: dangers,

Vigilance OGM 33

gegen

Premier ministre,

Ministre de l’Agriculture et de l’Alimentation,

Beteiligte:

Fédération française des producteurs d’oléagineux et de protéagineux

(Vorabentscheidungsersuchen des Conseil d’État [Staatsrat, Frankreich])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen – Richtlinie 2001/18/EG – Art. 3 Abs. 1 – Anwendungsbereich – Anhang I B Nr. 1 – Mutagenese – Ausschluss – Verfahren der In-vitro-Zufallsmutagenese – Verfahren/Methoden der genetischen Veränderung, die herkömmlich angewandt wurden und seit Langem als sicher gelten – Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt“

Einleitung

1.

Bei allen lebenden Organismen treten auf natürliche Weise genetische Veränderungen auf. Sie können durch endogene Faktoren, wie z. B. einen Kopierfehler der DNA bei der Zellvermehrung, oder exogene Faktoren, wie z. B. Bestrahlung, u. a. durch UV-Strahlen, chemische Stoffe, Viren usw., verursacht werden. Diese Veränderungen finden auf zellulärer Ebene des Organismus statt. Sobald sie sich stabilisiert haben, können sie an nachfolgende Generationen weitergegeben werden. In diesem Fall spricht man von „Mutationen“. Mutationen, die für den Organismus günstig sind, werden im Prozess der natürlichen Selektion gefördert, wohingegen Mutationen, die für den Organismus schädlich sind, eliminiert werden. So ermöglichen Mutationen Organismen u. a., sich an Umweltveränderungen anzupassen. Dies ist die treibende Kraft der Evolution. Technisch gesehen sind folglich alle lebenden Organismen gentechnisch verändert.

2.

Seit der jungsteinzeitlichen Revolution hat die Menschheit Pflanzen ( 2 ) genetisch verändert, um wilde Arten in Arten mit hohem Ernährungswert umzuwandeln. Praktisch alle Pflanzen, die derzeit zum menschlichen Verzehr bestimmt sind, vom Weizen bis zur Banane, sind das Ergebnis künstlicher und willentlicher Selektion durch den Menschen, natürlich auftretender Mutationen (sogenannter „spontaner“ Mutationen) und der Kreuzung verschiedener Sorten, und sie haben nur sehr wenig mit ihren wilden Vorfahren gemeinsam.

3.

Im Lauf des 20. Jahrhunderts meisterte der Mensch das Verfahren, mit Hilfe chemischer oder physikalischer Faktoren künstlich Veränderungen herbeizuführen, und zwar in viel höherer Geschwindigkeit (1000 bis 10 000-fach) als bei spontanen Mutationen. Dieses Verfahren wird als „Mutagenese“ bezeichnet ( 3 ). Da die auf diese Weise herbeigeführten Mutationen wie in der Natur zufälliger Art sind, erfordert das Verfahren, anschließend die Mutationen auszuwählen, die für die Landwirtschaft von Interesse sind. Es handelt sich demnach um „Zufallsmutagenese“, die auch „herkömmliche Mutagenese“ genannt wird.

4.

Die Zufallsmutagenese wurde zunächst auf ganze Pflanzen oder auf Pflanzenteile (in vivo) angewandt. Sie kann aber auch auf In-vitro-Kulturen von Organen, Geweben, undifferenzierten Zellhaufen (Kallus), einzelnen Zellen und Protoplasten ( 4 ) angewandt werden. Die In-vitro-Kultur führt zur Neubildung einer ganzen Pflanze aus dem so gezüchteten Pflanzenmaterial.

5.

Am Ende des 20. Jahrhunderts ermöglichte der wissenschaftliche Fortschritt, das Genom aufzuspalten und darin ein oder mehrere Gene aus einem anderen Organismus einzuführen, einschließlich aus einem Organismus, der sein genetisches Material auf natürliche Weise nicht auf den Wirtsorganismus übertragen könnte, wie z. B. ein Organismus, der einer anderen Spezies angehört. Man spricht dann von „Transgenese“ oder „gentechnischen Verfahren“.

6.

Die Verfahren, die vorwiegend zu Beginn dieses Jahrhunderts entwickelt wurden, ermöglichen es schließlich, gezielte Mutationen hervorzurufen, die sich auf ein konkretes Gen beziehen und von Anfang an zu den gewünschten Veränderungen führen, ohne dass eine spätere Selektion zur Anwendung kommen muss. Diese Verfahren tragen den Namen „gezielte Mutagenese“ oder auch „Genom-Editierung“.

7.

Diese neuen Verfahren der genetischen Veränderung, insbesondere die Transgenese, stoßen in der Europäischen Union bei einem erheblichen Teil der Gesellschaft wie auch bei einem Teil der Landwirte auf starke Ablehnung. Die Skepsis, die diesen Verfahren entgegengebracht wird, hat zu einem strengen gesetzlichen Rahmen für genetisch veränderte Organismen (GVO) geführt, der im Übrigen in der Mehrheit der Mitgliedstaaten schlicht und einfach in einem Verbot zum Ausdruck kommt ( 5 ).

8.

Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob Sorten, die aus der In-vitro-Zufallsmutagenese hervorgegangen sind und bislang als vom Anwendungsbereich der betreffenden Rechtsvorschriften ausgenommen galten und von denen eine Reihe in der Union angebaut werden, darunter die im Ausgangsverfahren fraglichen pestizidresistenten Rapssorten, nunmehr unter diese Rechtsvorschriften fallen und höchstwahrscheinlich das Schicksal der transgenen Sorten teilen müssen.

Rechtlicher Rahmen

9.

Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates ( 6 ) lautet:

„Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet:

2.

‚genetisch veränderter Organismus (GVO)‘: ein Organismus mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material so verändert worden ist, wie es auf natürliche Weise durch Kreuzen und/oder natürliche Rekombination nicht möglich ist.

Im Sinne dieser Definition gilt Folgendes:

a)

Zu der genetischen Veränderung kommt es mindestens durch den Einsatz der in Anhang I A Teil 1 aufgeführten Verfahren;

b)

bei den in Anhang I A Teil 2 aufgeführten Verfahren ist nicht davon auszugehen, dass sie zu einer genetischen Veränderung führen“.

10.

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Diese Richtlinie gilt nicht für Organismen, bei denen eine genetische Veränderung durch den Einsatz der in Anhang I B aufgeführten Verfahren herbeigeführt wurde.“

11.

Anhang I B Nr. 1 der Richtlinie lautet:

„Verfahren/Methoden der genetischen Veränderung, aus denen Organismen hervorgehen, die von der Richtlinie auszuschließen sind, vorausgesetzt, es werden nur solche rekombinanten Nukleinsäuremoleküle oder genetisch veränderten Organismen verwendet, die in einem oder mehreren der folgenden Verfahren bzw. nach einer oder mehreren der folgenden Methoden hervorgegangen sind:

1.

Mutagenese“.

12.

In Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft heißt es ( 7 ):

„Vorbehaltlich des Artikels 7 übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission unverzüglich jeden Entwurf einer technischen Vorschrift, sofern es sich nicht um eine vollständige Übertragung einer internationalen oder europäischen Norm handelt; in diesem Fall reicht die Mitteilung aus, um welche Norm es sich handelt. Sie unterrichten die Kommission gleichzeitig in einer Mitteilung über die Gründe, die die Festlegung einer derartigen technischen Vorschrift erforderlich machen, es sei denn, die Gründe gehen bereits aus dem Entwurf hervor.

Die Kommission unterrichtet die anderen Mitgliedstaaten unverzüglich über den Entwurf einer technischen Vorschrift und alle ihr zugegangenen Dokumente; sie kann den Entwurf auch dem nach Artikel 2 dieser Richtlinie eingesetzten Ausschuss und gegebenenfalls dem jeweils zuständigen Ausschuss zur Stellungnahme vorlegen.

…“

13.

In Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie heißt es:

„Die Mitgliedstaaten nehmen

… jeden anderen Entwurf einer technischen Vorschrift, mit Ausnahme der Entwürfe betreffend Dienste, nicht vor Ablauf von sechs Monaten;

nach Eingang der Mitteilung gemäß Artikel 5 Absatz 1 bei der Kommission an, wenn die Kommission oder ein anderer Mitgliedstaat innerhalb von drei Monaten nach Eingang eine ausführliche Stellungnahme abgibt, der zufolge die geplante Maßnahme Elemente enthält, die den freien Warenverkehr im Rahmen des Binnenmarktes beeinträchtigen könnten;

…“

Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

14.

Im Ausgangsverfahren stehen sich die Confédération paysanne, ein französischer Landwirtschaftsverband, und sieben Vereinigungen gegen GVO auf der einen sowie der Premier ministre (Premierminister) und der Ministre de l’Agriculture et de l’Alimentation (Minister für Landwirtschaft und Ernährung, Frankreich), unterstützt von der Fédération française des producteurs d’oléagineux et de protéagineux (Vereinigung französischer Öl- und Eiweißpflanzenproduzenten) (im Folgenden: FOP), ein Berufsverband der Öl- und Proteinbranche, auf der anderen Seite gegenüber. Der Gegenstand dieses Rechtsstreits ist der Ausschluss bestimmter Mutageneseverfahren vom Anwendungsbereich der Bestimmungen des französischen Rechts, die den Anbau, die Vermarktung und die Verwendung von GVO regeln, sowie die Aufnahme der aus diesen Verfahren hervorgegangenen Sorten in den französischen Pflanzensortenkatalog.

15.

In seinem Urteil vom 25. Juli 2018, Confédération paysanne u. a. ( 8 ), entschied der Gerichtshof u. a., als er die Vorlagefragen des Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich), der auch in der vorliegenden Rechtssache das vorlegende Gericht ist, beantwortete – diese Vorlagefragen waren im Rahmen desselben Ausgangsverfahrens gestellt worden: „Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 ist in Verbindung mit Nr. 1 ihres Anhangs I B und im Licht ihres 17. Erwägungsgrundes dahin auszulegen, dass nur die mit Verfahren/Methoden der Mutagenese, die herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurden und seit langem als sicher gelten, gewonnenen Organismen vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen sind.“ ( 9 ) Der Gerichtshof stellte des Weiteren klar, dass Mutagenesemethoden oder ‑verfahren ( 10 ), „die seit dem Erlass der Richtlinie [2001/18] entstanden sind oder sich hauptsächlich entwickelt haben“, vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie nicht ausgeschlossen werden dürfen ( 11 ).

16.

Der Conseil d’État (Staatsrat) erließ seine Entscheidung am 7. Februar 2020. Er gab u. a. dem Premier ministre (Premierminister) auf, innerhalb von sechs Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung per Dekret, das nach der Stellungnahme des Haut Conseil des biotechnologies (Hoher Rat für Biotechnologie) (im Folgenden: HCB) erlassen wird, eine abschließende Liste der Mutageneseverfahren oder ‑methoden festzulegen, die herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurden und seit Langem als sicher gelten. Der Conseil d’État (Staatsrat) stellte in dieser Entscheidung fest, dass sowohl die Techniken oder Methoden der „gezielten Mutagenese“ oder „Genom-Editierung“ als auch die Verfahren der „In-vitro-Zufallsmutagenese“ nach dem Erlass der Richtlinie 2001/18 entstanden seien oder sich hauptsächlich entwickelt hätten und daher so zu betrachten seien, dass sie den Verpflichtungen unterliegen, die nach dieser Richtlinie im Licht des Urteils Confédération paysanne u. a. für GVO gelten.

17.

Im Rahmen der Durchführung der in der Entscheidung des Conseil d’État (Staatsrat) vom 7. Februar 2020 getroffenen Anordnung erstellte die französische Regierung Entwürfe für ein Dekret und zwei Verordnungen. Die fraglichen Entwürfe sollten die nationalen Regelungen dahin gehend ändern, dass die Zufallsmutagenese „mit Ausnahme der In-vitro-Zufallsmutagenese, bei der in vitro kultivierte Pflanzenzellen chemischen oder physikalischen Mutagenen ausgesetzt werden“, als Verfahren angesehen werden kann, das herkömmlich angewendet wurde, ohne nachweislich die öffentliche Gesundheit oder die Umwelt zu schädigen. Nach diesen Entwürfen sollten Sorten, die mit dem letztgenannten Verfahren erzeugt wurden, aus dem offiziellen französischen Sortenkatalog gestrichen werden. Der fragliche Dekretentwurf wurde dem HCB vorgelegt, der seine Stellungnahme, die sich aus dem Gutachten seines wissenschaftlichen Ausschusses und der Empfehlung seines Wirtschafts‑, Ethik- und Sozialausschusses zusammensetzte, am 7. Juli 2020 abgab ( 12 ).

18.

Am 6. Mai 2020 wurden die Entwürfe des Dekrets und der beiden Verordnungen gemäß der Richtlinie 2015/1535 an die Europäische Kommission notifiziert. Nach dieser Notifizierung gab die Kommission, die sich dabei auf den vorläufigen Bericht der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vom 19. Mai 2020 stützte, am 7. August 2020 eine ausführliche Stellungnahme ab, in der sie u. a. feststellte, dass es nicht gerechtfertigt sei, durch In-vitro-Zufallsmutagenese erzeugte Sorten aus dem amtlichen Katalog zu streichen. Die Kommission vertrat die Auffassung, dass die Entwürfe des Dekrets und der Verordnungen, wenn sie in der vorliegenden Fassung angenommen würden, nicht mit Art. 3 Abs. 1 und Anhang I B der Richtlinie 2001/18 sowie mit Art. 14 der Richtlinie 2002/53/EG ( 13 ) und Art. 14 der Richtlinie 2002/55/EG ( 14 ) vereinbar wären, d. h. mit Bestimmungen, in denen die Situationen aufgeführt seien, in denen es zulässig sei, die Aufnahme einer Sorte in den Katalog aufzuheben. Die Unterscheidung zwischen In-vivo- und In-vitro-Mutagenese sei weder durch den Wortlaut der Richtlinie 2001/18, noch durch das Urteil Confédération paysanne u. a. noch durch wissenschaftliche Daten gerechtfertigt. Diese ausführliche Stellungnahme wird von acht Mitgliedstaaten unterstützt.

19.

In Anbetracht der ausführlichen Stellungnahme der Kommission wurden das fragliche Dekret und die fraglichen Verordnungen nicht erlassen. Da die Anordnungen, die mit der Entscheidung des vorlegenden Gerichts vom 7. Februar 2020 erlassen wurden, somit trotz des Ablaufs der sechsmonatigen Frist nicht durchgeführt wurden, beantragten die Kläger des Ausgangsverfahrens beim vorlegenden Gericht, für eine Vollstreckung der Entscheidung mittels Zwangsgeld zu sorgen. Der Ministre de l’Agriculture et de l’Alimentation (Minister für Landwirtschaft und Ernährung) beantragte beim vorlegenden Gericht, festzustellen, dass die Regierung alle erforderlichen Anstrengungen unternommen habe, um die mit dieser Entscheidung erlassenen Anordnungen umzusetzen, und kein Zwangsgeld zu verhängen.

20.

Mit Blick auf zum einen die ausführliche Stellungnahme der Kommission und den vorläufigen Bericht der EFSA sowie zum anderen insbesondere die Stellungnahme des HCB vom 7. Juli 2020 zweifelte der Conseil d’État (Staatsrat) an der richtigen Auslegung der Richtlinie 2001/18 im Licht des Urteils Confédération paysanne u. a. Unter diesen Umständen hat der Conseil d’État (Staatsrat) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 in Verbindung mit deren Anhang I B Nr. 1 und im Licht ihres 17. Erwägungsgrundes dahin auszulegen, dass zur Bestimmung derjenigen Verfahren/Methoden der Mutagenese, die im Sinne des Urteils Confédération paysanne u. a. herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurden und seit Langem als sicher gelten, nur die Art und Weise zu berücksichtigen ist, in der das Mutagen das genetische Material des Organismus verändert, oder sind alle durch das angewandte Verfahren hervorgerufenen Änderungen des Organismus zu berücksichtigen, einschließlich somaklonaler Variationen, die die menschliche Gesundheit und die Umwelt beeinträchtigen könnten?

2.

Ist Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 in Verbindung mit deren Anhang I B Nr. 1 und im Licht ihres 17. Erwägungsgrundes dahin auszulegen, dass bei der Feststellung, ob ein Verfahren oder eine Methode der Mutagenese im Sinne des Urteils Confédération paysanne u. a. herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurde und seit Langem als sicher gilt, nur der Freilandanbau der mit diesem Verfahren oder dieser Methode gewonnenen Organismen zu berücksichtigen ist, oder können auch Forschungsarbeiten und Publikationen berücksichtigt werden, die sich nicht auf diesen Anbau beziehen, und sind bei diesen Arbeiten und Publikationen nur diejenigen zu berücksichtigen, die sich auf die Risiken für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt beziehen?

21.

Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 17. November 2021 beim Gerichtshof eingegangen. Der Präsident des Gerichtshofs hat dem Antrag des vorlegenden Gerichts, das beschleunigte Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 105 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs anzuwenden, nicht stattgegeben. Stattdessen hat er gemäß Art. 53 Abs. 3 der Verfahrensordnung entschieden, dass über die vorliegende Rechtssache mit Vorrang entschieden wird. Die Kläger des Ausgangsverfahrens, FOP, die französische Regierung und die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht und in der Sitzung vom 20. Juni 2022 mündliche Ausführungen gemacht.

Würdigung

22.

Das vorlegende Gericht stellt zwei Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2001/18 im Licht des Urteils Confédération paysanne u. a. FOP beanstandet die Zulässigkeit dieser Fragen. Die Bedenken von FOP teile ich nicht. Dagegen scheint mir, dass eine einfache Antwort auf die Vorlagefragen, so wie sie formuliert sind, nicht die vom vorlegenden Gericht gewünschte Klarheit bringen würde oder jedenfalls keine einheitliche Anwendung der fraglichen Bestimmungen innerhalb der Union ermöglichen würde. Ich werde dem Gerichtshof daher in den vorliegenden Schlussanträgen vorschlagen, über diese Fragen hinauszugehen und dabei der Linie zu folgen, die bereits im Urteil Confédération paysanne u. a. vorgegeben wurde.

Vorbemerkungen

23.

Bevor ich mit der Prüfung in der Sache beginne, halte ich folgende Bemerkungen für erforderlich.

Zum Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits

24.

Das vorlegende Gericht ( 15 ) hatte, als es dem Gerichtshof seine Vorlagefragen in der Rechtssache unterbreitet hatte, in der das Urteil Confédération paysanne u. a. ergangen ist, zwei Verfahren oder Methoden der genetischen Veränderung genannt, deren Ausschluss vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/18 seiner Ansicht nach Zweifel aufwarf: die In-vitro-Zufallsmutagenese und die gezielte Mutagenese.

25.

Im Tenor dieses Urteils hat der Gerichtshof keine dieser Verfahren oder Methoden ausdrücklich genannt. Er hat jedoch u. a. festgestellt, dass „das vorlegende Gericht insbesondere über Verfahren/Methoden der gezielten Mutagenese befinden muss, die mit dem Einsatz von Gentechnik verbunden sind“, und dass diese Verfahren oder Methoden „seit dem Erlass der Richtlinie 2001/18 entstanden sind oder sich hauptsächlich entwickelt haben“ ( 16 ). Ferner hat der Gerichtshof unter Zugrundelegung der Tatsachenfeststellungen des vorlegenden Gerichts ausgeführt, dass „sich die mit dem Einsatz dieser neuen Verfahren/Methoden der Mutagenese verbundenen Risiken aber als vergleichbar mit den bei der Erzeugung und Verbreitung von GVO durch Transgenese auftretenden Risiken erweisen [könnten]“, da „zum einen … mit der unmittelbaren Veränderung des genetischen Materials eines Organismus durch Mutagenese die gleichen Wirkungen erzielt werden können wie mit der Einführung eines fremden Gens in diesen Organismus, und zum anderen … die Entwicklung dieser neuen Verfahren/Methoden die Erzeugung genetisch veränderter Sorten in einem ungleich größeren Tempo und Ausmaß als bei der Anwendung herkömmlicher Methoden der Zufallsmutagenese ermöglicht“ ( 17 ).

26.

Somit besteht kein Zweifel daran, dass nach dem Urteil Confédération paysanne u. a. die gezielte Mutagenese nicht gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 in Verbindung mit deren Anhang I B Nr. 1 vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen ist. Im Übrigen scheint allgemein anerkannt, dass sich dieses Verfahren nach dem Erlass der Richtlinie entwickelt hat.

27.

Der Gerichtshof hat sich hingegen nicht ausdrücklich zur Methode der In-vitro-Zufallsmutagenese geäußert. Genau diese Methode ist jedoch Gegenstand des Rechtsstreits im Ausgangsverfahren. Die Regelungsentwürfe, die die französische Regierung an die Kommission notifizierte, waren nämlich Gegenstand einer ausführlichen Stellungnahme der Kommission, weil in dem Dekretentwurf die In-vitro-Zufallsmutagenese von der Liste der Methoden ausgeschlossen wurde, die herkömmlich angewendet wurden, ohne nachweislich die öffentliche Gesundheit oder die Umwelt zu schädigen, und weil in den Verordnungsentwürfen die mit Hilfe dieser Methode erlangten Sorten aus dem französischen Pflanzensortenkatalog gestrichen wurden. Die Verzögerung bei der Annahme dieser Entwürfe aufgrund dieser ausführlichen Stellungnahme ist wiederum der Grund für den beim vorlegenden Gericht gestellten Antrag auf Zwangsvollstreckung.

28.

Die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits hängt somit von der Antwort auf die Frage ab, ob die Methode der In-vitro-Zufallsmutagenese vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/18 ausgeschlossen ist.

Zur Zulässigkeit

29.

FOP hält die vorliegende Vorlage zur Vorabentscheidung für unzulässig, da nach dem Urteil Confédération paysanne u. a. und im Licht der dem vorlegenden Gericht vorliegenden Informationen und wissenschaftlichen Daten kein vernünftiger Zweifel an der richtigen Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 in Verbindung mit deren Anhang I B Nr. 1 verbleibe. Konkret seien diese Bestimmungen im Kontext des Ausgangsverfahrens dahin auszulegen, dass diese Richtlinie nicht auf die In-vitro-Zufallsmutagenese anwendbar sei.

30.

Jedoch zeigen meiner Ansicht nach die diametral entgegengesetzten Positionen der Kläger des Ausgangsverfahrens auf der einen Seite sowie der französischen Regierung, von FOP selbst und der Kommission auf der anderen Seite meiner Meinung nach, dass weder die Auslegung des Urteils Confédération paysanne u. a. noch die Beurteilung der Fakten und der wissenschaftlichen Daten zur In-vitro-Zufallsmutagenese so klar sind, wie sie von der FOP dargestellt werden. Ich bin daher der Ansicht, dass berechtigte Zweifel bei der vom vorlegenden Gericht erbetenen Auslegung bestehen und diese Vorlage zur Vorabentscheidung zulässig ist. Dagegen werde ich wie unten dargelegt vorschlagen, die Vorlagefragen umzuformulieren, um dem vorlegenden Gericht eine für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben ( 18 ).

Vorbringen der Parteien

31.

Die Kläger des Ausgangsverfahrens weisen als Erstes auf die Bedeutung der Grundsätze des Vertrauensschutzes bei der Beibehaltung von Rechtsvorschriften zum Schutz der Gesundheit und der Umwelt, des Regressionsverbots auf dem Gebiet des Gesundheits- und Umweltschutzes sowie der Vorsorge im Rahmen der Auslegung und Anwendung der Richtlinie 2001/18 hin.

32.

Als Zweites machen die Kläger des Ausgangsverfahrens Unterschiede zwischen der In-vivo-Mutagenese und der In-vitro-Mutagenese geltend. Nicht nur wirken ihrer Ansicht nach Mutagene unterschiedlich, wenn sie auf einzelne Zellen oder ganze Pflanzen angewendet werden, sondern die In-vitro-Kultur selbst und die Neubildung der so in Pflanzen gezüchteten Zellen führten zu zusätzlichen genetischen Veränderungen, die als „somaklonale Variationen“ bezeichnet werden. Diese Veränderungen müssten jedoch auch bei der Bewertung der Auswirkungen der Methode der In-vitro-Mutagenese berücksichtigt werden, da sie potenzielle Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt mit sich brächten.

33.

Als Drittes schließlich tragen die Kläger des Ausgangsverfahrens vor, dass, mit Ausnahme einer Rapssorte, durch In-vitro-Zufallsmutagenese entstandene Pflanzen – neben transgenen Pflanzen – hauptsächlich nach dem Jahr 2001 entwickelt worden seien.

34.

Sowohl die FOP als auch die französische Regierung und die Kommission vertreten ihrerseits Standpunkte, die denen der Kläger des Ausgangsverfahrens entgegengesetzt sind. Als Erstes tragen diese Verfahrensbeteiligten im Wesentlichen vor, dass die In-vitro-Kultur ein sehr altes und wohlbekanntes Verfahren sei, das nicht speziell mit genetischer Veränderung in Verbindung gebracht werde. Seine Auswirkungen, einschließlich somaklonaler Variationen, seien ebenfalls wohlbekannt und brächten keine spezifischen Risiken für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt mit sich. Des Weiteren verändere die In-vitro-Kultur nichts an der Weise, auf die das Mutagen zum Auftreten von Mutationen führe. Abgesehen von der Häufigkeit und der Anzahl der erzeugten Mutationen führe somit die In-vitro-Zufallsmutagenese zu den gleichen Ergebnissen wie die In-vivo-Zufallsmutagenese, so dass es keine Grundlage für ihre rechtliche Unterscheidung gebe.

35.

Als Zweites bringen diese Verfahrensbeteiligten unter Anführung von Beispielen vor, dass aus der In-vitro-Mutagenese hervorgegangene Pflanzensorten, die wie Mais und Raps für die menschliche oder tierische Ernährung bestimmt seien, seit Anfang der 90er Jahre und damit lange vor dem Erlass der Richtlinie 2001/18 vermarktet worden seien.

Umformulierung der Vorlagefragen

36.

Dass ich die Ansichten und Argumente der Parteien wiedergebe, ist kein reiner Formalismus. Bei der Abfassung der Richtlinie 2001/18 bezeichnete der Unionsgesetzgeber eines der Verfahren, das von ihrem Anwendungsbereich ausgeschlossen war, mit dem klaren, wenn auch vielleicht nicht hinreichend präzisen Begriff „Mutagenese“. Im Urteil Confédération paysanne u. a. hat der Gerichtshof die Tragweite dieses Ausschlusses unter Bezugnahme auf den 17. Erwägungsgrund dieser Richtlinie eingeschränkt. Dieser Erwägungsgrund führt jedoch ein allgemeines und unzweideutiges Kriterium von Mutageneseverfahren oder ‑methoden an, „die herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurden und seit Langem als sicher gelten“ ( 19 ). Der Gerichtshof hat diesem ein weiteres Kriterium hinzugefügt, nämlich das der Mutageneseverfahren oder ‑methoden, „die seit dem Erlass der Richtlinie entstanden sind oder sich hauptsächlich entwickelt haben“ ( 20 ). Die Ansichten und Argumente der Parteien zeigen jedoch, wie komplex es ist, die Sicherheit eines Verfahrens oder einer Methode der genetischen Veränderung zu bewerten, und dass es mehrere unterschiedliche Auffassungen zu der wenn auch offenbar einfachen Frage geben kann, ob dieses Verfahren oder diese Methode seit Langem angewandt wird ( 21 ).

37.

In der vorliegenden Rechtssache ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof, den im Urteil Confédération paysanne u. a. vorgezeichneten Weg fortzusetzen, indem er die in diesem Urteil entwickelten Kriterien in zwei Punkten ergänzt. Diese sind der Charakter der hervorgerufenen Änderungen des Organismus und der Charakter der wissenschaftlichen Daten, die bei der Beurteilung, ob ein Verfahren oder eine Methode der genetischen Veränderung herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurde und seit Langem als sicher gilt, zu berücksichtigen seien.

38.

Diese Fragen sind zwar bei der Beurteilung der Sicherheit eines konkreten genetisch veränderten Organismus relevant, nicht aber bei der Bewertung der Sicherheit einer Technik oder Methode der genetischen Veränderung im Allgemeinen. Wie die Kommission zutreffend in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, ist es wichtig, diese beiden Prüfungen bei der Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2001/18 nicht miteinander zu verwechseln. Die vom vorlegenden Gericht vorgeschlagenen Prüfkriterien führen bei der Anwendung auf ein Verfahren oder eine Methode der genetischen Veränderung angesichts der Vielzahl verfügbarer und oft widersprüchlicher Daten und der unterschiedlichen Auffassungen, die auf diese Daten gestützt werden können, zwangsläufig zu unterschiedlichen und inkohärenten Lösungen.

39.

Das erste Beispiel für die Widersprüchlichkeiten, die auftreten können, findet sich bereits in der Entscheidung des Staatsrats vom 7. Februar 2020 und im Dekretentwurf, mit dem diese Entscheidung umgesetzt werden soll. Dieser Entscheidung zufolge müssen für Organismen, die mittels In-vitro-Zufallsmutagenese entstanden sind, „bei der in vitro kultivierte Pflanzenzellen Mutagenen ausgesetzt werden“, die Verpflichtungen aus der Richtlinie 2001/18 gelten. Es ist jedoch nicht klar, ob diese Erläuterung als die Definition des Conseil d’État (Staatsrat) für die In-vitro-Mutagenese oder als eine Einschränkung zu verstehen ist, die sich nur auf die In-vitro-Mutagenese an einzelnen Zellen bezieht, da dieses Verfahren auch an anderen Gebilden wie Protoplasten, Kallus oder Gewebe durchgeführt werden kann. Die Anwendung der Kriterien, die der Gerichtshof im Urteil Confédération paysanne u. a. bei der Beurteilung der Sicherheit der In-vitro-Mutagenese entwickelt hat, kann jedoch je nach dem Gebilde, das dieser Kultur unterzogen wird, zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, wodurch die Gefahr von Verwirrungen hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2001/18 entsteht ( 22 ).

40.

Ich teile daher die Auffassung der Kommission, dass es die Einheitlichkeit der Auslegung der Richtlinie 2001/18 in ihrem grundlegendsten Aspekt, nämlich ihrem Anwendungsbereich, notwendigerweise beeinträchtigen würde, wenn die Entscheidung darüber, welches Verfahren oder welche Methode der genetischen Veränderung herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurde und seit Langem als sicher gilt, auch bei Zuhilfenahme der zusätzlichen Kriterien, die eventuell aus der Antwort auf die Vorlagefragen in der vorliegenden Rechtssache hervorgehen, der Beurteilung durch die Behörden und die Gerichte der Mitgliedstaaten überlassen würde.

41.

Des Weiteren konnte sich der Gerichtshof, um zu der im Urteil Confédération paysanne u. a. getroffenen Schlussfolgerung zu gelangen, zum einen auf den 17. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/18 ( 23 ) und zum anderen auf die Tatsachenfeststellungen des vorlegenden Gerichts stützen, wonach „sich die mit dem Einsatz dieser neuen Verfahren/Methoden der Mutagenese verbundenen Risiken … als vergleichbar mit den bei der Erzeugung und Verbreitung von GVO durch Transgenese auftretenden Risiken erweisen [könnten]“ ( 24 ).

42.

Jedoch enthalten weder die Richtlinie 2001/18 noch die Akten, die dem Gerichtshof zur Verfügung stehen, Angaben, auf die der Gerichtshof die Regelungen stützen könnte, um die das vorlegende Gericht in der vorliegenden Rechtssache ersucht ( 25 ). Der Gerichtshof müsste daher diese Regelungen aus dem Nichts erschaffen, indem er die Fragen nicht rechtlich, sondern wissenschaftlich und faktisch beantwortet.

43.

Aufgrund dessen schlage ich dem Gerichtshof vor, die durch den 17. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/18 hervorgerufene Unklarheit zu beseitigen und endgültig über die Frage zu entscheiden, ob die In-vitro-Zufallsmutagenese vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen ist. Somit schlage ich vor, die Vorlagefragen in der vorliegenden Rechtssache so zu verstehen, dass sie im Wesentlichen die Frage betreffen, ob Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 in Verbindung mit deren Anhang I B Nr. 1 im Licht ihres 17. Erwägungsgrundes dahin auszulegen ist, dass die In-vitro-Zufallsmutagenese unter Anhang I B Nr. 1 der Richtlinie fällt.

Prüfung der umformulierten Fragen

44.

Ich weise vorab darauf hin, dass es meines Erachtens weder auf wissenschaftlicher noch auf rechtlicher Ebene einen Grund gibt, diese Frage zu verneinen.

Schlussfolgerungen aus den verfügbaren wissenschaftlichen Dokumenten

45.

Aus den Dokumenten, die im Rahmen des im Ausgangsverfahren fraglichen Gesetzgebungsverfahrens erstellt wurden, ergibt sich, dass eine Unterscheidung zwischen In-vivo- und In-vitro-Mutagenese aus wissenschaftlicher Sicht nicht relevant ist.

46.

Im Rahmen der Prüfung der von Frankreich notifizierten und in Nr. 17 der vorliegenden Schlussanträge erwähnten Regelungsentwürfe ersuchte die Kommission die EFSA um eine Stellungnahme. Der Abschlussbericht des Wissenschaftlichen GMO-Gremiums der EFSA wurde am 29. September 2021 angenommen ( 26 ).

47.

Im EFSA-Bericht vertrat das Wissenschaftliche GMO-Gremium die Auffassung, dass alle Verfahren der Zufallsmutagenese sowohl in vivo als auch in vitro angewandt werden können, auch wenn die Dosis des Mutagens oder die Dauer der Exposition variieren könne. Die molekularen Mechanismen, die an der induzierten Zufallsmutagenese beteiligt seien ( 27 ), seien die gleichen wie bei spontanen Mutationen. Da diese Mechanismen auf Zellebene stattfänden, sei es unerheblich, ob das Mutagen auf eine einzelne Zelle, ein in vitro gezüchtetes Gewebe oder auf einen Pflanzenteil in vivo wirke. Aus diesem Grund seien auch die Arten von Mutationen, die sich aus der In-vitro- und aus der In-vivo-Zufallsmutagenese ergäben, identisch ( 28 ).

48.

Der EFSA-Bericht geht auch auf die somaklonalen Variationen ein, die in der ersten Vorlagefrage genannt werden, und zwar nicht als Problem für die Sicherheit der In-vitro-Zufallsmutagenese, sondern als ein Mechanismus der In-vitro-Kultur selbst, der im Mutageneseprozess genutzt werden kann, indem er zusätzliche Mutationen hervorruft, aus denen anschließend die gesuchte Mutation selektiert werden kann. In dem Bericht werden weitere Vorteile der In-vitro-Kultur für die Zufallsmutagenese gegenüber der In-vivo-Kultur aufgeführt ( 29 ), u. a. die Einheitlichkeit des Prozesses und die leichtere Selektion der Mutationen, die von Interesse sind.

49.

Diese Besonderheiten der im Rahmen der Zufallsmutagenese verwendeten In-vitro-Kultur, einschließlich des Auftretens somaklonaler Variationen, ändern jedoch nichts an der Feststellung, dass die Ergebnisse einer solchen In-vivo- und einer solchen In-vitro-Mutagenese identisch sind. Das Wissenschaftliche GMO-Gremium gelangt zu dem Ergebnis, dass die Unterscheidung zwischen Sorten, die durch die In-vivo- und solchen, die durch die In-vitro-Zufallsmutagenese entstanden sind, nicht gerechtfertigt sei, da die gleichen Mutationen durch beide Verfahren erzielt werden können und die daraus resultierenden Mutanten nicht unterscheidbar seien ( 30 ).

50.

Zwar trifft es zu, dass die Vorlagefragen nicht die Unterschiede zwischen den gewonnenen Pflanzen, sondern die zwischen den zu ihrer Gewinnung angewandten Methoden betreffen. Dennoch soll die Richtlinie 2001/18 nicht die Methoden der genetischen Veränderung regeln, sondern ein Verfahren festlegen, mit dem die Freisetzung von mit Hilfe dieser Methoden gewonnenen Organismen in die Umwelt genehmigt wird. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der Richtlinie gemäß ihrem Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit ihrem Anhang I B Nr. 1 betrifft daher nicht die Mutagenese als solche, sondern die mit dieser Methode gewonnenen Organismen. Aufgrund der Übereinstimmung dieser Organismen ist eine unterschiedliche Behandlung der zu ihrer Gewinnung verwendeten Methoden folglich nicht gerechtfertigt.

51.

Die gleichen Schlussfolgerungen finden sich in der Stellungnahme des Wissenschaftlichen Ausschusses des HCB vom 29. Juni 2020, die im Rahmen des Verfahrens zur Ausarbeitung des in Nr. 17 der vorliegenden Schlussanträge angesprochenen Dekretentwurfs abgegeben wurde (im Folgenden: HCB-Stellungnahme) ( 31 ).

52.

Abgesehen von der Übereinstimmung der durch die In-vivo- und die In-vitro-Zufallsmutagenese induzierten Mutationen ist in der HCB-Stellungnahme angegeben, dass die gleichen Arten von Mutationen aus der In-vitro-Kultur ohne Mutagen (durch somaklonale Variationen) resultieren oder sogar spontan auf dem Feld auftreten können. In dieser Stellungnahme wird als Beispiel die Resistenz gegen bestimmte Herbizide angeführt, ein Merkmal, das auch bei den Rapssorten vorhanden ist, deren Streichung aus dem Katalog die französische Regierung im Rahmen der Umsetzung der Entscheidung des Conseil d’État vom 7. Februar 2020 in Erwägung zieht. Der Wissenschaftliche Ausschuss stellt im Ergebnis seiner Stellungnahme „keine biochemischen Unterschiede zwischen den Mutationen fest, unabhängig davon, ob sie durch In-vitro- oder In-vivo-Zufallsmutagenese, spontan oder auf ein- oder mehrzelligen Gebilden erlangt wurden“, und stellt klar, dass „[e]s … auch keine Unterschiede zwischen den mittels dieser Verfahren induzierten Phänotypen [gibt]“ ( 32 ). Er bedauert indessen, dass der ihm unterbreitete Dekretentwurf sich „ohne wissenschaftliche Grundlage“ auf die Gefährlichkeit einer Gesamtheit von Verfahren fokussiere, ohne die Auswirkung und die möglichen Folgen der generierten Merkmale zu erörtern, gleich welcher Art diese erlangt worden seien ( 33 ). Zu diesem letzten Gesichtspunkt ist festzustellen, dass dies die Entscheidung des Unionsgesetzgebers beim Erlass der Richtlinie 2001/18 war und es nicht möglich ist, sie im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu ändern, weder auf nationaler Ebene noch auf Ebene des Gerichtshofs.

53.

Zum zeitlichen Rahmen stellt der Wissenschaftliche Ausschuss des HCB fest, dass die In-Vitro-Mutagenese in den Jahren 1960 bis 1970 entwickelt wurde, einschließlich für einzelne Zellen ab dem Jahr 1974, darunter Rapssorten, die seit dem Jahr 1992 in großem Umfang vermarktet werden ( 34 ). Die In-vitro-Züchtung ohne Mutagen oder kombiniert mit induzierter Mutagenese soll bereits in den 80er Jahren eingesetzt worden sein, um Herbizidtoleranz zu erzielen. Des Weiteren liste die gemeinsame Datenbank für genetisch veränderte Arten der Internationalen Atomenergie-Organisation sowie der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, die nicht abschließend sei, da sie auf freiwilligen Eintragungen beruhe, etwa 100 Arten auf, die durch In-vitro-Mutagenese gewonnen worden seien, die Hälfte davon vor dem Jahr 2001 ( 35 ).

54.

Sofern der Wissenschaftliche Ausschuss des HCB die Frage somaklonaler Variationen erörtere, geschehe dies als ein Phänomen, das der In-vitro-Kultur eigen sei, die von sich aus genetische oder epigenetische Veränderungen hervorrufen könne, unabhängig davon, ob sie mit induzierter Mutagenese verbunden sei. Der Mechanismus dieser Mutationen sei der gleiche wie bei Mutationen, die durch Zufallsmutagenese hervorgerufen werden (und übrigens auch wie bei spontanen Veränderungen): Es handele sich um zahlreiche zufällige und unkontrollierte Veränderungen, und nur eine spätere Selektion ermögliche, diejenigen auszuwählen, die für die Landwirtschaft von Interesse seien ( 36 ).

55.

Aus dieser Passage der HCB-Stellungnahme lässt sich hingegen nicht ableiten, wie es das vorlegende Gericht in seinem Ersuchen tut, dass es „zwei gegensätzliche Ansätze“ gibt, nämlich den einen, der im EFSA-Bericht dargelegt wird und darin besteht, nur den Prozess zu berücksichtigen, durch den das genetische Material verändert wird, und den anderen, den sich das vorlegende Gericht zu eigen macht, aber kontextuell mit der HCB-Stellungnahme in Verbindung bringt, der darin besteht, alle Auswirkungen des verwendeten Prozesses auf den Organismus, u. a. somaklonale Variationen, zu berücksichtigen.

56.

Ganz im Gegenteil: Diese beiden wissenschaftlichen Dokumente nennen somaklonale Variationen und weisen unmissverständlich darauf hin, dass diese Variationen unabhängig von einem Mutagen auftreten können, die von ihnen hervorgerufenen Veränderungen aber von derselben Art sind wie die, die durch induzierte Mutagenese und durch spontane Mutationen entstehen. Allgemein kommen die EFSA und HCB zu dem Ergebnis, dass die Unterscheidung zwischen Pflanzen, die durch In-vitro-Mutagenese gewonnen wurden, und Pflanzen, die durch In-vivo-Mutagenese gewonnen wurden, nicht gerechtfertigt sei. Die Prämisse, auf der die erste Vorlagefrage beruht, nämlich, dass es eine Art von Veränderungen gebe, die speziell mit der In-vitro-Zufallsmutagenese verbunden sei, deren Risiko für die Gesundheit und für die Umwelt gesondert bewertet werden sollte, sowie die Unterscheidung, um die sich das vorlegende Gericht bemüht, zwischen der In-vivo- und der In-vitro-Zufallsmutagenese entbehren daher im Licht der angeführten Dokumente einer wissenschaftlichen Grundlage.

57.

Ich muss noch anmerken, dass die Kläger des Ausgangsverfahrens die in der HCB-Stellungnahme und im EFSA-Bericht getroffenen Schlussfolgerungen nicht ernsthaft bestreiten. Das Gutachten, das ihren Stellungnahmen in der vorliegenden Rechtssache beigefügt ist, konzentriert sich auf den Nachweis der spezifischen Auswirkungen der In-vitro-Zufallsmutagenese an einzelnen Zellen im Vergleich nicht nur zur In-vivo-Zufallsmutagenese, sondern auch zur In-vitro-Mutagenese an mehrzelligen Gebilden.

58.

Dennoch ist erstens unklar, ob die Entscheidung des Conseil d’État (Staatsrat) vom 7. Februar 2020 und der daraus entstandene Dekretentwurf so zu verstehen sind, dass sie sich auf die In-vitro-Zufallsmutagenese an einzelnen Zellen beschränken, da der Begriff „Pflanzenzellen“ nicht genau ist ( 37 ). Zweitens scheint es mir eindeutig dem Willen des Unionsgesetzgebers beim Erlass dieser Richtlinie zu widersprechen, den Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/18 nicht nur davon abhängig zu machen, ob es sich um eine In-vivo- oder eine In-vitro-Mutagenese handelt, sondern auch davon, ob sie auf einzelne Zellen oder auf mehrzellige Gebilde angewendet wurde. Dies gilt umso mehr, als die HCB-Stellungnahme und der EFSA-Bericht, die im Rahmen des im Ausgangsverfahren fraglichen Gesetzgebungsverfahrens erstellt wurden, eine solche Unterscheidung nicht stützen.

Rechtliche Konsequenzen

59.

Ebenso wie die Unterscheidung zwischen der In-vivo- und der In-vitro-Zufallsmutagenese wissenschaftlich nicht gerechtfertigt ist, ist die unterschiedliche Behandlung von Organismen, die mit Hilfe dieser beiden Verfahren gewonnen wurden, rechtlich nicht gerechtfertigt.

60.

Gemäß ihrem Art. 3 Abs. 1 gilt die Richtlinie 2001/18 nicht für Organismen, bei denen eine genetische Veränderung durch den Einsatz der in Anhang I B der Richtlinie aufgeführten Verfahren herbeigeführt wurde, u. a. die „Mutagenese“.

61.

Insoweit geht aus der HCB-Stellungnahme und dem EFSA-Bericht eindeutig hervor, dass es sich bei der In-vivo- und der In-vitro-Zufallsmutagenese nicht um zwei unterschiedliche Verfahren der genetischen Veränderung handelt, sondern um das gleiche Verfahren, nämlich die induzierte Zufallsmutagenese, die auf verschiedene Arten von Material wie ganze Organismen oder Teile von Organismen, Gewebe, Kallus, Zellen oder Protoplasten angewendet werden kann. Im Wortlaut der Richtlinie 2001/18 einschließlich ihrer Erwägungsgründe gibt es jedoch keinen Hinweis darauf, dass der Unionsgesetzgeber die Mutageneseverfahren nach dem Material, auf das die Mutagenese angewandt wurde, differenzieren wollte.

62.

Auch deutet nichts darauf hin, dass der Unionsgesetzgeber der Tatsache Bedeutung beigemessen hätte, dass ein Verfahren, das vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/18 ausgenommen ist, mit der In-vitro-Kultur in Verbindung gebracht wird. Wie die Kommission zu Recht vorträgt, werden sowohl das in Anhang I B Nr. 2 aufgeführte Verfahren (Zellfusion) als auch die in Anhang I A Teil 2 der Richtlinie aufgeführten Verfahren ( 38 ) (u. a. In-vitro-Befruchtung und Polyploidie‑Induktion) in vitro durchgeführt oder können in vitro durchgeführt werden, ohne dass dies zu einer unterschiedlichen Einordnung im Hinblick auf die genannte Richtlinie führt. Ich sehe keinen Grund, warum dies im Fall der Mutagenese anders sein sollte.

63.

Dieses Ergebnis wird durch das Urteil Confédération paysanne u. a. nicht in Frage gestellt. Zum einen hat der Gerichtshof, wie ich bereits ausgeführt habe ( 39 ), deutlich gemacht, dass die neuen Verfahren der gezielten Mutagenese nicht gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 von ihrem Anwendungsbereich ausgeschlossen sind. Dagegen enthält dieses Urteil keinen Hinweis dieser Art in Bezug auf die In-vitro-Zufallsmutagenese. Daher darf angenommen werden, dass das Urteil dieses Verfahren nicht erfasst.

64.

Zum anderen fallen nach dem Urteil Confédération paysanne u. a. Organismen unter Anhang I B Nr. 1 der Richtlinie 2001/18, die mit Verfahren oder Methoden der Mutagenese, die herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurden und seit Langem als sicher gelten, gewonnen wurden, im Gegensatz zu Verfahren, die seit dem Erlass der Richtlinie entstanden sind oder sich hauptsächlich entwickelt haben.

65.

Aus der HCB-Stellungnahme geht jedoch u. a. hervor, dass sowohl die In-vivo- als auch die In-vitro-Zufallsmutagenese lange vor dem Jahr 2001 bei der Züchtung von Pflanzensorten verwendet wurden und der Unionsgesetzgeber sie zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie 2001/18 sehr wohl kennen musste ( 40 ). Da die Mechanismen und Arten der genetischen Veränderungen, die sowohl durch die In-vivo- als auch durch die In-vitro-Zufallsmutagenese hervorgerufen werden, die gleichen sind, weisen des Weiteren diese beiden Anwendungsmodalitäten dieses Verfahrens keine Unterschiede in Bezug auf ihre Sicherheit auf, die im Sinne des Urteils Confédération paysanne u. a. seit Langem als sicher gilt.

Praktische Folgen

66.

In der HCB-Stellungnahme wird auf die praktischen Schwierigkeiten hingewiesen, die dabei entstünden, wenn auf Organismen, die aus einer In-vitro-Zufallsmutagenese hervorgegangen sind, rückwirkend die Verpflichtungen aus der Richtlinie 2001/18 angewandt werden sollten. In der Stellungnahme heißt es: „Es gibt keine Unterschiede auf molekularer Ebene, so dass im gegenwärtigen Rahmen der Kontrollmöglichkeiten, die auf molekularbiologischen Verfahren beruhen, die Rückverfolgbarkeit und die Zuordnung von Mutationen zu einem bestimmten Verfahren sehr kompliziert wären“ ( 41 ). Diese Feststellung findet ihren Widerhall in der Schlussfolgerung des EFSA-Berichts, wonach Mutanten, die durch In-vivo- und In-vitro-Zufallsmutagenese entstehen, nicht zu unterscheiden seien.

67.

Anders als bei den Verfahren der gezielten Mutagenese, die im Urteil Confédération paysanne u. a. ausdrücklich genannt wurden, wurden jedoch Sorten, die mit Hilfe des Verfahrens der In-vitro-Zufallsmutagenese gezüchtet wurden, in den gemeinsamen Katalog für Pflanzensorten aufgenommen, und sie werden im Hoheitsgebiet der Union angebaut. Da die charakteristischen Merkmale dieser Sorten denen von Sorten ähnlich sind, die durch In-vivo-Zufallsmutagenese oder sogar durch spontane Mutationen entstanden sind, könnte sich die praktische Anwendung möglicher Entscheidungen zur Streichung dieser Sorten aus dem Katalog als problematisch erweisen, ebenso wie die Kennzeichnung und Überwachung von Produkten, die aus diesen Sorten hervorgegangen sind.

68.

Schließlich halte ich es für wichtig, darauf hinzuweisen, dass der Ausschluss der In-vitro-Zufallsmutagenese vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/18 weder die aus diesem Verfahren hervorgegangenen Pflanzensorten und ihren Anbau noch die Produkte, die aus den zu diesen Sorten gehörenden Pflanzen gewonnen werden, jeglicher Kontrolle entzieht. Die Rechtsvorschriften über Pflanzenarten und ‑sorten, über die Verwendung von Pestiziden sowie über die Lebensmittelsicherheit etc. gelten nämlich weiterhin.

Vorgeschlagene Antwort

69.

In Anbetracht der dargelegten wissenschaftlichen, rechtlichen und praktischen Erwägungen schlage ich vor, auf die Vorlagefragen, wie sie in Nr. 43 der vorliegenden Schlussanträge umformuliert worden sind, zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18 in Verbindung mit deren Anhang I B Nr. 1 im Licht ihres 17. Erwägungsgrundes dahin auszulegen ist, dass die in In-vitro-Zufallsmutagenese unter Anhang I B Nr. 1 der Richtlinie fällt.

Ergebnis

70.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) gestellten Vorlagefragen wie folgt zu beantworten:

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates in Verbindung mit Anhang I B Nr. 1 dieser Richtlinie ist im Licht ihres 17. Erwägungsgrundes

dahin auszulegen, dass

die In-vitro-Zufallsmutagenese unter Anhang I B Nr. 1 der Richtlinie fällt.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Und auch Tiere, aber diese Frage ist nicht Gegenstand der vorliegenden Schlussanträge.

( 3 ) Es wäre genauer, von „induzierter Mutagenese“ zu sprechen. Ich werde jedoch den Begriff „Mutagenese“ verwenden, da dieser sowohl in den einschlägigen Rechtsvorschriften der Union als auch in der Rechtsprechung des Gerichtshofs verwendet wird.

( 4 ) Zellen ohne Zellwand.

( 5 ) Gegenwärtig ist eine einzige transgene Sorte für den Freilandanbau im Unionsgebiet zugelassen. Sie unterliegt jedoch in 19 Mitgliedstaaten, darunter Frankreich, einem vollständigen oder teilweisen Verbot.

( 6 ) ABl. 2001, L 106, S. 1.

( 7 ) ABl. 2015, L 241, S. 1.

( 8 ) C‑528/16, EU:C:2018:583 (im Folgenden: Urteil Confédération paysanne u. a.)

( 9 ) Urteil Confédération paysanne u. a. (Tenor zu 1., Abs. 2).

( 10 ) Die Richtlinie 2001/18 scheint im Bereich der genetischen Veränderung nicht zwischen den Begriffen „Verfahren“ und „Methoden“ zu unterscheiden. Während Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie den Begriff „Verfahren“ verwendet, wird in Anhang I B der Richtlinie der doppelte Begriff „Verfahren/Methoden“ gebraucht.

( 11 ) Urteil Confédération paysanne u. a. (Rn. 51).

( 12 ) Diese Stellungnahme ist auf der Website des HCB abrufbar.

( 13 ) Richtlinie des Rates vom 13. Juni 2002 über einen gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten (ABl. 2002, L 193, S. 1).

( 14 ) Richtlinie des Rates vom 13. Juni 2002 über den Verkehr mit Gemüsesaatgut (ABl. 2002, L 193, S. 33).

( 15 ) Zur Erinnerung: dasselbe wie in der vorliegenden Rechtssache.

( 16 ) Urteil Confédération paysanne u. a. (Rn. 47).

( 17 ) Urteil Confédération paysanne u. a. (Rn. 48).

( 18 ) Vgl. Nr. 43 der vorliegenden Schlussanträge.

( 19 ) Urteil Confédération paysanne u. a. (Tenor zu 1., Abs. 2).

( 20 ) Urteil Confédération paysanne u. a. (Rn. 51).

( 21 ) Vgl. in diesem Sinne bereits die Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache Confédération paysanne u. a. (C‑528/16, EU:C:2018:20, Nrn. 105 und 106).

( 22 ) In ihren schriftlichen Erklärungen weisen die Kläger des Ausgangsverfahrens auf die angeblich unterschiedlichen Wirkungen hin, die die In-vitro-Kultur auf einzelne Zellen im Vergleich zur In-vitro-Kultur mehrzelliger Gebilde haben soll.

( 23 ) Vgl. Rn. 44 bis 46 des Urteils. Nach diesem Erwägungsgrund sollte die Richtlinie 2001/18 „nicht für Organismen gelten, die mit Techniken zur genetischen Veränderung gewonnen werden, die herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurden und seit langem als sicher gelten“.

( 24 ) Vgl. Urteil Confédération paysanne u. a. (Rn. 47 und 48).

( 25 ) Insbesondere die beiden im Rahmen des Ausgangsverfahrens erstellten wissenschaftlichen Berichte (vgl. Nrn. 46 bis 56 der vorliegenden Schlussanträge), die sich mit den Unterschieden und Ähnlichkeiten zwischen der In-vivo-Zufallsmutagenese und der In-vitro-Zufallsmutagenese befassen, ermöglichen es nicht oder nur indirekt, die Vorlagefragen, wie sie vom vorlegenden Gericht formuliert wurden, zu beantworten.

( 26 ) EFSA Panel on Genetically Modified Organisms, „In vivo and in vitro random mutagenesis techniques in plants“, EFSA Journal, 2021;19(11):6611 (im Folgenden: EFSA-Bericht).

( 27 ) D. h. die Veränderung und die Reparatur der DNA.

( 28 ) Vgl. Schlussfolgerungen des EFSA-Berichts, S. 21.

( 29 ) Vgl. EFSA-Bericht, S. 11.

( 30 ) Vgl. Schlussfolgerungen des EFSA-Berichts, S. 21.

( 31 ) Was die Empfehlung des Wirtschafts‑, Ethik- und Sozialausschusses des HCB betrifft, so hatte dieser festgestellt, dass der fragliche Dekretentwurf insgesamt mit dem Unionsrecht sowie mit der Entscheidung des Conseil d’État (Staatsrat) vom 7. Februar 2020 in Einklang stehe. Der Ausschuss hat jedoch nicht im Einzelnen die Frage geprüft, ob die In-vitro-Zufallsmutagenese gemäß dem Urteil Confédération paysanne u. a. von Anhang I B Nr. 1 der Richtlinie 2001/18 erfasst wird. Vielmehr stützte er sich auf den Tenor zu 3. dieses Urteils, wonach es den Mitgliedstaaten freisteht, die Organismen, die vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen sind, den in der Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen oder anderen Verpflichtungen zu unterwerfen.

( 32 ) HCB-Stellungnahme, S. 7.

( 33 ) HCB-Stellungnahme, S. 6.

( 34 ) HCB-Stellungnahme, S. 5 und 6.

( 35 ) HCB-Stellungnahme, S. 18 und 19.

( 36 ) „Da die biochemischen Mechanismen der Mutationsinduktion bei spontanen Mutationen, bei induzierter In-vivo- oder In-vitro-Mutagenese und bei der In-vitro-Kultur (somaklonale Variationen) die gleichen sind – jedes Mutagen induziert bevorzugt eine der Formen der spontanen Mutagenese –, wird erwartet, dass unabhängig vom Ansatz potenziell die gleichen Arten genetischer und phänotypischer Varianten erzeugt werden. Welcher Ansatz gewählt wird, hängt von der erwarteten Häufigkeit der induzierten Mutationen, von der Neubildungsfähigkeit des in vitro verwendeten Materials und vor allem von den Bedingungen/dem Stand und der Einfachheit der Selektion des angestrebten Phänotyps ab.“ Vgl. Zusammenfassung auf S. 6 der HCB-Stellungnahme. Auf die somaklonalen Variationen wird auf den S. 23 und 24 der HCB-Stellungnahme ausführlicher eingegangen.

( 37 ) Vgl. Nr. 39 der vorliegenden Schlussanträge.

( 38 ) Verfahren, bei denen nicht davon auszugehen ist, dass sie zu einer genetischen Veränderung führen.

( 39 ) Vgl. Nrn. 24 bis 27 der vorliegenden Schlussanträge.

( 40 ) Vgl. Nr. 53 der vorliegenden Schlussanträge.

( 41 ) HCB-Stellungnahme, S. 30.