SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

ATHANASIOS RANTOS

vorgelegt am 17. November 2022 ( 1 )

Rechtssache C‑628/21

TB,

Beteiligte:

Castorama Polska Sp. z o.o.,

„Knor“ Sp. z o.o.

(Vorabentscheidungsersuchen des Sąd Okręgowy w Warszawie [Regionalgericht Warschau, Polen])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Angleichung der Rechtsvorschriften – Richtlinie 2004/48/EG – Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums – Art. 4 – Zur Beantragung der Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe befugte Personen – Art. 8 Abs. 1 – Verfahren wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums – Verkauf rechtsverletzender Waren – Urheberrecht und verwandte Schutzrechte – Recht des Antragstellers auf Auskunft über den Ursprung und die Vertriebswege der Waren – Frage der Notwendigkeit eines vom Antragsteller zu erbringenden Nachweises, dass er der Inhaber des Rechts des geistigen Eigentums ist“

I. Einleitung

1.

Ein Unternehmen vertreibt Reproduktionen von grafischen Darstellungen ohne die Zustimmung der Person, die behauptet, der Urheber dieser Darstellungen zu sein. Die Person stellt bei Gericht einen Antrag wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG ( 2 ), der ein Verfahrensrecht begründet, das den effektiven Schutz des geistigen Eigentums gewährleisten soll ( 3 ). Muss die Person nachweisen, dass sie der Inhaber des betreffenden Rechts des geistigen Eigentums ist, oder muss sie dies nur glaubhaft machen? Dies ist im Wesentlichen die vom Sąd Okręgowy w Warszawie (Regionalgericht Warschau, Polen) gestellte Frage.

2.

Die vorliegende Rechtssache gibt dem Gerichtshof Anlass, im Licht seiner Rechtsprechung zu prüfen, welches Beweismaß im Rahmen eines Antrags auf Auskunft über den Ursprung und die Vertriebswege von Waren oder Dienstleistungen auf der Grundlage des in Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48 vorgesehenen Rechts auf Auskunft erforderlich ist. Zur Beantwortung der gestellten Frage ist eine Abwägung zwischen dem Recht auf Auskunft der Inhaber des geistigen Eigentums einerseits und dem Schutz des Beklagten vor einer missbräuchlichen Ausnutzung dieses Rechts andererseits vorzunehmen.

II. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht

3.

Die Erwägungsgründe 10 und 17 der Richtlinie 2004/48 lauten:

„(10)

Mit dieser Richtlinie sollen [die] Rechtsvorschriften [der Mitgliedstaaten] einander angenähert werden, um ein hohes, gleichwertiges und homogenes Schutzniveau für geistiges Eigentum im Binnenmarkt zu gewährleisten.

(17)

Die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe sollten in jedem Einzelfall so bestimmt werden, dass den spezifischen Merkmalen dieses Falles, einschließlich der Sonderaspekte jedes Rechts an geistigem Eigentum und gegebenenfalls des vorsätzlichen oder nicht vorsätzlichen Charakters der Rechtsverletzung gebührend Rechnung getragen wird.“

4.

In Art. 1 („Gegenstand“) der Richtlinie 2004/48 heißt es:

„Diese Richtlinie betrifft die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe, die erforderlich sind, um die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sicherzustellen. …“

5.

Das Kapitel II („Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe“) der Richtlinie 2004/48 umfasst die Art. 3 bis 15. Art. 3 („Allgemeine Verpflichtung“) der Richtlinie bestimmt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten sehen die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe vor, die zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, auf die diese Richtlinie abstellt, erforderlich sind. Diese Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe müssen fair und gerecht sein, außerdem dürfen sie nicht unnötig kompliziert oder kostspielig sein und keine unangemessenen Fristen oder ungerechtfertigten Verzögerungen mit sich bringen.

(2)   Diese Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe müssen darüber hinaus wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein und so angewendet werden, dass die Einrichtung von Schranken für den rechtmäßigen Handel vermieden wird und die Gewähr gegen ihren Missbrauch gegeben ist.“

6.

Art. 4 („Zur Beantragung der Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe befugte Personen“) der Richtlinie 2004/48 sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten räumen den folgenden Personen das Recht ein, die in diesem Kapitel vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zu beantragen:

a)

den Inhabern der Rechte des geistigen Eigentums im Einklang mit den Bestimmungen des anwendbaren Rechts,

b)

allen anderen Personen, die zur Nutzung solcher Rechte befugt sind, insbesondere Lizenznehmern, soweit dies nach den Bestimmungen des anwendbaren Rechts zulässig ist und mit ihnen im Einklang steht,

c)

Verwertungsgesellschaften mit ordnungsgemäß anerkannter Befugnis zur Vertretung von Inhabern von Rechten des geistigen Eigentums, soweit dies nach den Bestimmungen des anwendbaren Rechts zulässig ist und mit ihnen im Einklang steht,

d)

Berufsorganisationen mit ordnungsgemäß anerkannter Befugnis zur Vertretung von Inhabern von Rechten des geistigen Eigentums, soweit dies nach den Bestimmungen des anwendbaren Rechts zulässig ist und mit ihnen im Einklang steht.“

7.

Art. 8 („Recht auf Auskunft“) Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/48 lautet:

„(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Gerichte im Zusammenhang mit einem Verfahren wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums auf einen begründeten und die Verhältnismäßigkeit wahrenden Antrag des Klägers hin anordnen können, dass Auskünfte über den Ursprung und die Vertriebswege von Waren oder Dienstleistungen, die ein Recht des geistigen Eigentums verletzen, von dem Verletzer und/oder jeder anderen Person erteilt werden, die

a)

nachweislich rechtsverletzende Ware in gewerblichem Ausmaß in ihrem Besitz hatte,

b)

nachweislich rechtsverletzende Dienstleistungen in gewerblichem Ausmaß in Anspruch nahm,

c)

nachweislich für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen in gewerblichem Ausmaß erbrachte,

oder

d)

nach den Angaben einer in Buchstabe a), b) oder c) genannten Person an der Herstellung, Erzeugung oder am Vertrieb solcher Waren bzw. an der Erbringung solcher Dienstleistungen beteiligt war.

(2)   Die Auskünfte nach Absatz 1 erstrecken sich, soweit angebracht, auf

a)

die Namen und Adressen der Hersteller, Erzeuger, Vertreiber, Lieferer und anderer Vorbesitzer der Waren oder Dienstleistungen, sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren;

b)

Angaben über die Mengen der hergestellten, erzeugten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Waren und über die Preise, die für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen gezahlt wurden.“

B.   Polnisches Recht

8.

Art. 278 § 1 der Ustawa – Kodeks postępowania cywilnego (Gesetz über die Zivilprozessordnung) vom 17. November 1964 in ihrer auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung ( 4 ) (im Folgenden: Zivilprozessordnung) lautet:

„In Fällen, in denen besondere Kenntnisse erforderlich sind, kann das Gericht nach Anhörung der Parteien hinsichtlich der Anzahl und der Auswahl der Sachverständigen einen oder mehrere Sachverständige zur Begutachtung hinzuziehen.“

9.

Art. 47989 der Zivilprozessordnung sieht vor:

„§ 1.   Die Bestimmungen dieses Abschnitts gelten in Rechtssachen, die den Schutz von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, den Schutz von gewerblichen Schutzrechten und den Schutz anderer Rechte an immateriellen Gütern betreffen (Rechtssachen des geistigen Eigentums).

§ 2.   Als Rechtssachen des geistigen Eigentums im Sinne dieses Abschnitts gelten auch Rechtssachen betreffend:

1)

die Verhinderung und Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs;

…“

10.

Art. 479112 der Zivilprozessordnung bestimmt:

„Die Bestimmungen über den [zur Auskunft] Verpflichteten gelten für jede Person, einschließlich des Beklagten, die über die in Artikel 479113 genannten Informationen verfügt oder Zugang zu ihnen hat.“

11.

Art. 479113 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung lautet:

„§ 1.   Auf Antrag des Rechtsinhabers kann das Gericht, wenn der Rechtsinhaber das Vorliegen von Umständen glaubhaft macht, die auf eine Verletzung [eines Rechts des geistigen Eigentums] hindeuten, vor der Einleitung eines Verfahrens wegen der Verletzung oder während eines solchen Verfahrens bis zum Ende der mündlichen Verhandlung in erster Instanz den Verletzer auffordern, Auskunft über den Ursprung und die Vertriebswege von Waren oder Dienstleistungen zu erteilen, wenn dies für die Geltendmachung des Anspruchs erforderlich ist.

§ 2.   Hat das Gericht vor der Einleitung eines Verfahrens wegen der Verletzung zur Erteilung von Auskünften aufgefordert, so ist dieses Verfahren spätestens einen Monat nach der Durchführung des Beschlusses über die Aufforderung zur Auskunftserteilung einzuleiten.“

III. Ausgangsverfahren, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

12.

TB ist eine natürliche Person, die über ihre Onlineshops Dekorationsartikel vertreibt. Im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit verkauft sie von ihr maschinell hergestellte Reproduktionen, die eine unkomplizierte Grafik darstellen, die sich aus ein paar Farben, geometrischen Figuren und kurzen Sätzen zusammensetzt. Hierbei enthalten die Abbildungen A, B und C (im Folgenden: in Rede stehende Reproduktionen) die folgenden Sätze: „Mój dom moje zasady“ („Mein Haus. Meine Regeln.“), „Nie ma ludzi idealnych a jednak jestem“ („Niemand ist perfekt – und doch bin ich es.“) bzw. „W naszym domu rano słychać tupot małych stopek. Zawsze pachnie pysznym ciastem. Mamy dużo obowiązków, mnóstwo zabawy i miłości“ („In unserem Haus hört man morgens das Trippeln kleiner Füße. Es duftet immer nach leckerem Kuchen. Wir haben viele Pflichten, viel Spaß und viel Liebe.“). TB beruft sich darauf, dass sie der Urheber der von ihr reproduzierten Abbildungen sei, bei denen es sich um Werke im Sinne des Urheberrechts handle.

13.

Originalgetreue Kopien der Abbildungen A und B werden ohne Zustimmung von TB in den stationären Geschäften sowie im Onlineshop der Castorama Polska Sp. z o.o. (im Folgenden: Castorama) verkauft, an die sie von der Knor Sp. z o.o (im Folgenden: Knor) geliefert werden. Bei diesen Abbildungen enthalten weder die von TB stammenden Reproduktionen noch die von Castorama angebotenen Reproduktionen Angaben zu ihrer Urheberschaft oder ihrer Herkunft. Castorama verkauft auch Reproduktionen, die ihr von Knor geliefert werden und den gleichen Text enthalten wie die Abbildung C, sich davon jedoch hinsichtlich der Grafik und der Schriftart unterscheiden. Am 13. Oktober 2020 forderte TB Castorama auf, die Verletzungen der Verwertungsrechte und des Urheberpersönlichkeitsrechts an den von ihr hergestellten Werken, die Castorama ohne ihre Zustimmung verkaufte, einzustellen.

14.

Am 15. Dezember 2020 rief TB den Sąd Okręgowy w Warszawie (Regionalgericht Warschau), das vorlegende Gericht, auf der Grundlage von Art. 479113 der Zivilprozessordnung an. TB beantragte im Rahmen dieses Verfahrens, Castorama und Knor aufzuerlegen, ihr in Bezug auf die in Rede stehenden Reproduktionen Auskünfte über die Vertriebswege und die Menge der erhaltenen und bestellten Waren zu erteilen, eine vollständige Aufstellung der Lieferanten vorzulegen und das Datum des Verkaufsbeginns der Waren in den stationären Läden und im Onlineshop von Castorama sowie die Menge und den mit dem Verkauf der Waren erzielten Preis, aufgeschlüsselt nach dem stationären Verkauf und dem Onlineverkauf, mitzuteilen. TB berief sich auf ihre urheberrechtlichen Verwertungsrechte und ihr Urheberpersönlichkeitsrecht an den in Rede stehenden Reproduktionen und gab an, die begehrten Auskünfte seien erforderlich, um eine Klage wegen Verletzung ihrer Urheberrechte und, hilfsweise, eine Klage auf Schadensersatz wegen unlauteren Wettbewerbs zu erheben.

15.

Castorama beantragte, den Antrag auf Auskunft abzuweisen, hilfsweise, eine möglichst eng gefasste Entscheidung zu erlassen, die strikt auf Werke im Sinne des Urheberrechts beschränkt ist, wobei sie bestritt, dass die in Rede stehenden Reproduktionen als „Werke“ eingestuft werden können. Sie berief sich ferner auf den Schutz des Betriebsgeheimnisses und machte geltend, dass TB nicht nachgewiesen habe, dass ihr die urheberrechtlichen Verwertungsrechte an diesen Reproduktionen zustünden. Castorama ist der Ansicht, die geistigen Werke, auf die sich der Antrag von TB beziehe, seien keine originalen Werke und TB habe nicht nachgewiesen, dass die Voraussetzung eines neuen Werks erfüllt sei. Dem Antrag von TB stattzugeben, würde daher bedeuten, dass urheberrechtlicher Schutz für Entwürfe und Ideen gewährt würde, denn bei den in Rede stehenden Reproduktionen handle es sich dem derzeitigen Trend folgend um sogenannte „einfache Motivationsgrafiken“ mit banalen Texten. Castorama war außerdem der Ansicht, dass alle grafischen Elemente der in Rede stehenden Reproduktionen banal und monoton seien und sich durch nichts Originelles im Bereich der Komposition, der Farben oder der verwendeten Schriftarten von den anderen auf dem Markt verfügbaren Grafiken hervorhöben.

16.

TB brachte auf dieses Vorbringen hin keine Beweisangebote vor, um das Bestehen eines Rechts des geistigen Eigentums an den in Rede stehenden Reproduktionen auf der Grundlage von besonderen Kenntnissen (Sachverständigengutachten) auf dem Gebiet Grafik und Design nachzuweisen. Bei den Beweisen, die TB in ihrem Antrag vom 15. Dezember 2020 vorgelegt hatte, handelte es sich um Ausdrucke von Seiten mit Artikeln, die in ihren Onlineshops zum Verkauf angeboten wurden, und um Rechnungen über Verkäufe seit 2014 sowie um Ausdrucke von Seiten des Internetauftritts von Castorama und Rechnungen über den Kauf von Abbildungen in deren Onlineshop.

17.

Bei der Prüfung des Antrags von TB stellte sich dem vorlegenden Gericht die Frage, wie Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48 auszulegen ist, insbesondere, ob die Rechtsnatur des betreffenden Gegenstands, auf den sich der Antrag auf Auskunft bezieht, bewiesen oder nur glaubhaft gemacht werden muss, in Anbetracht dessen, dass die Art. 6 und 7 dieser Richtlinie unterschiedliche Begrifflichkeiten verwenden und sich Art. 4 der Richtlinie auf die „Inhaber der Rechte des geistigen Eigentums“ bezieht. Die Zweifel des vorlegenden Gerichts bezogen sich auch auf die Möglichkeit, unterschiedliche Beweismaßstäbe in Bezug auf die Einstufung der in Rede stehenden Reproduktionen anzuwenden, nämlich ob es sich um Werke handelt oder nicht, und damit auf die Aktivlegitimation von TB.

18.

Das vorlegende Gericht erklärt, Art. 479113 der Zivilprozessordnung diene der Umsetzung von Art. 8 der Richtlinie 2004/48 und Art. 47989 der Zivilprozessordnung, der den Bereich der Rechtssachen des geistigen Eigentums definiere, erwähne in seinem § 2 Nr. 1 Rechtssachen betreffend die „Verhinderung und Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs“. Unter Verweis auf den 13. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/48 ( 5 ) betont das vorlegende Gericht, dass es, auch wenn die polnische Rechtsprechung diese Frage noch nicht eindeutig beantwortet habe, für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens von einer Auslegung ausgehe, wonach das nationale Recht zu innerstaatlichen Zwecken die Anwendung dieser Richtlinie auf Handlungen des unlauteren Wettbewerbs ausgeweitet habe, bei denen die Produkte exakt kopiert würden, selbst wenn diese Produkte nicht einem ausschließlichen Recht wie den sich aus dem Urheberrecht ergebenden Rechten unterfielen. Danach gebe es für den die Abbildungen A und B betreffenden Teil des Antrags keine Probleme mit der Auslegung des Unionsrechts, da TB nachgewiesen habe, dass Castorama Reproduktionen verkauft habe, bei denen es sich um originalgetreue Kopien dieser Abbildungen gehandelt habe.

19.

Die Entscheidung über den Antrag in Bezug auf die Abbildung C erfordere jedoch eine Auslegung des Unionsrechts, da die von Castorama verkaufte Reproduktion keine originalgetreue Kopie dieser Abbildung sei. Es sei zwar derselbe Text verwendet und seine Positionierung auf der Seite beibehalten worden, doch seien andere grafische Elemente und andere Schriftarten verwendet worden. Nach der polnischen Rechtsprechung, die mit der des Gerichtshofs übereinstimme ( 6 ), sei es Sache des angerufenen Gerichts, das Merkmal der Schöpfungshöhe eines Werks zu prüfen. In diesem Zusammenhang ist das vorlegende Gericht der Ansicht, dass auf ein Sachverständigengutachten zurückgegriffen werden müsse, wenn der Sachverhalt kompliziert sei und die Erfahrung des Richters nicht genüge, wobei die Beweislast im Allgemeinen der Antragsteller trage und der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens auch von dieser Partei gestellt werden müsse.

20.

In der polnischen Rechtslehre würden zwei gegensätzliche Ansichten zur Auslegung von Art. 479113 der Zivilprozessordnung vertreten, nämlich zum einen, dass der Antragsteller nachweisen müsse, dass er der Inhaber des betreffenden Rechts des geistigen Eigentums sei, und zum anderen, dass er die Verletzung des geschützten Rechts nicht nachweisen, sondern nur glaubhaft machen müsse, da der Antrag auf Auskunft auch einem Dritten gegenüber geltend gemacht werden könne.

21.

Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48 in Verbindung mit deren Art. 4 dahin auszulegen, dass er sich auf eine Maßnahme zum Schutz der Rechte des geistigen Eigentums bezieht, die nur ergriffen werden kann, wenn die Inhaberschaft des Rechts des geistigen Eigentums nachgewiesen ist. Es reiche nicht aus, dass glaubhaft gemacht werde, dass diese Maßnahme ein bestehendes Recht des geistigen Eigentums betreffe, da dieser Umstand nachgewiesen werden müsse, insbesondere wenn der Antrag auf Auskunft über den Ursprung und die Vertriebswege von Waren oder Dienstleistungen vor der Erhebung einer Klage auf Schadensersatz wegen Verletzung der Rechte des geistigen Eigentums gestellt werde.

22.

Vor diesem Hintergrund hat der Sąd Okręgowy w Warszawie (Regionalgericht Warschau) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 der Richtlinie 2004/48 dahin auszulegen, dass er sich auf eine Maßnahme zum Schutz der Rechte des geistigen Eigentums bezieht, die nur dann ergriffen werden kann, wenn in dem betreffenden oder einem anderen Verfahren festgestellt wird, dass dem Rechtsinhaber ein Recht des geistigen Eigentums zusteht?

Falls die erste Vorlagefrage verneint wird:

2.

Ist Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 der Richtlinie 2004/48 dahin auszulegen, dass die Glaubhaftmachung genügt, dass die betreffende Maßnahme sich auf ein bestehendes Recht des geistigen Eigentums bezieht, und kein Beweis darüber erbracht werden muss, insbesondere wenn die Erteilung von Auskünften über den Ursprung und die Vertriebswege von Waren oder Dienstleistungen gefordert wird, bevor Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums geltend gemacht werden?

23.

Castorama, die polnische und die österreichische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

IV. Würdigung

A.   Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

24.

Die österreichische Regierung hat in ihren schriftlichen Erklärungen Zweifel an der Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens geäußert. Sie hat geltend gemacht, die Einstufung der in Rede stehenden Reproduktionen als „Werke“ sei als Rechtsfrage im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits zu untersuchen. Hierbei stünden dem vorlegenden Gericht die Reproduktionen zur Verfügung und ihre spezifische Aufmachung und Gestaltung seien klar und unbestritten. Die Beantwortung der Frage, welches Beweismaß im Rahmen von Art. 8 der Richtlinie 2004/48 anzuwenden sei, sei daher für die Entscheidung dieses Rechtsstreits nicht erforderlich.

25.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Infolgedessen spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht. Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind ( 7 ).

26.

Im vorliegenden Fall hat das vorlegende Gericht festgestellt, dass die Abbildung C nicht originalgetreu kopiert worden sei. Hierbei hatte das vorlegende Gericht das Merkmal der Schöpfungshöhe des Werks zu prüfen. Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass auf ein Sachverständigengutachten zurückgegriffen werden müsse, wenn der Sachverhalt kompliziert sei und die Erfahrung des Richters nicht genüge. Darüber hinaus habe TB keine Beweisangebote vorgebracht, um das Bestehen eines Rechts des geistigen Eigentums auf der Grundlage von besonderen Kenntnissen, die ein Sachverständigengutachten erfordern würden, nachzuweisen. Das vorlegende Gericht möchte daher wissen, ob Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48 dahin auszulegen ist, dass er sich auf eine Maßnahme zum Schutz der Rechte des geistigen Eigentums bezieht, die nur ergriffen werden kann, wenn die Verletzung des Rechts des geistigen Eigentums des Rechtsinhabers nachgewiesen ist, soweit das betreffende nationale Gericht mangels besonderer Kenntnisse nicht in der Lage ist, eine eigene Beurteilung ohne Hilfe eines Sachverständigen vorzunehmen. Wäre dies der Fall, müsste der von TB gestellte Antrag auf Auskunft zurückgewiesen werden, wenn kein Beweisverfahren geführt wird, in dem die antragstellende Partei aktiv an der Erbringung des Nachweises beteiligt ist.

27.

In Anbetracht dieses rechtlichen und tatsächlichen Hintergrunds, vor dem das vorlegende Gericht dargelegt hat, dass eine Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils erforderlich sei, ist festzustellen, dass es nicht offensichtlich ist, dass die erbetene Auslegung in keinem Zusammenhang mit dem Ausgangsrechtsstreit stünde oder das aufgeworfene Problem hypothetischer Natur wäre. Unter diesen Umständen bin ich der Ansicht, dass das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen zulässig ist.

B.   Zur Beantwortung der Vorlagefragen

28.

Mit seinen beiden Vorlagefragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48 dahin auszulegen ist, dass der Antragsteller (Kläger) im Zusammenhang mit einem Verfahren wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums nachweisen muss, dass er der Inhaber des betreffenden Rechts des geistigen Eigentums ist, oder ob es ausreicht, dass er glaubhaft macht, dass er der Inhaber dieses Rechts ist, insbesondere wenn der Antrag auf Auskunft vor der Erhebung einer Schadensersatzklage wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums gestellt wird.

29.

Castorama sowie die polnische und die österreichische Regierung schlagen vor, diese Fragen dahin zu beantworten, dass der Antragsteller nachweisen muss, dass er der Inhaber des betreffenden Rechts des geistigen Eigentums ist. Nach Ansicht der Kommission reicht es hingegen aus, dass der Antragsteller mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachweist, dass sich sein Antrag auf Auskunft auf ein bestehendes Recht des geistigen Eigentums bezieht.

30.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/48 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die zuständigen Gerichte im Zusammenhang mit einem Verfahren wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums auf einen begründeten und die Verhältnismäßigkeit wahrenden Antrag des Klägers bzw. Antragstellers hin anordnen können, dass Auskünfte über den Ursprung und die Vertriebswege von Waren oder Dienstleistungen, die ein Recht des geistigen Eigentums verletzen, von dem Verletzer und/oder jeder anderen Person erteilt werden, die nachweislich rechtsverletzende Ware in gewerblichem Ausmaß in ihrem Besitz hatte.

31.

Im vorliegenden Fall möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein Antragsteller in einem Verfahren wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48 nachweisen muss, dass er der Inhaber des betreffenden Rechts des geistigen Eigentums ist.

32.

Ihrem Wortlaut nach sieht diese Bestimmung an sich keine solche Verpflichtung für den Antragsteller vor. Da der Antrag auf Auskunft jedoch „begründet“ sein muss, folgt hieraus, dass der Antrag eine Begründung enthalten muss, die hinreichende tatsächliche und rechtliche Angaben in Bezug auf das geltend gemachte Recht des geistigen Eigentums enthält.

33.

Wie das vorlegende Gericht darlegt, ist Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48 in Verbindung mit Art. 4 dieser Richtlinie zu lesen, wonach eine Person, die die in Kapitel II der Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe beantragt, zu einer der vier in Art. 4 Buchst. a bis d dieser Richtlinie genannten Kategorien von Personen, Gesellschaften oder Organisationen gehören muss. Zu diesen Kategorien gehören erstens die Inhaber der Rechte des geistigen Eigentums, zweitens alle anderen Personen, die zur Nutzung solcher Rechte befugt sind, insbesondere Lizenznehmer, drittens Verwertungsgesellschaften mit ordnungsgemäß anerkannter Befugnis zur Vertretung von Inhabern von Rechten des geistigen Eigentums und viertens Berufsorganisationen mit ordnungsgemäß anerkannter Befugnis zur Vertretung von Inhabern von Rechten des geistigen Eigentums. Im Unterschied zu den in Art. 4 Buchst. a der Richtlinie 2004/48 genannten Inhabern der Rechte des geistigen Eigentums müssen jedoch nach dem 18. Erwägungsgrund ( 8 ) dieser Richtlinie die drei in Art. 4 Buchst. b bis d der Richtlinie genannten Personengruppen außerdem ein unmittelbares Interesse an der Verteidigung dieser Rechte haben und klagebefugt sein, soweit dies nach den Bestimmungen des anwendbaren Rechts zulässig ist und mit ihnen im Einklang steht ( 9 ).

34.

Da in Art. 4 Buchst. a der Richtlinie 2004/48 von den „Inhabern der Rechte des geistigen Eigentums“ die Rede ist, könnte diese Bestimmung dahin verstanden werden, dass der Antragsteller im Rahmen der Anwendung von Art. 8 dieser Richtlinie tatsächlich nachweisen muss, dass er der Inhaber des Rechts des geistigen Eigentums ist.

35.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshof folgt jedoch aus den Erfordernissen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitssatzes, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen, die unter Berücksichtigung nicht nur ihres Wortlauts, sondern auch des Kontexts der Vorschrift und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziels gefunden werden muss ( 10 ).

36.

Zum Kontext von Art. 8 der Richtlinie 2004/48 ist festzustellen, dass gemäß Art. 6 („Beweise“) Abs. 1 der Richtlinie die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die zuständigen Gerichte auf Antrag einer Partei, die alle vernünftigerweise verfügbaren Beweismittel zur hinreichenden Begründung ihrer Ansprüche vorgelegt und die in der Verfügungsgewalt der gegnerischen Partei befindlichen Beweismittel zur Begründung ihrer Ansprüche bezeichnet hat, die Vorlage dieser Beweismittel durch die gegnerische Partei anordnen können, sofern der Schutz vertraulicher Informationen gewährleistet wird. Nach Art. 7 („Maßnahmen zur Beweissicherung“) Abs. 1 der Richtlinie stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die zuständigen Gerichte selbst vor Einleitung eines Verfahrens in der Sache auf Antrag einer Partei, die alle vernünftigerweise verfügbaren Beweismittel zur Begründung ihrer Ansprüche, dass ihre Rechte an geistigem Eigentum verletzt worden sind oder verletzt zu werden drohen, vorgelegt hat, schnelle und wirksame einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der rechtserheblichen Beweismittel hinsichtlich der behaupteten Verletzung anordnen können, sofern der Schutz vertraulicher Informationen gewährleistet wird. Gemäß Art. 9 („Einstweilige Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen“) Abs. 3 der Richtlinie müssen die Gerichte im Falle der Maßnahmen nach Art. 9 Abs. 1 und 2 befugt sein, dem Antragsteller aufzuerlegen, alle vernünftigerweise verfügbaren Beweise vorzulegen, um sich mit ausreichender Sicherheit davon überzeugen zu können, dass der Antragsteller der Rechtsinhaber ist und dass das Recht des Antragstellers verletzt wird oder dass eine solche Verletzung droht.

37.

Daher sieht die Richtlinie 2004/48, obwohl sie die „Inhaber der Rechte des geistigen Eigentums“ unter den Personen anführt, die zur Beantragung der in Kapitel II der Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe befugt sind, ausdrücklich vor, dass ein Antragsteller gemäß den Art. 6, 7 und 9 der Richtlinie alle vernünftigerweise verfügbaren Beweismittel zur hinreichenden Begründung seiner Ansprüche vorlegen kann, d. h., ohne nachweisen zu müssen, dass er der Inhaber des betreffenden Rechts des geistigen Eigentums ist. Ich bin daher der Ansicht, dass der Begriff „Inhaber der Rechte des geistigen Eigentums“ im Sinne von Art. 4 der Richtlinie 2004/48 nicht dahin verstanden werden kann, dass er den Antragsteller verpflichtet, nachzuweisen, dass er der Inhaber des Rechts des geistigen Eigentums ist, auf das er sich im Rahmen eines nach Art. 8 der Richtlinie eingeleiteten Verfahrens wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums beruft.

38.

Hinsichtlich des mit der Richtlinie 2004/48 verfolgten Ziels geht aus deren Erwägungsgründen 10 und 13 hervor, dass dieses Ziel darin besteht, die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten einander anzunähern, um ein hohes, gleichwertiges und homogenes Schutzniveau für geistiges Eigentum im Binnenmarkt zu gewährleisten, und dass der Anwendungsbereich der Richtlinie so breit wie möglich gewählt werden muss, damit er alle Rechte des geistigen Eigentums erfasst, die den diesbezüglichen Vorschriften des Unionsrechts oder den Rechtsvorschriften der jeweiligen Mitgliedstaaten unterliegen ( 11 ). Außerdem besteht das Ziel der Richtlinie 2004/48 nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs darin, dass die Mitgliedstaaten namentlich in der Informationsgesellschaft den effektiven Schutz des geistigen Eigentums sicherstellen ( 12 ). Ferner geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass die Bestimmungen der Richtlinie 2004/48 darauf abzielen, diejenigen Aspekte im Zusammenhang mit Rechten des geistigen Eigentums zu regeln, die zum einen eng mit ihrer Durchsetzung verbunden sind und zum anderen Verletzungen dieser Rechte betreffen, indem sie das Vorhandensein wirksamer Rechtsbehelfe vorschreiben, die dazu bestimmt sind, jede Verletzung eines bestehenden Rechts des geistigen Eigentums zu verhüten, abzustellen oder zu beheben ( 13 ).

39.

Darüber hinaus ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, um ein hohes Schutzniveau für geistiges Eigentum zu gewährleisten, eine Auslegung abzulehnen, die das in Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48 vorgesehene Recht auf Auskunft nur im Rahmen eines Verfahrens anerkennt, in dem es um die Feststellung der Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums geht, denn die Gewährleistung eines solchen Schutzniveaus wäre gefährdet, wenn es nicht möglich wäre, dieses Auskunftsrecht auch in einem gesonderten Verfahren auszuüben, das erst nach dem rechtskräftigen Abschluss eines Verfahrens, in dem die Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums festgestellt wird, eingeleitet wird ( 14 ). Dem Gerichtshof zufolge gelten die gleichen Erwägungen für ein der Schadensersatzklage vorausgehendes gesondertes Verfahren zu dem Zweck, gegen die mutmaßlichen Rechtsverletzer zielgerichtet gerichtlich vorgehen zu können ( 15 ).

40.

Der Gerichtshof hat außerdem entschieden, dass das in Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48 vorgesehene Auskunftsrecht das in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verbürgte Grundrecht auf einen wirksamen Rechtsbehelf konkretisiert und dadurch die wirksame Ausübung des Grundrechts auf Eigentum sicherstellt, zu dem das durch Art. 17 Abs. 2 der Charta geschützte Recht des geistigen Eigentums gehört. Mit Hilfe dieses Auskunftsrechts kann der Inhaber eines Rechts des geistigen Eigentums herausfinden, wer dieses Recht verletzt, und die erforderlichen Maßnahmen zu seinem Schutz ergreifen, wie etwa die Beantragung einstweiliger Maßnahmen gemäß Art. 9 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/48 oder Schadensersatz gemäß Art. 13 dieser Richtlinie. Ohne die vollständige Kenntnis, in welchem Ausmaß sein Recht des geistigen Eigentums verletzt ist, wäre der Inhaber dieses Rechts nämlich nicht in der Lage, den ihm aufgrund der Verletzung zustehenden Schadensersatz genau zu bestimmen oder zu berechnen ( 16 ).

41.

Aus dieser gesamten Rechtsprechung geht klar hervor, dass zwischen der Funktion eines Antrags auf Auskunft nach Art. 8 der Richtlinie 2004/48 und der einer Klage auf Feststellung einer Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums zu unterscheiden ist. Insbesondere in dem Fall, auf den das vorlegende Gericht in seiner zweiten Vorlagefrage abstellt, nämlich wenn der Antrag auf Auskunft vor der Erhebung einer Schadensersatzklage wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums gestellt wird, ist dieser Antrag ein gesondertes und vorbereitendes Instrument, um eine vollständige Kenntnis über das Ausmaß der Verletzung des Rechts des geistigen Eigentums zu erlangen, um gegebenenfalls zielgerichtet eine Klage zur Beseitigung dieser Verletzung erheben zu können.

42.

In diesem Stadium des Verfahrens kann von einem Antragsteller nicht verlangt werden, dass er, um antragsbefugt zu sein, nachweist, dass er der Inhaber des betreffenden Rechts des geistigen Eigentums ist. Wäre dies der Fall, unterläge der in Art. 8 der Richtlinie 2004/48 vorgesehene Antrag auf Auskunft denselben Beweisanforderungen wie eine Klage auf Feststellung einer Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums, obwohl er eine andere Funktion hat. Da das in Art. 8 vorgesehene gesonderte Verfahren eine Besonderheit des Unionsrechts ( 17 ) darstellt, würde es in einem solchen Fall seinen praktischen Nutzen weitgehend verlieren.

43.

Unter diesen Umständen bin ich der Ansicht, dass im Rahmen der Anwendung von Art. 8 der Richtlinie 2004/48 der Antragsteller durch die Vorlage hinreichender Beweise glaubhaft machen muss, dass er der Inhaber des betreffenden Rechts des geistigen Eigentums ist, ohne dies nachweisen zu müssen, insbesondere wenn der Antrag auf Auskunft vor der Erhebung einer Schadensersatzklage wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums gestellt wird.

44.

Im vorliegenden Fall legt das vorlegende Gericht dar, dass es im Ausgangsverfahren um das Urheberrecht von TB geht. In diesem Zusammenhang enthält die Richtlinie 2004/48 zwar keine Definition der Rechte des geistigen Eigentums, die in ihren Anwendungsbereich fallen, aber in der Erklärung der Kommission zu Art. 2 der Richtlinie 2004/48 ( 18 ) wird näher ausgeführt, dass nach der Auffassung der Kommission das Urheberrecht zu diesen Rechten gehört. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht ebenfalls hervor, dass das Urheberrecht unter den Begriff „geistiges Eigentum“ im Sinne dieser Richtlinie fällt ( 19 ).

45.

Nach dem 17. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/48 sollten die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe in jedem Einzelfall so bestimmt werden, dass den spezifischen Merkmalen dieses Falles gebührend Rechnung getragen wird. In diesem Zusammenhang wird im 19. Erwägungsgrund dieser Richtlinie ( 20 ) betont, dass das Urheberrecht ab dem Zeitpunkt der Werkschöpfung besteht und nicht förmlich eingetragen werden muss. Hinsichtlich dieses Rechts geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Richtlinie 2001/29/EG ( 21 ) hervor, dass der Begriff „Werk“ zwei Bestandteile hat. Zum einen muss es sich um ein Original handeln, das eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers ist, und zum anderen muss eine solche Schöpfung zum Ausdruck gebracht werden. Was den ersten Bestandteil anbelangt, kann ein Gegenstand erst bzw. bereits dann als Original angesehen werden, wenn er die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidungen zum Ausdruck bringt. Was den zweiten Bestandteil angeht, setzt der Begriff „Werk“ im Sinne der Richtlinie 2001/29 zwangsläufig einen mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbaren Gegenstand voraus ( 22 ). Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob TB durch die Vorlage hinreichender Beweise glaubhaft gemacht hat, dass sie der Inhaber des Urheberrechts an der Abbildung C ist, was die von Castorama vertriebene Reproduktion anbelangt.

46.

Hinzuzufügen ist, dass die Richtlinie 2004/48 einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Rechtsinhaber am Schutz ihres in Art. 17 Abs. 2 der Charta verankerten Rechts am geistigen Eigentum auf der einen Seite und dem Schutz der Interessen und Grundrechte der Nutzer von Schutzgegenständen sowie dem Allgemeininteresse auf der anderen Seite schaffen soll. Was konkret Art. 8 dieser Richtlinie betrifft, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass mit dieser Bestimmung die Beachtung verschiedener Rechte miteinander in Einklang gebracht werden soll, insbesondere das Recht der Rechtsinhaber auf Auskunft und das Recht der Nutzer auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten ( 23 ).

47.

In demselben Sinne bestimmt Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48, dass die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe fair und gerecht sein müssen und außerdem nicht unnötig kostspielig sein dürfen. Darüber hinaus müssen diese Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe gemäß Art. 3 Abs. 2 wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein und so angewendet werden, dass die Gewähr gegen ihren Missbrauch gegeben ist. Diese Bestimmung verpflichtet somit die Mitgliedstaaten und letztlich die nationalen Gerichte, Garantien dafür zu bieten, dass insbesondere der in Art. 8 der Richtlinie 2004/48 vorgesehene Antrag auf Auskunft nicht missbräuchlich verwendet wird ( 24 ).

48.

Es ist somit Sache des vorlegenden Gerichts, die Begründetheit des Antrags auf Auskunft zu beurteilen und zu prüfen, ob der Antragsteller diesen Antrag nicht missbräuchlich verwendet hat. Zu diesem Zweck muss es alle objektiven Umstände der Rechtssache, einschließlich des Verhaltens der Parteien, gebührend berücksichtigen ( 25 ). Sollte das Gericht zu der Feststellung gelangen, dass ein Rechtsmissbrauch gegeben ist, müsste es das in Art. 8 der Richtlinie 2004/48 vorgesehene Recht auf Auskunft versagen ( 26 ).

49.

Nach alledem bin ich der Ansicht, dass Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48 dahin auszulegen ist, dass der Antragsteller (Kläger) im Zusammenhang mit einem Verfahren wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums durch die Vorlage hinreichender Beweise glaubhaft machen muss, dass er der Inhaber des betreffenden Rechts des geistigen Eigentums ist, ohne dies nachweisen zu müssen, insbesondere wenn der Antrag auf Auskunft vor der Erhebung einer Schadensersatzklage wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums gestellt wird. Das nationale Gericht muss auch die Begründetheit dieses Antrags beurteilen und alle objektiven Umstände der Rechtssache, einschließlich des Verhaltens der Parteien, gebührend berücksichtigen, insbesondere um zu prüfen, ob der Antragsteller diesen Antrag nicht missbräuchlich verwendet hat.

V. Ergebnis

50.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen des Sąd Okręgowy w Warszawie (Regionalgericht Warschau, Polen) wie folgt zu antworten:

Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums

ist dahin auszulegen, dass

der Antragsteller (Kläger) im Zusammenhang mit einem Verfahren wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums durch die Vorlage hinreichender Beweise glaubhaft machen muss, dass er der Inhaber des betreffenden Rechts des geistigen Eigentums ist, ohne dies nachweisen zu müssen, insbesondere wenn der Antrag auf Auskunft vor der Erhebung einer Schadensersatzklage wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums gestellt wird. Das nationale Gericht muss auch die Begründetheit dieses Antrags beurteilen und alle objektiven Umstände der Rechtssache, einschließlich des Verhaltens der Parteien, gebührend berücksichtigen, insbesondere um zu prüfen, ob der Antragsteller diesen Antrag nicht missbräuchlich verwendet hat.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. 2004, L 157, S. 45, berichtigt in ABl. 2004, L 195, S. 16). Zu dieser Richtlinie vgl. Petillion, F., und Heirwegh, A., „Genesis, Adoption and Application of European Directive 2004/48/EC“, in Enforcement of Intellectual Property Rights in the EU Member States, Petillion, F. (Hrsg.), Intersentia, Antwerpen, 2019, S. 1 bis 48.

( 3 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Cruz Villalón in der Rechtssache Coty Germany (C‑580/13, EU:C:2015:243, Nr. 24).

( 4 ) Dz. U. 2020, Position 1575.

( 5 ) Dieser Erwägungsgrund lautet: „Der Anwendungsbereich dieser Richtlinie muss so breit wie möglich gewählt werden, damit er alle Rechte des geistigen Eigentums erfasst, die den diesbezüglichen Gemeinschaftsvorschriften und/oder den Rechtsvorschriften der jeweiligen Mitgliedstaaten unterliegen. Dieses Erfordernis hindert die Mitgliedstaaten jedoch nicht daran, die Bestimmungen dieser Richtlinie bei Bedarf zu innerstaatlichen Zwecken auf Handlungen auszuweiten, die den unlauteren Wettbewerb einschließlich der Produktpiraterie oder vergleichbare Tätigkeiten betreffen“.

( 6 ) Urteil vom 16. Juli 2009, Infopaq International (C‑5/08, EU:C:2009:465).

( 7 ) Vgl. Urteil vom 6. Oktober 2022, HV (Aussetzung der Fahrerlaubnis) (C‑266/21, EU:C:2022:754, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 8 ) In diesem Erwägungsgrund heißt es: „Die Befugnis, die Anwendung dieser Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zu beantragen, sollte nicht nur den eigentlichen Rechtsinhabern eingeräumt werden, sondern auch Personen, die ein unmittelbares Interesse haben und klagebefugt sind, soweit dies nach den Bestimmungen des anwendbaren Rechts zulässig ist und mit ihnen im Einklang steht; hierzu können auch Berufsorganisationen gehören, die mit der Verwertung der Rechte oder mit der Wahrnehmung kollektiver und individueller Interessen betraut sind.“

( 9 ) Vgl. Urteil vom 17. Juni 2021, M.I.C.M. (C‑597/19, EU:C:2021:492, Rn. 63 und 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 10 ) Vgl. Urteil vom 2. Juni 2022, T. N. und N. N. (Erklärung über die Ausschlagung der Erbschaft) (C‑617/20, EU:C:2022:426, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 11 ) Urteil vom 18. Dezember 2019, IT Development (C‑666/18, EU:C:2019:1099, Rn. 38).

( 12 ) Urteil vom 18. Dezember 2019, IT Development (C‑666/18, EU:C:2019:1099, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 13 ) Urteil vom 28. April 2022, Phoenix Contact (C‑44/21, EU:C:2022:309, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 14 ) Urteil vom 18. Januar 2017, NEW WAVE CZ (C‑427/15, EU:C:2017:18, Rn. 24).

( 15 ) Urteil vom 17. Juni 2021, M.I.C.M. (C‑597/19, EU:C:2021:492, Rn. 82). Daher sieht Art. 479113 § 2 der Zivilprozessordnung vor: „Hat das Gericht vor der Einleitung eines Verfahrens wegen der Verletzung zur Erteilung von Auskünften aufgefordert, so ist dieses Verfahrens spätestens einen Monat nach der Durchführung des Beschlusses über die Aufforderung zur Auskunftserteilung einzuleiten.“

( 16 ) Vgl. Urteile vom 18. Januar 2017, NEW WAVE CZ (C‑427/15, EU:C:2017:18, Rn. 25), und vom 17. Juni 2021, M.I.C.M. (C‑597/19, EU:C:2021:492, Rn. 83).

( 17 ) Wie es in dem von der Kommission am 30. Januar 2003 vorgelegten Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Maßnahmen und Verfahren zum Schutz der Rechte an geistigem Eigentum (KOM[2003] 46 endgültig, S. 16) heißt, hatte ein solches Recht auf Auskunft nur in die Rechtsordnungen weniger Mitgliedstaaten Eingang gefunden, nämlich in das deutsche Immaterialgüterrecht und in das Markenrecht der Benelux-Staaten.

( 18 ) ABl. 2005, L 94, S. 37.

( 19 ) Vgl. z. B. Urteil vom 18. Dezember 2019, IT Development (C‑666/18, EU:C:2019:1099).

( 20 ) In diesem Erwägungsgrund heißt es: „Da das Urheberrecht ab dem Zeitpunkt der Werkschöpfung besteht und nicht förmlich eingetragen werden muss, ist es angezeigt, die in Artikel 15 der Berner Übereinkunft enthaltene Bestimmung zu übernehmen, wonach eine Rechtsvermutung dahin gehend besteht, dass der Urheber eines Werkes der Literatur und Kunst die Person ist, deren Name auf dem Werkstück angegeben ist. …“

( 21 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. 2001, L 167, S. 10).

( 22 ) Vgl. Urteil vom 11. Juni 2020, Brompton Bicycle (C‑833/18, EU:C:2020:461, Rn. 22 bis 25).

( 23 ) Vgl. Urteil vom 9. Juli 2020, Constantin Film Verleih (C‑264/19, EU:C:2020:542, Rn. 37 und 38 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss vom 29. November 2017, Leitfaden zu bestimmten Aspekten der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (COM[2017] 708 final, S. 12), in der es heißt, dass „die zuständigen Gerichte im Hinblick auf die Gewährleistung einer ausgewogenen Anwendung des zivilrechtlichen Systems zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums stets eine Einzelfallbewertung vornehmen [sollten], wenn sie erwägen, die in der [Richtlinie 2004/48] vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe einzusetzen“.

( 24 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. April 2022, Phoenix Contact (C‑44/21, EU:C:2022:309, Rn. 43).

( 25 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. September 2019, Bayer Pharma (C‑688/17, EU:C:2019:722, Rn. 70).

( 26 ) Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache M.I.C.M. (C‑597/19, EU:C:2020:1063, Nr. 121).